Novelle Bayerisches Rettungsdienstgesetz 2016

  • Hallo Kollegen!


    Hier der Link zum Gesetzesentwurf zur Novelle des Bayerisches Rettungsdienstgesetzes 2016 : LINK


    Was ich beim Überfliegen schon feststellen konnte:


    - Nur noch Notfallsanitäter als EL-RD (ab 2024)
    - Nur noch ein ÄLRD pro Rettungsdienstbereich, dieser min. 50% angestellt
    - Einsatz von NotSan auf RTW und ITW ab 2024
    - MRSA ist nicht mehr zwingend mit dem öffentlichen RD zu fahren


    Grüße


    Max

    Alle getätigten Aussagen stellen meine private Meinung dar und stehen in keinem Zusammenhang mit meiner beruflichen Tätigkeit.

  • Sehr interessant finde ich auch die Neufassung des Art. 12 Nr. 6 (Begründung S.15)
    Hier wird die ärztliche Delegation im herkömmlichen Sinne bzw. das Fernbehandlungsverbot "umgangen". [...] die Regelung stellt klar, dass eine solche Praxis zulässig ist
    Auch der auf Seite 1 in der Problembeschreibung geäußerte politische Wille, dass unnötige Notarzteinsätze durch heilkundliche Maßnahmen durch Notfallsanitäter bei bestimmten Notfällen zukünftig vermieden werden sollen, habe ich in dieser Deutlichkeit so auch noch nicht gelesen.

  • Sehr interessant finde ich auch die Neufassung des Art. 12 Nr. 6 (Begründung S.15)
    Hier wird die ärztliche Delegation im herkömmlichen Sinne bzw. das Fernbehandlungsverbot "umgangen". [...] die Regelung stellt klar, dass eine solche Praxis zulässig ist


    Ganz im Gegenteil stellt die Regelung klar, dass eine Delegation ärztlicher Tätigkeiten im Rettungsdienst in vielen Fällen nicht möglich sein dürfte. Das ergibt sich aus der Begründung zu der Änderung, in der verdeutlicht wird, wann "eine solche Prxis zulässig ist" (bzw., wann nicht). Siehe S. 15: "Dort, wo SOP Spielräume offen lassen (z. B. bei atypischen Verläufen in der Diagnostik), liegt zumindest auch eine Behandlungsentscheiodung des Notfallsanitäters vor, die eine Delegation ausschließt. Nur soweit im Rahmen einer SOP sichergestellt werden kann, dass der Notfallsanitäter nicht eine Diagnosestellung vornimmt und damit in den Kernbereich ärztlichen Handelns eingreift, folgt das symptombezogene Handeln des Notfallsanitäters einer Weisung, wie sie die Delegation voraussetzt. Alle übrigen Fälle stellen in der Regel die Substitution einer ärztlichen Behandlungsentscheidung dar, die vorliegend weder gewünscht noch zulässig ist."


    Man darf also gespannt sein, wie die Regelung mit Leben gefüllt werden wird.

  • ...das meinte ich ja eigentlich. Vielleicht habe ich mich dabei aber falsch ausgedrückt.
    Diese Regelung stellt klar, dass es eine Delegation ärtzlicher Maßnahmen im herkömmlichen Sinne nicht geben kann. Ich habe die Passage so verstanden, dass es in diesem Gesetzesentwurf einen anderen Weg gibt ohne auf selbst entworfene Wortschöpfungen wie "Vorab-Delegation" oder ähnliches zurückgreifen zu müssen.
    Mir ist eine solche Herangehensweise jedenfalls noch nicht untergekommen, dass man mittels Diensanweisungen der mittleren Rettungsdienstbehörde eine Art "Delegation" in Angriff nimmt.
    Bin auch gespannt.

  • Sehr interessant finde ich auch die Neufassung des Art. 12 Nr. 6 (Begründung S.15)
    Hier wird die ärztliche Delegation im herkömmlichen Sinne bzw. das Fernbehandlungsverbot "umgangen". [...] die Regelung stellt klar, dass eine solche Praxis zulässig ist


    Das funktioniert nur eben so nicht.


