Geplante Änderung des Notfallsanitätergesetzes durch das BMG

  • Kann mir jemand erklären, warum das über das MTA-Gesetz laufen soll? Notfallsanitäter sind ja eigentlich Notfallsanitäter und keine MTA-F/V/R/L. Und so richtig "technisch" sehe ich die Notfallsanitäter jetzt auch nicht an.

  • Nennt man Omnibus-Verfahren.


    möglichst viele Gesetzesänderungen mit einem Gesetz durchbringen.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Wäre das tatsächlich ein gamechanger?

    Wenn ich mir den Verlauf der Änderungen und den Einwand bei den letzten Entwürfen der Rechtsextremisten Rechtsexperten so anschaue, dann ja.


    Hier ist jetzt, aus meiner Sicht, die Möglichkeit auch gegeben einen Pat. Einem Arzt in der Klinik zuzuführen und kein Zwang mehr einen NA oder TeleNA zu konsultieren.

    Dies war u.a. In den letzten Entwürfen der Fall.


    Damit wird nun auch die Rechtssicherheit für die SOPs geschaffen, die explizit keinen NA Alarm vorsahenz. Beispiel aus dem Stehgreif: Hypoglykämie, Hypertension, Analgesie o.a.


    Der NFS ergreift dann eine invasive Therapie zur Abwehr von weiteren anzunehmenden Schäden und transportiert fachgerecht ins Klinikum.


    Was natürlich nicht bedeutet, dass er keinen NA mehr benötigt. Dieser würde mir bei einigen Notfällen schon fehlen!

  • Wäre das tatsächlich ein gamechanger?

    Inwiefern? Zum ursprünglichen Entwurf ändert sich inhaltlich nichts Wesentliches, lediglich in der Ausführung. Es entfällt weiterhin wie zuvor gewünscht die Berufung auf den rechtfertigenden Notstand. Ob es eine definierte Liste gibt oder zuvor einen Arzt kontaktiert werden muss, ändert nichts daran, dass die Maßnahmen nur bei Lebensgefahr oder möglichen schweren Folgeschäden ausgeübt werden dürfen. Eine Behandlung außerhalb dieser Kategorien, wie hier im Forum weiter vorne als "Wohlfühlmedizin" beschrieben wird dadurch nicht legitimiert.


    Der Präsenznotarzt wird eine Randerscheinung.

    Kann ich aus den oben genannten Gründen nicht nachvollziehen.

  • Es gibt Neuigeiten.

    Und es sieht aus als hätte die Vernunft gesiegt.

    Wäre das tatsächlich ein gamechanger?

    Bedingt. Wie ja u.a. auch schon Michael Neupert mehrfach in diesem Forum ausgeführt hat, waren die in Rede stehenden Maßnahmen auch bisher durchführbar, ohne (bei Einhaltung der entsprechenden Rahmenbedingungen) strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen. Der entscheidende Unterschied: Jetzt bzw. bei Inkrafttreten des Gesetzes ist es erlaubt & keine primär verbotene Handlung mehr, für die ich im Nachhinein einen Rechtfertigungsgrund geltend machen muss um straffrei auszugehen. Der Pferdefuß: Letztlich müssen im Wesentlichen immer noch die gleichen Voraussetzungen geprüft werden / gegeben sein wie vorher auch. Ein wirklicher Gamechanger sieht anders aus, aber es ist ein sehr ermutigender Anfang.

    Der Präsenznotarzt wird eine Randerscheinung.

    Das sehe ich noch lange nicht, auch wenn ich bekanntermaßen Verfechter eines Paramedic-Systems bin. Und ganz offen gesagt: Ich glaube die meisten Notfallsanitäter (mich eingeschlossen!) sind froh, wenn sie bei (wirklichem) Bedarf auf einen fähigen Notarzt zurückgreifen können. Es gibt einfach Notfallbilder und Skills, bei denen wird der NotSan einem wirklich qualifizierten Notarzt niemals das Wasser reichen können.
    Wenn die Gesetzesänderung jedoch dazu beiträgt, die leider immer noch unglaublich hohe Zahl von nicht notwendigen NA-Einsätzen (und evtl. auch die Zahl der NA-Standorte) zu reduzieren (was vermutlich eher nicht Intention des Gesetzgebers ist): Gerne. Ich bin der Überzeugung, dass 80-90% aller heutigen Notarzteinsätze von einem durchschnittlich ausgebildeten Notfallsanitäter völlig problemlos im Alleingang abgearbeitet werden könnten, 40-50% wahrscheinlich sogar durch einen erfahrenen RS.

