Baden-Württemberg kämpft mit zunehmendem Fachkräftemangel im Rettungsdienst

  • Wie aus der Antwort des Innenministeriums Baden-Württemberg auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Hans-Ulrich Rülke und Dr. Ulrich Goll (FDP/DVP) hervorgeht wird es für die Rettungsdienste im Land zunehmend schwieriger, offene Stellen im Rettungsdienst mit qualifiziertem Personal (nach-) zu besetzen.
    Der DRK Landesverband Badisches Rotes Kreuz nennt als Gründe beispielhaft die demografische Entwicklung, tarifliche und arbeitszeitrechtliche Rahmenbedingungen sowie die Abwanderung in andere Gesundheitsfachberufe und - speziell im „Dreiländereck“ - auch in das Nachbarland Schweiz. Zudem wird auf das Problem der ungleichen Verteilung zwischen städtischen und ländlichen Regionen hingewiesen. „Neue Mitarbeiter seien auf dem Arbeitsmarkt dem Grunde nach im ländlichen Raum und der Grenzregion zur Schweiz nicht verfügbar.“ Die Rekrutierungsprobleme beim Fachpersonal stellen eine Herausforderung für den Rettungsdienst dar. Gleichwohl wird ein Fachkräftemangel noch nicht von allen Hilfs- und Rettungsdienstorganisationen explizit bejaht.


    Wie der Antwort des Innenministeriums zu entnehmen ist, können sich Probleme bei zu dünn bleibenden Personaldecken nicht nur in Schichtausfällen niederschlagen, sondern ergeben sich auch für die Umstrukturierung des Rettungsdienstes im Zuge der Ablösung des Berufs der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten durch den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters. Der DRK Landesverband Baden-Württemberg sieht die Einführung der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters zum 31. Dezember 2020 unmittelbar gefährdet, wenn für die Weiterqualifizierungsphase der bestehenden Rettungsassistenten nicht ausreichend Ersatzpersonal zur Verfügung stehen sollte. Außerdem wird es zunehmend schwieriger werden, beschlossene Vorhaltungserweiterungen zur Verbesserung der Hilfsfristerreichungsgrade zu realisieren.


    Konkrete Zahlen zu Ausfallzeiten von Rettungswagen-Schichten aufgrund Personalmangels konnte das Innenministerium auf Anfrage mangels verpflichtender einheitlicher Vorgaben zu einer statistischen Erhebung in den Rettungsdienstbereichen nicht nennen. Aus den 34 Rettungsdienstbereichen im Land lagen dem Innenministerium lediglich aus 6 Bereichen vereinzelte Zahlen aus den Jahren 2014 und 2015 vor. Demnach gab es die meisten Ausfälle im Rettungsdienstbereich Karlsruhe (43 Schichtausfälle im Jahr 2014 und 92 Schichtausfälle im Jahr 2015). Im Rettungsdienstbereich Esslingen gab es im Jahr 2015 insgesamt 10 Schichtausfälle und im Jahr 2014 lediglich 1 Schichtausfall; in den Bereichen Göppingen und Heilbronn jeweils 1 Schichtausfall im Jahr 2015. Auch aus den Rettungsdienstbereichen Rhein-Neckar/Heidelberg und Zollernalbkreis lagen jeweils lediglich Zahlen aus 2015 vor (38 Schichtausfälle und 7 Schichtausfälle).
    Zur Frage, wie oft in den Jahren 2014 und 2015 nicht die Rettungswagen, die den kürzesten Weg zum Notfall hatten, eingesetzt werden konnten, weil die entsprechende Rettungswagen-Schicht bzw. Wache nicht ausreichend besetzt war, konnte das Innenministerium ebenfalls Mangels verpflichtender Vorgaben für eine einheitliche Statistik durch die Rettungsdienste keine Zahlen nennen, geht jedoch davon aus, dass entsprechende Fallzahlen allenfalls in einem niederen Promillebereich zu sehen sind.


    Das Innenministerium wird das Problem der Fachkräftegewinnung im Rettungsdienst zu einem Schwerpunktthema bei der Gremienarbeit im Rettungsdienst erheben. "Ziel ist es, gemeinsam mit allen Beteiligten eine tragfähige Basis zu definieren, auf der gegebenenfalls erforderliche weitergehende Maßnahmen reflektiert werden können."
    Auch die Leistungsträger und Leistungserbringer im Rettungsdienst seien aktiv und würden auf Verbesserungen hinwirken, so das Innenministerium. Hervorzuheben seien die Bemühungen, die Zahl der Auszubildenden zu erhöhen. Dies gilt insbesondere für den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters als neuen Schlüsselberuf im Rettungsdienst.

  • Na ist doch gut, dass das Rettungsfachpersonal knapp ist. Dann ist ja langsam die Zeit gekommen, die Zügel bei den Entgelt- und Arbeitszeitforderungen anzuziehen. Immerhin hat man erkannt, dass diese beiden Dinge bei diesem Thema nicht so ganz unwichtig sind. Amen...

