Grundsatzurteil über künstliche Lebensverlängerung

  • Landesgericht entscheidet, dass künstliche Lebensverlängerung bei schwerst chronisch Kranken ohne Therapieziel nicht indiziert ist.


    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    "Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein. "

  • Ich begrüße dieses Urteil und hoffe, dass der Bundesgerichtshof ähnlich entscheiden wird, damit diese Rechtsauffassung endlich (wieder) Einzug in den klinischen Alltag findet.
    Was ich in meiner bisherigen klinischen Tätigkeit schon erleben durfte, das geht auf keine Kuhhaut.
    Defensivmedizin in Kombination mit wirtschaftlichen Aspekten (wenn ich ein Beatmungsbett belegt habe oder eine OP mache, ist das Therapieziel der Krankenkasse bei der Bezahlung egal...) lässt unser ärztliches Handeln wirklich immer mehr unverantwortlich werden gegenüber dem mutmaßlichen Patientenwillen. Das ist schade und für unser Gesundheitssystem höchst gefährlich.
    Daher begrüße ich die Entscheidung des Gerichtes aus vollem Herzen!

  • wirtschaftlichen Aspekten lässt unser ärztliches Handeln wirklich immer mehr unverantwortlich werden gegenüber dem mutmaßlichen Patientenwillen.


    Ich habe es mir zum Sport gemacht, wenn das Medizincontrolling mal wieder ankommt - und das geschieht oft - und sagt, dass Frau Müller noch 32 Beatmungsstunden benötigt, um die nächste Erlösstufe zu erreichen, Frau Müller innerhalb dieser Zeit zu extubieren.

  • Zitat

    Ich begrüße dieses Urteil und hoffe, dass der Bundesgerichtshof ähnlich entscheiden wird, damit diese Rechtsauffassung endlich (wieder) Einzug in den klinischen Alltag findet.


    Ich empfinde es als etwas eigenartig, wenn Angehörige nach dem Tod des Patienten 150.000 ? verlangen, weil der behandelnde Arzt mit ihnen nicht von sich aus die Einstellung der "künstlichen Ernährung" erörtert habe.


    Man könnte ja vielleicht als Angehöriger - oder gesetzlicher Betreuer - auch von selbst auf den Gedanken kommen, einmal nachzufragen, ob die Fortführung der Ernährung wirklich noch sinnvoll ist ...

  • Man könnte ja vielleicht als Angehöriger - oder gesetzlicher Betreuer - auch von selbst auf den Gedanken kommen, einmal nachzufragen, ob die Fortführung der Ernährung wirklich noch sinnvoll ist ...


    Es werden oftmals bewusst oder unbewusst Heilsversprechen suggeriert, an die sich Angehörige klammern. Man vermeidet es oft Klartext zu reden. Wenn nun daraus die Pflicht resultiert Angehörigen reinen Wein einzuschenken, dann kann man das nur begrüßen.


    Auch ist vielen Angehörigen die Rechtslage nicht hinreichend klar. Viele meinen, dass Patienten in der Obhut von Ärzten ("Stichwort: Hippokratischer Eid") nicht sterben dürfen. Das erfahre ich nicht selten, wenn ich mich außerhalb der Mediziner-Community über das Thema Patientenverfügung unterhalte.

  • Ich hatte vor kurzem einen Sterbefall in der Familie und eine Assistenzärztin brachte tatsächlich das Argument mit dem hippokratischen Eid. Deshalb wäre über das Ende einer Therapie gar nicht zu reden. Sie war auch der Meinung, dass das abschalten der Beatmung aktive Sterbehilfe wäre. Wie genau mit Patienten im Koma oder vergleichbaren Zuständen umgegangen werden soll, ist in vielen Kliniken kein Gesprächsthema.


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  • Sie war auch der Meinung, dass das abschalten der Beatmung aktive Sterbehilfe wäre.


    Irgendwie erinnert mich das an das Thema "Sonder- und Wegerechte" im Rettungsdienst...
    Eigentlich sollte es für Ärzte auf einer Intensivstation eine bundeseinheitliche verpflichtende Unterweisung zum Thema rechtliche Aspekte der Sterbehilfe mit Leistungsnachweis geben.
    Einfach damit man die nötige Sachkunde bei einem so sensiblen Thema besitzt.

