Köln - Kliniken weisen Vergewaltigte ab

  • ich werde morgen mal eine junge Gynäkologin fragen...


    Tu das und halte mich mal auf dem laufenden. Was man an verschiedenen Stellen liest, unter anderem auch bei der WHO, ist, dass Notfallkontrazeptiva bei einer bestehenden Schwangerschaft nicht indiziert sind - allerdings genau aus dem Grund dass sie eine bereits bestehende Schwangerschaft nicht beeinflussen und darum schlicht überflüssig wären.

    What I cannot create, I do not understand. (Richard Feynman)


    Mein Name ist Hans, das L steht für Gefahr.

  • Nö, da muss ich Ani recht geben. Lerne gerade Gyn und auch hier (im Buch und der Klinik) ist ein SS-Test vor der Pille danach Pflicht. Kenne ich so auch aus anderen Kliniken.
    Wie das z.B. in der Schweiz, wo die Apotheker die Pille danach abgeben dürfen (allerdings nur nach Beratungsgespräch) gehandhabt wird weiß ich nicht. vll. mittels Urinschnelltest?


    Bzgl. Rechtsmedizin und Untersuchung wird das regional unterschiedlich gehandhabt. In manchen Gegenden gibt es sogar extra spezielle rechtsmedizinische Notdienste für sexuelle Gewalt und/oder Kinder. Die dürften dann auch die enstprechende Erfahrung und Ausstattung haben. In Köln unterhält das Rechtsmedizinische Institut eine 24h besetzte Ambulanz zur Begutachtung Lebender. Die nimmt auch am Projekt Anonyme Spurensicherung (ASS) teil. Das sie speziell für Kinder geeignet sind weiß ich. Wie das bei sexueller Gewalt im Erwachsenenalter ist kann ich nicht sagen, könnte ich mir aber gut vorstellen. Muss man aber natürlich erst mal wissen. Hier war die Geschichte ja eine andere. Der KV Notdienst, wo Mutter und Tocher sich vorstellten ist ja im St. Vinzenz-Hospital. D.h. die Idee war nur ein paar Türen weiter gehen zu müssen. Wäre Polizei und vllt. auch Rettungsdienst von vorne herein involviert gewesen wäre vielleicht ein ganz anderer Weg, bzw. direkt die Uni angefahren worden.


    Habe gerade übrigens aus internen Quellen gehört, dass die Dienstanweisung so ausgelegt werden sollte, wie sie ausgelegt worden ist. Auch wenn jetzt natürlich alle zurückrudern. Die katholische Kirche, insbesondere Kardinal Meisner (und der hatte bei der Diskussion damals quasi das letzte Wort), haben da ja manchmal recht merkwürdige Ansichten.

  • Nö, da muss ich Ani recht geben. Lerne gerade Gyn und auch hier (im Buch und der Klinik) ist ein SS-Test vor der Pille danach Pflicht. Kenne ich so auch aus anderen Kliniken.

    Aber mal ne ganz doofe Frage: wenn sowohl der Hersteller als auch die WHO als auch unzählige andere Quellen (bei Bedarf: unter dem entsprechenden Artikel der englischen Wikipedia sind etwa 10 Quellen nur zu dieser Fragestellung verlinkt) klipp und klar sagen "kein Problem" - warum sollte es dann anders sein? Insbesondere die Hersteller sind doch im Regelfall eher übervorsichtig, was die Anweisungen in der Fachinfo angehen. Wenn man sich da im Rettungsdienst immer exakt dran halten würde... :blush:
    Ich könnte mir vorstellen, dass der Schwangerschaftstest zu den "haben wir aber immer so gemacht"-Sachen gehört, die einfach nicht hinterfragt werden. Sowas findet sich ja auch zu anderen Themen in Lehrbüchern und der täglichen Praxis. Und die Pille danach bringt natürlich sowieso nichts, wenn schon eine Schwangerschaft besteht.

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  • Zur ellaOne (Ulipristalacetat) gibts keine Fachinfo, aber die wird ja sowieso nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen und Schwangerschaft ist laut Roter Liste auch bei diesem Wirkstoff keine KI.


    Selbstverständlich gibt es auch für ellaOne eine Fachinfo. Unter http://www.ellaone.de ist mittels DocCheck-Zugang ein Download möglich.


    Unter 4.2 (Art und Dauer der Anwendung) steht dort:


    "Bei Anwendung von ellaOne muss eine bereits bestehende Schwangerschaft ausgeschlossen sein."


    Unter 4.3. (Gegenanzeigen) steht:


    " Schwangerschaft"

    Em Herrgott sei schönschde Gab`isch ond bleibt dr`Schwob!

