Geplante Änderung des Notfallsanitätergesetzes durch das BMG

  • Genau darauf hoffe ich. Je sinnfreier und zahlreicher die Diskussionen, umso schneller wird dem Gesetzgeber die Notwendigkeit weiterer Änderungen bewusst werden. Prognose: Bis zur nächsten Novelle wird es nicht lange dauern. Ich tippe auf eine "grace period" von rund 6 Monaten, danach ist das Thema wieder auf der Agenda.

    OK, ich gebe zu, ich habe mich geirrt. Sowohl die Äußerungen in diesem Forum als auch die Äußerungen diverser Politiker lassen mich vermuten, dass die "grace period" noch nicht einmal 6 Wochen andauern wird. Nach gegenwärtigem Stand der Dinge werden es wohl noch nicht einmal 6 Tage :)


    ...und das ist gut so!

    „Ein Staat ist immer nur so frei wie sein Waffengesetz.” (Gustav Heinemann)

  • An der einen oder anderen Stelle fällt wohl gerade auf, dass auch weiterhin erhebliche Rechtsunsicherheiten bestehen. Dreh- und Angelpunkt dürfte dabei die Analgesie werden - während einige Protagonisten (tendenziell in meiner Wahrnehmung eine Minderheit) die Ansicht vertreten, dass diese unter die "Abwendung wesentlicher Folgeschäden" fällt, verweisen andere auf die zwingende Notwendigkeit einer Delegation. Eine dritte Fraktion sieht das Thema noch gar nicht abgeräumt (da die eigenständige Analgesie formal noch nicht "gestattet" & eine Delegation mangels Delegationsfähigkeit dieser Leistung gar nicht möglich sei).

    Und dass es nicht mehr als ein Treppenwitz der Geschichte sein kann, dass ein NotSan jetzt zwar hochoffiziell kardiovertieren darf, bei fehlender Delegation für eine Ampulle Dimenhydrinat jedoch den Notarzt nachfordern muss...nun ja, auch das scheint sich langsam rumzusprechen.

    Die aktuelle Novelle ist aus meiner Sicht reichlich missglückt & und nicht mehr als ein absoluter Minimalkonsens. Erstaunlich ist nur, wie schnell das dieses Mal auffällt. Wartet einfach mal ab, bisher habe ich jedenfalls mit meinen Prognosen ganz gut gelegen ;-)

    „Ein Staat ist immer nur so frei wie sein Waffengesetz.” (Gustav Heinemann)

  • Und dass es nicht mehr als ein Treppenwitz der Geschichte sein kann, dass ein NotSan jetzt zwar hochoffiziell kardiovertieren darf, bei fehlender Delegation für eine Ampulle Dimenhydrinat jedoch den Notarzt nachfordern muss

    Zu dieser Auffassung kommt aber nur, wenn man meint, als NFS den Arzt ersetzen zu müssen. Die Ausbildung und auch das jetzt verabschiedete Gesetz zielt darauf ab, ernsthafte Gesundheitsgefahren abzuwehren und nicht als Arztersatz durch die Gegend zu fahren.

  • [...] und nicht als Arztersatz durch die Gegend zu fahren.

    Ich dachte es geht darum, den Notarzt für dringende Einsätze freizuhalten und darum, dass der Notsan nicht lebensgefährlich Erkrankte/Verletze alleine therapieren kann.

  • Ist das nicht eher ein Wunsch?

    Ich sehe es ohne Delegation eher wie Hilope, wir sind zur Abwendung von gesundheitlichen Schäden da.


    Wenn wir einen ÄLRD haben, der eine Delegation für Bagatellen vornimmt, umso besser.


    Leider wird dies so bleiben, auch wenn es dadurch eine unterschiedliche Behandlung im Land gibt.

  • Grundsätzlich halte ich die Änderung für extrem wichtig. In der Not darf gehandelt werden, ohne dass man sich dafür auf den rechtfertigenden Notstand berufen muss.