  • Und es müssen sich zusätzlich auch die entsprechend eingesetzten Fach- und Oberärzte in solche Gespräche einklinken. Das alleine einer Assistenzärztin aufzudrücken ist sicherlich nicht glücklich... womöglich kann man der ja nichtmal einen Vorwurf machen

  • Weil man für solche Gespräche Erfahrung benötigt. Und wer mal "Wie überbringe ich schlechte Nachrichten" im Psycho-Teil im Medizinstudium mitgemacht hat, weiß das einem das überhaupt nix bringt. Viele der jungen ärztlichen Kollegen haben sich angewöhnt, die Kollegen aus der Pflege oder von anderen mitbeteiligten Fachabteilung bei solchen Gesprächen hinzuzuziehen. Und manchen ärztlichen Kollegen erspare ich auch die Schmach sich vor den Angehörigen - die ohnehin in einer Ausnahmesituation sind - bloßzustellen und biete aktiv an, das Gespräch mit- oder ein Telefonat zu führen.

  • Weil man für solche Gespräche Erfahrung benötigt.


    Und die erwirbt man nochmal wie ? ;-)


    Wenn man seinen Kollegen immer die schwierigen Dinge abnimmt, gelangen sie irgendwann an den Punkt wo diese von ihnen erwartet werden, obwohl sie nie Gelegenheit hatten Fehler machen zu dürfen.

  • Ohne Frage. Aber das ist eher was für "see one, do one, teach one" und der Alltag zeigt, dass die jungen ärztlichen Kollegen von ihren erfahrenen Kollegen und Oberärzten nicht ausreichend auf solche Situationen vorbereitet werden.

  • Doch, man muss erstmal ein paar Mal passiv an so einem Gespräch teilnehmen, um zu wissen, wie man sowas führt. Wünschenswert ist natürlich, dass sowas schon in Famulaturen und im PJ geschieht, dafür ist aber auch selten Zeit und Möglichkeit.

  • dass sowas schon in Famulaturen und im PJ geschieht


    Oberarzt der Chirurgie in einem sehr kleinen Krankenhaus, ich sollte als Pflegepraktikant den Patienten zu einem Konsil vor die OP-Schleuse fahren:
    "Guten Tag, YX mein Name. Wir nehmen ihnen dann morgen den Fuß ab. Schönen Tag noch, Tschüss, muss jetzt weiter, aber der Termin morgen klappt sicher!"


    Das war legendäre ärztliche Gesprächsführung auf Expertenniveau. Der Patient tut mir heute noch leid...



    Anders ausgedrückt:
    Manche Leute haben Empathie im Gespräch... manche haben es nicht... das lernt man nicht durch ein Studium...

  • Es müsste Bedingung zur ärztlichen (und retterischen) Tätigkeit sein.



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    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Es müsste Bedingung zur ärztlichen (und retterischen) Tätigkeit sein.



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    Das ist die Frage. Was ist besser: Ein Arzt/Retter der total empathisch ist und sich super mit den Leuten unterhalten kann, aber medizinische nur bedingt fit ist oder ein Arzt/Retter der nur bedingt empathisch ist, dafür aber medizinisch total bewandert ist?

  • Das ist aus meiner Sicht eine sehr doofe Frage. Wollen wir einen blinden Busfahrer der die Route auswendig kennt, oder lieber einen extrem vergesslichen Busfahrer mit Adleraugen?


    Weder noch. Wir wollen Busfahrer die sehen können, UND die Route kennen.



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  • Ich habe das Gefühl, dass der Empathie-Teil in der Medizin häufig zu kurz kommt bzw. stark unterschätzt wird.

    Das ist die Frage. Was ist besser: Ein Arzt/Retter der total empathisch ist und sich super mit den Leuten unterhalten kann, aber medizinische nur bedingt fit ist oder ein Arzt/Retter der nur bedingt empathisch ist, dafür aber medizinisch total bewandert ist?

    Könnte mir vorstellen, dass beide etwa gleich gute/ schlechte Ergebnisse hätten...

    "Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein. "

  • Wird aber nicht dadurch besser das Onkel bodo das regelt oder das "do one" in die FA-Ausbildung bzw. -Zeit geschoben wird.


    Deswegen hatte ich ja geschrieben, dass die Kollegin das wohl besser nicht alleine machen hätte sollen.
    Klar muss man es lernen, es ist nur sehr selten gottgegeben. Bodo hats ja erklärt.

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