  • Zoidberg: Kann ich dir nicht sagen. Werde aber auch mal unsere Gynis fragen.. vllt kommt ja was gehaltvolles dabei raus.

  • Selbstverständlich gibt es auch für ellaOne eine Fachinfo.

    Hätte mich vielleicht klarer ausdrücken sollen, beim Fachinfo-Service gibt es keine. Ok, dann revidiere ich meine Aussage bezüglich der ellaOne - die wird allerdings trotzdem nur im Ausnahmefall das verschriebene Präparat sein, wenn das 72h-Zeitfenster der Levonorgestrel-Pille überschritten wurde.


    Bin wirklich gespannt, was die Gyns dazu sagen. Vielleicht muss man bei den Levonorgestrel-Präparaten einfach unterscheiden zwischen "kontraindiziert" und "nicht indiziert" - letzteres sind sie bei Schwangerschaft aus naheliegenden Gründen natürlich.

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  • Würde man es fachlich korrekt machen, müßte man sogar erst einen SS-Test machen...


    Dann bräuchte ja niemand in der Nacht nach geplatztem Kondom in die Klinik kommen. SS-test im Blut gibt erst nach 10 Tagen Alarm, die Pipi-Streifchen aus der Apotheke sogar erst nach 14 Tagen.


    Oder habe ich hier nen Denkfehler?

  • Vermutlich. Es geht wohl eher um eine vermutete fruchtschädigende Wirkung bei vorbestehender Schwangerschaft unabhängig vom akuten Ereignis - oder um eine Vermeidung unnötiger Medikation. Ersteres ist bei der klassischen PiDaNa wohl kein Problem.

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  • Wie das z.B. in der Schweiz, wo die Apotheker die Pille danach abgeben dürfen (allerdings nur nach Beratungsgespräch) gehandhabt wird weiß ich nicht. vll. mittels Urinschnelltest


    Da es der "Arztvorbehalt" hier etwas liberaler gefasst ist, dürfen Apotheker anhand einer Checkliste die Pille danach ebenso abgeben, wie die Notaufnahme. Als ich noch in der Notaufnahme tätig war, wurde dies auch anhand eines Abfrageschema durchgeführt - hier sollte dies durch einen Arzt gemacht werden, war aber nicht in jedem Falle verpflichtend. Ein Urintest war nur vorgesehen, wenn die Patientin eine Schwangerschaft nicht ausschliessen konnte. Ein Verweigern des Präparates, ausser auf Grund von med. Gründen, war nicht zulässig.


    Anmerkung: Apotheker dürfen in CH auch nach telefonischer oder telemedizinischer Rücksprache, sozusagen "mit ärztlicher Ferndiagnostik" Medikamente abgeben, die ansonsten ein ärztliches Rezept benötigen.

  • Ich könnte mir vorstellen, dass der Schwangerschaftstest zu den "haben wir aber immer so gemacht"-Sachen gehört, die einfach nicht hinterfragt werden. Sowas findet sich ja auch zu anderen Themen in Lehrbüchern und der täglichen Praxis. Und die Pille danach bringt natürlich sowieso nichts, wenn schon eine Schwangerschaft besteht.


    Exakt so ist es, komischerweise wird in sagen wir strukturell zumindest teilweise katholischen Ländern der Zugang deutlich erschwert, während sie in durchaus fortschrittlichen, sonst auch medizinisch vorsichtigen Ländern sozusagen im Supermarkt zu haben ist.

  • Das ist wohl kaum Aufgabe des Arztes, hier die moralische Instanz zu spielen. Es soll tatsächlich auch Menschen geben, denen einfach ein Kondom gerissen ist. Ist mir auch schon mal passiert.

    Abgesehen davon ist die Wirkwahrscheinlichkeit bei frühzeitiger Einnahme auch höher. Eine schuldhafte Verzögerung ohne medizinische Indikation halte ich für keinesfalls angemessen - schon gar nicht bei einem Vergewaltigungsopfer.

    Zitat

    Daher muss die Tablette so bald wie möglich – vorzugsweise innerhalb von 12 Stunden nach dem ungeschütztem Geschlechtsverkehr – und darf nicht später als 72 Stunden (3 Tage) danach eingenommen werden.

