Notfallsanitäter : "Ich durfte nicht in Quarantäne und habe die Schicht zu Ende gemacht"

  • Zitat

    Als Sanitäter muss er auch Menschen mit Covid-19 versorgen. Einigen mangele es an Verantwortung – und es fehle an einem Konzept. Protokoll vom Arbeiten in Unsicherheit

    https://www.zeit.de/arbeit/202…b6pPEV6frVZwWLptpc3W4y9z0

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Bei dem Artikel frage ich mich, ob sich der "seit 10 Jahren als NFS arbeitende" Kollege (zählen NFS-Jahre doppelt?) eigentlich direkt selbst anzeigen möchte? Da kann ich für ihn nur hoffen, dass der Protokollant einiges durcheinander gebracht hat und sein eigenes Protokoll deutlich anders aussieht.


    Oder möchte er einen dyspnoischen, zyanotischen Patienten intubationspflichtig machen, indem er ihm statt Sauerstoff einen MNS angedeihen lässt? Temperaturmessen fällt einem erst im Fahrzeug ein und macht dafür dann die Angehörigen verantwortlich? Und überhaupt, seit wann kann man sich darauf verlassen, was Patienten oder Angehörigen von sich geben? Dass diese bewusst oder unbewusst oftmals völligen Nonsens von sich geben, ist ja völlig neu.


    Sich bei einem offensichtlich pulmonal schwer angeschlagenen Patienten bei allgemein schnell steigenden Infektionszahlen nicht ausreichend zu schützen, würde ich als eigenes Verschulden ansehen.


    Ich weiß nicht, wie dort die Schutzmöglichkeiten sind, und der anschließende Ablauf war sicher auch mehr als ungeschickt. Wenn ich jedoch Missstände anprangern möchte, würde ich einen Teufel tun, und so eine schlechte Arbeitsweise vorne dran stellen.

    Und den Bonus hat in Deutschland vermutlich nur ein wirklich kleiner Teil des medizinischen Personals bekommen.

  • Regel 2 im Rettungsdienst: Wenn Du glaubst da stimmt was nicht dann stimmt was nicht!


    Wenn ich in der aktuellen Lage, zugegeben bin ja nicht mehr im Fahrdienst, in eine Wohnung komme und der Patient spricht und hat nicht gerade offensichtlich ein Chirurgisches problem, dann gibts nach dem "Guten Morgen" erst mal das Thermometer.
    Spätestens bei der ersten Anamnese.


    Oder lieg ich da als emeritierter AltRA so falsch?

    :rtw: "Rettungsdienst" sind die Typen, die zu einem kommen, wenn man etwas getan hat, wofür man eigentlich zu dämlich ist. :rtw:

  • Regel 2 im Rettungsdienst: Wenn Du glaubst da stimmt was nicht dann stimmt was nicht!


    Wenn ich in der aktuellen Lage, zugegeben bin ja nicht mehr im Fahrdienst, in eine Wohnung komme und der Patient spricht und hat nicht gerade offensichtlich ein Chirurgisches problem, dann gibts nach dem "Guten Morgen" erst mal das Thermometer.
    Spätestens bei der ersten Anamnese.


    Oder lieg ich da als emeritierter AltRA so falsch?

    genau. Und bei entsprechender Anamnese oder Fieber ein freundliches: „sorry, wir sind kurz nochmal vor der Tür und hüllen uns in seltsame Gewänder...“. Ganz davon abgesehen, dass man ja eh schon standardmässig mit Mundschutz, Schutzbrille und Handschuhen zum Pat. geht.

  • Unter 50% der COVID-19 Patienten entwickeln Fieber dachte ich? Warum sollte das also die allerwichtigste Maßnahme sein, Fieber zu messen?

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Nicht die wichtigste, aber beim unkritischen Pat. ist bei uns die erste Massnahme eine gezielte Covid-Anamnese. Und da gehört neben Abfrage von Grippe- / Erkältungssymptomen etc. und Kontaktanamnese bzw. positiver Test halt auch unter anderem das Fiebermessen dazu.
    Beim kritischen Pat. entfällt das, bei potentiell aerosolbildenden Massnahmen wird FFP und dichte Schutzbrille angezogen und es zieht dann bei nachträglich positiver Anamnese ein komplettes Umziehen des Teams nach sich.

    Ist bisher „unser“ Vorgehen und fahren bisher recht gut damit.

  • Unter 50% der COVID-19 Patienten entwickeln Fieber dachte ich? Warum sollte das also die allerwichtigste Maßnahme sein, Fieber zu messen?

    Kürzlich auch was von "nur" 50% gelesen.
    Umkehrschluss: 50% entwickeln Fieber.

    Nun dauert Fiebermessen im modernen RD wie lange?

    Drei Sekunden?

    Fünf sekunden?


