Dortmund: Führte unterlassene Hilfeleistung durch RTW-Besatzung zum Tod eines 45-Jährigen?

  • Bereits am 07. Juli 2012 verstarb auf einer Dortmunder Polizeiwache der 45-jährige Schwarzafrikaner Ousman Sey, inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft, die Angehörigen des Mannes wollen anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen und haben Organisationen gegen Polizeigewalt und Rassismus eingeschaltet.
    Ousman Sey alarmierte am frühen Samstagmorgen den Rettungsdienst, da er sich schlecht fühlte. Die eingetroffene RTW-Besatzung untersuchte ihn laut einem Bericht der Waltroper Zeitung auch mittels eines EKG und stellte bei dem 45-Jährigen eine Tachykardie fest, worauf sie ihm erklärten, dass dies noch kein Fall für ein Krankenhaus sei und er sich ausruhen solle. Sollte es schlimmer werden, solle er sich noch einmal melden. Eine halbe Stunde später wurde erneut der Rettungsdienst alarmiert, da sich sein Zustand verschlechtert hatte. Ousman Sey hätte "gekrampft", so die Aussage seines Bruders, bei dem sich Sey zu diesem Zeitpunkt aufhielt. Dabei war er auch aggressiv und zertrümmerte eine Scheibe, weshalb vermutlich Mitbewohner des Hauses die Polizei alarmierten, die zeitgleich mit dem Rettungswagen eintraf. Gegenüber den Beamten erklärte die RTW-Besatzung erneut, dass Ousman Sey kein Fall für ein Krankenhaus sei, wobei eine anwesende Nachbarin - von Beruf Gesundheits- und Krankenpflegerin - die Polizei darauf hinwies, dass der 45-Jährige ins Krankenhaus gehöre. Die Polizeibeamten nahmen den in Handschellen gefesselten und sich heftig wehrenden Sey jedoch mit und erklärten, dass ihn ein Polizeiarzt untersuchen werde. Auf der Polizeiwache eingetroffen brach Ousman Sey, der auch alkoholkrank war, schließlich sofort zusammen und erlitt einen Atemstillstand.


    Die Staatsanwaltschaft spricht in der Waltroper Zeitung von einer "ganz undurchsichtigen Geschichte", diverse Anti-Rassismus-Organisationen erheben Vorwürfe an die Polizei und die Feuerwehr Dortmund. Angehörige und Freunde des Verstorbenen äußerten in der lokalen Presse den Verdacht auf eine Unterlassene Hilfeleistung durch den Rettungsdienst und Polizei aus rassistischen Motiven.
    Inzwischen hat sich auch ein Kardiologe - der Lüdenscheider Herzspezialist Prof. Dr. med. Bernd Lemke, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Klinikum Lüdenscheid - zu Wort gemeldet:


    Zitat

    Im Gegensatz zur Aussage des Feuerwehr-Chefs Dirk Aschenbrenner gehört es hoffentlich nicht zum Standard der Dortmunder Feuerwehr, bei festgestelltem Herzrasen den Patienten in der Wohnung zu belassen bzw. von der Polizei in Gewahrsam nehmen zu lassen.
    Herzrasen ist immer als bedrohliches Symptom zu werten. Die Unterscheidung zwischen gefährlichem und ungefährlichem Herzrasen kann letztlich nur nach ärztlicher Untersuchung getroffen werden, auch der Umstand, ob das Herzrasen nicht Ausdruck einer bedrohlichen Erkrankung ist.


    Er kann nicht nachvollziehen, weshalb einem Mann, der über Herzrasen klagt, die Einweisung in ein Krankenhaus verweigert wird.
    Am gestrigen Freitagabend forderten 250 Menschen bei einer Demonstration in der Dortmunder Innenstadt die Aufklärung der Todesumstände: http://aid.blogsport.de/2012/0…g-warum-starb-ousman-sey/



    Quellen:
    http://www.waltroper-zeitung.d…Ousman-Sey;art1330,787077
    http://de.indymedia.org/2012/07/332491.shtml
    http://www.publikative.org/201…ezialist-erhebt-vorwurfe/


    Ähnliche Fälle zum Thema:
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  • :hmm:

    Zitat

    Die eingetroffene RTW-Besatzung untersuchte ihn laut einem Bericht der Waltroper Zeitung
    auch mittels eines EKG und stellte bei dem 45-Jährigen eine Tachykardie
    fest, worauf sie ihm erklärten, dass dies noch kein Fall für ein
    Krankenhaus sei und er sich ausruhen solle.

    ..was war es denn nun? Tachycardie oder Herzrasen?


