Schorndorfer Nachrichten: Rettungswagen will nicht kommen

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    Hammerschmiedsee.Foto: DRK Kernen
    Kernen-Rommelshausen. Noch immer sind Ute Kühn und ihre Mutter empört. Ute Kühn hat ihre Blinddarm-Operation im Winnender Klinikum zwar gut überstanden, aber die Vorgeschichte am 1. Juni liegt ihr bitter im Magen. Als die frühere DRK-Ersthelferin nachts mit starken Schmerzen im rechten Unterbauch aufwachte und ihre Mutter bat, den Rettungswagen zu rufen, kamen sich die zwei vor wie Leute, die unter 112 ein Gnadengesuch stellen. Ihr Frust sitzt tief: „Die haben uns gar nicht ernst genommen.“ Die Leitstelle widerspricht ihrer Darstellung. Die Patientin habe sich weiter normal artikulieren können, so DRK-Kreisgeschäftsführer Sven Knödler. Anzeichen von starken Schmerzen konnten am Telefon nicht erkannt werden. Zwei unterschiedliche Versionen der Vorkommnisse in der Nacht zum 1. Juli.


    Vermutlich liegt die Wahrheit wieder irgendwo in der Mitte.
    Aber ich habe meinen Freunden und meiner Familie schon lange Empfohlen: Wenn es mal dringend ist, nicht sachlich die Lage erklären sondern am besten hysterisch ins Telefon brüllen, dann kommt bestimmt der NAW mit Blaulicht.

  • Beurteilt sich aus der Ferne immer schwer, aber ich habe wenig Grund an der Schilderung der Leitstelle zu zweifeln.


    Wer mit fertig gepackter Tasche dem Rettungswagen entgegenläuft wird wohl kaum beim Notruf 9 Minuten vorher nicht "kaum noch sprechen" können.
    Eine Appendizitis ist nun auch kein lebensbedrohlicher Notfall. Aber das sieht sie mit ihrer Ersthelferausbildung von 1997 vermutlich anders.


    Ich finde es gut, wenn die Leitstelle auch aktiv zum Selbsttransport auffordert und eine beratende Funktion wahrnimmt. Allerdings muss dann eben der RTW rollen, wenn es keine Alternative gibt oder diese abgelehnt wird.

  • Würde die Frau in einem Pflegeheim liegen, wäre vermutlich ohne weitere Diskussion ein Rettungswagen entsandt worden. Auch wenn der Zustand schon seit drei Tagen andauern würde.
    Entschuldigung für die Polemik, aber meine Leitstelle (und ich denke nicht, dass es in Waiblingen anders ist) schickt mich den ganzen Tag zu so vielen fragwürdigen Einsätzen, dass es mich traurig stimmt, wenn man es plötzlich für nötig befindet, bei einem akuten Abdomen (und keine andere Ferndiagnose halte ich für möglich) rumzudiskutieren.

  • Würde die Frau in einem Pflegeheim liegen, wäre vermutlich ohne weitere Diskussion ein Rettungswagen entsandt worden. Auch wenn der Zustand schon seit drei Tagen andauern würde.
    Entschuldigung für die Polemik, aber meine Leitstelle (und ich denke nicht, dass es in Waiblingen anders ist) schickt mich den ganzen Tag zu so vielen fragwürdigen Einsätzen, dass es mich traurig stimmt, wenn man es plötzlich für nötig befindet, bei einem akuten Abdomen (und keine andere Ferndiagnose halte ich für möglich) rumzudiskutieren.


    Mach einen F3 und eine Ausbildung zum Leitstellendisponenten. Am besten in "deiner" Leitstelle, die ja scheinbar absolut unfähig ist, dann kannst du den Laden mal richtig aufräumen. :ironie:

  • Ach nö, meckern ist leichter und dafür braucht man auch keinen Lehrgang :prost:


    Aber ernsthaft: Ja, ich beschwere mich in letzter Zeit oft über meine Leitstelle - weil das Verhältnis zwischen Rettungsdienst und Disponenten in den letzten Jahren merklich schlechter wurde (was im Übrigen keine exklusive Einschätzung von mir ist, sondern durch die Bank weg viele Kollegen bestätigen). Ich weiß allerdings nicht, woran das liegt - Betreiberwechsel (BRK zu kommunal)? Einzug der Feuerwehr? Personalnot? Neuer Chef? Überlastung? Frustration? Befehl von oben?
    Nichts würde mich mehr freuen, als wenn das Verhältnis wieder besser würde. Denn das macht am Ende des Tages beiden Seiten das Leben deutlich leichter.