    "Delegation" bedeutet, dass die Verantwortung für das "Ob" der Maßnahme beim Delegierenden bleibt und der Durchführende nur die Verantwortung für das "Wie" trägt. Ich kann mir nicht nur nicht vorstellen, dass irgendein ÄLRD wirklich die Haftung dafür übernehmen will, das geht auch rein logisch kaum. Zudem kann die Indikationsstellung nicht delegiert werden; genau das passiert aber bei SOPs fast zwingend. Es besteht eben ein Unterschied zwischen "wenn der Blutdruck über x systolisch steigt, geben Sie titriert y, bis er wieder darunter ist" oder "bei Schmerzen bekommt der Patient x in Dosen von maximal y bis zu einer Höchstdosis von z" auf der einen Seite und doch eher komplexen Notfallbildern in den SOPs, an deren Anfang ja die Frage steht, ob es sich denn um einen durch die SOPs abgebildeten Fall handelt.


    Es bleibt - leider - dabei: entweder übt das RFP - in wie auch immer beschränktem Maße - die Heilkunde aus (dafür bedarf es aber einer entsprechenden Begugnis, die gezielt gerade nicht Gesetz wurde), oder es ist außerhalb von Nostandsregelungen keine eigenständige Tätigkeit möglich. "Delegationen" ohne persönliche Anwesenheit sind rechtlich nicht darstellbar - weil die "Freigabe" bestimmter Maßnahmen eben gerade keine Delegation ist (auch keine "Vorab"-Delegation). Eine telefonische Delegation ist theoretisch möglich, birgt aber für den Arzt unabsehbare Risiken und verstößt zudem gegen das Fernbehandlungsverbot.


    Daran kann auch das BayRDG nichts ändern; der Fehler ist im System angelegt, und man kann ihn auch nicht durch noch so geschickte Konstruktionen "umgehen". Entweder will man eine beschränkte Ausübung der Heilkunde als Regelleistung (die man durchaus an eine besondere Qualifikation binden und auf SOPs beschränken könnte), dann muss man das so regeln, oder man will sie nicht, dann hilft auch keine Hilfskonstruktion.

  • thh
    Vielen Dank für deine ausführliche Erklärung. Aber ist es dann nicht doch eine Verbesserung der Rechtssicherheit für die künftigen ÄLRD und für das RFP?
    Mein eingangs erwähntes Verständnis des Art. 12 Nr. 6 BayRDG ist nur anwendbar bei nicht komplexen Notfallbilder, also wie der von dir erwähnte Schmerzpatient.
    Unberührt in diesem Kontext bleiben natürlich Situationen in der eine Diagnosestellung erfolgen muss und nicht nur ein "Symptom" behandelt wird. Dieses wird ja auch explizit im weiteren Text so genannt.


    Was mich bei dieser Sache jetzt wieder verwirrt ist die Tatsache, dass ich vor über einen Jahr auf einer Veranstaltung war, wo der Landesbeauftragte ÄLRD genau über dieses Thema referierte und ein Rechtsgutachten zitierte, welches eine Delegation, wie du ja richtig geschrieben hast, in dem jetzigen rechtlichen Rahmen nicht zuließ. Weiter sagte er auch, dass es aber durch Veränderungen auf landesrechtlicher Ebene Möglichkeiten einer neuen Gesetzgebung geben würde.


    Verstehe ich dich jetzt richtig, dass trotz einem Jahr nochmaliger Vorbereitung von zuständigen Beamten und Juristen, der vorliegende Gesetzesentwurf wieder nicht schlüssig ist?
    Oder ist es so, Delegation geht natürlich auch nicht durch die gesetzliche Hintertür, aber SOP´s für Situationen, welche keine "Diagnosestellung" erfordern sind ok. Jetzt muss nur noch geklärt werden, wann sind Situationen komplex und benötigen eine nicht delegierbare Diagnosestellung und was sind Situationen die eben keine Diagnosestellung brauchen.
    Jetzt könnte man sagen jede Behandlung benötigt natürlich eine Art "Arbeitsdiagnose". Bin mal gespannt.

