Bereitschaftsarzt muss einschreiten

  • So unrecht hat der krumel da nicht. Solche Dinge kommen hier, Großstadt, Speckgürtel und auf dem Land auch vor. Oft sogar (Samstag 00:48 Uhr: "Rückenschmerzen seit 3 Wochen, ÄND verweist an RD" oder ähnliches). Aber auch die Patienten selbst sind da nicht so viel besser, rufen wieder an, weil man keine Lust hat 3 oder 4 Stunden auf den ÄND zu warten.

    Das mag natürlich vorkommen und ist unglücklich im Ablauf. Anderseits bekommt die Leitstelle und der Rettungsdienst ja nur die Einsätze mit, bei denen es nicht funktioniert. Die ganzen anderen, die problemlos über den ÄBD gelaufen sind, werden nicht wahrgenommen, so dass ein verzerrtes Bild entsteht.

  • Wenn man die Patienten, und dabei handelt es sich meistens um ältere, fragen würde, wer soll eher zu Ihnen kommen, "Ihr" Hausarzt oder ein angelernter Notfallsanitäter, der möglicherweise auch noch täglich wechselt, bin ich sicher, dass sich die größere Anzahl für den Hausarzt entscheiden würde.

    Es kommt im ärztlichen Bereitschaftsdienst aber eben nicht der "eigene Arzt" vorbei sondern irgendein Hausarzt (bzw. dessen bezahlter Vertreter) der grade Dienst hat. Die Wahl ist also: "Wollen Sie, dass irgendein Arzt vorbei kommt" vs. "wollen sie das ein Gemeindesanitäter/eine Gemeindeschwester vorbei kommt"? Und da sieht die Auswahl v.a. im Osten des Landes gar nicht so eindeutig aus.

    Die ganzen anderen, die problemlos über den ÄBD gelaufen sind, werden nicht wahrgenommen, so dass ein verzerrtes Bild entsteht.

    Jein. Ich habe lange genug ÄBD disponiert, gefahren, etc. um beide Seiten zu kennen.

    Ok, die Klassiker, kenne ich selbst. Allerdings muss man zu diesen Fällen sagen, dass die wenigsten Patienten auch etwas für den Bereitschaftsarzt sind, weil sie tatsächlich bis um 8 Uhr auf den Hausarztbesuch warten oder einfach sich selbst auf den Weg in die Praxis machen könnten.

    Das ist grade der Punkt, warum wir den Systembruch hier vermeiden müssen. Aktuell ist es oft genug so, dass der ÄBD nicht kommt (was indiziert sein kann oder nicht) und im nächsten Schritt dann doch die 112 anruft. Das kann es eben nicht sein. Wir brauchen EINE Anlaufstelle für alles was akut ist, auch damit der Verlauf jederzeit nachvollziehbar ist.

    Das ist aber nicht unbedingt ein Problem des ÄBD an sich, sondern der jeweiligen diensthabenden Ärzte.

    Es ist mittlerweile dermaßen häufig, dass der ÄBD hier Probleme hat und dermaßen selten, dass die KVen eingreifen, dass es aus meiner Sicht ein Strukturproblem ist. Ich habe mit mittlerweile 4 KVen Erfahrung und leider haben alle vier KVen mit Verweis auf die ärztliche Selbstbestimmung und "das geht niemanden außer uns was an" keinerlei Regelungstendenzen für die Problematik gezeigt. Ausnahme war nur die KVB auf massivsten Druck des StMI.

    Wen ich ohne Termin zum Arzt muss, ist das auch meiner Ärztin durchaus erst am Abend möglich. Wer direkt behandelt werden muss und nicht ein paar Stunden warten kann, ist einfach kein Patient für den Hausarzt, sondern gehört in ein Krankenhaus und dort versorgt.

    Wir reden nirgendwo von Direktbehandlung, das stimme ich dir weitgehend zu. Aber es ist eben ein Unterschied ob in 10h oder in 4h ein Hausarzt drauf schaut.

    Eine so schwere Erkrankung wie eine Sepsis ist ohnehin nicht hausärztlich zu betreuen. Dass diese in einem frühem Stadium am Telefon nicht erkannt wird, kann sowohl der Arztpraxis wie einer Rettungsleitstelle passieren.

    Keiner behauptet, dass die Betreuung einer Sepsis beim ÄBD liegen sollte. Aber wir wissen beide, dass es einen Unterschied macht, ob der Patient mit beginnender Sepsis um 9:00 Uhr morgens einen ÄBD sieht oder um 19:00 Uhr, weil der eigene Hausarzt keine Akutbesuche mehr schaffen kann und der ÄBD erst um 18:00 Uhr anfängt.

    Ebenso sehe ich persönlich die Abfragekompetenz eben eher bei der ILS anstatt der MTA in der Praxis oder auch dem Arzt zwischen Tür und Angel.

    Wie ich mehrmals erwähnte, sind mangelhafte Zustände entsprechend anzuzeigen und einzufordern. Dass man den Versorgungsauftrag entzogen bekommt, ist nur folgerichtig.

    Das tue ich hiermit, das tun jedes Jahr eine vierstellige Zahl an Menschen in meinem Bundesland, trotzdem ändert sich nix.

    Alleine schon deswegen, weil dieser Systemmangel mittlerweile die Akutversorgung von wirklichen Notfällen massiv beeinträchtigt.

    Man glaubt es kaum, aber zusätzliche RTW sind teurer als ein vernünftig geregelter ÄBD.