    Für alles andere finde ich es nach wie vor richtig, das es dafür SOP gibt.

    Ob überall die SOP geglückt sind, wage ich zu bezweifeln. Und ein bundesweiter Standard wäre auch schön.

    Und noch besser wären mMn Zertifizierungen, die Maßnahmen freigeben und rezertifitiert werden müssen.

  • ...

    Und noch besser wären mMn Zertifizierungen, die Maßnahmen freigeben und rezertifitiert werden müssen.

    Das nennt man dann Delegation, oder? :-)

    Ich stimme dir aber zu. Die Änderung war gut und richtig und nun braucht es solides Werkzeug für die "Bagatellen"

  • Für alles andere finde ich es nach wie vor richtig, das es dafür SOP gibt.

    Es gibt Bundesländer in denen es 4 ÄL insgesamt gibt, welche nicht eine einzige SOP erstellt haben. Ich bin gespannt wie es weitergeht.


    Aber vielleicht bleibt die Pandemie ja auch einfach die Grundlage. Aktuell dürfen alle NotSan ja Heilkunde durchführen.

  • Ich dachte es geht darum, den Notarzt für dringende Einsätze freizuhalten und darum, dass der Notsan nicht lebensgefährlich Erkrankte/Verletze alleine therapieren kann.

    Das geht aus dem Gesetz aber nicht hervor. Unter §4 lese ich Dinge wie "bei der notfallmedizinischen Versorgung", "Maßnahmen zur Gefahrenabwehr", "bei Patientinnen und Patienten im Notfalleinsatz" usw. Von der eigenständigen Therapie und Behandlung von Übelkeit und eines erhöhten Blutdruckes kann ich da nichts von raus interpretieren.

  • Übelkeit und Hypertonie sind Erkrankungen, die weder durch die Rettungsdienst noch durch den Notarzt behandelt werden müssen. Nur weil Rettungsleitstellen Fahrzeuge dorthin entsenden, bedeutet das nicht, dass sie für die Behandlung auch zuständig sind. Ein RTW, der fälschlicherweise zu einem Wasserrohrbruch oder einem defekten Geschirrspüler entsandt wurde, würde vermutlich auch den richtigen Handwerksbetrieb informieren und nicht anfangen selbst Hand an zu legen, nur weil zufällig ein Schraubenzieher oder eine Rohrzange auf dem RTW liegt.

  • Aber es ist ja völlig unverantwortlich, den Patienten da zu lassen. Soll ich das NEF zur Aufklärung rufen?

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Aber es ist ja völlig unverantwortlich, den Patienten da zu lassen. Soll ich das NEF zur Aufklärung rufen?

    Das korrekte Vorgehen wäre, den Patienten an die richtige Stelle zu verweisen. Rohrbruch -> Klempner, Hypertonie -> Hausarzt oder ÄBRD.

  • Das korrekte Vorgehen wäre, den Patienten an die richtige Stelle zu verweisen. Rohrbruch -> Klempner, Hypertonie -> Hausarzt oder ÄBRD.

    Das finde ich vollkommen richtig. Es scheitert in der Praxis indes oft. Zum einen sind da Patient*Innen, die darauf bestehen, dass man sie irgendwo hinfährt und Zeter und Mordio schreien, wenn man das in Frage stellt, und Beschwerden und Anzeigen androhen. Zum anderen verweigern hin und wieder die richtigen Stellen die Mitarbeit. Und dann ist man halt doch irgendwie in der Pflicht.

    You know as well as I do decisions made in real time are never perfect. Don't second-guess an operation from an armchair. [Noah Vosen]

    Oldschool EMS. The Gold Standard of Ass Kickin'!

