Bereitschaftsarzt muss einschreiten

  • Zitat

    Eine Mitarbeiterin der Leitstelle beider Altmarkkreise musste wegen unterlassender Hilfeleistung vor das Amtsgericht Stendal.


    [...]


    „Lieber drei Mal den RTW zu viel, als einmal zu wenig“, forderte er [der Richter].

    https://www.volksstimme.de/lok…ftsarzt-muss-einschreiten


    Da braucht man auch kein qualifiziertes Personal auf der Leitstelle, wenn man stur nach Symptom- oder Indikationskatalog alarmieren soll.

  • Zitat

    Sie könne ihren Vorgesetzten ja mal zu ihm schicken. Er würde ihm dann im Sinne des Gesetzes erklären, wer Diagnosen stellen darf und wer nicht, so Richter M. und schloss die Verhandlung.

    Sympathisch! Und so gut informiert über die Materie.

  • Dann kann man im nächsten Schritt ja auch direkt klären, ob eine telefonische Anamnese zur Diagnose(!)stellung ausreichend ist. Man liest hier selbstverständlich nicht den Inhalt des gesamten Verfahrens, aber anhand der vorliegenden Daten lehnt sich auch der Richter mit dieser Aussage für sich stehend nicht gerade wenig aus dem Fenster.

  • https://www.volksstimme.de/lok…ftsarzt-muss-einschreiten


    Da braucht man auch kein qualifiziertes Personal auf der Leitstelle, wenn man stur nach Symptom- oder Indikationskatalog alarmieren soll.

    Vor allem steht im Artikel auch, dass ein "vorgegebener Fragenkatalog abgearbeitet wurde", worauf hin ein "Bereitschaftsarzt" (ÄND) entsendet werden sollte. Wenn die Kollegin gemäß einer SNA abgefragt hatte, dessen Ergbnis der ÄND sein sollte, warum wird die Kollegin angeklagt wenn dieses Ergebnis durch den Dienstherren/ÄLRD vorgegeben wird (Amtshaftung fragl.)?


    Trotzdem hat die Kollegin ja Hilfe angeboten, die durch die Patientin abgelehnt wurde. Warum ist es dann trotzdem unterlassene Hilfeleistung (ich müsste dann quasi als Wiederholungstäter schon lebenslänglich im Knast sitzen)?


    Ist eine "ärztliche Anweisung" für den Disponenten bindend, wenn diese "von Hörensagen", also ohne persönliche Anwesenheit des Arztes am Telefon und ohne Einweisungspapiere, ausgesprochen wird? Anrufer erzählen nämlich (oft) viel (Unsinn) während der Notrufabfrage.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Einem Kollegen ist so etwas ähnliches vor knapp 20 Jahren auch schon mal passiert. Schade das man dazu nicht mehr in Erfahrung bringen kann.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Das ist ja aber, alles in allem, auch viel heiße Luft. Vermutlich wurde das Verfahren deshalb ja auch eingestellt.
    Und dass nicht jeder Amtsrichter besonders viel Ahnung von Rettungsdienst hat, ist jetzt auch keine Neuigkeit. Im schlimmsten Fall wäre halt ein erstinstanzliches Urteil dabei rausgekommen, gegen das man sich hätte wehren können. Das ist zwar auch nicht schön, aber eben auch nicht sensationell außergewöhnlich...

  • Ich fasse zusammen:

    Die Patientin hat keinen Herzinfarkt...weil die klinische Erfahrung keinen Herzinfarkt sieht...

    aber man strebt ein Verfahren an...

    Okay...die Herzinfarktgeschichte ist für mich abgehakt.

    Juristisch kann ich die Geschichte nicht wirklich beurteilen. Ich verstehe den Sinn der Strafanzeige nun nicht ganz.

    ("Sie hätten "nur" einen RTW geschickt!!!!")


    Allerdings cave für die Praxis:

    Thoraxschmerz bei jungen Leuten mit Dyspnoe kann nicht selten ein spontaner Pneumothorax sein.

    Das kann dann eine fiese Falle darstellen.

    Deswegen finde ich eigentlich einen RTW ganz nett, wenngleich auch der bereits schon eher in die Kategorie "vorsichtshalber" fällt.