    Das selbe müsste ich aber hier beim hiesigen Rettungsdienst machen, so oft hier die RTW ausfallen und damit unnötige Einsatzzeiten entstehen.

    Sorry, das ist Whataboutism

    Und mein Eindruck ist, dass aktuell die Mehrheit tatsächlich lieber ihren persönlich bekannten Arzt hat, als in polyklinikartige Strukturen mit wechselnder Betreuung zu gehen oder von einer diensthabenden Gemeindeschwester betreut zu werden.

    Wir reden hier nicht von einer Änderung in der Standardversorgung (Wobei mittlerweile so viele Patienten v.a. in Ostdeutschland in großen MVZ Strukturen versorgt werden weil es anders gar nicht mehr geht), wir reden von einer Änderung im ärztlichen Bereitschaftsdienst. Ohne die regulären Strukturen anzutasten.

    Überall wurde ein erheblicher Teil der Arbeitszeit mit Hausbesuchen zugebracht. Und dies sowohl im Bereich von geplanten, dringenden und Notfallhausbesuchen.

    Das ist löblich. Keiner der Hausärzte in meinem Umfeld bzw. Freundes- und Bekanntenkreis schafft noch regelhaft Notfallhausbesuche - es geht höchstens Mal einen Patienten mehr "mitzunehmen" wenn man sowieso im betreffenden Heim ist oder der Patient mit ganz viel Glück auf dem Weg liegt.

    Hier liegt auch ein wesentlicher Unterschied: der Arzt darf selbst entscheiden, ob und welche Art von Hilfe erforderlich ist.

    Hier wird seitens des Rettungsdienstes sehr viel an den ÄBD verwiesen, und damit eine Anspruchshaltung geweckt, was gar keine Indikation dafür hat und eben sehr wohl am nächsten Werktag in die Praxis kann, oder in die Notfallpraxis oder eben die sechs Stunden warten.

    Und ersteres erfolgt oftmals unter, sorry, beschissenen Umständen per Telefon und unter starker eigenem Motivationseinfluss und ohne jegliche Dokumentation und Qualitätssicherung.

    Das kann es nicht sein, hier liegt in meinen Augen die Crux der Geschichte. Wir brauchen hier nachvollziehbare Standards und ein einheitliches Vorgehen. Und das ist imho nur gegeben wenn der Anrufer einheitlich behandelt wird. Was nur in einer Leitstellenstruktur möglich ist.

    Und nur dort ist nachher auch die Auswertung und Qualitätssicherung ernsthaft möglich.


    Zum zweiten Punkt: Absolut. Es gibt Kollegen die jeden Scheiß den sie nicht fahren wollen an den ÄBD verweisen. Das ist genauso Bullshit und muss vermieden werden. Ist aber ein RD-Thema in dem Moment. (Wobei ich hier tatsächlich schon einen Besserungseffekt sehe wenn die ILS hier disponierend ist)


    Hat ein Arzt verordnet, dass ein Notarzteinsatz erforderlich ist, kann dies rechtlich tatsächlich keine automatisierte Notrufabfrage und kein Disponent einfach so ignorieren.

    Das sehen mittlerweile mehrere Bundesländer, u.a. meines anders. Das StMI Bayern hat ausdrücklich klargestellt, dass eine NA Alarmierung auch dann dem Indikationskatalog folgen muss wenn ein Arzt anruft - gleiches gilt für BaWü.

    Auch hier liegt im Regelfall ein totales Versagen der ÄBD Selbstregulation vor.

    Da ich Beteiligter für BaWü war: Es gab einzelne ÄBD Exemplare (oftmals angeworben für den ÄBD von niedergelassenen Praxen) die eine NAW Alarmierungsrate von 100% hatten, da sie eine Übergabe der Verantwortung "nur an einen anderen Arzt direkt" verantworten wollten.

    Hat die KVBaWü einen feuchten Dreck interessiert bis das Innenministerium einschritt.


    Daher könnte man genauso gut postulieren, dass der Rettungsdienst versucht seine BLS-Aufgabe auf die ÄBD abzuwälzen, da er eben dafür viel zu schwach aufgestellt ist.

    S.o.: Darf es genauso wenig geben, ist aber nicht das Thema des ÄBD sondern des RD. Wir müssen hier eine Struktur schaffen, die ein gemeinsames Miteinander ermöglicht. Dazu braucht es klare Regeln und Abgrenzungen. Dies ist aber in einer Struktur in der die eine Seite machen darf was sie will so nicht möglich.

  • Das mag natürlich vorkommen und ist unglücklich im Ablauf. Anderseits bekommt die Leitstelle und der Rettungsdienst ja nur die Einsätze mit, bei denen es nicht funktioniert. Die ganzen anderen, die problemlos über den ÄBD gelaufen sind, werden nicht wahrgenommen, so dass ein verzerrtes Bild entsteht.

    Ja, na sicher. Ist ja andersrum auch nicht anders. Kommt zwar regelmäßig vor, ist jedoch die Spitze vom Eisberg. Aber die merkt man sich. Egal in welche Richtung man schaut.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Jein. Ich habe lange genug ÄBD disponiert, gefahren, etc. um beide Seiten zu kennen.

