Dortmund - Bleibt der Krankenwagen bald leer? - Rettungsdienst kämpft mit Personalnot

  • Weil die Ausbildung für den Nachwuchs auf dem Blaulichtwagen reformiert wurde, kann es im Rettungsdienst personell eng werden. Bei der Dienstplanung hilft dann nur noch das Helfersyndrom.


    Holger Kurek sitzt mal wieder in der Dienstplanhölle und starrt auf die Reihen mit den bunten Kästchen auf seinem Computer-Bildschirm. Der Leiter der Rettungswache 13 der Malteser in Brackel muss immer wieder eine Art Power-Sudoku lösen und 62 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, darunter auch Teilzeitkräfte, in vielen unterschiedlichen Schichtdiensten auf drei Rettungswagen und ein Notarzteinsatzfahrzeug verteilen.


    Quelle: https://www.ruhrnachrichten.de…ot-w1772123-p-2000577422/

  • Eine spannende Herangehensweise an ein strukturelles Problem, was seit vielen Jahren schon absehbar war. Aber ja, kann man natürlich auch so argumentieren.

    Moin, strategische Personalplanung ist ja leider auch für weit über 90% der Rettungsdienste in Deutschland ein Fremdwort. Wie kann man Träger zu einer solchen Planung motivieren? Relativ leicht: Notwendige Fahrzeugvorhalteerweiterungen können nur dann umgesetzt werden, wenn die dafür notwendigen Fachkräfte auch (selbst) ausgebildet wurden. Stichwort VERÄNDERUNGSSPERRE. Eine Bedienung der Träger ”am Markt” kann die Personalprobleme nicht lösen, da es diesen Fachkräftemarkt in der Realität einfach nicht gibt. Kommt es zu mehr zu besetzenden Fahrzeugen, verschärft sich die Personallage bei anderen Rettungsdiensten ganz von selbst. Ist eigentlich kein Hexenwerk....

  • Eine spannende Herangehensweise an ein strukturelles Problem, was seit vielen Jahren schon absehbar war. Aber ja, kann man natürlich auch so argumentieren.

    Naja, das NotSanG gibt es erst seit 2013, es ist in Kraft seit 2014, und die Ausbildung dauert drei Jahre. Woher soll da jetzt schon Personal kommen?

  • Naja, das NotSanG gibt es erst seit 2013, es ist in Kraft seit 2014, und die Ausbildung dauert drei Jahre. Woher soll da jetzt schon Personal kommen?

    Das stimmt wohl. Allerdings ist der Personalmangel nicht erst seit dem NotSanG entstanden. Das Problem köchelt schon deutlich länger...Nach meinem Eindruck wird die NotSanG Problematik auch gerne als Ausrede verwendet. Solange in Deutschland NotSan als Fahrzeugführer eines NEF für erforderlich gehalten werden, scheint es ja auch nicht wirklich eine Mangelsituation zu geben. Musste aber in einigen Gegenden unbedingt sein, da das dann insbesondere bei den Berufsfeuerwehren positiv für die Zulagen wirkte...

  • Damit meinst du die Azubis, wo nicht direkt zu Beginn und mit Höchstleistung ausgebildet wurde, aber das ist nur ein kleiner Teil. Wo sind denn die RS, die mir nach 4 Monaten zur Verfügung stehen, warum gibt es Betriebe, wo noch 50% der RettAss keine Anstalten machen, sich weiterbilden zu lassen bzw. (wir reden hier von NRW) mal fix die Ergänzungsprüfung machen. Ganz davon abgesehen, können die ja sogar noch als RettAss bis zur Rente auf dem Auto sitzen?


    Wie stelle ich denn meinen Betrieb auf, damit ein paar FSJler die so schmerzlich vermissten Zivis auf den KTW ersetzen können, denen es dann so gut gefällt, dass sie danach noch weiter im Betrieb bleiben und sich weiterqualifizieren? Wo habe ich denn die Langzeitplanung, dass in X Jahren Y Fahrzeuge besetzt werden müssen, dabei aber auch Z Stellen neu oder umbesetzt werden? Und das sind doch nur kleine Teile, da reden wir noch nicht über Mitarbeiter:innenbindung, vernünftige Wiedereingliederung und zumindest eine Art des Gefühls der Zufriedenheit.

