Mangelnde Rechtssicherheit bei BtM-Gabe - Selbstanzeige

  • Einwilligung des Patienten, Indikation und korrekte Durchführung sind für die Frage einer Strafbarkeit des unerlaubten Verabreichens von Betäubungsmitteln von keiner Bedeutung.


    Ich denke ebenfalls, dass man diesen Punkt deutlich betonen sollte, um gefährliche Missverständnisse zu vermeiden.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Wenn nun bestimmte BtM im Rahmen von SOP durch den ärztlichen Leiter Rettungsdienst "freigegeben" werden. (Frage:Kann er das überhaupt? Substitution vs Delegation (ohne Anwesenheit))
    Hilft es dem ärztlichen Leiter Rettungsdienst die Anwendung dieser SOP "rechtsverbindlich" im Landesrettungsdienstgesetz festzuschreiben?


    Hilft das dann nicht eher nur dem ärztlichen Leiter bei SEINER Rechtssicherheit?


    Die Einsatzkräfte wären ja weiterhin in der Bredouille, ich muss die SOP anwenden, wenn ich aber ein BtM
    verabreiche begehe ich trotzdem eine Straftat außer man wird durch den §34 "entlastet"!


    Wie würde sich die Amtshaftung auswirken?
    Oder wäre das ein Übernahmeverschulden?


    Zitat:"
    Nach § 4 Absatz 2 Nr. 2 c NotSanG wendet die Notfallsanitäterin bzw. der
    Notfallsanitäter bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und
    Notfallsituationen heilkundliche Maßnahmen an. Es fällt in den Verantwortungsbereich der
    Ärztlichen Leitung Rettungsdienst, medizinische Behandlungsstandards (Standard
    Operating Procedures
    SOP) zu definieren, die im Anwendungsbereich dieses Gesetzes
    für bestimmte Notfallsituationen die Ausübung von heilkundlichen Maßnahmen durch
    Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter vorsehen (Generaldelegation). Die ÄLRD kann
    die Delegation von heilkundlichen Maßnahmen, sowie die daraus resultierenden
    Überwachungspflichten, auch an Ärztinnen und Ärzte der am Rettungsdienst beteiligten
    Organisationen übertragen. Die Ärztliche Leitung Rettungsdienst hat durch geeignete
    Kontrollmechanismen sicherzustellen, dass die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter
    über die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen, um delegierte heilkundliche
    Maßnahmen durchzuführen."


    edit: Das Zitat stammt aus dem Entwurf des Rettungsdienstgesetz Berlin!


    VG

    2 Mal editiert, zuletzt von Quacksalber ()

  • Das kann nicht sein. Eine Einstellung nach § 153 StPO erfolgt wegen geringer Schuld, setzt also voraus, dass die Staatsanwaltschaft eben gerade von einem strafbaren Handeln ausgeht oder es zumindest nicht für ausschließbar hält. Hätte die Staatsanwaltschaft das Handeln als gerechtfertigt angesehen, hätte sie das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

    Vielleicht wurde hier einfach "strafbar" und "rechtswidrig" verwechselt?

  • Wenn nun bestimmte BtM im Rahmen von SOP durch den ärztlichen Leiter Rettungsdienst "freigegeben" werden. (Frage:Kann er das überhaupt? Substitution vs Delegation (ohne Anwesenheit))


    Ich sehe überhaupt keine rechtliche Grundlage für eine "Freigabe" heilkundlicher Maßnahmen durch den ÄLRD. Darauf kommt es im Hinblick auf die Verabreichung von Betäubungsmitteln aber nicht an.


    Die Verabreichung von Betäubungsmitteln ist nur im Rahmen einer ärztlichen Behandlung zulässig, wenn deren Anwendung am Patienten begründet ist. Schon der Begriff "ärztliche Behandlung" legt nahe, dass diese eine ärztliche Indikationsstellung voraussetzt; auch darauf kommt es aber nicht an, weil sich Literatur und Rechtsprechung einig sind, dass eine ärztliche Behandlung nur dann "begründet" ist, wenn sie auf einer Untersuchung des Patienten durch den Arzt und einer darauf basierenden Indikationsstellung erfolgt. [Das ist auch in der hausärztlichen Praxis - und vermutlich der Klinik - nicht immer der Fall und noch seltener ordentlich dokumentiert. Ja, das ist dann unangenehm und mindestens teuer, wenn es aufkommt.]