    Ich denke was Hilope sagen will ist, dass die Mehrzahl aller ÄND Einsätze unbemerkt und regelhaft absolviert werden. Ist bei uns, den Rettern, auch nicht anders. Die wenigen Einsätze, die nicht regelhaft laufen, die fallen letztendlich auf. Vielleicht fallen pro Woche 40-50 "Abschiebungen" auf, jedoch wurden 500 oder mehr Hausbesuche erreignislos abgearbeitet. Ich bin mir sicher, dass von den 800 Einsätzen des RD (hier) pro Tag sicher auch 10-20 auffallen, wo irgendjemand mit unser "Dienstleistung" nicht zufrieden ist (vielleicht die Notaufnahme, weil der Patient dahin "abgeschoben" wurde). Die Baustellen im System sind interdisziplinär, denke ich. Alle am System beteiligten haben ihre Suppe auszulöffeln. Sicher soll (und darf) man sich darauf nicht ausruhen. Zufriedenstellend so wie es ist ist es sicher nicht.


    P.S. als junger RettAss bei einer HiOrg habe ich auch ÄND abgefragt und disponiert. Auch habe ich ab und zu einen ÄND-Arzt im Dienst begleitet (manche schätzten die Ortskenntnis und das zweite Paar Hände).

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Aktuell ist es oft genug so, dass der ÄBD nicht kommt (was indiziert sein kann oder nicht) und im nächsten Schritt dann doch die 112 anruft. Das kann es eben nicht sein. Wir brauchen EINE Anlaufstelle für alles was akut ist, auch damit der Verlauf jederzeit nachvollziehbar ist.

    Der ÄBD kann aber nichts dafür, dass der Patient an zwei verschiedenen Stellen anruft, nur weil es ihm zu langsam geht. Und wieso sollte die Leitstelle dann dem ÄBD weisungsbefugt sein?. Das ist sie tagsüber doch auch nicht. Sie kann doch nicht den HA Dr. Müller anrufen und ihm auferlegen, dass er jetzt endlich bei Patient XY vorbeischauen soll, weil der XY jetzt schon zweimal bei der 112 angerufen hat. Das wäre aber das Pendant zur nächtlichen Versorgung.


    Wir reden nirgendwo von Direktbehandlung, das stimme ich dir weitgehend zu. Aber es ist eben ein Unterschied ob in 10h oder in 4h ein Hausarzt drauf schaut.

    Keiner behauptet, dass die Betreuung einer Sepsis beim ÄBD liegen sollte. Aber wir wissen beide, dass es einen Unterschied macht, ob der Patient mit beginnender Sepsis um 9:00 Uhr morgens einen ÄBD sieht oder um 19:00 Uhr, weil der eigene Hausarzt keine Akutbesuche mehr schaffen kann und der ÄBD erst um 18:00 Uhr anfängt.

    Die beginnende Sepsis ist aber nicht so einfach zu erkennen, schon gar nicht am Telefon. Wenn eine Temperatur von 38°C gemeldet wird, ist das erst einmal nicht dringlich. Dass der 10 Stunden später in einer fulminanten Sepsis liegt, wäre auch bei einem Besuch 2 Stunden nach Meldung nicht unbedingt zu verhindern, wenn hier weiterhin lediglich grippeartige Symptome und eine erhöhte Temperatur vorgelegen haben. Das gilt auch für viele andere Erkrankungen, die sich später als ernst erweisen.


    Sorry, das ist Whataboutism

    Nein ist es nicht. Wenn ein System weitere Aufgabe übernehmen soll z.B. i.S. eines Gemeinde-NFS, aber noch nicht einmal in der Lage ist, seine bisherigen Kernaufgaben ausreichend zu erfüllen, dann halte ich das für wenig sinnvoll. Die KVen könnten ja auch sagen, sie würden auch noch Teile des RD mit übernehmen, wenn das da nicht läuft. Würde selbstverständlich jeder darüber lachen.


    Wir reden hier nicht von einer Änderung in der Standardversorgung (Wobei mittlerweile so viele Patienten v.a. in Ostdeutschland in großen MVZ Strukturen versorgt werden weil es anders gar nicht mehr geht), wir reden von einer Änderung im ärztlichen Bereitschaftsdienst. Ohne die regulären Strukturen anzutasten.

    Das eine bedingt zumindest aber aktuell das andere, zumindest so lange die ambulante Versorgung eben bei den KV liegen. Wenn man das ändern möchte, muss man objektive Missstände in größerem Ausmaß nachweisen und nicht nur die gefühlte Lustlosigkeit des ÄBD in Untertupfingen.

  • Der ÄBD kann aber nichts dafür, dass der Patient an zwei verschiedenen Stellen anruft, nur weil es ihm zu langsam geht. Und wieso sollte die Leitstelle dann dem ÄBD weisungsbefugt sein?. Das ist sie tagsüber doch auch nicht. Sie kann doch nicht den HA Dr. Müller anrufen und ihm auferlegen, dass er jetzt endlich bei Patient XY vorbeischauen soll, weil der XY jetzt schon zweimal bei der 112 angerufen hat. Das wäre aber das Pendant zur nächtlichen Versorgung.

    Der ÄBD kann in sofern was dafür, dass er in der einen Zeit (tagsüber) gar nicht zur Verfügung steht und der Patient in der Arztpraxis im großen Umfang (wenn nicht sogar der Mehrzahl der Fälle) die Auskunft erhalten wird, dass er auf den Beginn des ÄBD ab 18:00 Uhr, etc. warten soll. Ohne das er qualifiziert abgefragt wird.

    In der anderen Zeit (nachts) schaut die Lage dahingehend besser aus, dass immerhin eine zentrale Anlaufstelle besteht. Die aber regelhaft auch nur auf "keine Ahnung, ich gebe ihnen die Handynummer vom Arzt, kann aber sein, dass sie es mehrmals probieren müssen, der Herr Dr. antwortet nicht wenn er beim Patient ist" reduziert ist.


