Grevesmühlen/Mallentin Krankenwagen geblitzt: Fahrer soll Führerschein abgeben

  • Zitat

    Mit Blaulicht und Sirene ist er in Mallentin mit 90 Stundenkilometern geblitzt worden / Anwalt spricht von „hirnverbranntem Blödsinn“ / Dem DRK sind die Hände gebunden.


    Lübecker Nachrichten


    Peinlich ist mal wieder die Diskussion auf Facebook.
    Erinnert stark an den Heldennotarzt aus der Vergangenheit...

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • Ein etwas verwirrender Artikel. Aber die Strategie ist gut, erstmal alle wahnsinnig machen, die Extraportion Emotionen einbringen (Menschen werden sterben - auch SIE kann es treffen) und dann abwarten.


    Sag ja, dass es mich an den legendären Kinderretternotarzt erinnert.

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • Blöde Frage: Hat der Landkreis dahin gehend eine Regelungskompetenz?



    Das frage ich mich auch gerade.


    Wobei dieses Zitat aus der Zeitung wirklich gigantisch ist:
    :-D

    Zitat

    Dass ein Fahrer seinen Job verliert, wenn er für einen Monat seinen Führerschein abgeben muss, steht laut der Behörde nicht zu befürchten. Denn auf den Rettungswagen sitzen durchaus Sanitäter, die keine Fahrerlaubnis besitzen.

  • Blöde Frage: Hat der Landkreis dahin gehend eine Regelungskompetenz?


    Ich wüsste zwar auch nicht genau wo man das nachschlagen könnte, aber der Bußgeldbescheid kommt in solchen Fällen ja auch vom Landkreis/Kreisfreie Stadt.


  • Ich wüsste zwar auch nicht genau wo man das nachschlagen könnte, aber der Bußgeldbescheid kommt in solchen Fällen ja auch vom Landkreis/Kreisfreie Stadt.


    Ja, klar, die stellen einen Verstoß frst und ahnden ihn.
    Aber der Verstoß muss ja irgendwo geregelt sein, in dem Fall in der StVO. Und das ist Bundesrecht. Ich wüsste nicht, dass eine kommunale Behörde Bundesrecht näher definieren bzw. ausgestalten kann, solange das nicht eindeutig so vorgesehen ist. Und in diesem Falle wäre mir das neu.
    Aber ganz sicher bin ich mir auch nicht, deshalb meine Frage.

  • Ein etwas verwirrender Artikel. Aber die Strategie ist gut, erstmal alle wahnsinnig machen, die Extraportion Emotionen einbringen (Menschen werden sterben - auch SIE kann es treffen) und dann abwarten.


    Ich finde den Artikel eigentlich gar nicht soooo schlecht.


    Grundsätzlich beträgt an der entsprechenden Stelle die höchstzulässige Geschwindigkeit offenbar 50 km/h (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Unter den Voraussetzungen des § 35 Abs. 5 a StVO ist der Fahrer des Rettungsmittels von dieser Beschränkung befreit; er darf von dieser Befreiung aber nur unter ausreichender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Gebrauch machen. Kurz gesagt: er darf schneller fahren als erlaubt, aber nicht so schnell, dass er andere übermäßig gefährdet; im Prinzip wird man als Faustregel wohl sagen können, dass die feste Geschwindigkeitsbeschränkung quasi entfällt und nur noch die allgemeine Maßregel aus § 3 Abs. 1 StVO gilt.


    Eine nicht unbekannte Faustregel dazu - von der ich persönlich nicht sehr viel halte - ist "50% mehr sind okay, mehr aber nicht". Das ist zwar einfach, aber m.E. nicht richtig, denn 50% können zuviel sein, aber - man denke an eine gut ausgebaute "Stadtautobahn" ohne Gehwege pp. und freier Fahrbahn - auch zu wenig.


    Der Rettungsdienstträger - der Landkreis - hat die Leistungserbringer dazu verpflichtet, diese Vorgaben einzuhalten, die wiederum per Dienstanweisung ihre Bediensteten verpflichtet haben. Beim ersten Verstoß pro Jahr bemüht sich der Rettungsdienstträger selbst um die Einstellung des Verfahrens, was ihm vermutlich eher leicht fällt, und verlangt eine Nachschulung. Beim zweiten Verstoß sagt er: "Dein Problem".


