Köln - Kliniken weisen Vergewaltigte ab

  • Mal so ein paar Fragen am Rande:
    1. Ist mal als Arzt überhaupt dazu verpflichtet, die Pille danach zu verschreiben? Ich habe beim ÄND schon mehrfach damit zu tun gehabt, und die Gerüchteküche sagt, dass das wohl nicht alle (gerne) machen.
    2. Gehört zu einer "Spurensicherung" nicht auch immer die Polizei? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Klinik da alleine was unternehmen kann.


    Ich bitte um Aufklärung!
    Danke, Trident

    We are the pilgrims, master; we shall go always a little further.

  • Zu 1) Eine Grauzone zwischen eigener moralischer Ablehnung und der Verpflichtung zu helfen. Wenn ich die Verschreibung verweigere, muß ich der Patientin zumindest Alternativen anbieten. Von gesundheitlichen Gründen einer Ablehnung mal abgesehen.


    Zu 2) Eine Untersuchung kann ich auch unabhängig von der Polizei veranlassen, wenn ich den Verdacht habe, vergewaltigt worden zu sein. Wenn sich der Verdacht bestätigt, kann ich mit dem Ergebnis zur Polizei gehen, bzw. die Ärztin von ihrer Schweigepflicht entbinden. Wende ich mich nach einer mutmaßlichen Vergewaltigung zuerst an die Polizei, wird sie u.a. eine ärztliche Untersuchung anstreben wollen, um Spuren und Hinweise zu sichern. Das kann natürlich von der Patientin abgelehnt werden.

  • Ok. Danke dir! Ich hab da heute widersprüchliches im Radio gehört. Und da dachte ich, ich frage mal nach :-)

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  • Zu 2: in Köln werden an einigen Krankenhäusern (spannenderweise bis vor wenigen Monaten auch an einem der beiden die jetzt in den Schlagzeilen sind) Spurensicherungssets vorgehalten, die dann an die Rechtsmedizin gehen. Aus anderen Bereichen kenne ich das so, dass die entsprechenden Patienten direkt zur Rechtsmedizin fahren bzw. gefahren werden - wobei es davon ja auch nicht mehr so viele in Deutschland gibt.


    Dieses ganze Bohei, das in Deutschland um die "Pille danach" getrieben wird, ist mir sowieso ziemlich unverständlich. In den westlichen Nachbarländern gibts die (im Einklang mit der Empfehlung der WHO) einfach in der Apotheke und hier wird wer weiß was für ein Getöse darum gemacht. Was gibt es denn für moralische Gründe, die Pille nicht verschreiben zu wollen, gerade im Bereich des ärztlichen Notdienstes? Lehnen die entsprechenden Ärzte dann konsequenterweise alle Arten der hormonellen Verhütung ab?

    What I cannot create, I do not understand. (Richard Feynman)


    Mein Name ist Hans, das L steht für Gefahr.

  • Das ist eine gute Frage. Es passiert ja nicht oft, dass ein Arzt Probleme damit hat. Wenn es aber mal wieder geschieht, dann werde ich mal nachfragen. Ist mir bei der Diskussion hier nur gerade wieder eingefallen.

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  • Was gibt es denn für moralische Gründe, die Pille nicht verschreiben zu wollen, gerade im Bereich des ärztlichen Notdienstes?


    Erzieherische Gründe zum Beispiel...


    Wo werden Patienten zur gynäkologischen Untersuchung in die Rechtsmedizin gefahren? Haben die da überhaupt entsprechende Untersuchungsstühle und können Rechtsmediziner so routiniert intravaginal untersuchen, daß eine eh schon traumatisierte Frau das toleriert? Kann ich mir gerade nicht vorstellen, lasse mich aber gerne eines besseren belehren. Ich denke, der Rechtsmediziner wird in solchen Fällen eher auf den Untersuchungsbefund eines Frauenarztes und deren asservierten Proben zurückgreifen. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.

  • Zitat

    Erzieherische Gründe zum Beispiel...

    Das ist wohl kaum Aufgabe des Arztes, hier die moralische Instanz zu spielen. Es soll tatsächlich auch Menschen geben, denen einfach ein Kondom gerissen ist. Ist mir auch schon mal passiert.


    Bezüglich der Untersuchung in der Rechtsmedizin bin ich mir zu 95% sicher, dass im Hamburger Umland so mitbekommen zu haben. Dort gibt es auch eine entsprechende Ambulanz für Opfer von Gewalt- und Sexualstraftaten, die telefonisch 24h erreichbar ist. Für Kinder ebenfalls.