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Wer Rettungsassistenten immer noch
    Als RettSan für den KTW Einstellt, der darf sich nicht wundern, wenn die Bewerbungen ausbleiben.

  • Es halten sich ja hartnäckig Gerüchte wonach es RD Bereiche gibt in den zumindest in Einzelfällen virtuell die Einsatzstati generiert werden damit es zu keiner signifikanten Verschlechterung der Hilfsfristen kommt. Ob da was dran ist? Keine Ahnung....

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

  • Und ich habe Gerüchte gehört, dass die Kassen bei Diskussionen um Vorhalteerweiterungen inzwischen den Leistungserbringern entgegnen, dass sie zuerst mal alle bezahlten Schichten tatsächlich besetzen sollen, bevor sie noch mehr Schichten fordern. Ich hoffe, hier wird es in der nahen Zukunft deutlich mehr Kontrollen geben.


    Eddy

  • Ich hoffe, hier wird es in der nahen Zukunft deutlich mehr Kontrollen geben.


    Wie aus der Meldung zu entnehmen ist werden solche Statistiken überhaupt nicht geführt, da sie nicht geführt werden müssen. Controlling dürfte zudem in vielen Rettungsdiensten noch ein Fremdwort sein. Und eine Kontrolle durch die Rechtsaufsicht findet im Regelfall erst statt, wenn es konkrete Anfragen dazu im Landtag gibt. Nur so sind damals auch die desaströsen Zielerreichungsgrade bei den Hilfsfristen ans Tageslicht gekommen und nicht, weil es durch die Rechtsaufsicht regelhaft überprüft wurde. Und schon gar nicht, weil die Rettungsdienste selbst Alarm geschlagen hätten. Das haben sie erst dann, als die Zahlen öffentlich wurden. Und der tatsächliche Effekt der SQR bleibt auch noch abzuwarten.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Es halten sich ja hartnäckig Gerüchte wonach es RD Bereiche gibt in den zumindest in Einzelfällen virtuell die Einsatzstati generiert werden damit es zu keiner signifikanten Verschlechterung der Hilfsfristen kommt. Ob da was dran ist? Keine Ahnung....

    Von der Lst. aus? Oder von den Kollegen im Fahrzeug aus?


    Wenn ersteres, kann man nicht einsehen wer den Status eingab? Wenn letzteres, dann ist das sehr dummes, kurzsichtiges Personal.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Und wie von vielen hier im Forum bereits angemerkt, sollte man auch an der Stellschraube der tatsächlichen Nachfrage ansetzen, d.h. insgesamt die Indikationen jeweils für NEF / RTW / KTW / KV-Arzt / Hausarzt / Taxi / Selbsthilfe überdenken.
    Dies erfordert aber deutliche Investitionen in Leitstellenpersonal- und infrastruktur, Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen und das vermutlich Schwierigste wird die Abstimmung mit unterschiedlichen medizinischen Leistungserbringern sein (RD und Leitstellen, KH, KV/amb. Bereich, Krankenkassen).

  • Wie aus der Meldung zu entnehmen ist werden solche Statistiken überhaupt nicht geführt, da sie nicht geführt werden müssen. Controlling dürfte zudem in vielen Rettungsdiensten noch ein Fremdwort sein. Und eine Kontrolle durch die Rechtsaufsicht findet im Regelfall erst statt, wenn es konkrete Anfragen dazu im Landtag gibt. Nur so sind damals auch die desaströsen Zielerreichungsgrade bei den Hilfsfristen ans Tageslicht gekommen und nicht, weil es durch die Rechtsaufsicht regelhaft überprüft wurde. Und schon gar nicht, weil die Rettungsdienste selbst Alarm geschlagen hätten. Das haben sie erst dann, als die Zahlen öffentlich wurden. Und der tatsächliche Effekt der SQR bleibt auch noch abzuwarten.


    Ich habe die kleine Anfrage und die dazugehörigen Atworten gelesen. Aber nachdem das neue RDG wenigstens ein wenig in die Richtung geht, habe ich ein wenig Hoffnung.


    Du weißt doch: Die Hoffnung stirbt zuletzt.....

  • Von der Lst. aus? Oder von den Kollegen im Fahrzeug aus?


    Wenn ersteres, kann man nicht einsehen wer den Status eingab? Wenn letzteres, dann ist das sehr dummes, kurzsichtiges Personal.


    Man wird nie ganz verhindern können, dass es RTW-Besatzungen gibt, die -warum auch immer- Status 4 drücken, wenn der Einsatzort am Horizont zu erahnen ist. Das lässt sich im Nachhinein auch kaum überprüfen. Alles andere ist zumindest in unserem ELS nachprüfbar. Es dokumentiert beweissicher, wer der den Status gesetzt hat; der Disponent manuell oder das Rettungsmittel. Bei letzterem wird sogar unterschieden, ob die Übertragung per Rescue Track oder 4m-Funk erfolgte.

  • Na ist doch gut, dass das Rettungsfachpersonal knapp ist. Dann ist ja langsam die Zeit gekommen, die Zügel bei den [...] Arbeitszeitforderungen anzuziehen.