  • bei nicht komplexen Notfallbilder, also wie der von dir erwähnte Schmerzpatient.
    Unberührt in diesem Kontext bleiben natürlich Situationen in der eine Diagnosestellung erfolgen muss und nicht nur ein "Symptom" behandelt wird. Dieses wird ja auch explizit im weiteren Text so genannt.


    Welche Behandlung kann ich denn ohne Diagnose durchführen?
    Du sagst es ja im letzten Satz selber.


    Es gibt imho keine Behandlung ohne eine Diagnose. Bei jedem Schmerzpatienten habe ich vor der Gabe von Medikamenten irgendeine Diagnose zu haben. Ich muss ja wissen, warum der Patient Schmerzen hat. Auch wenn ich sehe, dass der Arm nicht mehr am Körper hängt hab ich eine Diagnose.
    Wenn nur der kleine Finger gebrochen ist auch...

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • "Delegationen" ohne persönliche Anwesenheit sind rechtlich nicht darstellbar


    Das ist meines Erachtens der springende Punkt - in welchem Ausmaß das vielleicht doch möglich ist. Ich habe das hier und da schon einmal in Diskussionen angedeutet: Die spannende Frage ist, ob man Zustandsbilder so genau beschreiben kann, dass kein "links und rechts" möglich ist. Persönlich bin ich skeptisch, aber es wäre interessant, sich in dieses Thema zu vertiefen.

  • GuyFawkes
    Genau das meinte ich, aber anscheinend glauben die Verfasser dieser Textpassage, dass es sehr wohl möglich ist, solche engen Zustandsbilder zu beschreiben.
    Die Haftung für die ÄLRD sollte somit auch geklärt sein, denn sie geben ja als Einzelperson nicht die SOP`s heraus, sondern es wird landesweit bestimmt und per Dienstanweisung der mittleren Rettungsdienstbehörde "angeordnet". So verstehe jedenfalls ich den Gesetzesentwurf.
    Ich gebe dir aber völlig recht, eigentlich gibt es keine Behandlung ohne Diagnose, aber der Gesetzesentwurf lässt für mich jedenfalls auf etwas anderes schließen. Ich erwarte mir bei dieser Argumentation logischerweise nicht eine SOP "Thoraxschmerz" mit all seinen Facetten, sondern wahrscheinlich eher "Venenzugang + kristaline Lösung".

  • Ich bin etwas gespalten. Einerseits würde glaube ich dem ärztlichen Rettungsdienst etwas Supervision und Qualitätskontrolle nicht schaden (vorsichtig gesagt). Allerdings sehe ich nicht, wie im aktuellen System mit Sicherstellungsauftrag durch die KVB und freiberuflich tätigen Notärzten ein ÄLRD sein Weisungsrecht durchsetzen können soll.
    Bezüglich der Delegation der ÄLRD an den NotSan sieht die agbn ja, wenn ich richtig verstehe, die selben Probleme wie unsere Forumsjuristen.

  • Hi!

    Allerdings sehe ich nicht, wie im aktuellen System mit Sicherstellungsauftrag durch die KVB und freiberuflich tätigen Notärzten ein ÄLRD sein Weisungsrecht durchsetzen können soll.

    Ich machs mir jetzt mal einfach: Durch gewisse" Arbeitsverträge".
    Die freiberuflichen müssen doch irgend einen AV haben-da kann man doch gewisse Sachen reinschreiben.
    Grüße

    Wenn man tot ist, ist das für einen selbst nicht schlimm, weil man ja tot ist. Schlimm ist es aber für die anderen...
    Genau so ist es übrigens wenn man doof ist...

  • Ich schätze, dass es sich bald mit dem Notarztsystem in der jetzigen Form erledigt hat. Meiner Meinung nach kommt man nicht daran vorbei, der KVB den Sicherstellungsauftrag zu entziehen und ihn an die Krankenhäuser oder an die Durchführenden des RD zu übertragen.

