Strafverfahren gegen Rettungsassistent in Bayern eingestellt

  • Zitat


    Erneut Strafverfahren gegen Rettungsassistent eingestellt


    Ein Rettungsassistent aus dem Südwesten Bayerns wurde nach einem Einsatz im November 2014 durch einen von ihm nachgeforderten Notarzt angezeigt, da dieser einer Patientin mit stärksten Rückenschmerzen (VAS 10) eigenverantwortlich Esketamin und Midazolam verbreicht hat. Die Patientin hat diese Schmerzlinderung eingefordert und wurde aufgeklärt, dass der Rettungsassistent kein Arzt sei. Bei Eintreffen des Notarztes war die Patientin orientiert und schmerzfrei. Der Notarzt beschwerte sich daraufhin beim Rettungsassistenten, dass er jetzt wegen fehlender Schmerzen keine Befunderhebung mehr machen könne.
    Der Notarzt wand sich schriftlich an die Geschäftsleitung des privaten Rettungsdienstes mit folgenden Fragen: „Durch welche Ausbildung hat Ihr Mitarbeiter die erforderliche Kompetenz erworben und auch Ihnen gegenüber nachgewiesen, um diese in „gängiger Praxis“ im Rettungsdienst, in einem Fahrzeug Ihrer Firma, eigenständig und eigenverantwortlich anzuwenden? Auf welcher gesetzlichen Grundlage sind die oben genannten Maßnahmen durchgeführt worden?“
    Er erwähnte in dem Schreiben auch, dass er eine Strafanzeige erwägt, die er dann auch getätigt hat. Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Rettungsassistenten wegen Gefährlicher Körperverletzung eingeleitet. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat das Verfahren jetzt nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da sie nicht genügend Anlass für eine Anklageerhebung sah. Da der Beschuldigte Mitglied im DBRD ist, wurde er von Beginn an durch uns juristisch vertreten. Kosten sind ihm nicht entstanden, da die DBRD-Strafrechtsschutzversicherung in solchen Fällen unterstützt. Dennoch ist es für denjenigen sehr belastend, und wir wünschen ihm für seine zukünftigen Einsätze alles Gute und stets ein kollegiales Team.

    Quelle: DBRD Facebook Seite.
    EDIT: jetzt auch hier: http://www.dbrd.de/index.php/aktuelles.html
    Deutscher Berufsverband Rettungsdienst e.V. - DBRD




    Das ist doch eine erfreuliche Nachricht. Und nein, es ist nicht der Fall aus Kiel!

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

    Einmal editiert, zuletzt von M1k3 ()

  • Zitat

    Der Notarzt beschwerte sich daraufhin beim Rettungsassistenten, dass er jetzt wegen fehlender Schmerzen keine Befunderhebung mehr machen könne.

    Mal ohne Medizin und Recht: Das ist ein Schlag in die Fresse eines jeden Menschen (Patienten), der über starke oder stärkste Schmerzen leidet!


    Zitat

    Der Notarzt wand sich schriftlich an die Geschäftsleitung des privaten Rettungsdienstes mit folgenden Fragen: ?Durch welche Ausbildung hat Ihr Mitarbeiter die erforderliche Kompetenz erworben und auch Ihnen gegenüber nachgewiesen, um diese in ?gängiger Praxis? im Rettungsdienst, in einem Fahrzeug Ihrer Firma, eigenständig und eigenverantwortlich anzuwenden? Auf welcher gesetzlichen Grundlage sind die oben genannten Maßnahmen durchgeführt worden??
    Er erwähnte in dem Schreiben auch, dass er eine Strafanzeige erwägt, die er dann auch getätigt hat. Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Rettungsassistenten wegen Gefährlicher Körperverletzung eingeleitet. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat das Verfahren jetzt nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da sie nicht genügend Anlass für eine Anklageerhebung sah. Da der Beschuldigte Mitglied im DBRD ist, wurde er von Beginn an durch uns juristisch vertreten. Kosten sind ihm nicht entstanden, da die DBRD-Strafrechtsschutzversicherung in solchen Fällen unterstützt. Dennoch ist es für denjenigen sehr belastend, und wir wünschen ihm für seine zukünftigen Einsätze alles Gute und stets ein kollegiales Team.

    Als totaler Fratzenbuchverweigerer habe ich noch die folgende Frage: Ist irgendwas darüber bekannt, ob der Arbeitgeber selbst auch irgendwelche disziplinarischen Maßnahmen eingeleitet hat? Auch schon vor dem Urteil? Evlt. jetzt nach dem Urteil bzw. Verfahrenseinstellung irgendwas geändert hat (Medikamente vom RTW genommen, etc.)?


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • was mich vor allem interessieren würde, wäre, was einen arzt dazu bringt, so ein verfahren in gang zu bringen.