    ..und dann noch dies:

    Zitat

    Dabei war er auch aggressiv und zertrümmerte eine Scheibe, weshalb vermutlich Mitbewohner des Hauses die Polizei alarmierten,

    ...hätte er auch selbstständig ein Krankenhaus aufsuchen können?


    alles recht undurchsichtig, weil die entscheidenden Informationen fehlen.


    Schlimm sind eher die Rassismusvorwürfe, die sofort laut werden, weil etwas schiefgelaufen ist und bedauerlicherweise es sich diesmal um einen Afrikaner gehandelt hat.

  • Schlimm ist, dass ein Mensch gestorben ist.


    PS: Herzrasen ist der umgangssprachliche Begriff für Tachykardie

    What I cannot create, I do not understand. (Richard Feynman)


    Mein Name ist Hans, das L steht für Gefahr.

  • Es gibt sicherlich multiple Faktoren die bei einem Alkoholabusus eine Tachykardie auslösen können. Dieses gehört für mich abgeklärt, wenn keine ersichtliche physiologische Tachykardie als Kompensation vorliegt und im Zweifel immer einem Internisten etc. vorgestellt.


    Die Anschuldigungen in die Richtung der Rassenfeindlichkeit finde ich sehr gewagt, kann das aber nicht von hier beurteilen ob das der Grund der "laschen" Untersuchung war oder ob es der klassische Alkoholabusus war. (CIRS lässt grüßen!)

  • Solche Meldungen werden wieder vermehrt dazu führen, dass man jeden Patienten in ein Krankenhaus bringt, um ja keinen Fehler zu machen, wenn man das unterlässt. Dann schiebt man das Problem einen Schritt weiter und die Kollegen im KH müssen entscheiden, was sie mit dem Patienten machen, sollte er dann von hier entlassen werden, steht in der Zeitung, dass ein schlimm herzkranker Mensch einfach ohne Untersuchung entlassen wurde.


    Ich kenne diesen Fall nicht, ich weiß auch nicht, was dabei rauskommt, aber es passiert ab und an, dass Menschen sterben. Sie sterben zu Hause, im Rettungswagen (sehr sehr selten), auf der Straße, in der Wohnung, im Park oder auch im Krankenhaus. Nicht immer kann man das verhindern und nicht immer muss zwingend ein Schuldiger ausgemacht werden. Aber immer schön die Angst schüren, dann brauchen wir wieder größere Notaufnahmen. Übrigens ist es mir auch schon passiert, dass ich einen Patienten zu Hause gelassen habe und dieser noch in der Nacht gestorben ist. Ich habe ihn aber nicht umgebracht.

  • @ Basti
    ...Du sprichst mir aus der Seele. Schöner Beitrag.


    @ Zoidberg und CP

    Zitat

    Herzrasen ist der umgangssprachliche Begriff für Tachykardie

    Das Gefühl des "Herzrasens" wird häufig von Patienten bei einem Hypertonus und beschleunigten Herzschlag verspührt. Erregungszustände können hierfür z.B. auch der Auslöser sein. Oftmals sind dabei die Vitalwerte noch im "grünen Bereich." Letztendlich ist die Information hier so ungenau, das sie m. E. gar nicht verwertet werden kann.

  • @ Basti
    ...Du sprichst mir aus der Seele. Schöner Beitrag.


    @ Zoidberg und CP

    Das Gefühl des "Herzrasens" wird häufig von Patienten bei einem Hypertonus und beschleunigten Herzschlag verspührt. Erregungszustände können hierfür z.B. auch der Auslöser sein. Oftmals sind dabei die Vitalwerte noch im "grünen Bereich." Letztendlich ist die Information hier so ungenau, das sie m. E. gar nicht verwertet werden kann.


    Offensichtlich hatte der Patient ein medizinisches Problem (auch Alkoholismus und Errungszustände zählen dazu) und hat nach professioneller Hilfe gerufen, welche er nicht erhalten hat.....

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
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    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • E
    Die Anschuldigungen in die Richtung der Rassenfeindlichkeit finde ich sehr gewagt, kann das aber nicht von hier beurteilen ob das der Grund der "laschen" Untersuchung war oder ob es der klassische Alkoholabusus war. (CIRS lässt grüßen!)


    Ich nicht, da (leider) Menschen mit dunkler Hautfarbe in D. doch deutlich skeptischer betrachtet werden als welche mit heller und immer wieder Benachteiligungen aufgrund ihrer Hautfarbe erfahren. Da ist der gedankliche Sprung bei etwas, dass auch bei jedem anderen hätte passieren können, zur "Rassenfeindlichkeit" sehr kurz.


    (Ich habe zwei dunkle Kollegen/Freunde. So häufig wie die pro Jahr ihren Ausweis der Polizei zeigen müssen (und über die dann verwendete, massiv simplifizierte deutschen Sprache ganz zu schweigen) habe ich meinen in meinem ganzen Leben noch nicht zücken müssen.)