    Die ILS soll ja eben NICHT auf die Hausarztpraxis angewiesen sein. Das ist der Punkt. Sie braucht eine Einsatzressource "ÄBD" die sie bei entsprechendem Abfrageergebnis zum Patienten schickt. Und zwar ohne wenn und aber. Du rufst am NEF doch auch nicht noch mal beim Patienten an ob nun wirklich ein Brustschmerz vorliegt...


    Wenn der Hausarzt der Meinung ist, dass er im Rahmen seiner regulären, nicht akuten Hausbesuche oder aufgrund seiner Praxisauslastung beim Patienten vorbei schauen will: Gerne! Es werden immer weniger Hausärzte die noch bereit sind das zu leisten, auch unter den Systemgrenzen die ihnen vorgegeben werden.


    Nur das Konstrukt ÄBD gehört so wie es jetzt ist eben abgelöst. Das ist diesen ganzen Thread lang meine Forderung. Nicht mehr.


    Die beginnende Sepsis ist aber nicht so einfach zu erkennen, schon gar nicht am Telefon. Wenn eine Temperatur von 38°C gemeldet wird, ist das erst einmal nicht dringlich. Dass der 10 Stunden später in einer fulminanten Sepsis liegt, wäre auch bei einem Besuch 2 Stunden nach Meldung nicht unbedingt zu verhindern, wenn hier weiterhin lediglich grippeartige Symptome und eine erhöhte Temperatur vorgelegen haben. Das gilt auch für viele andere Erkrankungen, die sich später als ernst erweisen.

    Der Punkt ist: Es war dann jemand da. Jemand der Aufklärung betreiben kann, der frühe Anzeichen erkennen kann und zu mindestens eine klinische Prognose abgeben kann. Sicherlich wird es auch dann Fälle geben die durchrutschen. Aber weniger als jetzt.

    Und alles ist besser als das derzeitige System der "MTA fragt ein wenig am Praxistelefon ab, verweist dann nach Blick auf den Kalender auf den ÄBD der in 10 h anfängt".

    Nein ist es nicht. Wenn ein System weitere Aufgabe übernehmen soll z.B. i.S. eines Gemeinde-NFS, aber noch nicht einmal in der Lage ist, seine bisherigen Kernaufgaben ausreichend zu erfüllen, dann halte ich das für wenig sinnvoll. Die KVen könnten ja auch sagen, sie würden auch noch Teile des RD mit übernehmen, wenn das da nicht läuft. Würde selbstverständlich jeder darüber lachen.

    Ich habe die Gemeindenotfallsanitäter nicht ins Spiel gebracht. Meine Forderung ist lediglich die Unterstellung des ÄBD unter die ILSen inkl. Dispositionsrecht selbiger, Einführung eines strukturierten Abfragekatalogs auch für hausärztliche Anfragen und die Verfügbarkeit des ÄBD 24/7/365.

    Das eine bedingt zumindest aber aktuell das andere, zumindest so lange die ambulante Versorgung eben bei den KV liegen. Wenn man das ändern möchte, muss man objektive Missstände in größerem Ausmaß nachweisen und nicht nur die gefühlte Lustlosigkeit des ÄBD in Untertupfingen.

    Nein, das bedingt nicht das andere. Es bedingt nur die Abschaffung des ÄBD im derzeitigen Konstrukt hin zu einer deutlich regulierteren Variante. Das gab es in Deutschland schon und man stelle sich vor, dass ambulante System ist nicht zusammen gebrochen. Unfassbar, oder?


    Und Missstände in großem Ausmaß sind schwer zu erfassen wenn die Dokumentationsqualität des derzeitigen Systems bei nahe 0 liegt und eine QS/QM Auswertung von den KVen blockiert wird.

  • Das ist grade der Punkt, warum wir den Systembruch hier vermeiden müssen. Aktuell ist es oft genug so, dass der ÄBD nicht kommt (was indiziert sein kann oder nicht) und im nächsten Schritt dann doch die 112 anruft. Das kann es eben nicht sein. Wir brauchen EINE Anlaufstelle für alles was akut ist, auch damit der Verlauf jederzeit nachvollziehbar ist.

    In Baden-Württemberg wird derzeit ja der ÄBD (nahezu) flächendeckend durch die ILS abgefragt und verständigt (wenn auch nicht verbindlich disponiert, weil es an einer Weisungsbefugnis fehlt). Das halte ich grundsätzlich für eine sehr gute Idee. Ich habe aber (in dem kleinen Ausschnitt, den ich überblicken kann) nicht den Eindruck, dass das zu einer durchgreifenden Verbesserung der Dispositionsqualität geführt hat.

  • In Baden-Württemberg wird derzeit ja der ÄBD (nahezu) flächendeckend durch die ILS abgefragt und verständigt (wenn auch nicht verbindlich disponiert, weil es an einer Weisungsbefugnis fehlt). Das halte ich grundsätzlich für eine sehr gute Idee. Ich habe aber (in dem kleinen Ausschnitt, den ich überblicken kann) nicht den Eindruck, dass das zu einer durchgreifenden Verbesserung der Dispositionsqualität geführt hat.

    In den meisten mir bekannten Bereichen in BaWü wird nur eine Vorabfrage (Adresse, RD Indikation) durch eigene, nicht als ILS Calltaker ausgebildete, Kräfte vorgenommen. Darum würde ich ja auch fordern: WENN wir das schon machen, dann bitte auch mit qualifizierter, standardisierter Abfrage - und zwar nicht im Sinne einer erweiterten RD Abfrage. Hier gibt es mittlerweile genug zuverlässige Systeme...