    Einfacher ist es aber, sich zu beklagen, dass morgen keine Leute mehr im Dienstplan frei sind, sicher.

  • Damit meinst du die Azubis, wo nicht direkt zu Beginn und mit Höchstleistung ausgebildet wurde, aber das ist nur ein kleiner Teil.

    Ich meine u. a. die Rettungsdienste, die ihre Ausbildungsquote seit Jahren konstant zwischen 4-6 Personen halten, die eigene Vorhaltung aber stetig erweitern.


    Exemplarisch: https://session.neumuenster.de…i/vo0050.php?__kvonr=7559

  • Nun hat es auch Dortmund erwischt, wobei man auch hier nicht der letzte sein wird dem es so geht und das auch noch nicht die Spritze der Eskalation sein dürfte. So lange es keinen ernsthafte Veränderungen im ganzen System gibt (Arbeitsbedingungen; Ausbildung; weiche Faktoren; wenige "unnötige" Einsätze,..) wird das ganze auch nicht zu stoppen sein. Es gibt zwar entsprechende Gedanken dazu, die gibt es aber schon lange und das einzige was sich bewegt ist die Vorhaltung.

    Solange in Deutschland NotSan als Fahrzeugführer eines NEF für erforderlich gehalten werden, scheint es ja auch nicht wirklich eine Mangelsituation zu geben.

    Das passt für mich irgendwie nicht. Auf der einen Seite reden wir davon, dass das NEF nur noch zu Einsätzen soll bei den es echte Spezialisten braucht und wir reden davon, dass die Ausbildung zum RettSan nicht zeitgemäß ist und auf der anderen Seite sollen dann RettSan das NEF besetzen? Das ist ja quasi auch nur ein Produkt des letzten verzweifelten Versuchs dem Personalmangel her zu werden und hat mit Professionalisierung und Qualitätsicherung nur wenig zu tun.

    Ich meine u. a. die Rettungsdienste, die ihre Ausbildungsquote seit Jahren konstant zwischen 4-6 Personen halten,

    Naja, tlw. bekommt man aus verschiedensten Gründen auch einfach nicht mehr genehmigt bzw. gestemmt. Die Anzahl der Azubis ist übrigens ein relativ geringes Problem und einfach mehr Azubis einzustellen wie die Nummer mit dem RettSan auf dem NEF nur eine Verzweiflungstat. Tatsächlich bringt es uns doch auch recht wenig, wenn wir einfach immer mehr Leute ausbilden. Einfach mehr Leute ausbilden ist solange eine pure Verzweiflungstat, solange wir es nicht hinbekommen die Vorhaltung (ink. Gemeindenotfallsanitäter) einzudämmen und die Leute im Rettungsdient (!) zu halten. Erst wenn wir das schaffen können wir es hinbekommen den Fachkräftemangel einzudämmen, dafür braucht es aber sowohl auf lokaler Ebene, wie auch politisch den Willen zur Veränderung.

  • Das passt für mich irgendwie nicht. Auf der einen Seite reden wir davon, dass das NEF nur noch zu Einsätzen soll bei den es echte Spezialisten braucht und wir reden davon, dass die Ausbildung zum RettSan nicht zeitgemäß ist und auf der anderen Seite sollen dann RettSan das NEF besetzen?

    Man kann mit wenigen Blicken im NotSanG herausfinden, wofür der NotSan ausgebildet wird. Diese Fachkraft nun ausgerechnet als Begleitung für einen Notarzt einzusetzen, ist in meinen Augen schlichtweg eine Verschwendung. Da es ja in Deutschland auch eher traditionelle Gründe für die Fahrerfunktion NEF gibt, kenne ich keine überzeugenden Argumente für NotSan auf dem NEF. Der RS soll dem Notarzt fahren und qualifiziert assistieren. So, wie es viele gute RS auf dem RTW mit einem NotSan auch tagtäglich hinbekommen. Es gibt ausreichend eindeutige Einsatzsteigerungen, die nichts mit dem Umstand der NACA Score 0 - II zu tun haben. Der Rettungsdienst hat sich den Gegebenheiten anzupassen, nicht die Gegebenheiten dem Rettungsdienst. Auch die Verweildauer von Menschen in ihren Berufen ist kein Alleinstellungsmerkmal des Rettungsdienstes. Die Generation Z tickt da eben anders (ganz ohne Wertung). Dieses Phänomen ist aber in sehr vielen Berufen in gleicher Intensität zu beobachten.

