Bayrischer Erlass zur Durchführung heilkundlicher Maßnahmen durch Notfallsanitäter

  • "Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein. "

    Einmal editiert, zuletzt von Dienstwagen () aus folgendem Grund: Edit: Kleine Konkretisierung

  • Fachmagazin der Notfallsanitäter. Hab nicht gesehen, dass die zwei Seiten haben. Ich ändere das oben.

    "Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein. "

  • Ich hab jetzt schon mehrmals dazu gehört - es erhitzt ja auch die Gemüter - dass viele hier auch rechtlich eine "Aufforderung zur Körperverletzung durch Unterlassen" sehen. Da ich das aber jetzt erstmalig auch aus dem Freundeskreis gehört habe wäre eine juristische Einschätzung mal echt interessant. Wie sehen das die juristisch versierten denn?

  • es erhitzt ja auch die Gemüter - dass viele hier auch rechtlich eine "Aufforderung zur Körperverletzung durch Unterlassen" sehen.


    Da bekomme ich nun wirklich Kopfschmerzen!


    Als Laie bzw. Idiot verstehe ich das Schreiben folgendermaßen:


    Die neuen ÄLRDs sind noch nicht "installiert". Deswegen kann es noch keine Delegation geben.
    Sollte man Maßnahmen beherrschen, gibt es die Möglichkeit diese im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes durchzuführen.

  • Da bekomme ich nun wirklich Kopfschmerzen!


    Als Laie bzw. Idiot verstehe ich das Schreiben folgendermaßen:


    Die neuen ÄLRDs sind noch nicht "installiert". Deswegen kann es noch keine Delegation geben.
    Sollte man Maßnahmen beherrschen, gibt es die Möglichkeit diese im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes durchzuführen.


    So habe ich das auch verstanden.

  • Da hab ich ganz schnell die beiden RA aus dem KV Neustadt/Aisch im Kopf...


    Wie sagte ein Kollege so schön: § 223. Ausbildung steht gegen Forderung.

  • Also mein letzter Stand war, dass die Indikation durchaus gegeben war. Arbeitsrechtlich haben sie ja auch "gewonnen", da die Kündigung unwirksam war.


    Die Medikamentengabe war unbestritten lebensrettend, aber eben im KV "nicht üblich". Der BRK-Landesverband hat ja die Aussage in den Raum geworfen, ein nicht therapierter "Status epilepticus" sei nicht lebensbedrohlich und hat seine Kündigung auf diese Aussage gestützt.

  • Der BRK-Landesverband hat ja die Aussage in den Raum geworfen, ein nicht therapierter "Status epilepticus" sei nicht lebensbedrohlich und hat seine Kündigung auf diese Aussage gestützt.


    Das ist in der Gänze der Pauschalität gar nicht so einfach. Immer wieder erlebt man in der Neurologie/Neurochirurgie Patienten mit unklarer Vigilanzminderung über >24h. Schlussendlich haben diese Patienten dann einen komplexen "Status epilepticus". Der manchmal auch mehrere Tage mit Keppra, Phenytoin und Co "eingefangen" und eingestellt werden muss.


    Das der tonisch-klonische Krampf mit Behinderung der Atmung bishin zur Rhabdomyolyse eine andere Baustelle ist, darüber möchte ich garnicht reden.


    In der Gänze ist aber nicht jeder "Status epilepticus" innerhalb kürzester Zeit tödlich.
    Deswegen bin ich persönlich als Notarzt bei diesen Einsätzen auch immer sehr entspannt. :-)

  • Irgendjemand hat sich da auch auf eine Guideline der DGN bezogen, nach der auch Angehörige Benzos bei andauernder Epilepsie geben sollen. Also prinzipiell schon irgendwo durch Leitlinien gedeckt.


    Meine Informationslage ist eher so, dass dort wohl eh sehr freizügig mit eigenständigem Handeln umgegangen wurde und das dann mal der Paukenschlag gewesen sein soll.


    Liegt alles an nicht rechtsverbindlichen Vorschriften, und jeder ÄLRD kocht sein eigenes Süppchen.
    Bleibt zu hoffen, dass irgendwann mal Rechtssicherheit geschaffen wird...