    Und zum Thema erzieherische Gründe: Wie Zoidberg schon sagte muss gar nicht jeder erzogen werden, sondern hatte vielleicht einfach nur mal Pech. Hier jemandem aus erzieherischen Gründen die Hilfe zu verweigern, halte ich für absolut unangemessen. Wenn man sich anmasst, solche Entscheidungen seinem Berufsstand vorzubehalten, darf man diese Entscheidung nicht durch niedere Beweggründe (den Moralapostel spielen) beeinflussen lassen. Es gibt einfach Lebenssituationen in dem man halt nicht einfach mal pokern kann, dass es schon klappen wird, weil sich daraus weitreichende Konsequenzen für den weiteren Verlauf des eigenen Lebens ergeben.


    Zum Thema Kirche muss ich sagen, dass ich es einfach zum Ko**** finde, dass sie nach wie vor im zivilen Arbeitsmarkt und Dienstleistungssektor eine Sonderstellung einnimmt.

  • Der Spiegel schreibt auch darüber:
    http://www.spiegel.de/panorama…-abgewiesen-a-878210.html


    Und jetzt wurde die besagte Dienstanweisung als pdf veröffentlicht:
    http://www.cellitinnenhaeuser.…lles/StellungnahmeNFK.pdf


    Man beachte auch das Datum des Dokumentes welches auf den 07.11.2012 datiert ist.
    Die pdf-Datei ist laut meinem Rechner am 17.01.2013 erstellt worden.
    Ein Schelm wer böses dabei denkt...



    Aber der Inhalt ist extrem cool:


    Zitat

    c. Autonomie bedeutet in diesem Fall, dass die Patientin selbst sich für oder gegen die Einnahme von Notfallkontrazeptionen entscheiden kann.
    Entscheidet sich die Patientin für die Einnahme der Notfallkontrazeption, muss die weitere Behandlung bei einem Arzt/Ärztin ihres Vertrauens.
    bzw. die Beratung durch eine Stelle für Schwangerschaftskonfliktberatung mit der damit verbundenen gesetzlich vorgeschriebenen Beratung erfolgen (s. § 219 Strafgesetzbuch iVm § 5 Schwangerschaftskonfliktgesetz).
    Entscheidet sich die Patientin gegen die Einnahme einer Notfallkontrazeption, sollte eine Überweisung an caritative oder staatliche Stellen erfolgen (z.B. Information zu Adoptionsverfahren). Langfristige psycho-soziale Nachsorge muss in diesem Fall gewährleistet sein.


    Was lernen wir daraus:
    Ein kleiner Ratgeber für Frauen:
    Lass dich vergewaltigen und geb dein Kind zur Adoption frei.
    So kannst du auch eine gute Tat für das Leben tun und bislang kinderlosen Ehepaaren Glück bescheren. :good2:
    Und sind wir mal ehrlich:
    Die Wege des Herren und seine Güte sind unergründlich. Vielleicht hat die Vergewaltigung auch nur den Zweck gehabt, dass ein Paar glücklich werden kann oder noch besser,
    vielleicht soll durch dich ein neuer Erlöser geboren werden.


    Amen
    :bad:


  • Diese tendenziöse "Interpretation" finde ich nun wieder zum Kotzen. Es ist scheinheilig, nur von Andersdenkenden sich selbst gegenüber Toleranz zu fordern.
    Man muss die Haltung der Kirche nicht teilen, man kann sie in diesem Punkt aber zumindest tolerieren und respektieren. Darüber hinaus ist es deplatziert und anmaßend, hier eine religiöse Haltung oder gar eine Religionsgruppe zu beleidigen (und ja, das kann so aufgefasst werden).
    Bei aller verständlicher Empörung über den Vorfall in Köln geht das m.E. zu weit. Zumal die zitierte Dienstanweisung entgegen verschiedenen Unkenrufen sachlich und inhaltlich eindeutig ist: Lediglich auf die Kontrazeption soll, mit bekannter Begründung, verzichtet werden.


    J.

  • Darüber hinaus ist es deplatziert und anmaßend, hier eine religiöse Haltung oder gar eine Religionsgruppe zu beleidigen (und ja, das kann so aufgefasst werden).


    Das ist keine Beleidigung.
    Das ist nur eine Überspitzte Interpretation der kirchlichen Lehre, die ich mir als jemand, der in diesem Fach auch mal Abitur gemacht hat, anmaße.