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    James Elroy Flecker

  • Ich kann das natürlich nur von meiner warte aus sehen und ich trete dort jedem hautcolorid gleich entgegen. Habe es bei ex kollegen auch nie anders bemerkt, doch mag das sicherlich anders möglich sein.

  • Wenn sich dies tatsächlich so abgespielt hat, stellt sich mir die grundlegende Frage, warum der Patient dann nicht selbstständig in ein Krankenhaus gegangen, bzw. vom Bruder gebracht wurde. Zumindest war er in der Lage, eine Scheibe einzuschlagen! Und kräftemäßig konnte er auch noch Widerstand bei der Polizei leisten.


    Irgendwie wirkt das alles für mich ein wenig konstruiert.....und ich wage mal zu behaupten, das der Patient in der Initialphase zumindest nicht viatal gefährdet gewesen ist.


    @ condorp

    Zitat

    (Ich habe zwei dunkle Kollegen/Freunde. So häufig wie die pro Jahr ihren
    Ausweis der Polizei zeigen müssen (und über die dann verwendete, massiv
    simplifizierte deutschen Sprache ganz zu schweigen) habe ich meinen in
    meinem ganzen Leben noch nicht zücken müssen.)

    ...das ist sicher nicht ganz von der Hand zu weisen, allerdings ist es vielmals ein Wechselspiel. In meinem RDB sind die Hauptmasse der Patienten ausländischer Herkunft und die lassen es sehr oft ziemlich krachen. Läuft es nicht so, wie sich dieses Klientel es wünscht, ist man sehr schnell ein Nazi oder Rassist.

  • Zitat

    Zumindest war er in der Lage, eine Scheibe einzuschlagen!

    Wenn er wirklich gekrampft haben sollte könnte das auch postikal gewesen sein. Mir hat mal einer nach einem Krampfanfall einen Kiosk zerlegt, das war äußerst unschön. Und ihm im Nachhinein super peinlich... der konnte sich zwar kaum auf den Beinen halten, um sich schlagen und schreien hat aber geklappt.

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  • Wenn sich dies tatsächlich so abgespielt hat, stellt sich mir die grundlegende Frage, warum der Patient dann nicht selbstständig in ein Krankenhaus gegangen, bzw. vom Bruder gebracht wurde.


    Vielleicht, weil man auf die gewagte Idee kam, dass der Rettungsdienst dafür zuständig sein könnte, akut erkrankte Personen ins Krankenhaus zu bringen?


    J. :hmm:

  • Vielleicht, weil man auf die gewagte Idee kam, dass der Rettungsdienst dafür zuständig sein könnte, akut erkrankte Personen ins Krankenhaus zu bringen?


    J. :hmm:


    Tja.... Ist das wirklich die Aufgabe des RD? Patienten ins KH zu bringen?
    Anscheinend ist reines ins KH bringen ja unter der Würde des RD. Unterhalb von Einsätzen, in denen erweiterte Maßnahmen angewendet werden können, ist ja offensichtlich nIchts für den RD..... (Achtung, Polemik!)




    Im Ernst:
    Wenn man sich diesen Fall durchliest, schreit einen eine bestimmte Diagnose geradezu an....

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    James Elroy Flecker

  • Sicherlich auch möglich, es fehlen hier halt doch elementare Informationen.


    Die elementarste Info ist, dass jemand mehrfach nach Hilfe gerufen hat, diese nicht erhalten hat, und nun tot ist.... Folglich ist da etwas massiv schief gelaufen.
    Vielleicht war es eine Verkennung der Situation und der Gefährung, vielleicht war es mangelnde Erfahrung/Wissen/Ausbildung, vielleicht war es einfach nur "Pech" (wobei ich bei zwei Alamierungen das doch etwas weniger annehmen will).

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    James Elroy Flecker

  • Die Informationen unterscheiden sich ja schon teilweise sehr krass.
    Artikel 1: Tachykardie
    Artikel 2: Herzrasen (ich vermute mal es sind Palpitationen gemeint)
    Artikel 3: drohender Herzinfarkt


    Ich denke mal unabhängig davon wie tragisch das Ganze ist, denn es ist ein Mensch gestorben, sollte man die entsprechenden Organe jetzt ihre Arbeit machen lassen und die hoffentlich folgende Obduktion/Untersuchung abwarten.

  • Krampfanfall?
    Alkoholabusus?


    Irgendwie ist das alles nichts, wo man einen Patienten zwei Mal " zu Hause" lässt, sprich ihm medizinische Hilfe nicht zukommen lässt.

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    James Elroy Flecker

  • "Palpitation" bezeichnet lediglich die Wahrnehmung des eigenen Herzschlages, unabhängig von der Form oder der Ursache.