  • Das dürfte die Rechtslage wohl zutreffend wiedergeben; Zweifeln kann man nur an der Lösung, eine "Delegation" - wie auch immer sie sich gestalten soll - zukünftig über das Rettungsdienstgesetz zu lösen, aber das ist ja ein anderes Thema.

  • Ich hab jetzt schon mehrmals dazu gehört - es erhitzt ja auch die Gemüter - dass viele hier auch rechtlich eine "Aufforderung zur Körperverletzung durch Unterlassen" sehen. Da ich das aber jetzt erstmalig auch aus dem Freundeskreis gehört habe wäre eine juristische Einschätzung mal echt interessant. Wie sehen das die juristisch versierten denn?


    Ich muss gestehen, diese Argumentation - obschon gerne genommen, nicht nur hier - nicht recht zu verstehen.


    Freilich ist der Notfallsanitäter (Rettungsassistent, Rettungssanitäter) spätestens mit Übernahme der konkreten Behandlung eines Patienten Garant. Er kann sich daher auch einer Körperverletzung durch Unterlassen schuldig machen, wenn er körperlichen Schaden nicht von dem Patienten abwendet. Diese Pflicht trifft ihn aber nur innerhalb der Grenzen der Rechtsordnung; sie verpflichtet ihn keineswegs, sich zu ihrer Erfüllung strafbar zu machen. Daher ist die bestehende Garantenstellung grundsätzlich ungeeignet, den Verstoß gegen andere Rechtsnormen - insbesondere: die Begehung von Straftaten - zu rechtfertigen.


    Entweder hat das Rettungsfachpersonal die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit, eine Maßnahme durchzuführen - dann muss es das auch tun (Handlungspflicht als Garant). Oder es hat diese Möglichkeit nicht - dann kann man das auch nicht von ihm verlangen.


    Auf diesen Fall gewendet: Die eigenständige Durchführung heilkundlicher Maßnahmen ist entweder durch eine wie auch immer geartete "Delegation" zulässig, oder es liegen die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands vor - dann darf (und muss, weil Garant!) der Notfallsanitäter. Oder die eigenständige Durchführung heilkundlicher Maßnahmen ist nicht zulässig - dann muss der Notfallsanitäter auch nicht und kann sich insbesondere nicht zur Rechtfertigung darauf berufen, er sei Garant.


    Auch die Mutter ist als Garant für Leben und Wohlergehen ihres Kindes weder berechtigt noch verpflichtet, irgendwo einzubrechen, damit es etwas trinken oder zur Toilette gehen kann oder jemanden anzufahren, damit er als Organspender zur Verfügung steht. Entweder darf sie das aufgrund eines anderen Rechtfertigungsgrundes tun, dann muss sie das auch, oder nicht, dann muss sie auch nicht. Für die Rechtfertigung ihres Tuns lässt sich die bestehende Garantenstellung aber nicht fruchtbar machen.


    (Oder was übersehe ich dabei?)

  • Auf diesen Fall gewendet: Die eigenständige Durchführung heilkundlicher Maßnahmen ist entweder durch eine wie auch immer geartete "Delegation" zulässig, oder es liegen die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands vor - dann darf (und muss, weil Garant!) der Notfallsanitäter. Oder die eigenständige Durchführung heilkundlicher Maßnahmen ist nicht zulässig - dann muss der Notfallsanitäter auch nicht und kann sich insbesondere nicht zur Rechtfertigung darauf berufen, er sei Garant.

    Also muss ein NotSan Heilkunde nur auf Delegation des Arztes ausüben oder aufgrund des rechtfertigenden Notstandes. Letzteres ist für mich noch etwas schwierig zu verstehen. Die Garantenstellung zwingt einen zwar nicht zur Anwendung der Heilkunde (ist auch richtig so), der rechtfertigende Notstand aber schon? Ich verstehe das so, dass unter den Vorraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes die sonst verbotene Heilkunde plötzlich erlaubt ist und wegen der Garantenstellung dann auch zwingend anzuwenden. Korrekt?


    Wie sieht das denn mit der Einwilligung des Patienten aus? Ich habe weder eine Delegation, noch einen rechtfertigenden Notstand, aber die Erlaubnis des Patienten - was darf oder muss ich dann tun?