    Weit weniger jedenfalls als eine BZ Messung die bei jedem Patienten auch dazu gehört. ;)

    Vielleicht ein wenig sinniger als Stur nach ABCDE Schema beim problemlos mit mir sprechenden Patienten auf mögliche Fremdkörper im Mundraum zu kontrollieren und zeitgleich mit dem guten Tag sagen die Lungen abzuhören...

    :rtw: "Rettungsdienst" sind die Typen, die zu einem kommen, wenn man etwas getan hat, wofür man eigentlich zu dämlich ist. :rtw:

  • Vielleicht ein wenig sinniger als Stur nach ABCDE Schema beim problemlos mit mir sprechenden Patienten auf mögliche Fremdkörper im Mundraum zu kontrollieren und zeitgleich mit dem guten Tag sagen die Lungen abzuhören...

    Und geht sogar parallel zu A... :-)

  • Soll ich jetzt anfangen mit der Genauigkeit der im RD verwendeten Thermometern? :D

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Soll ich jetzt anfangen mit der Genauigkeit der im RD verwendeten Thermometern? :D

    Könntest du natürlich machen, aber das würde sehr sicher off-topic führen.

    Ich denke, dass wir uns darauf einigen können, dass die Messung der Körpertemperatur einen wichtigen Stellenwert in der Notfallmedizin, auch unabhängig von Covid-19, hat. Daher verstehe ich gerade nicht, wieso man sich daran so aufhängt.

    Dem Patienten anstatt der Hand nun das Thermometer hinzuhalten muss nicht unbedingt sein, aber im Rahmen der Anamnese die Temperatur zu erheben, ist doch valide.


  • Nunja, ich gehe schon davon aus, dass die Redaktion Dinge geändert hat. Davon ab, kann man, wenn man etwas weniger in Rage ist, durchaus berechtigte Hinweise finden:

    - Patienten und Angehörige sollten nicht lügen, jetzt erst recht nicht, wo damit das helfende Personal ggf. gefährdet wird.

    - Schlechte Konzepte gefährden den AN, und örtlicher PSAgI Mangel führt zu schlechten Konzepten (wenn es nicht genug FFPx gibt, kann man nicht immer einen tragen).
    - Den Einsatzalltag im RTW beschreibt er gut, finde ich. Jedenfalls für Norddeutschland.

    - Der Umgang des Vorgesetzten ist ebenfalls unglücklich.
    - Die Kritik an unterschiedlichem Vorgehen finde ich berechtigt, haben wir jüngst auch erlebt von vers. Ämtern.

    - Die UNsicherheit und unzufriedenheit wird genannt, das darf man mal tun.


    Ich finde das wenig aufgeregt, mit vielen Aspekten die auch ich so beobachten konnte.

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  • Nunja, ich gehe schon davon aus, dass die Redaktion Dinge geändert hat. Davon ab, kann man, wenn man etwas weniger in Rage ist, durchaus berechtigte Hinweise finden

    Mich regt auf, dass man anderen in anklagender Weise Inkompetenz vorwirft, dann selbst aber so einen Einsatz abliefert. Ich schrieb ja, inwiefern das genauso ablief, ist fraglich. Dann muss man sich aber vorhalten lassen, dass entweder ein völlig falscher Artikel in die Welt gesetzt wurde, oder aber man beim Korrekturlesen diese offensichtlichen Fehler nicht erkannt hat. Beides ist ärgerlich und erscheint zumindest mir mehr als unprofessionell. Im Gegensatz zu den gerade erst genannten TV-Reportagen hätte man ja Zeit genug, das richtig darzustellen.


    - Patienten und Angehörige sollten nicht lügen, jetzt erst recht nicht, wo damit das helfende Personal ggf. gefährdet wird.

    In einer idealen Welt hält sich auch jeder Patient an seinen Medikationsplan, raucht und trinkt nicht, es macht niemand Fehler, es gibt keine Gewalt und Kriege... Es sollte bekannt sein, dass wir nicht einer solcher leben und gerade bei Selbstgefährdung eher vom negativen Fall ausgegangen werden sollte.


    - Patienten und Angehörige sollten nicht lügen, jetzt erst recht nicht, wo damit das helfende Personal ggf. gefährdet wird.

    - Schlechte Konzepte gefährden den AN, und örtlicher PSAgI Mangel führt zu schlechten Konzepten (wenn es nicht genug FFPx gibt, kann man nicht immer einen tragen).
    - Den Einsatzalltag im RTW beschreibt er gut, finde ich. Jedenfalls für Norddeutschland.

    - Der Umgang des Vorgesetzten ist ebenfalls unglücklich.
    - Die Kritik an unterschiedlichem Vorgehen finde ich berechtigt, haben wir jüngst auch erlebt von vers. Ämtern.