  • Wenn man das ganze noch mal mit etwas Abstand betrachtet, sehe ich hier eigentlich folgendes:

    Aus rein rechtlicher Sicht hat hier ein Amtsrichter festgestellt, dass es offensichtlich nicht angebracht ist eine Mitarbeiterin einer Leitstelle die so handelt wie hier beschrieben wegen Unterlassener Hilfeleistung zu bestrafen.


    Was er am Ende während seiner Urteilsverkündung an zusätzlichen mündliche Kommentaren von sich gibt, hat letztlich für den Fall keine weitere Bedeutung.


    Einer abschließenden rechtlichen Beurteilung der Situation die ggf. auch durch eine höhere Instanz hätte geprüft werden können, hat er sich ja mit seiner Einstellung des Verfahrens entzogen.


    Die Mitarbeitern gilt mit der Einstellung als nicht vorbestraft, aus juristischer Sicht hatte ihr Handeln also keine Konsequenzen (außer einem subjektiv vielleicht unnötigen Verfahrens).


    Insofern halte ich es persönlich auch nicht für nötig, dass Leitstellenmitarbeiter aufgrund dieses Falls bzw. diese Nicht-Urteils ihr Handeln ändern sollten.

  • Aus rein rechtlicher Sicht hat hier ein Amtsrichter festgestellt, dass es offensichtlich nicht angebracht ist eine Mitarbeiterin einer Leitstelle die so handelt wie hier beschrieben wegen Unterlassener Hilfeleistung zu bestrafen.

    Ich würde das nicht so locker sehen. Eine Einstellung wegen geringer Schuld ist tatsächlich nicht das Gleiche wie ein Freispruch. Darüber hinaus ist es äußerst unangenehm, als Angeklagte(r) vor Gericht erscheinen zu müssen. Zumal man ja nie weiß, was dabei herauskommt. Ich kann jede(n) verstehen, der/die nach so einer Erfahrung künftig zu jedem verstauchten Handgelenk einen Notarzt schickt.


    Es ist außerdem frustrierend, wenn man für einen Job, der fachlich keinerlei Mängel aufweist, so ein Verfahren bekommt.

    You know as well as I do decisions made in real time are never perfect. Don't second-guess an operation from an armchair. [Noah Vosen]

    Oldschool EMS. The Gold Standard of Ass Kickin'!

  • Ich sehe es halt im Grundsatz so, wie es auch in Wikipedia zur Einstellung eines Verfahrens steht:

    „Die Einstellung des Strafverfahrens bedeutet im Strafverfahrensrecht Deutschlands die Verfahrensbeendigung bei Offenhalten der Schuldfrage. Die Unschuldsvermutung besteht daher fort.


    Das hat dann entsprechend ja auch das Bundesverfassungsgericht mal so entschieden:

    https://www.kkh.de/content/dam…/verwaltungsrecht/002.pdf


    Wenn ich jetzt total falsch liegen sollte (kann ja auch sein, definitiv), dann korrigiert mich gerne.

  • Vor allem steht im Artikel auch, dass ein "vorgegebener Fragenkatalog abgearbeitet wurde", worauf hin ein "Bereitschaftsarzt" (ÄND) entsendet werden sollte. Wenn die Kollegin gemäß einer SNA abgefragt hatte, dessen Ergbnis der ÄND sein sollte, warum wird die Kollegin angeklagt wenn dieses Ergebnis durch den Dienstherren/ÄLRD vorgegeben wird (Amtshaftung fragl.)?


    Das war offenbar ein strafrechtliches Verfahren, die Amtshaftung/Staatshaftung greift nur bei zivilrechtlichen Vorwürfen (grob gesagt: Patient will Schadensersatz/Schmerzensgeld). Strafrechtliche Vorwürfe richten sich gegen den konreten Mitarbeiter individuell und nach meiner Wahrnehmung ist da auch der Grad der Unterstützung durch den Arbeitgeber/Dienstherrn sehr unterschiedlich ausgeprägt.