  • Das ist ein Schlag in die Fresse eines jeden Menschen (Patienten), der über starke oder stärkste Schmerzen leidet!


    Genau das ist das Problem. Es kann tatsächlich im Einzelfall sinnvoll sein, vorher eine entsprechende Untersuchung zu machen. Wurde ja schon mehrfach im Forum thematisiert. Beim eindeutigen Traumaschmerz sicherlich weniger wichtig, aber bei anderen Schmerzsyndromen (abdominelle Schmerzen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen) möglicherweise doch. Einen solchen Patienten mit Midazolam und Ketamin zu behandeln ist dann das nächste Problem. In der Regel macht man damit für den Notarzt jede weitere Untersuchung unmöglich. Wenn der Patient tatsächlich eine VAS von 10 hatte, ist es für mich nur schwer vorstellbar, dass er nach Ketamin- und Midazolam-Gabe schmerzfrei und orientiert war. Wenn er tatsächlich nur so wenig bekommen hat, dass er tatsächlich eine GCS von 15 nach der Analgosedierung hat, muss man sich fragen, wie die VAS von 10 zustande kam. Das kann für einen Notarzt durchaus von Interesse sein. Irgendwie erscheint mir die ganze Schilderung suspekt, deshalb ist eine Beurteilung letztendlich schwierig. Nachvollziehbar, dass es einem Notarzt nicht gefallen haben könnte, weil er Nachteile für seine Arbeit gesehen hat, ist es schon.


    Die Einwilligung des Patienten sehe ich übrigens auch als kritisch. Ein Patient mit einer VAS von 10 würde auch einwilligen, dass man ihm das Bein abnehmen darf, wenn dadurch der Schmerz weniger würde. Wir Anästhesisten kennen das Problem bei der Aufklärung über eine PDA bei Patientinnen unter Wehenschmerzen. Die würde sogar zustimmen, das der Hausmeister die PDA macht, weil's so weh tut.

  • Genau dieser Umstand ist für mich übrigens einer der Gründe, warum ich aktuell gegen eine Schmerztherapie durch Sanis bin.

  • @Ani


    Das genau Du auf meinen Beitrag reagierst war mir schon beim Schreiben meines Beitrages klar. Daher habe ich vor meinen durchaus provokanten Satz geschrieben:


    Zitat

    Mal ohne Medizin und Recht:


    Mir geht es nur um die ethische bzw. moralische Nachricht hinter der Aussage...


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • @Ani:

    Nachvollziehbar, dass es einem Notarzt nicht gefallen haben könnte, weil er Nachteile für seine Arbeit gesehen hat, ist es schon.


    Mal durchaus provokant gefragt, hat nicht der aufnehmende Chirurg z.B. auch das Anrecht auf eine ordentliche Untersuchung und keine bei der der Patient durch den Notarzt in seinem Schmerzempfinden Veränderungen erfahren hat?
    Oder mal konkreter:
    Ein langjähriger und erfahrener Chirurg oder gar Orthopäde wird sicher anders und auch ggf. auch gezielter untersuchen, wie ein internistischer oder gar allgemeinmedizinischer Notarzt. Ist es da nicht ein erheblicher Nachteil für die Diagnostik und den Patienten und damit ein kaum oder gar nicht zu akzeptieren Nachteil, wenn der fachfremde Notarzt einen Patienten vorlegt der ggf. sogar eine "unpassende" Analgesie erfahren hat?
    Ganz davon ab bleibt eben die von Harrisangesprochene Sache der Ethik bzw. Menschlichkeit im Bezug auf das Aushalten der vom Patienten empfundenen Schmerzen. Jeder Mensch empfindet Schmerzen anders und diese sind für eine andere Person nicht oder nur kaum nachvollziehbar. Kann bzw. soll die eigene Einschätzung der Schmerzen eines anderen eine Grundlage dafür sein zu behaupten ein Schmerz sei nicht so stark und kann dies tatsächlich eine Rechtfertigung sein um eine Analgesie zu verweigern?

  • Ist alles eine Frage der Zumutbarkeit und Abwägung. Interessant wird es dann, wenn durch eine unreflektierte Schmerzmittelgabe im Verlauf unnötige Untersuchungen (z.B. Röntgenstrahlung) oder Operationen durchgeführt oder genau im Gegenteil: erst verspätet durchgeführt werden. Wenn eine Peritonitis erst spät entdeckt wird und der Patient im Verlauf eine langwierige Intensivtherapie braucht und mit einem Stoma das Krankenhaus verlässt, fragt sich der Rettungsassistent dann auch, ob es moralisch und ethisch okay war oder er nicht besser zehn Minuten gewartet hätte, bis ein Arzt den Patienten untersucht hat?