    90 km/h innerstädtisch gibt, wenn der Fahrer nicht von den Vorschriften der StVO befreit wurde, Punkte und Fahrverbot. Man kann vom Fahrverbot absehen, wenn man will, einerseits weil der Verstoß bspw. auf ein Augenblicksversehen zurückgeht oder keine "grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" (§ 4 Abs. 1 BKatV) darstellt, andererseits, wenn das Fahrverbot existenzgefährdend ist. Letzteres dürfte hier nicht der Fall sein. Einen Monat kann man immer per Urlaub überbrücken, und man kann auf einem RTW (oder KTW) auch beifahren, eine Kündigung steht daher nicht zu befürchten.


    Stellt sich am Ende die Rechtsfrage, ob die Voraussetzungen des § 35 Abs. 5a StVO vorlagen (das können wir wohl unterstellen) und ob 90 km/h statt 50 km/h an dieser konkreten Stelle sich noch im Rahmen des § 35 Abs. 8 StVO hält oder nicht. Da kann vor Gericht jedes Ergebnis richtig sein.


    Wobei dieses Zitat aus der Zeitung wirklich gigantisch ist:
    :-D


    Das ist - im Hinblick auf ein Absehen vom Fahrverbot wegen Existenzgefährdung - völlig richtig, auch wenn es vielleicht etwas eigenartig formuliert ist. :)


    Blöde Frage: Hat der Landkreis dahin gehend eine Regelungskompetenz?


    Intern für "seinen" Rettungsdienst: sicher, warum nicht?


    Aber der Verstoß muss ja irgendwo geregelt sein, in dem Fall in der StVO. Und das ist Bundesrecht.


    Das ist eine Frage des § 35 Abs. 8 StVO. Ein Aufschlag von (nur) 50% scheint mir aber für ein trötendes Blinkauto zu wenig. Das OLG Stuttgart hat 2002 für einen Feuerwehrmann auf dem Weg zum Gerätehaus (Privat-Pkw, Dachaufsetzer) entschieden, dass wegen der schweren Erkennbarkeit nur mäßige Geschwindigkeitsüberschreitungen zulässig sein:


    [quote="OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.04.2002, 4 Ss 71/02"]Mit einem privaten Pkw, der keine Signaleinrichtungen wie ein Feuerwehrfahrzeug aufweist, sind daher, soweit es um die Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit (§ 3 StVO) geht, allenfalls mäßige Geschwindigkeitsüberschreitungen ohne Gefährdung oder gar Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer statthaft, was vorliegend noch der Fall ist.[/quote]


    78 km/h statt 50 km/h hielt das OLG für ausreichend "mäßig" (für ein praktisch ungekennzeichnetes Zivilfahrzeug). Da wird man nur schwer begründen können, warum das für einen RTW zu viel sein sollte. Freilich sind 90 km/h schon eine andere Nummer.


    Das hängt im Ergebnis (a) von den genauen örtlichen Verhältnissen ab (es gibt innerörtliche Stellen, da kann man echt schon keine 50 fahren, und andere, wo 120 auch nicht so wirklich ein Problem wären) und (b) von der Auffassung des Gerichts ab. Begründen - so dass es der Rechtsbeschwerde standhält - kann man im Urteil beides.


    Grüße,
    -thh

  • Der Rettungsdienstträger - der Landkreis - hat die Leistungserbringer dazu verpflichtet, diese Vorgaben einzuhalten, die wiederum per Dienstanweisung ihre Bediensteten verpflichtet haben. Beim ersten Verstoß pro Jahr bemüht sich der Rettungsdienstträger selbst um die Einstellung des Verfahrens, was ihm vermutlich eher leicht fällt, und verlangt eine Nachschulung. Beim zweiten Verstoß sagt er: "Dein Problem".


    Dann wäre das ja aber keine Ordnungswidrigkeit im Sinne der StVO (die ja keine Grenze kennt außer der allgemeinen Regel über die besondere gegenseitige Rücksichtnahme= Nichtgefährdung anderer Verkehrsteilnehmer"), sondern eine dienst-disziplinarische Sache, oder?