  • Bei der Hypertonie abseits des hypertensiven Notfalls bin ich vollkommen bei dir. Eine antiemetische Therapie hingegen kann den Patienten mit massiven Erbrechen allerdings u.U. überhaupt erst compliant für einen Transport machen. So zumindest meine Erfahrung, dass sich diese Patienten aufgrund des Brechreizes nicht adäquat auf der Trage sichern lassen. Und da der Transport des Patienten das Kerngeschäft des RD ist, sehe ich eine Antiemese als supportive Maßnahme hierzu an. Einen NA hierfür zu alarmieren schießt m.E. am Ziel vorbei, bei uns im Kreis zum Glück per Vorabdelegation von Vomex geregelt.

  • Hilope Die Patientin mit der unkomplizierten Unterarmfraktur die schon unter normalen Autofahrten Dank ausgeprägter Reisekrankheit spuckt darf ich dann also weiterhin rückwärts liegend durch den Schwarzwald karren, egal wie sehr sie spuckt, oder?


    ...Ich kann ihr angesichts der Grenzschließungen ja nicht Mal empfehlen das nächste Mal 35km weiter südlich wandern zu gehen.


    ...Von der Tatsache, dass ich auch schon Noro-Patienten eine Ondansetron verpasst hab (keine Angst,im richtigen Land) weil Noro einfach auch Mal eine Transportindikation darstellt ganz zu schweigen.


    Übelkeit kann eben schon Teil der Rettungsdienstversorgung sein. War es schon immer,wird es immer sein. Und entweder führen wir uns weiter auf wie in einem Entwicklungsland ("Joa Frau Müller,da ist die Tüte, immer schön durch den Ring brechen, wird bald wieder besser, wir sind schon in 25min da), sorgen dafür das es wirklich genug NAs gibt die auch auf solchen Bullshit mitfahren wollen oder wir ändern die Regeln so,dass endlich Mal der Patient und nicht das Ego (beider Seiten) im Mittelpunkt steht.


    Mir ist dabei, wenn wir vernünftiges Netz in den Schwarzwald und den Heuberg kriegen, sogar egal ob das per Delegation, Telenotarzt oder Gesetzesänderung erfolgt.


    Was ich aber garantiere: Sollten meine Familie oder ich Mal Geschädigter von so einer Situation werden uns es existieren im betreffenden RD Bereich keine Möglichkeiten Emesis zu unterbrechen dann werde ich mir sehr genau klären ob ich das Mal rechtlich kläre.

  • Das finde ich vollkommen richtig. Es scheitert in der Praxis indes oft. Zum einen sind da Patient*Innen, die darauf bestehen, dass man sie irgendwo hinfährt und Zeter und Mordio schreien, wenn man das in Frage stellt, und Beschwerden und Anzeigen androhen. Zum anderen verweigern hin und wieder die richtigen Stellen die Mitarbeit. Und dann ist man halt doch irgendwie in der Pflicht.

    Wenn man immer alles machen würde, was Patienten wünschen... Ich nehme an, dass der Transport in ein 100 Kilometer entferntes Krankenhaus zum berühmten Professor Sauerbruch dann trotz Anzeigendrohung eher weniger durchgeführt wird.


    Das Problem anderer Stellen ist ja hinlänglich bekannt. Trotzdem sollte man nicht ständig die Probleme anderer zu seinen eigenen machen, außer man möchte das natürlich.

  • Trotzdem sollte man nicht ständig die Probleme anderer zu seinen eigenen machen, außer man möchte das natürlich.

    Das bin ja nicht ich. Ich finde, dass die Patient*Innen eher ihre Probleme zu meinen machen. Und die wissen oft, welche Knöpfe sie drücken müssen, damit das passiert, was sie wollen. Aber das ist natürlich auch ein ganz anderes Thema.

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  • Das korrekte Vorgehen wäre, den Patienten an die richtige Stelle zu verweisen. Rohrbruch -> Klempner, Hypertonie -> Hausarzt oder ÄBRD.

    und in der zwischenzeit die Wohnung voll Wasser laufen lassen?

    Wenn man tot ist, ist das für einen selbst nicht schlimm, weil man ja tot ist. Schlimm ist es aber für die anderen...
    Genau so ist es übrigens wenn man doof ist...