    Alle getätigten Aussagen stellen meine private Meinung dar und stehen in keinem Zusammenhang mit meiner beruflichen Tätigkeit.

  • Hi!

    Ich machs mir jetzt mal einfach: Durch gewisse" Arbeitsverträge".
    Die freiberuflichen müssen doch irgend einen AV haben-da kann man doch gewisse Sachen reinschreiben.
    Grüße


    Nö haben sie nicht. Sie haben eine Zulassung durch die KV und diese hat den Sicherstellungsauftrag. Und Freiberuflichkeit ist mit Weisungsrecht durch irgendjemanden schwer in Übereinstimmung zu bringen.


    Das PRoblem, dass ich sehe ist, dass den Leistungserbringern und den Kostenträgern in dem neuen System deutlich mehr Einfluss reingeräumt wird, als bisher. Und in Bzug auf BaWü wird dies ja immer als ein Grund für die vielen Probleme des RD genannt...

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Zitat

    Ich schätze, dass es sich bald mit dem Notarztsystem in der jetzigen Form erledigt hat. Meiner Meinung nach kommt man nicht daran vorbei, der KVB den Sicherstellungsauftrag zu entziehen und ihn an die Krankenhäuser oder an die Durchführenden des RD zu übertragen.


    Gut möglich. Da wird sich zeigen, ob die grauen Notarzteminenzen noch Einfluss haben :-)

  • Das ist meines Erachtens der springende Punkt - in welchem Ausmaß das vielleicht doch möglich ist. Ich habe das hier und da schon einmal in Diskussionen angedeutet: Die spannende Frage ist, ob man Zustandsbilder so genau beschreiben kann, dass kein "links und rechts" möglich ist. Persönlich bin ich skeptisch, aber es wäre interessant, sich in dieses Thema zu vertiefen.


    Das scheitert - in der Theorie - daran, dass die Indikationsstellung als Kern der ärztlichen Leistung nicht delegierbar ist, und in der Praxis dann daran, dass bei der Delegation die Anordnungsverantwortung ja beim Arzt verbleibt. Wenn also der Algorithmus korrekt abgearbeitet wurde, die Maßnahme aber aus irgendeinem Grund dennoch eher nur so mittelgut war, wäre der Arzt drin. Das wird sich niemand antun, der auch nur zur Hälfte bei Sinnen ist - denn ließe sich Medizin so einfach abbilden, dass der Algorithmus alle Eventualitäten abdeckt, könnte man bei der Ausbildung doch deutlich zurückstecken.

  • Die Haftung für die ÄLRD sollte somit auch geklärt sein, denn sie geben ja als Einzelperson nicht die SOP`s heraus, sondern es wird landesweit bestimmt und per Dienstanweisung der mittleren Rettungsdienstbehörde "angeordnet". So verstehe jedenfalls ich den Gesetzesentwurf.


    Das geht nicht. Eine Delegation erfolgt durch eine Einzelperson, die dafür die Anordnungsverantwortung trägt, sonst ist es keine Delegation.


    Ist es aber keine Delegation, sondern eigenständige Tätigkeit, ist es Ausübung der Heilkunde, wenn auch ggf. in sehr beschränkter Form.


    Ich sehe nicht, wie logisch etwas dazwischen denkbar sein sollte - andererseits sehe ich natürlich sehr wohl, warum diese eigenartige Regelung zustande kam (ein typischer Fall von "wasch mich, aber mach mich nicht nass") und was man sich da so vorstellt.

  • Klar, so weit war ich natürlich auch schon ;). Es kann deshalb sicher nicht in der Weise funktionieren, wie das allenthalben zu sehen ist. Auf der anderen Seite nehme ich wahr, dass nicht wenige Ärzte offenbar meinen, dass man manche Tätigkeiten weitgehend risikolos durch Fachpersonal erledigen lassen kann. Deshalb steht dann für Juristen die Frage im.Raum, ob man das hinreichend bestimmt abgrenzen kann. Einen konkreten Vorschlag habe ich aber noch nicht gesehen.