    Ansonsten hast du natürlich Recht, die derzeitige Lösung in BaWü bringt genau gar nichts. Sie ist eine "RD Weiche" vor dem ÄBD Doktor die RTW Indikationen filtern soll. Das Abfrageergebnis lautet am Ende ja auch "ich gebe ihnen mal die Nummer von Hr. Dr. XY" - der dann das gleiche nochmal abfragt, ggf. mit hoher Verzögerung und abweichenden Kriterien.

  • Der ÄBD kann in sofern was dafür, dass er in der einen Zeit (tagsüber) gar nicht zur Verfügung steht und der Patient in der Arztpraxis im großen Umfang (wenn nicht sogar der Mehrzahl der Fälle) die Auskunft erhalten wird, dass er auf den Beginn des ÄBD ab 18:00 Uhr, etc. warten soll. Ohne das er qualifiziert abgefragt wird.


    Die ILS soll ja eben NICHT auf die Hausarztpraxis angewiesen sein. Das ist der Punkt. Sie braucht eine Einsatzressource "ÄBD" die sie bei entsprechendem Abfrageergebnis zum Patienten schickt. Und zwar ohne wenn und aber. Du rufst am NEF doch auch nicht noch mal beim Patienten an ob nun wirklich ein Brustschmerz vorliegt...

    Das wären dann doppelte Strukturen. In einer gesellschaftlichen Diskussion wäre ich nicht bereit, mit meinen Krankenkassenbeiträgen Hausärzte/ niedergelassenen Ärzte und parallel einen Vertretungsdienst zur selben Zeit zu finanzieren. Wenn das gewollt ist, müssten die KVen das aus dem bisherigen Budget der niedergelassenen Ärzte heraus finanzieren. Ich glaube kaum, dass sich das so einfach umsetzen lässt.


    Der Punkt ist: Es war dann jemand da. Jemand der Aufklärung betreiben kann, der frühe Anzeichen erkennen kann und zu mindestens eine klinische Prognose abgeben kann. Sicherlich wird es auch dann Fälle geben die durchrutschen. Aber weniger als jetzt.

    Und alles ist besser als das derzeitige System der "MTA fragt ein wenig am Praxistelefon ab, verweist dann nach Blick auf den Kalender auf den ÄBD der in 10 h anfängt".

    Sorry, aber das ist quatsch. Wenn wegen Fieber oder anderer harmloser Symptome jedes Mal ein Arzt zeitnah vorbei schauen muss, ist unser jetziges System egal in welcher Form sehr schnell am Ende. Dann muss jeder Husten, jeder Schnitt in den Finger usw. direkt in irgendeiner Form von medizinischem Personal gesichtet und Entwarnung gegeben werden.


    Ich habe die Gemeindenotfallsanitäter nicht ins Spiel gebracht. Meine Forderung ist lediglich die Unterstellung des ÄBD unter die ILSen inkl. Dispositionsrecht selbiger, Einführung eines strukturierten Abfragekatalogs auch für hausärztliche Anfragen und die Verfügbarkeit des ÄBD 24/7/365.

    Das hattest du schon erwähnt, macht es aber nicht richtiger. Es gibt doch überhaupt keine Pflicht für einen ÄBD. Theoretisch könnte jede Praxis 24 Stunden erreichbar sein oder sich mit einer anderen Praxis gegenseitig vertreten. Eine strukturierte Abfrage ist sicherlich sinnvoll, ich wüsste jetzt aber nicht, dass man das einer Praxis gesetzlich auferlegen kann. Wobei man sagen muss, dass viele Praxen inzwischen im Rahmen von QM-Maßnahmen das durchaus schon so praktizieren. Und wenn ich mir die Dispositionen der hiesigen Leitstelle anschaue, denke ich nicht, dass es zu so viel weniger "Über-Triagierungen" kommen würde (also RTW/ NAW statt nur HA).


    Es bedingt nur die Abschaffung des ÄBD im derzeitigen Konstrukt hin zu einer deutlich regulierteren Variante. Das gab es in Deutschland schon und man stelle sich vor, dass ambulante System ist nicht zusammen gebrochen. Unfassbar, oder?

    Wenn die KVen kapitulieren und da mitziehen, ist das ja auch kein Problem.

  • In Baden-Württemberg wird derzeit ja der ÄBD (nahezu) flächendeckend durch die ILS abgefragt und verständigt (wenn auch nicht verbindlich disponiert, weil es an einer Weisungsbefugnis fehlt). Das halte ich grundsätzlich für eine sehr gute Idee. Ich habe aber (in dem kleinen Ausschnitt, den ich überblicken kann) nicht den Eindruck, dass das zu einer durchgreifenden Verbesserung der Dispositionsqualität geführt hat.


    Nur seit die Abfrage über die Leitstellen durchgeführt wird, ist die Zahl der Einsätze für den Rettungsdienst zum Abklären überproportional gestiegen. 90% dieser Einsätze endet damit, dass der ÄBD doch noch Anfahren muss.

    In den komplett ländlichen Gebieten wird der Rettungsdienst dem ÄBD sogar vorgezogen.

  • Moin nochmal!


    Ich glaube weiterhin, es liegt hier ein sehr vermischtes Problem vor.


    Im eigentlichen Artikel geht es meiner Meinung nach darum, dass die Leitstelle als medizinisches Assistenzpersonal mit einer EDV Hilfe eine bindende ärztliche Diagnose und Verordnung außer Kraft gesetzt hat, was nicht in ihrer Kompetenz liegt (liegen kann). Juristisch irrelevant wurde es vermutlich an dem Punkt, an dem die Patientin die Hilfe auch abgelehnt hat. Diese Interpretation passt ja auch gut zu den Äußerungen des Richters.