    Der Schutz des Lebens genießt oberste Priorität. Leben ist Gott gegeben. Der Mensch darf sich nicht zum Herren über Leben oder Tod machen.
    Wohl aber ist Vergebung eine für den Menschen erstrebenswerte Tugend. (Epheser 4:32 „Werdet aber gütig zueinander, voll zarten Erbarmens, einander bereitwillig vergebend, so wie auch Gott euch durch Christus bereitwillig vergeben hat.“)
    Die Konsequenz bleibt, dass man dem Täter vergeben kann und so das Kind akzeptiert.
    Schafft man es nicht, kann man sich immernoch für eine Adoption aussprechen. Und zeigt so Nächstenliebe...
    Und eines haben wir doch auch gelernt:
    Wir sind alle Kinder Gottes...
    (auch die Querulanten... :-D )


    P.S.:
    Und vielleicht hast du die Aussage nicht ganz verstanden. Aber wenn man sich strikt daran hält, dann gibt es nur 2 Möglichkeiten: Kind austragen und akzeptieren oder Kind austragen und zur Adoption freigeben. --> 9 Monate Schwangerschaft sind da Pflicht, ob die Frau will oder nicht.

  • Wenn das wirklich die existierende Dienstanweisung war, frage ich mich, wie zwei Ärzte unabhängig voneinander das so fehlinterpretieren konnten?
    Wenn da mal nicht mündliche Zusätze existieren???

  • Wenn das wirklich die existierende Dienstanweisung war, frage ich mich, wie zwei Ärzte unabhängig voneinander das so fehlinterpretieren konnten?
    Wenn da mal nicht mündliche Zusätze existieren???


    Im übrigen kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß es im Großraum Köln Ängste bei Assistenzärzten geben könnnte, keinen neuen Arbeitsplatz zu finden.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Wenn das wirklich die existierende Dienstanweisung war, frage ich mich, wie zwei Ärzte unabhängig voneinander das so fehlinterpretieren konnten?
    Wenn da mal nicht mündliche Zusätze existieren???


    Wie ich bereits erwähnte weiß ich aus interner Quelle, also von einem/einer Arzt/Ärztin aus einem der beiden KHs, dass die ausgeführte "Auslegung" druchaus "erwünscht", d.h. implizit vorgegeben war. Äh, ich meine natürlich, das waren alles Missverständnisse.. es gibt doch schließlich eine schriftliche Dienstanweisung mit der sich das beweisen lässt...


    @ Jörg. Hier geht es nicht um Religion oder Glauben. Hier geht es um die sehr konservative Auslegung einer religion durch eine stetig kleiner werdenden Religionsgemeinschaft (Institution) die sich anmaßt (da wären wir dann bei Anmaßung) einer deutlich größeren Gruppe von Mneschen, die völlig unabhängig ihrer Religionsgemeinschaft, bzg. ggf. sogar vollständig ohne Religion lebt, zu erklären was gut oder böse ist. Denn auch für diese Menschen gelten plötzlich die internen Regeln... und ganz ehrlich. Sich in so einer Situation (oder vergl. ähnlichen) auch noch darüber Gedanken zu machen in welchem Krankehaus er (der Patient) wegen welcher Religion wie behandelt wird (oder eben auch nicht) stellt eine nicht zu erfüllende und durchaus anmaßende Forderungen an den (religiös ja vllt völlig ungebildeten) Laien.

  • Aber wenn man sich strikt daran hält, dann gibt es nur 2 Möglichkeiten: Kind austragen und akzeptieren oder Kind austragen und zur Adoption freigeben. --> 9 Monate Schwangerschaft sind da Pflicht, ob die Frau will oder nicht.


    Aus der Dienstanweisung lese ich aber zumindest noch eine dritte Möglichkeit heraus:


    "c. Autonomie bedeutet in diesem Fall, dass die Patientin selbst sich für oder gegen die Einnahme von Notfallkontrazeptionen entscheiden kann.
    Entscheidet sich die Patientin für die Einnahme der Notfallkontrazeption, muss die weitere Behandlung bei einem Arzt/Ärztin ihres Vertrauens.
    bzw. die Beratung durch eine Stelle für Schwangerschaftskonfliktberatung mit der damit verbundenen gesetzlich vorgeschriebenen Beratung erfolgen (s. § 219 Strafgesetzbuch iVm § 5 Schwangerschaftskonfliktgesetz).
    Entscheidet sich die Patientin gegen die Einnahme einer Notfallkontrazeption, sollte eine Überweisung an caritative oder staatliche Stellen erfolgen (z.B. Information zu Adoptionsverfahren). Langfristige psycho-soziale Nachsorge muss in diesem Fall gewährleistet sein.
    d. Im Rahmen einer Notfallbehandlung nach vermutetem Sexualdelikt muss die Patientin über alle weiteren Behandlungsmöglichkeiten informiert werden, damit sie selbst eine informierte und autonome Entscheidung treffen kann."

    "Glück ists wenn man sich dort kratzen kann wos einen juckt" - L. Hirsch
    »Das Problem der Welt ist, dass intelligente Menschen voller Zweifel und Dumme voller Selbstvertrauen sind!« – Charles Bukowski