  • Ach Jungs, das war gestern ja schon anstrengend genung ich halte mich hier mal lieber, in der Sache, raus. Der Verlauf, das Ergebnis und das gegenseitige Angefrötzel ist ja schon vorprogrammiert. In diesem Sinne :drinks:

  • Und wieder einmal kann sich jemand etwas "nicht vorstellen".


    Das kann doch nicht Diskussionsgrundlage werden.



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    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Interessant wird es dann, wenn durch eine unreflektierte Schmerzmittelgabe im Verlauf unnötige Untersuchungen (z.B. Röntgenstrahlung) oder Operationen durchgeführt oder genau im Gegenteil: erst verspätet durchgeführt werden.


    Das ist doch eine Sache die nicht nur bei der Analgesie durch den Rettungsassistenten auftreten kann oder? Stellt diese Befürchtung nicht generell jede Analgesie bei z.B. dem akuten Abdomen in Frage und dies unabhängig davon ob sie durch einen Rettungsassistenten oder einen Notarzt erfolgt?


    Auch wenn du in einigen Fällen mit deiner Befürchtung sicher Recht hast, kritisch ist dann im Nachhinein die Analgesie zu sehen und nicht ob es ein RettAss war oder ein NA der sie eingeleitet hat. Auch wenn die von dir angedachten Fälle mit einer "zu frühen" Analgesie sicher einige male am Tag vorkommen, so sind sie doch sicher nur ein minimaler Bruchteil der zeit-und situationsgerechten Analgesie. Ganz davon ab dürfte die Beurteilung ob die Analgesie in diesem oder jenem Fall zu früh bzw. rechtzeitig kam oder gar vollkommen unnötig wardoch auch eine Sache der persönlichen Ansicht sein, damit könnte man über jeder einzelne Analgesie bis zur Unendlichkeit diskutieren.

  • Das ist doch eine Sache die nicht nur bei der Analgesie durch den Rettungsassistenten auftreten kann oder? Stellt diese Befürchtung nicht generell jede Analgesie bei z.B. dem akuten Abdomen in Frage und dies unabhängig davon ob sie durch einen Rettungsassistenten oder einen Notarzt erfolgt?


    Der Unterschied ist, dass der Notarzt aufgrund seiner Ausbildung in der Lage ist, ein besseres Bild der Symptomatik zu vermitteln. Nebenbei ist seine Befunderhebung in der Regel profunder.

  • Natürlich. Frag' mal den durchschnittlichen Rettungsassistenten, was ein radikulärer Schmerz ist und wann und wo man einen Loslassschmerz provoziert. ;-)

  • Von mir doch auch nicht.


    Es kommt nur hin und wieder vor, dass man in der Notaufnahme gar kein Gehör findet, was aber Notärzten auch nicht grundsätzlich anders gehen dürfte. :drinks:

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  • Nachvollziehbar, dass es einem Notarzt nicht gefallen haben könnte, weil er Nachteile für seine Arbeit gesehen hat, ist es schon.

    Nachvollziehbar, dass es einem Notarzt nicht gefallen haben könnte, weil
    er Nachteile für seine Arbeit gesehen hat, ist es schon.


    Mit "nicht gefallen könnte", könnte ich leben, aber jemanden anzeigen ist schon ein anderes Kaliber.



    Da gebe ich dir recht, aber an diesem Zustand wird sich erst etwas ändern, wenn der Patient keine Schmerzen mehr hat.


    Was mich dabei stört ist die Tatsache, dass der Patient. wenn er wieder
    bei "klaren Verstand" ist, ja selbst eine Anzeige machen könnte, wenn er
    dies will.


    Aber nein es macht eine dritte Person, die nicht vor Ort war und eine
    Situation vorgefunden hat, die wahrscheinlich deutlich entspannter war,
    als vor der Analgesie.


    Ich würde es ja noch verstehen, wenn er als "Fachkundiger" den Pat. über
    seine Meinung aufklären würde und es dann aber dem Patienten selbst
    überlassen würde, ob er rechtliche Schritte einleiten möchte.


    Ärgerlich, aber wieder mal ein Versuch, der juristisch nicht zu einem Erfolg geführt hat.




    Ich bin mir sicher, dass du ein überdurchschnittlich guter und
    engagierter Notarzt bist, aber deshalb kann ich dir auch nicht bei
    Aussagen, wie "der Arzt kann besser...", immer zustimmen, weil es nicht den Arzt und den Rettungsassistenten gibt.


    ...sagt ein Rettungsdienstmitarbeiter, der mit Gynäkologen, Neurologen etc. Einsätze fährt.

  • Mit "nicht gefallen könnte", könnte ich leben, aber jemanden anzeigen ist schon ein anderes Kaliber.


    Wir wissen nicht, was vorher gelaufen ist und wie das Verhältnis der beiden zueinander war. Da spielen möglicherweise auch soziale Aspekte eine Rolle.