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  • Thema "Beweissicherung": Leider kommt all zu oft sowohl die Polizei als auch der Rettungsdienst und Kollegen mit völlig überzogenen Vorstellungen in die Klinik: Beispielsweise ist eine Amnesie nach Alkoholkonsum keine Indikation zum umfassenden Drogenscreening etc. Leider mittlerweile an der Tagesordnung, dass Eltern ihre besoffene Teenies am nächsten Tag bei uns abladen ("Mein Kind hat Kopfschmerzen! "Da muss ihr jemand was ins Glas getan haben" etc). Letztlich ist es Sache der Polizei und vielleicht noch der Rechtsmedizin, entsprechende Untersuchungen zu veranlassen. Dass ich während der üblichen Dienstbelastung auch noch nicht mal Zeit habe, vielleicht den einen Fall rauszufischen, dem wirklich so etwas passierte ist schlimm genug.



  • Das ist wohl kaum Aufgabe des Arztes, hier die moralische Instanz zu spielen.


    Seh' ich prinzipiell genauso. Allerdings beschrieben unsere Gynäkologen das Klientel eher eindeutig. Hier standen wohl meistens Gedankenlosigkeit und Naivität oft im Vordergrund. Und das hat sie natürlich geärgert. Vor allem um halb drei Uhr nachts. Die meisten Kollegen haben die Patienten zu ihrem Hausgynäkologen am nächsten Tag geschickt. Die durchwachte Nacht sollte zum Nachdenken anregen.

  • Kenn ich genau so aus dem Notdienst. Wutschnaubende Mutter mit zwei heulenden 14-Jährigen. Die haben ihre Pille allerdings gekriegt...

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  • Das man behandelt wird als wäre man das entsprechende Klientel durfte ich auch erfahren. Gerade bei den Gedankenlosen und Naiven würde ich mit der Pille nur so um mich werfen, die wären im Zweifelsfall bestimmt hervorragende Eltern.


    @Schwangeschaftstest: Wieso sollte man? Die Pille danach hat keinen Einfluss auf eine eventuell bestehende Schwangerschaft.

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  • Die hormonellen Kontrazeptiva haben neben dem Eisprung verhindernden Effekt noch einen abortiven Effekt aufgrund einer Veränderung der Uterusschleimhaut. Daher die Kontraindikation bei Gravidität.

  • Da sind die Fachinformationen anderer Meinung. Dort steht sogar explizit, dass ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund der Pilleneinnahme nicht möglich ist. Die einzige Kontraindikation ist eine Überempfindlichkeit gegen das verwendete Hormon.
    Fachinfo-Service

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  • PiDaNa (1,5mg Levonorgestrel). Zur ellaOne (Ulipristalacetat) gibts keine Fachinfo, aber die wird ja sowieso nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen und Schwangerschaft ist laut Roter Liste auch bei diesem Wirkstoff keine KI.
    Aus der Fachinformation:

    Zitat

    Dieses Arzneimittels kann nicht zum Abbruch einer bereits bestehenden Schwangerschaft führen.

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  • Das ist interessant. Mein Gyn-Buch sagt was anderes. Vielleicht ist es zu alt und es gibt neuere Präparate. ich werde morgen mal eine junge Gynäkologin fragen...

  • Hätte nur 1 Arzt diesen Fehler begangen, würde ich noch sagen, okay, Fehler passieren überall. Aber bei 2 unterschiedlichen Ärzten in der gleichen Trägerschaft, da bekomme ich Bauchschmerzen.

  • Arbeitsrechtlich gibt es in kirchlichen Einrichtungen den sogenannten dritten Weg... und das ist auch alles rechtens so...


    Glücklicherweise bröckelt dieser Blödsinn laaaaangsam aber sicher. Wenn die Kirche im Vatikanstaat ihr eigenes Recht setzt, finde ich das ok. Wenn die Kirche auf im Gebiet des deutschen Rechts Schutzbestimmungen, Mitbestimmungsrechte und weitere Errungenschaften unterlaufen darf, ist es eine riesige Schweinerei. Dass hier das AGG in den glaubensfernen Bereichen einziehen darf (Konfessionslosigkeit als Ablehnungsgrund einer Altenpflegerin? Schadenersatz!), Streikrechte eingeräumt werden, die private Lebensführung von Rettungsdienstlern keinen Kündigungsgrund darstellen darf - all dies sind gute Signale gegen die weitere Existenz des dritten Weges, welche mich mit Hoffnung füllen.


    Meinetwegen sollen die in ihrem Kloster ihr Altenheim, ihren Kindergarten, ihr Hospiz und ihre Krankenpflege betreiben. So lange aber mit öffentlichen Geldern die Krankenhäuser, Kindergärten und Altenheime zu über 70% subventioniert werden, haben gefälligst auch die durch den Förderer gesetzten Normen und Werte den höheren Stellenwert einzunehmen: Streikrecht, Mitbestimmung, Kündigungsschutz und vieles mehr.


    (Ich persönlich warte ja irgendwie noch darauf, dass irgendeine ehemalige Nonne mal den Exarbeitgeber wegen Lohnwucher verklagt...)