    "Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein. "

  • Wie sieht das denn mit der Einwilligung des Patienten aus? Ich habe weder eine Delegation, noch einen rechtfertigenden Notstand, aber die Erlaubnis des Patienten - was darf oder muss ich dann tun?


    Die Einwilligung des PAtienten kann nur die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung aufheben, nicht aber den Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz. Für das Heilpraktikergesetz brauchst du den §34 (Rechtfertigender Notstand), da kann dir der Patient mit seiner Einwilligung nicht helfen.

  • Zitat


    Wie sieht das denn mit der Einwilligung des Patienten aus?


    Die benötigst Du für Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit zusätzlich.


    Du brauchst (fast) immer zwei Rechtfertigungen: einmal - wie der Arzt auch - die Einwilligung des Patienten, zum anderen eine Rechtfertigung für die Ausübung der Heilkunde (für die hat der Arzt die Approbation).


    Zitat

    Ich habe weder eine Delegation, noch einen rechtfertigenden Notstand, aber die Erlaubnis des Patienten - was darf oder muss ich dann tun?


    Dasselbe, was bspw. ein Arzt tun dürfte, dem die Approbation entzogen wurde ... Keine Ausübung der Heilkunde.

  • Freilich ist der Notfallsanitäter (Rettungsassistent, Rettungssanitäter) spätestens mit Übernahme der konkreten Behandlung eines Patienten Garant. Er kann sich daher auch einer Körperverletzung durch Unterlassen schuldig machen, wenn er körperlichen Schaden nicht von dem Patienten abwendet. Diese Pflicht trifft ihn aber nur innerhalb der Grenzen der Rechtsordnung; sie verpflichtet ihn keineswegs, sich zu ihrer Erfüllung strafbar zu machen. Daher ist die bestehende Garantenstellung grundsätzlich ungeeignet, den Verstoß gegen andere Rechtsnormen - insbesondere: die Begehung von Straftaten - zu rechtfertigen.


    Entweder hat das Rettungsfachpersonal die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit, eine Maßnahme durchzuführen - dann muss es das auch tun (Handlungspflicht als Garant). Oder es hat diese Möglichkeit nicht - dann kann man das auch nicht von ihm verlangen.


    Vielen Dank für die bisherigen Ausführungen!
    Ich möchte noch einen Punkt aufgreifen, der mir im Kopf herumspukt und zu dem mich eine Einschätzung sehr interessieren würde.


    Folgender Fall:
    Ich habe jahrelang ein Medikament X unter Berufung auf den § 34 StGB eingesetzt. Es gab dazu weder vorgezogene Gutachten noch Dienstanweisungen durch den AG. Es wurde lediglich offen kommuniziert, dass die Anwendung - wie auch selbstständiges Handeln im Allgemeinen - begrüßt werde sofern die rechtlichen Voraussetzungen - hier also der § 34 StGB - gegeben wären. Nun führt der AG einen Algorithmus ein, welcher dem AN die Anwendung des Medikamentes X zugesteht, allerdings in einer deutlich geringeren Dosierung. Nun bin ich also zusätzlich durch eine Delegation legitimiert, gleichzeitig aber in meinen Mitteln reglementiert, was zu unzureichenden therapeutischen Effekten führen kann. Mein Bauch sagt mir, dass dieses Papier arbeitsrechtlich natürlich bindend sein dürfte. Wie sieht es aber mit der strafrechtlichen Schiene aus? Kann ich belangt werden weil ich mich wider besseres Wissens streng an eine Arbeitsanweisung halte?

    Alle sagten: "Das geht nicht!". Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.

  • Zitat

    Die benötigst Du für Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit zusätzlich.


    Du brauchst (fast) immer zwei Rechtfertigungen: einmal - wie der Arzt auch - die Einwilligung des Patienten, zum anderen eine Rechtfertigung für die Ausübung der Heilkunde (für die hat der Arzt die Approbation).


    Ob das RFP im Rahmen ihrer rettungsdienstlichen Tätigkeit tatsächlich eine Rechtfertigung bezüglich dem Heilpraktikergesetz benötigt ist nicht abschließend geklärt. Es gibt verschiedene Aussagen von Juristen, aber kein Gerichtsverfahren dazu, welches rechtskräftig wurde.


    Richtig?





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