    Zur erweiterten Systemkritik am ÄBD ist es schwieriger zu antworten. Ich sehe hier wie gesagt ein Problem, dass ein Patientenkollektiv im Anspruchdenkensbereich entstanden ist, das tatsächlich in niemandes Zuständigkeit wirklich fällt und durch die gegenwärtige Rechtslage am ehesten am Rettungsdienst hängen bleibt, weil dieser die größte Hürde zur Verweigerung gegen den Patientenwillen hat. Das macht aber im Umkehrschluss nicht automatisch jemand anderen zuständig.


    Ein großes Problem ist wiederum auch, dass von Seiten des Rettungsdienstes der ÄBD gern als Teil der notfallmedizinischen Versorgung gesehen wird. Und obgleich es natürlich Berührungspunkte gibt, ist das doch falsch. Der ÄBD ist für die ambulante Versorgung zuständig und begleitet natürlich im Rahmen dessen auftauchende Notfälle mit. Deswegen ist die Disposition über die Leitstellen auch lediglich als Vorauswahl was eigentlich eine rettungsdienstliche Aufgabe wäre denkbar, zumindest ohne erheblichen zusätzliche Ausbildung für den Bereich, der tatsächlich die Aufgabe des ÄBD ist. Es hat durchaus Gründe, weswegen der Arzt dies in der Regel selbst abfragt.


    Und auch der Wunsch nach Standardisierung zum Gewinn von Rechtssicherheiten sollte nicht allzu leichtfertig auf andere Teile übertragen werden. Wer die freie Ausübung der Heilkunde angreift bedroht letztlich die Möglichkeit einer guten, personalisierten Individualmedizin, von der die meisten Patienten profitieren. Natürlich sollte diese, soweit sich der einzelne Patient darin abbilden lässt, Leitlinien orientiert stattfinden. Aber dies geschieht in aller Regel ja auch - in ärztlichem Ermessen. Und gerade im Bereich der Leitstellen hat die Standardisierung ja nicht unbedingt zur tatsächlichen Verbesserung der korrekten Disposition geführt, wenn man Üverdisposition als Fehler wertet, soweit ich weiß. (Oder gibt es dazu neuere, bessere Daten inzwischen?)


    Und das nächste Problem sind Bereiche, die tatsächlich unterversorgt sind. Wenn in Bereichen die Kassensitze in dem Umfang nicht besetzt sind, dass die Aufgaben nicht mehr erfüllt werden, was ich bei dem gegenwärtigen Ärztemangel durchaus für denkbar halte, wird sich aber nicht dadurch beheben lassen, dass ich zusätzliches Personal, das es nicht gibt auf Posten, die letztlich noch wesentlich mehr Personal benötigen als im bisherigen Ansatz (und das nur bedingt sinnvoll) fordere. Die sinnvolle Forderung wäre eine Abhilfe beim ursprünglichen Mangel zu schaffen.


    Aber ich glaube auch weiterhin an ein perspektivisches Problem. Dass man nicht glaubt, dass es Hausbesuche gibt, heißt mitnichten, dass es sie nicht gäbe. Über die Notwendigkeit eines Hausbesuches entscheidet am Ende nicht der Patient, sondern die tatsächliche Indikation, einer der wesentlichen Unterschiede zum Rettungsdienst, und sicherlich werden viel mehr Hausbesuche gefordert, als geleistet werden. Allerdings häufig auch, weil der Patient sehr wohl zumutbar einfach in die Praxis gehen kann und vielleicht sogar zumutbar auf den nächsten regulären Termin warten kann. Dass aus der Berechtigung der einen Gruppe, die festzustellen ein Missbrauch der anderen, die dies schwieriger kann, entsteht, macht es nicht zu einem realen großen Mangel.


    Ich stelle nicht in Abrede, dass es einen Mangel gäbe, ich stelle nicht in Abrede, dass beiseits Zuständigkeiten hin- und hergeschoben werden und ich stelle auf keinen Fall in Abrede, dass Fehlentscheidungen getroffen werden. Ich möchte nur aufzeigen, dass das reale Problem meiner Meinung nach viel komplexer ist und von der hier vorgeschlagenen Lösung so gar nicht abgebildet wird.


    Ich sehe eine Lösung eher darin, dass man eine (politische) Möglichkeit schafft, dass auch im Rettungsdienst festgestellt werden kann, dass etwas kein Notfall ist und der Patient jetzt keine Akutbehandlung sofort benötigt, sondern eben zum Hausarzt soll, sobald dieser eigen regulären Termin für ihn hat. Solange der Rettungsdienst diese Möglichkeit als einziger Systemteil nicht hat, solange wird er immer auf dem Problem sitzenbleiben. Die restlichen Fälle sind meiner Erfahrung nach nicht die relevante Masse.


    Gute Nacht!

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Sie ist eine "RD Weiche" vor dem ÄBD Doktor die RTW Indikationen filtern soll. Das Abfrageergebnis lautet am Ende ja auch "ich gebe ihnen mal die Nummer von Hr. Dr. XY" - der dann das gleiche nochmal abfragt, ggf. mit hoher Verzögerung und abweichenden Kriterien.

    So kenne ich das nicht; die Abfrage erfolgt abschließend durch die ILS, nicht durch den Arzt, und die Weitergabe von Anrufen/Einsätzen erfolgt in beide Richtungen, d.h. sowohl vom ÄBD an den Rettungsdienst als auch umgekehrt.