    Solche Fälle landen bei der Staatsanwaltschaft (i. d. R.) und beim Amtsgericht in einem "Allerwelts-Dezernat". Da wurde vorher die Trunkenheitsfahrt und danach der Hühnerdiebstahl verhandelt und das in juristischer Fließbandarbeit. Vertiefte rettungsdienstliche Sachkunde kann ma da nicht per se erwarten.


    Gerade so etwas wie eine (hoffentlich nachvollziehbar wissenschaftlich fundierte) SNA muss man da halt Staatsanwaltschaft und ggf. Gericht laiengerecht verständlich darstellen. Dann kriegt man -nach meiner Erfahrung- solche Geschichten auch im Ermittlungsverfahren eingestellt.


    Trotzdem hat die Kollegin ja Hilfe angeboten, die durch die Patientin abgelehnt wurde. Warum ist es dann trotzdem unterlassene Hilfeleistung (ich müsste dann quasi als Wiederholungstäter schon lebenslänglich im Knast sitzen)?


    Es reicht halt strafrechtlich nicht "irgendeine Hilfe", sondern es wäre die bestmögliche, aber auch ausreichende Hilfe zu leisten. Es ist z. B. strafrechtlich immer besser, wenn die Leitstelle selbst den ÄND schickt, statt dem Patienten zu empfehlen, dort anzurufen. Wenn die LSt selber schickt, ist nämlich durch den Disponenten immerhin eine Hilfeleistung erfolgt.


    Nichts desto trotz entfällt diese Hilfeleistungspflicht, wenn der Betroffene (=Anrufer) freiwillig auf die Hilfe verzichtet. Aber auch hier: Es kann eben sehr hilfreich sein, dass im Ermittlungsverfahren anhand der Bandaufzeichnung deutlich darzustellen. Ob das hier konkret überhaupt der Fall war, oder das Gespräch eheer gelaufen ist wie "Wenn überhaupt rufen Sie den ÄND an/schicke ich den ÄND" weiss ich natürlich nicht.

  • https://www.volksstimme.de/lok…ftsarzt-muss-einschreiten


    Da braucht man auch kein qualifiziertes Personal auf der Leitstelle, wenn man stur nach Symptom- oder Indikationskatalog alarmieren soll.

    Doch, Ärzte ^^

    https://www.volksstimme.de/lok…ftsarzt-muss-einschreiten


    Da braucht man auch kein qualifiziertes Personal auf der Leitstelle, wenn man stur nach Symptom- oder Indikationskatalog alarmieren soll.

    »Wenn das deutsche Volk nur aus den tumben Idioten bestünde, die Angst vor einer Überfremdung und dem Aussterben des deutschen Volkes haben, wäre es ein Segen für die Welt, wenn ihre Ängste berechtigt wären«

  • Danke für die ausführliche Einschätzung.


    Das war offenbar ein strafrechtliches Verfahren, die Amtshaftung/Staatshaftung greift nur bei zivilrechtlichen Vorwürfen (grob gesagt: Patient will Schadensersatz/Schmerzensgeld). Strafrechtliche Vorwürfe richten sich gegen den konreten Mitarbeiter individuell und nach meiner Wahrnehmung ist da auch der Grad der Unterstützung durch den Arbeitgeber/Dienstherrn sehr unterschiedlich ausgeprägt.

    Mir ging es um den konkreten Zusammenhang mit der SNA. Diese wird ja durch den Dienstherren vorgegeben. Wenn diese fehlerhaft ist, die Disponentin sich gemäß Weisung des Dienstherren an die SNA hält, dann liegt der Fehler ja eigentlich nicht bei ihr. So war es gemeint bezüglich der Amtshaftung.


    Gerade so etwas wie eine (hoffentlich nachvollziehbar wissenschaftlich fundierte) SNA muss man da halt Staatsanwaltschaft und ggf. Gericht laiengerecht verständlich darstellen. Dann kriegt man -nach meiner Erfahrung- solche Geschichten auch im Ermittlungsverfahren eingestellt.

    Natürlich, niemand kann von allem Ahnung haben. Gar keine Frage. Ob der Anwalt der Disponentin hier einen fachkundigen Sachverständigen bezüglich der SNA (Ausbilder der Landesfeuerwehrschule, ÄLRD, etc.) geladen hatte (oder versucht; im Rahmen der Verteidigung)?

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.