Diskussion zur Reform des Notfallsanitätergesetzes: LÄK Baden-Württemberg & Reaktionen BRK & DBRD

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    Es verkennt die Realität zu behaupten, die Notfallmedizin wäre ein unabhängiges, eigenständiges Gebiet der Medizin. Die Notfallmedizin ist eine Schnittmenge aller (naja, beinahe aller) klinischer Disziplinen und natürlich hilft einem das Fachwissen aller dieser Disziplinen in der Notfallmedizin weiter. [...]

    Mit der Gefahr ein Riesenfass aufzumachen und vom originären Thema abzuweichen, möchte ich der o.g. Aussage wiedersprechen.


    Die Notfallmedizin, die sich nicht allein auf den präklinischen Bereich beschränkt, ist meiner Auffassung nach sehr wohl eine eigenständige Disziplin.

    Es handelt sich sicherlich um ein typisches Querschnittsfach der Medizin, aber das Aufgabenspektrum einer modernen Notaufnahme wird nicht adäquat durch eine einzige oder auch drei bis fünf nebenher arbeitende Fachrichtungen abgebildet.

    Die Daseinberechtigung der Allgemeinmedizin als anderes klassisches Querschnittfach würde heutzutage auch niemand anzweifeln.

    Das Ziel ist nicht anderen Fachrichtungen Patienten wegzunehmen oder Disziplinen gar aus der Notaufnahme "zu verbannen", sondern letztendlich um eine generalistische und fachübergreifende Triagierung/Priorisierung, Stabilisierung, Risikostratifizierung und dann Erstbehandlung sowie Disponierung der Patienten vorzunehmen.


    Wir sind in Deutschland sicherlich noch von einem entsprechenden Facharzt für die Notaufnahme entfernt, da allein die adäquaten Ausbildungsstrukteren fehlen. Die meisten europäischen Nachbarstaaten und natürlich der englischsprachige Raum belegen aber eindeutig die Durchführbarkeit und nach meinem Dafürhalten auch die Notwendigkeit eines solchen Querschnittfaches.

  • Wir sind in Deutschland sicherlich noch von einem entsprechenden Facharzt für die Notaufnahme entfernt, da allein die adäquaten Ausbildungsstrukteren fehlen.

    Mir war eher so, dass der politische Arm der Ärzteschaft die Schaffung eines Facharztes für Notfallmedizin für überflüssig hält.

  • Innerhalb der Ärzteschaft vertritt man unterschiedliche Auffassungen und die gewählte Mehrheit spricht sich zurzeit gegen einen solchen Facharzt aus.


    Immerhin wird es nun sukzessiv in allen Bundesländern die Zusatzweiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin" als Supraspezialität geben.

    In diesem Fall ist eine Facharztanerkennung in einem akutmedizinischen Fach eine Bedingung.


    Viele Staaten, die nun eine Facharzt für die Notfallmedizin ermöglichen, sind den Umweg über eine Supraspezialität gegangen.

  • red_cap: Ehrlich gesagt denke ich, dass du mich schlicht falsch verstanden hast. Eigentlich sagte ich recht explizit es wäre keine unabhängige, eigenständige Disziplin. Dazu stehe ich. Denn die Behandlungsleitlinien für die einzelnen Notfälle werden sich immer abhängig von den jeweiligen Fachgesellschaften ergeben und somit besteht stets diese Abhängigkeit. Das steht völlig im Einklang mit deiner These und es war völlig wertfrei gemeint gewesen, jegliches Mitschwingen anderer Meinungsteile war unbeabsichtigt.