    Das schließt - jenseits einer Rechtfertigung durch Notstand - die Vergabe von Betäubungsmitteln an einen Patienten, den der Arzt noch nicht gesehen hat, aus. Wer sie dennoch vornimmt, macht sich strafbar. Wer das als Arzt anordnet, macht sich strafbar. Wer andere dazu anstiftet, indem er entsprechende Empfehlungen pp. vorgibt, macht sich im Zweifel auch strafbar.


    Hilft es dem ärztlichen Leiter Rettungsdienst die Anwendung dieser SOP "rechtsverbindlich" im Landesrettungsdienstgesetz festzuschreiben?


    Nein.


    Die Einsatzkräfte wären ja weiterhin in der Bredouille, ich muss die SOP anwenden, wenn ich aber ein BtM
    verabreiche begehe ich trotzdem eine Straftat außer man wird durch den §34 "entlastet"!


    Rechtswidrige SOPs müssen nicht angewendet werden, ja sie dürfen nicht angewendet werden. Eine SOP rechtfertigt keine Straftaten und begründet auch keinen unvermeidbaren Verbotsirrtum.



    Das ist für die Frage der Vergabe von BtM nicht relevant, aber ich halte das für falsch. § 4 Absatz 2 Nr. 2 c NotSanG regelt nicht die eigenständige Anwendung von heilkundlichen Maßnahmen durch den Notfallsanitäter, sondern seine Ausbildung dazu.


    Eine "Generaldelegation" ist mir als Rechtsfigur neu. Es konnte mir auch noch niemand erklären, was man sich darunter vorstellen soll. Das Wesen einer Delegation ist, dass der delegierende Arzt die Indikation stellt und dafür haftet, den Ausführenden auswählt und dafür haftet, dass dieser jedenfalls nicht offenkundig überfordert ist und die Ausführung ggf. zumindest stichprobenartig überwacht (und auch dafür haftet). Der Ausführende haftet für die ordnungsgemäße Ausführung. Auf die "Generaldelegation" übertragen würde das bedeuten, dass der ÄLRD sich von der Kompetenz jedes NotSan überzeugen und diesen stichprobenartig überwachen muss (was ich mir schon lustig, aber durchaus nicht ganz unmöglich vorstelle), aber auch für die richtige Indikationsstellung im Einzelfall haftet. Auch ohne sich mit dem Fernbehandlungsverbot und der Frage nach der Haftung für die Anordnung von Eingriffen bei einem nie untersuchten Patienten zu beschäftigen kann man das eigentlich nur tun wollen, wenn man völlig wahnsinnig geworden ist. Es sei denn, eine "Generaldelegation" solle irgendetwas anderes sein - dann müsste man aber erklären, wie, was und warum - und es sollte bestenfalls eine gesetzliche Regelung oder jedenfalls eine fundierte Rechtslehre und/oder Rechtsprechung dazu bestehen. Das sehe ich bisher nicht.

  • Vielleicht wurde hier einfach "strafbar" und "rechtswidrig" verwechselt?


    Macht keinen Unterschied. Eine Einstellung nach § 153 StPO setzt eine Strafbarkeit (bzw. deren ernsthafte Möglichkeit, wenn man gar nicht erst ermitteln will) voraus, also die Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestands ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe.

  • Wer entscheidet das eigentlich? Der bearbeitende Staatsanwalt oder sind da noch höhere Stellen mit involviert? Kann das auch wieder aufgerollt werden(von Amts wegen)?

  • Wer entscheidet das eigentlich? Der bearbeitende Staatsanwalt


    Ja.


    oder sind da noch höhere Stellen mit involviert?