    „Ein Staat ist immer nur so frei wie sein Waffengesetz.” (Gustav Heinemann)

  • Wäre das tatsächlich ein gamechanger?

    Es ersetzt die Rechtfertigung von Notfallmaßnahmen ("Notkompetenz") durch rechtfertigenden Notstand durch eine Erlaubnis solcher Maßnahmen, ändert im Ergebnis also die Rechtslage nicht und betrifft nur akute Notfälle, die eigentlich nie problematisch waren. Das kann kaum ein "Gamechanger" sein.

    Kann mir jemand erklären, warum das über das MTA-Gesetz laufen soll? Notfallsanitäter sind ja eigentlich Notfallsanitäter und keine MTA-F/V/R/L. Und so richtig "technisch" sehe ich die Notfallsanitäter jetzt auch nicht an.

    Das Gesetz befindet sich nun schon einmal im Entwurfsverfahren, da kann man es anhängen. Sonst muss man irgendwann später[tm] ein neues Gesetzgebungsverfahren anleiern. Das würde schon aufgrund der Diskontinuität - dieses Jahr wird der Bundestag neu gewählt - zu spürbaren Verzögerungen führen.

  • Wenn die Gesetzesänderung jedoch dazu beiträgt, die leider immer noch unglaublich hohe Zahl von nicht notwendigen NA-Einsätzen (und evtl. auch die Zahl der NA-Standorte) zu reduzieren (was vermutlich eher nicht Intention des Gesetzgebers ist): Gerne.

    Wie sollten sie das? Dass eine Erstversorgung durch Notfallsanitäter - und in den Jahrzehnten früher: durch Rettungsassistenten - tatsächlich und rechtlich möglich ist (und auch in den Jahrzehnten früher möglich war), ändert doch nichts an der Notarztindikation?

  • "Gamechanger"? nein, aber durch das Wegfallen der Notwendigkeit einer (wie auch immer gearteten) vorherigen Konsultation irgendeines Arztes, wird die Durchführung in lebensbedrohlichen Situationen wieder vereinfacht (wenn nötig, mache ich das einfach, ohne vorher rumzutelefonieren o.ä.) und die standardmässige Illegalität der Massnahmen fällt in meinen Augen weg (auch wenn ich in solchen "Extremsituationen" immer noch kein echtes Problem mit dem rechtf. Notstand sah).


    Die o.g. "Komfort-Massnahmen" im Alltag wiederum sollten dann ja eigentlich über SOPs gedeckt werden (da hoffe ich einfach immer noch darauf).

  • So wie ich den Entwurf lese, ist damit künftig folgendes Prozedere möglich: Ich injiziere nachts um 03:00 einem Patienten im hypertensiven Notfall Urapidil ohne einen Notarzt zu rufen, der dafür anrücken muss, damit ich ihm im Perfekt erzählen kann, was ich gerade gemacht habe, um danach Papierkram zu erledigen und wieder einzurücken. Stattdessen befördere ich den Patienten im Anschluss in eine Klinik und ersetze dadurch den jetzt durchschlafenden Notarzt durch den ohnehin wachen Aufnahmearzt. Der Notarzt bleibt frei für einen Patienten, bei dem er einen Unterschied macht. Für mich wäre es ein deutlicher Fortschritt.

    You know as well as I do decisions made in real time are never perfect. Don't second-guess an operation from an armchair. [Noah Vosen]

    Oldschool EMS. The Gold Standard of Ass Kickin'!