    Im Kontext dessen, was ich schrieb, sollte es heißen: die Studienfächer Innere Medizin, Chirurgie, Neurologie usw. sind auch eine notfallmedizinische Ausbildung, denn Notfallmedizin wird dort ausgebildet. Das war kein Statement in Richtung eines FA für Notfallmedizin oder eine Abspaltung der Notfallmedizin von den großen Disziplinen und der Anästhesie. Das können wir gern an geeigneterer Stelle besprechen. Hier ist es meiner Meinung nach eher nicht gut aufgehoben. Aber ich glaube, diese Diskussion könnte spannend werden.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Die meisten europäischen Nachbarstaaten und natürlich der englischsprachige Raum belegen aber eindeutig die Durchführbarkeit und nach meinem Dafürhalten auch die Notwendigkeit eines solchen Querschnittfaches.


    Ausländische Systeme sind m. E. nie ein durchschlagendes Argument, umgekehrt könnte ich behaupten, in Deutschland ist die Versorgung in den Notaufnahmen nicht schlechter, so dass im Ausland der Notfallmediziner überflüssig ist und daher abgeschafft werden könnte.


    Nicht vergessen werden darf, dass im Ausland ein vergleichbares deutsches HA-System und niedergelassener ambulanter Fachdisziplinen nicht vorhanden ist und dadurch Notaufnahmen durchaus die HA-Funktion übernehmen und einen Generalisten wie den unsrigen HA natürlich auch benötigen.


    Der Großteil der Patienten in den Notaufnahmen ist entweder bereits präklinisch ärztlich oder notärztlich gesehen, selektioniert und benötigt daher keine weitere Zwischenebne, bevor er bei der richtigen Disziplin landet oder ist, wenn selbst einweisend oder den Rettungsdienst, nicht so sehr erkrankt oder unspezifisch, als dass die richtige Disziplin nicht auch ohne FA für Notfallmedizin richtig triagiert und ggf. zügig behandelt wird. Und für das berühmte akute Abdomen einmal am Tag, benötigt man ihn sicher auch nicht.


    Von mir aus kann das auch gerne in einem separatem Thread weiter diskutiert werden.

  • Hilope : dieser Fall, der wohl stark an einen tatsächlichen Fall angelehnt ist, zeigt zumindest eine gewisse Lücke auf, die Weder durch den Notarzt, noch durch die "Z"NA, noch durch den FA Orthopädie rechtzeitig geschlossen werden konnte.


    Schmerzen hier und Schmerzen da


    EDIT: Link führt zu einem Fall eingestellt von thh .

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Hilope : dieser Fall, der wohl stark an einen tatsächlichen Fall angelehnt ist, zeigt zumindest eine gewisse Lücke auf, die Weder durch den Notarzt, noch durch die "Z"NA, noch durch den FA Orthopädie rechtzeitig geschlossen werden konnte.


    Schmerzen hier und Schmerzen da


    EDIT: Link führt zu einem Fall eingestellt von thh .


    Der verlinkte Fall zeigt lediglich, dass ein Aortenaneurysma nicht erkannt wurde. Das kann und wird auch immer wieder jedem anderen (Fach) Arzt passieren, da wir alle keine Diagnose-Roboter sind. Ginge man bei jedem Symptom immer von der maximal möglichen Diagnose aus, was letztlich immer der Fall sein wird, wird die ohnehin schon um sich greifende Absicherungsangst noch weiter verbreiten und wirklich JEDER Patient wird durchs CT und MRT geschoben, werden alle Laborparameter abgenommen, wird jedes andere noch mögliche diagnostische Verfahren durchgeführt, was letztlich dazu führt, dass kein Krankenhaus mehr aufnahme- oder handlungsfähig sein wird.

  • Einer der Landesärzte des BRK, Dr. Florian Meier, hat seine Schlüsse aus den Pressemitteilungen der AGBN gezogen und ist mit öffentlichem Statement aus Dieser ausgetreten:
    Facebook-Link

  • In Zeiten, in denen man sich ohnehin nur noch Meinungen vorsingt, anstatt zu argumentieren, ist das an sich ein beinahe rationales Verhalten.