    Dass die Kritik durchaus berechtig und das weitere Procedere vorsichtig gesagt Verbessungspotential hat, habe ich erwähnt und ist auch richtig so. Allerdings darf niemand gezwungen werden, sich selbst im Einsatz zu gefährden. Wenn ich bemerke, dass eine Infektion sehr im Möglichen liegt, ich jedoch keine adäquate Schutzausrüstung habe, dann kann der Einsatz so nicht stattfinden. Im Gegensatz zum Frühjahr steht zumindest bis Stand jetzt ausreichend Material zur Verfügung. Es wird auch niemanden einen Vorwurf gemacht, ohne Feuerwehr-Schutzausrüstung in ein brennendes Haus zu rennen.


    - Die UNsicherheit und unzufriedenheit wird genannt, das darf man mal tun.

    Klar darf man das. Ich finde die Unsicherheit, wie sie hier dargestellt wird, gerade mit dem Hintergrund des beschriebenen Einsatzes, eher als Inkompetenz.

  • Auch der (vermeintlich) inkompetente Mitarbeiter sollte von seinem AG so geführt werden, dass möglichst wenig Unsicherheit entsteht im Ablauf.

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  • Im Gegensatz zu den gerade erst genannten TV-Reportagen hätte man ja Zeit genug, das richtig darzustellen.

    Warum sollte die ZEIT das tun? Sie hatten die Absicht, bestimmte Eindrücke zu vermitteln und nicht, eine Rettungsdienstfortbildung zu liefern, mit der 90% der ZEIT-Leser*Innen ohnehin nichts anfangen können.

    You know as well as I do decisions made in real time are never perfect. Don't second-guess an operation from an armchair. [Noah Vosen]

    Oldschool EMS. The Gold Standard of Ass Kickin'!

  • Warum sollte die ZEIT das tun? Sie hatten die Absicht, bestimmte Eindrücke zu vermitteln und nicht, eine Rettungsdienstfortbildung zu liefern, mit der 90% der ZEIT-Leser*Innen ohnehin nichts anfangen können.

    Damit meine ich den protokollierten Rettungsdienstmitarbeiter. Ich würde in meinem Namen nicht einen solchen Einsatz veröffentlicht haben, egal an welches Zielpublikum er sich richtet.

  • Damit meine ich den protokollierten Rettungsdienstmitarbeiter. Ich würde in meinem Namen nicht einen solchen Einsatz veröffentlicht haben, egal an welches Zielpublikum er sich richtet.

    Ja. Aber die Frage ist doch, ob die ZEIT den Einsatz so schildert, dass sich daraus eine valide Beurteilungsgrundlage für die Fachwelt ergibt. Wenn ein Journalist bestimmte Dinge zeigen will, dann wählt er die berichteten Tatsachen (oder das, was er für Tatsachen hält) nach Zweckmäßigkeit aus, weder nach Vollständigkeit noch nach Chronologie. Und diese Zweckmäßigkeit wird eben auch von didaktischen und nicht zuletzt dramaturgischen Aspekten bestimmt. Ich wäre also vorsichtig, das Handeln des Kollegen aufgrund eines Artikels zu beurteilen, der von einem Laien für andere Laien zu einem anderen Zweck verfasst wurde.

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  • Ja, und wie ich jetzt mehrfach schrieb, für einen solchen Zweck und eine solche Darstellung würde ich meinen Namen nicht hergeben wollen und eine Freigabe für den Artikel so sicher nicht erteilen. Wenn ich das jedoch mache, muss ich halt damit rechnen, dass mir von fachlich versierter Seite Kritik entgegen gebracht wird. Deswegen halte ich entweder das Handeln schlecht oder die Veröffentlichung des Artikels in dieser Form, die mich als sehr inkompetent erscheinen lässt. Ob das jetzt dramaturgisch für Laien besser zu verkaufen ist oder nicht, halte ich für sekundär und schadet eher dieser (durchaus gerechtfertigten) Sache.


    Wenn jetzt völlig übertriebene Krankenhaus-Videos von Intensivstationen oder dessen völlig hilfloses oder inkompetentes Personal veröffentlicht werden würde, würde man das doch auch eher von zweifelhaften Nutzen empfinden.

  • Wenn jetzt völlig übertriebene Krankenhaus-Videos von Intensivstationen oder dessen völlig hilfloses oder inkompetentes Personal veröffentlicht werden würde, würde man das doch auch eher von zweifelhaften Nutzen empfinden

    Sicher. Ich habe ja auch nicht behauptet, dass der ZEIT-Artikel einen Nutzen hat. Den sehe ich nämlich auch nicht so wirklich.

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  • Wenn ich bemerke, dass eine Infektion sehr im Möglichen liegt, ich jedoch keine adäquate Schutzausrüstung habe, dann kann der Einsatz so nicht stattfinden. Im Gegensatz zum Frühjahr steht zumindest bis Stand jetzt ausreichend Material zur Verfügung.


    Das muss ja nicht immer stimmen. Ich kenne Bereiche, wo täglich der Stand der FFP Masken geprüft wird, aber nichts unternommen wird, wenn der STand bei 0 ist. Da hilft es auch nichts, zu sagen, der soll sich mal grade machen.

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