    Geht man davon aus, dass es sich um eine gut einsehbare, ausgebaute Straße handelt, auf der ohne übermäßige Gefährdung anderer eine Geschwindigkeit von 90km/h gefahren werden kann, dann kann es keine Ordnungswidrigkeit nach StVO sein, sondern "nur" die Missachtung einer kommunalen Dienstanweisung, die den Leistungserbringer zur Auflage gemacht wurde, die aber letztendlich dieser sicherzustellen hat. Das hat er mit einer entsprechenden Dienstanweisung umgesetzt. Der Fahrer des zu schnellen RTW hat also nicht gegen die StVO verstoßen, sondern gegen eine Dienstanweisung. Dies kann aber meines Empfindens nach nur eine disziplinarische Maßnahme nach ziehen, zum Beispiel eine Nachschulung, oder im wiederholten Fall eine Abmahnung (wobei ich die Gefährdung des betrieblichen Ablaufs nicht so ganz erkennen kann).
    Ein rechtliches Verhältnis besteht meiner Meinung nach nur zwischen dem AG und dem Fahrer und zwischen den Landkreis (als Auftragsvergeber) und dem Leistungserbringer.


    Oder sehe ich das falsch?


    Die ganze Frage ist natürlich obsolet, wenn es sich m eine Situation handelt, in der der RTW-Fahrer tatsächlich unter den gegebenen Umständen übermäßig gefährdend gehandelt hat.


    Gruß, Christian


  • Dann wäre das ja aber keine Ordnungswidrigkeit im Sinne der StVO (die ja keine Grenze kennt außer der allgemeinen Regel über die besondere gegenseitige Rücksichtnahme= Nichtgefährdung anderer Verkehrsteilnehmer"), sondern eine dienst-disziplinarische Sache, oder?


    Grundsätzlich ja, aber offenbar vertritt die Bußgeldbehörde - nicht fernliegend: auch "der Landkreis" - ebenfalls die Ansicht, dass mehr als 150% der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zuviel sind.


    Das kann man so sehen. Ich halte das für falsch, aber wie gesagt ...


    Geht man davon aus, dass es sich um eine gut einsehbare, ausgebaute Straße handelt, auf der ohne übermäßige Gefährdung anderer eine Geschwindigkeit von 90km/h gefahren werden kann, dann kann es keine Ordnungswidrigkeit nach StVO sein,


    Klar. Man kann sich jetzt aber auf den Standpunkt stellen, dass 90 km/h innerorts (auf einer typischen Straße) immer zuviel seien. Wegen der Kinder, der Hunde, was weiß denn ich. Als Bußgeldbehörde kann man so ahnden (offenbar gibt's ja einen entsprechenden Bußgeldbescheid). Und auch als Gericht kann man - wenn man das nicht so verabsolutiert, sondern am Einzelfall orientiert begründet - m.E. unangreifbar entsprechende Feststellungen treffen. Ob das zuständige Amtsgericht das tut, wird man sehen. Es erscheint jedenfalls sinnvoll, gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einzulegen.


    Und freilich mögen 90 km/h da auch wirklich zuviel sein. "Ohne übermäßige Gefährdung" ist ein sehr auslegungsfähiger Begriff.


    Ohne die örtliche Verhältnisse zu kennen kann man das nicht beurteilen. Und selbst wenn man sie kennt, kann man unterschiedlicher Meinung sein, ob 90 km/h dort "gehen" oder nicht.


    Grüße,
    -thh

  • Intern für "seinen" Rettungsdienst: sicher, warum nicht?


    Aus der Quelle:

    Zitat

    "Das bedeutet für Mallentin: Bei erlaubten 50 Stundenkilometern dürften Rettungswagen, Polizei oder Feuerwehr maximal 75 fahren."


    Ist es auch die Polizei des Landkreises? :pardon:

  • Im Umkehrschluss heißt das auch: In einer Verkehrsberuhigten Straße darf ich max 10km/h fahren.
    Das solle sich mal jemand bildlich vorstellen......


    Alarmmäßig in einer Verkehrsberuhigten Straße mit 10km/h.......
    Da überholen Dich alle Radfahrer, Autofahrer, Rollerfahrer.


    Das gäbe in der Presse auch eine riesige Schlagzeile......

  • mich haben sie gerade mit 160 auf der Landstrasse geblitzt. Erlaubt sind dort nur 60 (warum versteht keiner). Nach dänischem Recht wären das so ca 1200€ Strafe und 6 Monate Führerscheinentzug.