  • Ich meine u. a. die Rettungsdienste, die ihre Ausbildungsquote seit Jahren konstant zwischen 4-6 Personen halten, die eigene Vorhaltung aber stetig erweitern.


    Exemplarisch: https://session.neumuenster.de…i/vo0050.php?__kvonr=7559

    Dann frag mal die Finanzierer(Krankenkassen), was sie davon halten. Ich kenne Bereiche, wo man es mehrfach versucht hat, es aber am Veto der Krankenkassen gescheitert ist.

    Mal ganz unabhängig davon, dass das Thema Ausbildung und Ausschreibung natürlich auch super ist. Ausbildungsbetrieb wechseln sorgt für große Begeisterung bei den Azubis.

    Auch wenn es nicht zwangsläufig besser laufen würde bin ich für eine konsequente Rekommunalisierung des RD mit Verzahnung zum Bereich Katastrophen- / Bevölkerungsschutz, so dass auch die Hilfsorganisationen Personal ausbilden und qualifizieren können.

  • Wir reden in verschiedenen anderen Threads davon, dass der RettSan eher weniger "kleine Notfälle" alleine Versorgen kann, die Ausbildung für den Einsatz auf dem RTW auch nicht mehr zeitgemäß ist und dann soll er dem Notarzt auf dem NEF adäquat assistieren können? Vor allem soll er das können, wenn man sich überlegt, dass der Trend eher weg geht vom langjährigen erfahrenen und oder gut ausgebildeten RettSan?
    Bei einem NEF-Fahrer erwarte ich mir, dass er mehr kann, wie nur Auto fahren und das Klemmbrett bzw. das Material den Anderen hinterher zu tragen. Gerade wenn es um hoch kritische Einsatzsituationen geht sollte der NEF-Fahrer entsprechend fit sein um der RTW-Besatzung und vor allem auch dem Notarzt assistieren zu können, dazu gehört dann auch mal die Assistenz bei der Anlage eines chirurgischen Atemweg; einer Thoraxdrainage oder auch der Umgang mit verschiedenen den Kreislauf stützenden Medikamenten. Aus meiner Sicht kann man das einem RettSan auch bei bringen, dafür braucht es aber quasi eine extra Ausbildung. Beim NotSan sollte entsprechendes Wissen durch die Ausbildung vorhanden sein, so dass es ggf. nur noch eine Einweisung und vor allem halt Training braucht für das auf dem NEF vorgehaltene Material.

    Wir haben doch aktuell aktuell nicht nur das Problem die Generation Z im Beruf zu halten, sondern auch die nachfolgenden Generationen und die setzen noch viel mehr auf Work-Life-Balance, Geld ist nicht alles und allgemein gute Arbeitsbedingungen. Der Kampfeswillen der Arbeitgeber ist für mich da aber noch immer nur bedingt erkennbar, was eben den Fachkräftemangel anheizt.
    Und ja der Rettungsdienst muss sich den Gegebenheiten anpassen, das kann und darf aber nicht heißen immer mehr Aufgaben zu übernehmen und einfach immer mehr Fahrzeuge aus dem Boden zu stampfen. Gerade beim aktuell vorherrschenden Fachkräftemangel ist es wichtig auch mal "Nein!" zu sagen und Aufgaben die dem Rettungsdienst nicht angehören entsprechen abzulehnen, dazu kann zählen, dass der Rettungsdienst nicht den Ersatz für den ÄBD bzw. Hausarzt stellt, dazu kann aber auch zählen, dass der Rettungsdienst nicht den Erstaz fürs Taxi spielt. Um nur mal zwei Beispiele zu nennen. Mal ganz davon ab bildet der Rettungsdienst aktuell auch einiges an Personal für Dritte aus, ganz vorne sind hier einige Kliniken zu nennen die gerne NotSan einstellen um ihrem Fachkräftemangel und Kostendruck zu begegnen.