  • Die finden einmal pro Woche statt, und ansonsten wird keiner in der Sprechstunde dahin fahren, um den Patienten dann doch eh einzuweisen. Außerdem ist das ja nun nicht die Schuld der Leitstelle.

  • Das Problem ist ja tatsächlich, dass auf der einen Seite unnötige Fahrten vermieden werden sollen und auf der anderen Seite kein Notfall übersehen werden darf.
    Diese Aufgabe ist nicht ganz einfach.


    Die Entwicklung, zumindest in unsere Region ist aber die, dass immer häufiger Feuerwehr-Leute ohne medizinische Ausbildung (RS-Kurs ohne relevante Einsatzerfahrung ist keine medizinische Ausbildung) Notrufgespräche führen
    und
    den Leitstellen-Mitarbeitern immer mehr ein Zeitdruck auferlegt wird (in 60 Sekunden vom Abheben bis zum Alarm bei Notfällen).


    Vielleicht könnte tatsächlich entweder die Rückkehr zur durch Fachleute besetzten Leitstelle oder die standardisierte Abfrage hier Verbesserung schaffen.


    Und zum Fall:
    Ich bin persönlich durchaus der Meinung, dass eine interventionsbedürftige Appendizitis eine RTW-(oder wegen mir KTW-) Indikation darstellt. Zumindest mehr, als alles, was ich diese Woche sonst so gefahren hab...
    Und wenn man es genau nimmt, ist Rettungsdienst im Jahre 2018 in Deutschland eine Luxus-Versorgung. Geschätzt 95% unserer Patienten würde es auch ohne uns überleben.

  • So wie ich die Standpunkte verstehe, befand sich der Disponent im Graubereich zwischen "sicher für den RTW" und "sicher für den Hausarzt" und hat die für ihn logische Entscheidung getroffen. Das zeigt IMHO sehr schön das Spannungsfeld, in dem sich die Leitstelle befindet: Entscheidungen mit dürftigen Informationen und unter Zeitdruck zu treffen (ganz im Sinne von Clausewitz), abgerundet durch ein Gegenüber mit einer klaren Erwartungshaltung. Menschen telefonieren hier mit Menschen, Reibereien sind da leider vorprogrammiert.


    Was ich jedoch schwierig finde, ist dieses oftmalige "Zur-Zeitung-Gerenne", wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Man hätte den Fall auch erst einmal mit der ILS selbst aufarbeiten können. Die Chancen von der Lose-Lose-Situation wegzukommen, hat das so nicht verbessert.

  • Es ist doch zum verzweifeln. Die Presse ist inzwischen voll davon, dass der Rettungsdienst - bzw. die gesamte Notfallversorgung - aus dem letztlichen Loch pfeift. Und dann wird mal beherzt entschieden und sofort rennen die betroffenen zur Presse, damit die eine Story daraus machen können. Anstatt zur Presse zu gehen, könnte man auch einfach mal mit der Leitstelle reden, warum das kein Notfalleinsatz ist - sich das also von Profis erklären lassen - und diesen Erkenntnisgewissen dankend annehmen. Stattdessen wird jetzt über Pressemitteilungen miteinander kommuniziert.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Nur so am Rande bemerkt:
    Es gab mal einen Dozenten bei mir an der Uni, der meinte eine Appendizitis kann nicht hüpfen...


    Aber Spaß beiseite, wenn man selber schon mal so richtig krank war und jeder Schritt zur Qual wird und man im Sitzen/Stehen jederzeit das Gefühl hat zu kollabieren, dann würde ich auch zu einem Liegendtransport in die nächste Notaufnahme tendieren.
    Ein Notarzteinsatz muss das natürlich nicht werden, aber eine KTW-Einweisung halte ich da mindestens für angebracht.