  • Man kann sich jetzt aber auf den Standpunkt stellen, dass 90 km/h innerorts (auf einer typischen Straße) immer zuviel seien


    Dann wiederum könnte man aber nicht mir der 50%-Regel argumentieren...

  • Im Umkehrschluss heißt das auch: In einer Verkehrsberuhigten Straße darf ich max 10km/h fahren.
    Das solle sich mal jemand bildlich vorstellen......


    Ich kann mich an einen Kollegen erinnern der das Blaulicht ausschaltete bei der Konkretisierung der Einsatzmeldung hin zu Kopfplatzwunde.
    Zitat: "Für so einen Scheiß fahre ich nicht mit Blaulicht."




    Unterm Strich:
    Ich bin persönlich froh, dass ich nicht selber fahren muss.

  • Unterm Strich:
    Ich bin persönlich froh, dass ich nicht selber fahren muss.

    Warte mal ab! BaWü ist immer für eine Überraschung gut. Vielleicht schaut man sich da ja was aus Bayern ab? :pfeif:

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Was ich bei der ganzen Aktion nicht verstehe:


    50 km/h sind erlaubt, mit Sonderrechten dürfen es 75 km/h sein. Da die Fahrt mit Sonderrechten ja unstrittig ist handelt es sich nur um eine Übertretung von 15 km/h. Wie kommt man dann auf ein Fahrverbot?

  • Klar. Man kann sich jetzt aber auf den Standpunkt stellen, dass 90 km/h innerorts (auf einer typischen Straße) immer zuviel seien. Wegen der Kinder, der Hunde, was weiß denn ich. Als Bußgeldbehörde kann man so ahnden


    Da habe ich Zweifel, zumindest wenn man das juristisch sauber macht: Wer als Behörde "immer" sagt, übt nämlich sein Ermessen nicht aus. Und das ist immer fehlerhaft. Je nach rechtsdogmatischem Geschmack kann man den Fehler auch in den Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsseite bei § 35 Abs. 8 StVO schieben. Eine abstrakt-generelle Norm darf die Behörde so oder so nicht setzen (weshalb ich auch für unzulässig halte, den Leistungserbringern entsprechende Vorgaben zu machen - aber letzteres ist gerade nur Bauchgefühl).


    Dass man natürlich im Einzelfall nach entsprechender Prüfung zu der Einschätzung kommen kann, Tempo 90 seien an der bewussten Stelle zu viel, ist klar. Aber von vorneherein eine Aussage zu tätigen, wonach im gesamten Landkreis an jeder Stelle und zu jeder Zeit 150 % des angeordneten Geschwindigkeitslimits zu viel seien, halte ich für schwer begründbar. Erst recht, wenn man den ersten Verstoß in einem Jahr im Grunde noch toleriert, was sich auch kaum konsistent begründen lässt.


    Hochprofessionelle Äußerung des Anwalts auch.

    Lügen ist keine Kunst. Kunst ist, anderen die Wahrheit in einem neuen Licht zu zeigen.

  • Was ich bei der ganzen Aktion nicht verstehe:


    50 km/h sind erlaubt, mit Sonderrechten dürfen es 75 km/h sein. Da die Fahrt mit Sonderrechten ja unstrittig ist handelt es sich nur um eine Übertretung von 15 km/h. Wie kommt man dann auf ein Fahrverbot?

    Vermutlich weil "Kraft eigener Herrlichkeit habe ich entschieden, dass der Pursche 75km/h hätte fahren dürfen" eine schlechte Begründung für die Berechnung eines Bußgeldbescheides ist. Ich denke, deswegen werden die Sonderrechte überhaupt nicht berücksichtigt (was natürlich klotzhohl ist).


    (Ebenso klotzhohl sind meiner Meinung nach diesen ganzen festen Werte, dass man 50% zu schnell fahren darf. Oder nur mit 15km/h über rote Ampeln. In meinem Einsatzbereich gibt es rechts vor links Kreuzungen, wo ich auch mit Alarm jedes Mal anhalte, weil die schlecht einsehbar sind. Und es gibt eine Ampelkreuzung, da sind nur Äcker rechts und links, da nehme ich, wenn keiner kommt nicht mal den Fuß vom Gas. Ich denke deswegen hat der Gesetzgeber das auch etwas cleverer formuliert als der Landkreis.)