    Je nach örtlicher Regelung und Dienstalter und -erfahrung müssen Einstellungen durch den Abteilungsleiter gegengezeichnet werden. Das ist aber regelmäßig auch da, wo es geschieht, eher eine Formalie.


    Kann das auch wieder aufgerollt werden(von Amts wegen)?


    Jein; rechtlich ist das nicht ganz einfach. Grundsätzlich ja, aber eine Einstellung nach § 153 StPO führt zu einem gewissen Vertrauensschutz, so dass vertreten wird, dass sich zumindest neue Tatsachen ergeben haben müssen.


    In der Praxis ist der rechtliche Streit normalerweise irrelevant, weil eine Wiederaufnahme nach einer solchen Einstellung nicht zu erfolgen pflegt, es sei denn, es wären ganz wesentliche Punkte des Sachverhalts bei der Entscheidung noch nicht bekannt gewesen.


    Faktisch also: theoretisch ja, praktisch nein.


    (Anders bei Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO - und auch nach § 154 StPO -, die können jederzeit wiederaufgenommen werden, und das kommt auch durchaus vor. Andersherum anders bei Einstellungen gegen Auflagen nach § 153a StPO: nach Erbringung der Auflage ist eine Wiederaufnahme von Gesetzes wegen ausgeschlossen, es sei denn, es hätte unerkannt in Wahrheit ein Verbrechen - und kein bloßes Vergehen - vorgelegen (auch letzteres ist nicht praxisrelevant).)

  • Wenn das Rettungsdienstgesetz diesbezüglich in Kraft treten sollte, und die SOP bei bestimmten Zustandsbildern also Morphium vorschreiben, müsste ich mich um mich nicht strafbar zu machen dieser Einzelmaßnahme (der BtM Gäbe) verweigern?! Richtig? Solange keine anderen Gesetze eine Veränderung erfahren.

    Irgendwie hat die Zitierung nicht richtig geklappt :-(

    Einmal editiert, zuletzt von Quacksalber ()

  • thh


    Also selbst wenn der betreffende Rettungsassistent nun vom Arbeitgeber angezeigt wird, eine Neuaufnahme ist nur wahrscheinlich wenn sich neue Tatsachen ergeben? Irgendwie hab ich so den Eindruck dass diese Selbstanzeige trotzdem eigentlich Zeitverschwendung war....


  • Das habe ich bisher auch so gesehen und auch verstanden, deshalb meine Frage.


    Wenn das Rettungsdienstgesetz diesbezüglich in Kraft treten sollte, und die SOP bei bestimmten Zustandsbildern also Morphium vorschreiben, müsste ich mich um mich nicht strafbar zu machen dieser Einzelmaßnahme (der BtM Gäbe) verweigern?! Richtig? Solange keine anderen Gesetze eine Veränderung erfahren.


    Ja.

  • thh


    Also selbst wenn der betreffende Rettungsassistent nun vom Arbeitgeber angezeigt wird, eine Neuaufnahme ist nur wahrscheinlich wenn sich neue Tatsachen ergeben?


    Wenn in der Einstellungsverfügung so ungefähr das drinsteht, was zu vermuten ist, würde eine Strafanzeige des Arbeitgebers aller Voraussicht nach ohne weiteres unter Verweis auf die bestehende Entscheidung erledigt.


    Irgendwie hab ich so den Eindruck dass diese Selbstanzeige trotzdem eigentlich Zeitverschwendung war....