  • Das sehe ich noch lange nicht, auch wenn ich bekanntermaßen Verfechter eines Paramedic-Systems bin. Und ganz offen gesagt: Ich glaube die meisten Notfallsanitäter (mich eingeschlossen!) sind froh, wenn sie bei (wirklichem) Bedarf auf einen fähigen Notarzt zurückgreifen können. Es gibt einfach Notfallbilder und Skills, bei denen wird der NotSan einem wirklich qualifizierten Notarzt niemals das Wasser reichen können.

    Das ist nicht aufrichtig.

    Die ganzen Buchstabenkurse sehen keinen Notarzt vor.

    Alle Notfallsanitäter und Rettungssanitäter werden berufsintern nach den Buchstabenkursen ausgebildet.


    Für den Rest wird es den RTH geben.

  • Es ersetzt die Rechtfertigung von Notfallmaßnahmen ("Notkompetenz") durch rechtfertigenden Notstand durch eine Erlaubnis solcher Maßnahmen, ändert im Ergebnis also die Rechtslage nicht und betrifft nur akute Notfälle, die eigentlich nie problematisch waren. Das kann kaum ein "Gamechanger" sein.

    Ich erinnere mich an gekündigte RettAss. Das wird wohl kaum noch einer probieren, wenn ein NotSan (eigentverantwortlich!) Maßnahmen ergreift, die er gelernt hat und beherrscht, und die dann gemäß NotSanG auch erlaubt sind. Für mich ist das ein großer Schritt.


    Und da es um "Lebensgefahr" und "wesentliche Folgeschäden" geht, könnte man diskutieren,was zu wesentliche Folgeschäden zählt. Schön finde ich ebenfalls, dass es explizit um "bis zur weiteren ärztlichen [...] Versorgung" geht. Sprich, der Patient wird nicht final durch uns versorgt, Sondern sieht nach einer heilkundlichen Maßnahme immer einen Arzt im Anschluss.


    Ich bin mit der Lösung zufrieden, auch, wenn ich mir natürlich mehr gewünscht hätte. In der Praxis wird man rausfinden müssen, was wesentliche Folgeschäden eigentlich sind, da freue ich mich drauf. ;)

    Mein Dank gilt auch der Arge Recht welche ebenfalls zu diesem Entwurf beigetragen hat! :)

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  • Für den Rest wird es den RTH geben.

    Nur auf RTH zu setzen wäre nicht klug, da diese zu sehr von der Witterung abhängig sind.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Wie sollten sie das? Dass eine Erstversorgung durch Notfallsanitäter - und in den Jahrzehnten früher: durch Rettungsassistenten - tatsächlich und rechtlich möglich ist (und auch in den Jahrzehnten früher möglich war), ändert doch nichts an der Notarztindikation?

    Klar, statt dass der Notarzt kommt, um die Mida, die Analgesie, oder sonst was "zu erlauben", bringt man eben den Pat in die Klinik. Es gibt schon eine Sammlung an Notfallbildern, wo der Notarzt zum Protokoll ausfüllen und "erlauben" von bereits stattgehabten Maßnahmen erscheint.

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  • Nur auf RTH zu setzen wäre nicht klug, da diese zu sehr von der Witterung abhängig sind.

    Es wird Zeit, dass alle RTH einen PKW bekommen. (Dann flippen zwar die Firmen aus, weil damit kein Geld zu machen ist, aber egal)

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  • Die ganzen Buchstabenkurse sehen keinen Notarzt vor.

    Alle Notfallsanitäter und Rettungssanitäter werden berufsintern nach den Buchstabenkursen ausgebildet.

    Das ist ja etwas flapsig. Oft genug fordert der NotSan in einem Buchstabenkurs einen Notarzt nach, und oft genug fordert der Notarzt einen RTH an im Kurs. Initial gab es in Deutschland das Problem, dass viele RettAss nach der Anlage der Vigo keinerlei Maßnahmen mehr ergriffen, wenn sie Teamleader waren, weil sie mehr nicht dürfen / können. Das Credo der Kurse in Deutschland war, wir üben jetzt die Versorgung, die der Patient braucht. Wenn du etwas nicht darfst oder kannst, sollst du trotzdem wissen, was der Patient braucht.