    Ich weiß nicht, ob es der richtige Weg ist, bei zu wenig Personal die wenigen auch noch kürzer arbeiten zu lassen.
    Man hat vor Jahren verpasst (ich schrieb das bereits in einem Thema, wo es um Pflegekräfte ging), dass nichtärztliches Personal entsprechend gesellschaftlich entwickelt wurde. Nun wird man nicht umhin kommen, ausländische Kräfte anzuwerben. Kleines Beispiel aus meinem Bereich? Bitte schön: SWR Mediathek 1.3.16 ab Minute 10:00.
    Zu sehen ist übrigens "meine" Intensivstation in Karlsbad...
    Ich warte auf den ersten Vorschlag, an der Grenze nen Ausbildungsvertrag unterschreiben zu lassen und anschließend ein beschleunigtes Asylverfahren einzuleiten.

  • Ich weiß nicht, ob es der richtige Weg ist, bei zu wenig Personal die wenigen auch noch kürzer arbeiten zu lassen.


    Bei einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden ? Durch die maximale Ausnutzung von Arbeitsgesetz/Tarifvertrag bei Arbeitszeit (auch beim Lohn, nur in der anderen Richtung) können kaum noch Personalausfälle kompensiert werden, d.h. die "Wenigen" müssen schneller arbeiten - und werden krank ...


    Man wird sich anderen Arbeits(zeit)modelle öffnen müssen, wie unser User "Flobach" beim Zukunftskongress Rettungsdienst referiert hat. Ein Blick auf den, zwischenzeitlich imposanten, Stellenmarkt der Zeitschrift Rettungsdienst zeigt die Entwicklung, so einen Umfang dürfte ich zuletzt als Berufsanfänger gesehen haben.

  • Bei einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden ? Durch die maximale Ausnutzung von Arbeitsgesetz/Tarifvertrag bei Arbeitszeit (auch beim Lohn, nur in der anderen Richtung) können kaum noch Personalausfälle kompensiert werden, d.h. die "Wenigen" müssen schneller arbeiten - und werden krank ...


    Langfristig magst Du mit Sicherheit recht haben. Aber für die Schnelle dürfte es nicht die geeignete Maßnahme sein. Um kürzere Arbeitszeiten umsetzen zu können, braucht man mehr Personal - und das ist zur Zeit nicht verfügbar. Und selbst wenn man die AZ verkürzt, um mehr Bewerber für die Ausbildung zu bekommen, dann müssen die immer noch ausgebildet werden.

  • Aber für die Schnelle dürfte es nicht die geeignete Maßnahme sein. Um kürzere Arbeitszeiten umsetzen zu können, braucht man mehr Personal - und das ist zur Zeit nicht verfügbar. Und selbst wenn man die AZ verkürzt, um mehr Bewerber für die Ausbildung zu bekommen, dann müssen die immer noch ausgebildet werden.


    Das bleibt ein Teufelskreis, wenn nicht schnell etwas passiert, ist auch das bestehende Personal weg - und immer noch niemand ausgebildet. Vielleicht ist es doch dringend Zeit für einen Paradigmenwechsel.

  • Vielleicht ist es doch dringend Zeit für einen Paradigmenwechsel.

    Nicht nur vielleicht.

    Views and opinions are my own.


    “The electric light did not come from the continuous improvement of candles.” - Oren Harari

  • solange ich hier in NRW noch Stellenanzeigen bekomme in der mir Jobs als Rettungsassistent mit "leistungsgerechter Bezahlung" zu 8,50 € pro Stunde angepriesen werden, bei merkwürdigen "Bereitschaftsdienstregelungen" müssen glaube ich noch viel mehr abwandern...


    ciao,


    madde

    "You won't like me when I'm angry.


    Because I always back up my rage with facts and documented sources."



    The Credible Hulk.

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  • Zitat

    Das bleibt ein Teufelskreis, wenn nicht schnell etwas passiert, ist auch das bestehende Personal weg - und immer noch niemand ausgebildet. Vielleicht ist es doch dringend Zeit für einen Paradigmenwechsel.


    Es muss beides angegangen werden. Die Vergütung muss mit Augenmaß erhöht werden und die erweiterte unbezahlte Arbeitszeit abgesenkt werden. Zudem brauchen wir mehr Teilzeit- und Nachtschichtarbeitsplätze wie in der Pflege auch. Entsprechend müssen die Gehälter modifiziert werden.

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

  • Richtig, RS werden auf Mindestlohn eingestellt. Das Zentrallager bei uns einer Supermarktkette mit den vier roten Buchstaben bezahlt 12€ für ungelernte Packtätigkeit, plus Aufschlag für Arkordleistung. Sicher kein Job zum glücklich werden aber ein Zeichen wo der Rettungsdienst gelandet ist.

  • UPS hatte hier vor einigen Monaten in der S-Bahn eine Werbetafel geschaltet. 15,xx Euro / Std. als Paketfahrer. Voraussetzung: Führerschein. Mehr nicht...

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.