    Ich finde das Vorgehen des Kollegen Steenberg gar nicht dumm. (Kompetent beurteilen mag ich das freilich nicht. Ich bin kein Rechtsanwalt.) Für den Einzelfall ist es taktisch nicht schlecht, den - ja wohl erfolgten - Drohungen des Arbeitgebers den Wind aus den Segeln zu nehmen und sich selbst anzuzeigen, vor allem, weil man dann die Sachverhaltsschilderung selbst steuern kann. Die muss zwar, wenn es sinnvoll sein soll, richtig sein, aber man kann dieselbe Sache ja mit diesem oder jenen Schwerpunkt schildern. Und für eine mögliche arbeitsrechtliche Auseinandersetzung ist es wahrscheinlich auch ganz praktisch, wenn da nicht noch das Damoklesschwert eines Ermittlungsverfahrens schwebt, sondern man darauf verweisen kann, dass die Staatsanwaltschaft (bestenfalls) nichts Böses daran gefunden hat oder - wenigstens und wie es jetzt wohl der Fall war- bereits entschieden hat, dass das kein großes Ding war.


    Und die Chance, eine geeignete Entscheidung zu erlangen, ist ja immer gegeben.


    Ich würde niemandem raten wollen, sich "einfach so" selbst anzuzeigen, um damit Rechtsprechung zu produzieren und vielleicht klarer zu sehen, aber wenn eine Strafanzeige durch den Arbeitgeber schon im Raum steht - entweder wäre sie sowieso gekommen, dann ist es besser, man kann ihren Inhalt steuern, oder sie war eine bloße Drohkulisse im Rahmen einer innerbetrieblichen / arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung, dann war das ein "I call your bluff". :)

  • Klar in dem Fall finde ich es auch geschickt wenn man zumindest strafrechtlich den Wind aus den Segeln nehmen kann. Aber die erhoffte Rechtssicherheit wird es doch so nie geben, egal wie es ausgegangen wäre, beim nächsten Fall geht alles von Vorn los.

  • Ich dachte bisher es gibt im Falle der BtM-Gabe durch nicht-ärztliches Personal ohne vorherige Indikationsstellung und Delegation durch einen Arzt eine Rechtssicherheit?


    Besteht die Möglichkeit die Entscheidung der Staatsanwaltschaft(Baden Baden?) in schriftlicher Form ,analog zu gerichtlichen Urteilen, einzusehen?

  • Ich dachte bisher es gibt im Falle der BtM-Gabe durch nicht-ärztliches Personal ohne vorherige Indikationsstellung und Delegation durch einen Arzt eine Rechtssicherheit?


    Besteht die Möglichkeit die Entscheidung der Staatsanwaltschaft(Baden Baden?) in schriftlicher Form ,analog zu gerichtlichen Urteilen, einzusehen?

    Sorry falsch gelesen.

  • Ich dachte bisher es gibt im Falle der BtM-Gabe durch nicht-ärztliches Personal ohne vorherige Indikationsstellung und Delegation durch einen Arzt eine Rechtssicherheit?


    Welche Sicherheit sollte das sein?


    ?-( ?-( ?-(

  • Es ist verboten.
    Rechtssicherheit bedeutet ja nicht "ich gehe straffrei aus" sondern "die Rechtslage ist klar und die möglichen Folgen für mein Handeln voraussehbar".

  • Das schließt - jenseits einer Rechtfertigung durch Notstand - die Vergabe von Betäubungsmitteln an einen Patienten, den der Arzt noch nicht gesehen hat, aus. Wer sie dennoch vornimmt, macht sich strafbar. Wer das als Arzt anordnet, macht sich strafbar. Wer andere dazu anstiftet, indem er entsprechende Empfehlungen pp. vorgibt, macht sich im Zweifel auch strafbar.


    hmm...
    es gibt ja SOPs in denen Morphin als Call back (ich rufe von der Einsatzstelle den Notarzt an und lasse mir das Medikament im Einzelfall freigeben) vorgesehen ist. Damit habe ich mich bisher sicher gefühlt, da ärztliche Anordnung und die Unterschrift im BTM-Buch gesichert. Das würde dann ja auch nicht funktionieren :scare3:

  • Damit habe ich mich bisher sicher gefühlt,


    Ich wiederhole mich da: Das ist ein riesen Problem solcher Konstrukte wie bei der RKiSH: Man wiegt die Mitarbeiter in einer falschen Sicherheit und reitet sie damit potenziell ganz tief in die Sch...wierigkeiten.