    Nur seit die Abfrage über die Leitstellen durchgeführt wird, ist die Zahl der Einsätze für den Rettungsdienst zum Abklären überproportional gestiegen. 90% dieser Einsätze endet damit, dass der ÄBD doch noch Anfahren muss.

    In den komplett ländlichen Gebieten wird der Rettungsdienst dem ÄBD sogar vorgezogen.

    Was dafür spricht, dass die Dispositionsqualität nicht besser ist als wenn der ÄBD außerhalb der ILS organisiert wird. Obwohl sie es sein könnte.

  • Ja. Leider, leider.

    Ich habe in der Vergangenheit beide Zustände erlebt, und meiner Ansicht nach hatte die "Disposition" durch die ILS keinerlei Vorteile. Im Gegenteil, ich fand es sogar etwas chaotischer als vorher.

    You know as well as I do decisions made in real time are never perfect. Don't second-guess an operation from an armchair. [Noah Vosen]

    Oldschool EMS. The Gold Standard of Ass Kickin'!

  • Wie verbreitet sind denn bei euch so die nichtärztlichen Praxisassistentinnen?

    Ich kenne einen Hausarzt persönlich, der eine hat. Er ist mit dem System sehr zufrieden, und nur so ist es ihm möglich, Hausbesuche überhaupt noch regelhaft anzubieten. Sie macht die ganzen Routinetätigkeiten, und er fährt nur noch zu unklaren oder sehr komplexen Sachen.


    Und kennt einer von euch die Pilotprojekte mit Gemeinde-NFS? Bewährt sich das in der Praxis?

  • Wie verbreitet sind denn bei euch so die nichtärztlichen Praxisassistentinnen?

    Ich kenne einen Hausarzt persönlich, der eine hat. Er ist mit dem System sehr zufrieden, und nur so ist es ihm möglich, Hausbesuche überhaupt noch regelhaft anzubieten. Sie macht die ganzen Routinetätigkeiten, und er fährt nur noch zu unklaren oder sehr komplexen Sachen.

    Ich kenne eine. Sie hat eine Zusatzausbildung dafür gemacht (einige Wochen berufsbegleitend). Wie die Ärzte das finden weiß ich jedoch nicht.


    Und kennt einer von euch die Pilotprojekte mit Gemeinde-NFS? Bewährt sich das in der Praxis?

    Ich meine das hier im Forum auch schon erste Berichte über das G-NotSan Projekt im Bereich der GOL (Leitstelle Oldenburg) gepostet wurden. Musste mal schauen...

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Im eigentlichen Artikel geht es meiner Meinung nach darum, dass die Leitstelle als medizinisches Assistenzpersonal mit einer EDV Hilfe eine bindende ärztliche Diagnose und Verordnung außer Kraft gesetzt hat, was nicht in ihrer Kompetenz liegt (liegen kann).

    Ist das so? Die Leitstelle hat üblicherweise die Aufgabe, Notrufe entgegenzunehmen und die Einsätze des Rettungsdienstes zu lenken bzw. zu leiten. Ich sehe da nicht viel Raum für eine ärztliche Weisungsbefugnis und bin vielmehr der Auffassun, dass es der Leitstelle obliegt, wann sie welches Rettungsmittel mit welcher Dringlichkeit disponiert. Dabei wird sich freilich ihr Entscheidungsspielraum regelmäßig auf Null reduzieren, wenn Fachpersonal vor Ort mit Kenntnis der Situation und des Patientenzustands ein bestimmtes Rettungsmittel anfordert, insbesondere dann, wenn es sich um die Anforderung eines Arztes handelt - andererseits weiß vermutlich auch jeder Praktiker, dass es auch ärztlicherseits ab und an immer noch eine bemerkenswerte Unkenntnis der unterschiedlichen Rettungsmittel und ihrer Möglichkeiten und Grenzen gibt.


    Ungeachtet dessen ist der Hinweis an den Pateinten: "Rufen Sie die 112 an und verlangen Sie Rettungswagen und Notarzt!" sicherlich keine Verordnung; zu diesem Behufe hätte der Arzt vielmehr selbst tätig werden müssen. Und eine "bindende ärztliche Diagnose" auf Basis eines Telefongespräches mit dem Patienten zu stellen hat so seine ganz eigenen - nicht nur berufsrechtlichen - Hürden.

    Zur erweiterten Systemkritik am ÄBD ist es schwieriger zu antworten. Ich sehe hier wie gesagt ein Problem, dass ein Patientenkollektiv im Anspruchdenkensbereich entstanden ist, das tatsächlich in niemandes Zuständigkeit wirklich fällt und durch die gegenwärtige Rechtslage am ehesten am Rettungsdienst hängen bleibt, weil dieser die größte Hürde zur Verweigerung gegen den Patientenwillen hat. Das macht aber im Umkehrschluss nicht automatisch jemand anderen zuständig.

    Der Rettungsdienst ist für medizinische Notfälle zuständig. Was kein medizinischer Notfall ist, ist - im medizinischen Bereich - Teil der vertragsärztlichen Zuständigkeit, nur im medizinischen Akutfall auch außerhalb der Sprechstundenzeiten (sei es durch den Hausarzt selbst, seinen Vertreter oder den vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst in welcher Form auch immer). Da gibt es dann auch genügend Raum, bindende ärztliche Diagnosen und Verordnungen zu treffen. :S Diesen originären Verantwortungsbereich muss man dann allerdings auch wahrnehmen, und zwar so, dass das funktioniert, nicht notwendig persönlich, aber organisiert durch die kassenärztlichen Vereinigungen.