  • Einsatz, ein paar Jahre her
    V.a Appendix
    Ich habe diese Patientin auf dem rechten Bein hüpfen lassen
    Ging nicht
    Krankenhaus
    (Wurm ausgebaut..)
    Keine Ahnung ob wir den gleichen Dozenten hatten...

    Ich habe einen ganz einfachen Geschmack - ich bin stets mit dem Besten zufrieden.
    Oscar Wilde, irischer Schriftsteller, 1854 - 1900


    Ich prüfe jedes Angebot. Es könnte das Angebot meines Lebens sein.
    Henry Ford 1863 - 1947

  • Aber Spaß beiseite, wenn man selber schon mal so richtig krank war und jeder Schritt zur Qual wird und man im Sitzen/Stehen jederzeit das Gefühl hat zu kollabieren, dann würde ich auch zu einem Liegendtransport in die nächste Notaufnahme tendieren.
    Ein Notarzteinsatz muss das natürlich nicht werden, aber eine KTW-Einweisung halte ich da mindestens für angebracht.


    Aber genau das ist ja die individuelle Entscheidung, die der Disponent treffen soll und muss. Dass es weh tut, bestreitet ja gar keiner. Und ich muss ja hier niemanden erklären, dass eine Appendizitis dann irgendwann auch zeitlich wirklich kritisch werden kann. Zu Schulzeiten hatte eine Freundin von mir "typische" Appendizits-Schmerzen im Bauchbereich. Ich habe erstmal zum Abwarten geraten und bei Einsetzen v. Fieber sollte sofort das nächste KH angefahren werden. So wurde es gemacht - ganz ohne Rettungsdienst - und es war tatsächlich eine Appendizits. Aber sie war schlussendlich schon noch in der Lage, sich von ihren Eltern ins KH fahren zu lassen.


    Sind die Schmerzen so extrem, dass man quasi fast das bewusstsein verliert, ist das eben was anderes. Hier muss man dann also Disponent auch davon ausgehen, dass es soweit fortgeschritten ist, dass es nun eilt.
    Es ist manchmal auch so, dass die Leute viel schneller im KH sind, wenn sie jetzt sofort selber losfahren.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Es ist manchmal auch so, dass die Leute viel schneller im KH sind, wenn sie jetzt sofort selber losfahren.

    Diesen Satz kann man bei 80-90% der Notfälle dick unterstreichen.
    Außerdem hat man dann den Vorteil, dass man dann im Anschluss an die häufig ambulante Behandlung wieder bequem mit dem eigenen PKW nach Hause fahren kann... :blum2:


    Es bleibt aber die Frage, ob es sich dann auch um ein geeignetes Krankenhaus handelt.

    Eine Appendizitis sollte doch jedes Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung behandeln können oder etwa nicht?

  • Es bleibt aber die Frage, ob es sich dann auch um ein geeignetes Krankenhaus handelt.

    Eine Appendizitis sollte doch jedes Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung behandeln können oder etwa nicht?[/quote]


    Nicht mehr jedes Krankenhaus hält eine (viszeral-)chirurgische Abteilung vor, nicht mehr jedes Krankenhaus hat eine 24-stündige OP-Bereitschaft, nicht jedes Krankenhaus operiert Kinder, nicht immer ist ein Krankenhaus z.B. aufgrund bereits laufender OP in der Lage, eine notwendige Versorgung zeitnah durchzuführen.

  • Nicht mehr jedes Krankenhaus hält eine (viszeral-)chirurgische Abteilung vor.


    Nach meiner innerklinischen Erfahrung möchte (geschätzt) behaupten, dass höchstens 5% der Patienten mit Appendizitis-Zeichen zügig operiert werden, meine (bisherige) Notaufnahme hat die meisten Patienten am nächsten Tag für eine Nachkontrolle einbestellt, erst dann wurde das weitere Procedere bestimmt.