    Ich bin davon überzeugt, mit PHTLS und AMLS wurde der deutsche RD geprägt und verändert. Und damit meine ich nicht, dass der Notarzt ausgeschlichen wurde. Im Gegenteil, die Zusammenarbeit wurde besser durch diese Kurse.

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  • So wie ich den Entwurf lese, ist damit künftig folgendes Prozedere möglich: Ich injiziere nachts um 03:00 einem Patienten im hypertensiven Notfall Urapidil ohne einen Notarzt zu rufen, der dafür anrücken muss, damit ich ihm im Perfekt erzählen kann, was ich gerade gemacht habe, um danach Papierkram zu erledigen und wieder einzurücken. Stattdessen befördere ich den Patienten im Anschluss in eine Klinik und ersetze dadurch den jetzt durchschlafenden Notarzt durch den ohnehin wachen Aufnahmearzt. Der Notarzt bleibt frei für einen Patienten, bei dem er einen Unterschied macht. Für mich wäre es ein deutlicher Fortschritt.

    Korrigiert mich, aber um diese Patient*innen soll es in diesem Gesetzesentwurf doch gar nicht gehen. Der Hypertensive Notfall könnte entweder durch eine SOP abgedeckt werden oder aber in der Regel auch auf einen Notarzt warten.


    Hier soll es doch um die Fälle des "rechtfertigenden Notstands" gehen, für die es eben keine SOP mit Delegation durch den ÄLRD gibt und in denen ich eben genau die Zeit nicht mehr habe ("1c-Massnahme"). Also z.B. muss ich vor der Entlastungspunktion beim Spannungspneu nicht mehr vorher rumtelefonieren (wie es ja im vorherigen Entwurf gefordert war).

    Und genau diese Massnahmen führe ich dann nicht grundsätzlich illegal aus (und legalisiere sie nur durch Rechtfertigung), sondern ich darf das dann offiziell (wenn die Grundlage der Lebensbedrohung etc. vorliegt). D.h. auch, wenn mich jemand anzeigen wollte, müsste er begründen, dass die Massnahme nicht angemessen war. Bisher musste ich ja (theoretisch) begründen, warum ich eine (grundsätzlich erst einmal) strafbare Handlung vorgenommen habe.

  • Korrigiert mich, aber um diese Patient*innen soll es in diesem Gesetzesentwurf doch gar nicht gehen. Der Hypertensive Notfall könnte entweder durch eine SOP abgedeckt werden oder aber in der Regel auch auf einen Notarzt warten.


    Hier soll es doch um die Fälle des "rechtfertigenden Notstands" gehen, für die es eben keine SOP mit Delegation durch den ÄLRD gibt und in denen ich eben genau die Zeit nicht mehr habe ("1c-Massnahme"). Also z.B. muss ich vor der Entlastungspunktion beim Spannungspneu nicht mehr vorher rumtelefonieren (wie es ja im vorherigen Entwurf gefordert war).

    Und genau diese Massnahmen führe ich dann nicht grundsätzlich illegal aus (und legalisiere sie nur durch Rechtfertigung), sondern ich darf das dann offiziell (wenn die Grundlage der Lebensbedrohung etc. vorliegt). D.h. auch, wenn mich jemand anzeigen wollte, müsste er begründen, dass die Massnahme nicht angemessen war. Bisher musste ich ja (theoretisch) begründen, warum ich eine (grundsätzlich erst einmal) strafbare Handlung vorgenommen habe.

    Du hast recht, aber: wenn es keine SOP gibt, aber der NotSan eine Maßnahme beherrscht, welche geeignet ist Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden abzuwenden, dann hat er nun genau die Handhabe sie zu ergreifen. Hypertonus ist ein schlechtes Beispiel finde ich. Hypoglykämie wäre ein einfacheres. :)

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  • Ich würde gerade den hypertensiven Notfall als Beispiel für eine Verbesserung sehen. Der kann zwar auf den Notarzt warten, muss es dann aber nicht mehr. Vielleicht muss man dazusagen, dass wir in Baden-Württemberg ja noch nichts erreicht haben, was Delegation betrifft.

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