    Ich sehe eine Lösung eher darin, dass man eine (politische) Möglichkeit schafft, dass auch im Rettungsdienst festgestellt werden kann, dass etwas kein Notfall ist und der Patient jetzt keine Akutbehandlung sofort benötigt, sondern eben zum Hausarzt soll, sobald dieser eigen regulären Termin für ihn hat.

    Die Möglichkeit gibt es ja; sie bringt nur Haftungsrisiken mit sich. Der Wunsch, diese Haftungsrisiken nicht selbst zu tragen, sondern der Ärzteschaft zu übertragen, die diese Kompetenzen ansonsten - zumeist durchaus mit Recht - für sich einfordert, ist m.E. aber auch nachvollziehbar. Es ist nicht verständlich, warum der Patient einen Hausbesuch verlangen können sollte, den der Arzt (berechtigt) ablehnt, worauf nunmehr der Rettungsdienst verständigt wird, der dann im Zweifel herausfährt, wo dann medizinisches Assistenzpersonal die Entscheidung tragen muss, ob der Patient einer weiteren ärztlichen Abklärung bedarf.


    Unter anderem das ist übrigens m.E. ein wichtiges Argument dafür, den ÄBD zusammen mit dem RD zu disponieren: dann weiß man nämlich, wer gerade eben noch auf der anderen Nummer angerufen hat, was er dort geschildert hat und was man ihm dort gesagt hat.


    Insgesamt ist das - die Unfähigkeit, die Dringlichkeit einer eigenen Erkrankung oder Verletzung korrekt einzuschätzen, sich selbst zu helfen und das Verlangen, zu jeder Tages- und Nachtzeit unverzüglich möglichst ohne eigenen Aufwand eine umfassende Abklärung herbeizuführen, egal durch wen, egal mit welchem Aufwand - aber ein Problem, das sich m.E. letztlich nur durch (auch monetäre) Steuerungsmechanismen lösen lässt. Solange Patienten letztlich kosten- und konsequenzlos den Einsatz des Rettungsdienstes oder eine Untersuchung und Versorgung in der NotAUFNAHME einer Klinik erzwingen können, lassen sich Überlastungen gerade auch hochwertiger Ressourcen nicht vermeiden. Möchte man solche Steuerungseffekte vermeiden, weil damit vielleicht auch tatsächliche Not- und Akutfälle übersehen werden, wird man entweder - wie derzeit - enorme Summen fehlinvestieren müssen, indem man die Rettungsmittelvorhaltung massiv aufstockt, damit für die Notfallrettung ausgebildete Notfallsanitäter in erheblichem Umfang hausärztliche Sichtung betreiben, und die NotAUFNAHMEN zu einer Parallelstruktur der hausärztlichen Versorgung aufbaut, oder man fängt das (ebenfalls mit erheblichem finanziellen Aufwand) durch dauerhaft besetzte Notfall- und Portalpraxen und einen Hausbesuchs-/Sichtungsdienst auf, der dann aber sinnvollerweise ärztlich durchgeführt wird; es macht wenig Sinn, diese entscheidenden Weichstellungen dann Assistenzpersonal zu überlassen. Oder, natürlich, man gibt die Sektorentrennung zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich auf, weil sie ohnehin nicht mehr funktioniert und die Patienten primär nicht zum Hausarzt, sondern in die Notaufnahme rennen und der Hausarzt vielerorts weder die Zeit noch den monetären Anreiz hat, Hausbesuche zu machen, die dann der Rettungsdienst erledigt.


    Dabei kann man sich m.E. durchaus auf den Standpunkt stellen, dass die Vertragsärzteschaft - möchte sie das bisherige System erhalten - dann auch in der Pflicht steht, die Versorgung ambulanter Patienten (also derjenigen, die keiner stationären Behandlung bedürfen) einschließlich der Hausbesuche bei Nicht-Notfallpatienten sicherzustellen, ohne Kliniken und Rettungsdienst damit zu belasten.

  • Dabei kann man sich m.E. durchaus auf den Standpunkt stellen, dass die Vertragsärzteschaft - möchte sie das bisherige System erhalten - dann auch in der Pflicht steht, die Versorgung ambulanter Patienten (also derjenigen, die keiner stationären Behandlung bedürfen) einschließlich der Hausbesuche bei Nicht-Notfallpatienten sicherzustellen, ohne Kliniken und Rettungsdienst damit zu belasten.

    Würde bedeuten, nur weil manche Patienten das bisherige System ausnutzen und eine zweite Rufnummer zur Verfügung haben, dieses umzustellen? Wenn es nur noch eine Nummer für medizinische Notfälle geben würde, diese einen Einsatz ablehnt, der Patient daraufhin bei der 110 anruft, dass dann irgendwann die Polizei auch den Rettungsdienst und den ÄBD übernimmt?

  • Würde bedeuten, nur weil manche Patienten das bisherige System ausnutzen und eine zweite Rufnummer zur Verfügung haben, dieses umzustellen? Wenn es nur noch eine Nummer für medizinische Notfälle geben würde, diese einen Einsatz ablehnt, der Patient daraufhin bei der 110 anruft, dass dann irgendwann die Polizei auch den Rettungsdienst und den ÄBD übernimmt?

    Die Polizei gibt medizinische Notfälle oder Hilfeersuchen regelmäßig - entweder durch Weiterverbindung oder per "stille Post" - an die für den Rettungsdienst zuständige Leitstelle weiter.