    Lügen ist keine Kunst. Kunst ist, anderen die Wahrheit in einem neuen Licht zu zeigen.

  • Also ich finde das auch den einzig sinnvollen Schritt gegenüber der AGBN. "Ich bin mit euren Äusserungen nicht konform und fühle mich nicht vertreten, somit sollt ihr mich auch nicht mehr als Mitglied vertreten. Folglich trete ich aus und entziehe euch meine Unterstützung".
    Sollte eigentlich so als Zeichen alle NotärztInnen machen, die auf der Seite des Rettungsdienstpersonals sind. Einfach aus der AGBN austreten, damit die hohen Tiere aus der Schule Sefrin im Vorstand der AGBN mal merken, dass das was sie äussern nicht das ist was ein (vermutlich grosser) Teil ihrere Mitglieder denkt.

  • Und die AGBN reagiert in gewohnter Weise beschwichtigend, aber trotzdem sachlich nicht richtig.

    Link zum Infobrief


    Falls sich wer fragt was das Statement von Felix Wallström sein soll: Link dort hin


    Schmankerl: Sie formulieren "Standesgedümpel" anstatt des Begriffs Standesdünkel. Ich glaub ich schenk ihnen nen Duden.

  • naja, das „Standesgedümpel“ kam vom BRK und wurde nur korrekt zitiert 8o

    Trotzdem ein starkes Statement vom BRK und dem Notarzt :thumbup:

  • Du besitzt einen Duden?

    Die kann man auch käuflich erwerben! ☝️
    Einfach mal die Kollegen, die Wirtschaft und Recht unterrichten, fragen...

    Zum Thema: Schade, dass der Kommentar von Herrn Wallström fachliche Fehler hat

    Man hätte zB die allgemeine Fortbildungspflicht explizit erwähnen können um zu sagen, dass man diese CME-Punkte auch komplett mit Notfallmedizinfernem oder Allgemeinmedizin-Dingen füllen kann.
    Oder man hätte die Anzahl von 10 Intubationen pro Jahr korrekt angeben können aus der S1-Leitlinie und nicht die 100 Stück, die zum Erlernen angedacht sind.

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    Sollte eigentlich so als Zeichen alle NotärztInnen machen, die auf der Seite des Rettungsdienstpersonals sind. Einfach aus der AGBN austreten, damit die hohen Tiere aus der Schule Sefrin im Vorstand der AGBN mal merken, dass das was sie äussern nicht das ist was ein (vermutlich grosser) Teil ihrere Mitglieder denkt.

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    Möglicherweise gibt es aber noch andere Gründe, Mitglied in derartigen Vertretungen zu sein, außer deren Stellungnahmen gegenüber dem Rettungsfachpersonal. Für diese Verbände ist dies ja eher ein kleineres Nebenthema. Wenn man sich insgesamt schlecht vertreten fühlt, sollte man allerdings unbedingt austreten.


    [Anm.: ich teile die Auffassung der AGBN ggü. den Notfallsanitätern keineswegs, bin kein Notarzt und in keiner dieser Vertretungen Mitglied. Ich bin derzeit noch Mitglied des DBRD, aus diesem aber zum Ablauf des Beitragjahres ausgetreten, da ich mit deren Statements und Art der Berufspolitik auch nicht d'accord gehe.]

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • So schlecht finde ich das Statement gar nicht. Was gibt es daran auszusetzen? Das ist doch eine prima Einladung und Basis die man doch schier ergreifen muss!

    Es ist halt ziemlich schwammig formuliert, bleibt unpräzise und kann alles oder nichts bedeuten.

  • Ja, mag sein. Aber deshalb will man es ignorieren?

    Es bietet halt durch seine Schwammigkeit keinen Diskussionsansatz. Der Tenor klingt mehr danach, als wolle man sage, dass NFS zwar gut ausgebildet sind, aber invasive Maßnahmen solle man doch bitte Ärzten überlassen.