  • Wir haben doch aktuell aktuell nicht nur das Problem die Generation Z im Beruf zu halten, sondern auch die nachfolgenden Generationen

    Wen Du schon einschätzen kannst, wie die ”next Generation” (Alpha) denn so tickt, schicke mir bitte umgehend eine Mail. Wie ich schon geschrieben habe, führt die berechtigte und dringend notwendige Verhinderung der von Dir genannten Einsätze NICHT zu einer signifikanten Entlastung. Solange noch immer 50% der Herzinfarkt in Deutschland ohne den Rettungsdienst eine Klinik erreichen, fahren wir sehr wahrscheinlich oftmals nur die falschen Patienten. In Summe fahren wir aber nicht weniger. Bedarfsgerechte Vorhaltung hat sich nun eben am Bedarf auszurichten.

  • Komplett sagen wie die Ticken kann ich nicht, da ich dafür erstens nicht die passende Ausbildung habe und zweiten zu wenige kenne. Von dem was ich beobachten kann, kann ich aber sagen, dass die jungen Leute die mich umgeben definitiv nicht für die Arbeit leben wollen. Aus meiner Beobachtung heraus kann ich berichten, dass viele darauf setzen im Leben weiter zu kommen, gelerntes auch tatsächlich umsetzen zu wollen und eine gute Work-Life-Balance bzw. Vereinbarung von Beruf und Familie zu haben.

    Und ja, das 50% derer die ein Herzinfarkt haben nicht mit dem RTW in die Klinik kommen ist erschreckend. Betrachtet man sich die Vielfältigkeit der Symptome wundert es mich aber wenig, im Bezug auf den Rettunsgdienst wäre es daher spannend zu erfahren ob die Leute selbst ins Krankenhaus sind weil a) Symptome vorlagen die durch den Laien nicht mit einem Infarkt in Verbindung gebracht wurden? b) die Hemmschwelle den Rettungsdienst zu rufen zu hoch war? c) Das Krankenhaus quasi um die Ecke war? oder gar d) Der Rettungsdienst eingeschätzt oder relativ nicht schnell genug da war?. Aber sich mit dem Thema zu beschäftigen macht hier eine weitere Baustelle auf und die gehört hier nicht hin, hier geht es um den Fachkräftemangel. Mal wider. Dementsprechend sollte man sich eher Gedanken machen wie man Fachkräfte im Beruf hält und wie man den Bedarf nicht "unnötig" noch größer macht bzw. verschiebt.

  • Aus meiner Beobachtung heraus kann ich berichten, dass viele darauf setzen im Leben weiter zu kommen, gelerntes auch tatsächlich umsetzen zu wollen und eine gute Work-Life-Balance bzw. Vereinbarung von Beruf und Familie zu haben.

    Ich sehe darin nichts, was die Generation Z definiert. Das kennzeichnet (ausser das es den Begriff „Work-Life-Balance“ noch nicht gab) auch vorige Generationen.

  • Ich sehe darin nichts, was die Generation Z definiert. Das kennzeichnet (ausser das es den Begriff „Work-Life-Balance“ noch nicht gab) auch vorige Generationen.

    Den gleichen Gedanken hatte ich auch. Ich bin ein Generation X Kind und will das auch!

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Wenn das NEF tatsächlich nur zu "richtigen" Notfällen ausrücken soll, dann ist der RS dort absolut deplatziert. Ich möchte in der Tat nicht bei einem Patienten stehen und dem RS erklären müssen, wie man einen Drei-Wege-Hahn richtig einstellt oder helfen Medikamente zu finden, die sich jenseits von Salbutamol, Atrovent, ASS und Heparin bewegen. Und, wie oben schon erwähnt, bei der Assistenz von invasiveren Maßnahmen ganz zu schweigen.


    Die Diskussion gibt es ja schon länger. Dabei habe ich übrigens noch nie vernommen, dass jemand ernsthaft forderte, dass RS auch auf den Hubschraubern als HEMS ausreichend wären.

  • Ich möchte in der Tat nicht bei einem Patienten stehen und dem RS erklären müssen, wie man einen Drei-Wege-Hahn richtig einstellt oder helfen Medikamente zu finden

    Warum nur kommen RS auf dem RTW mit solchen Sachen nur klar? Und wie funktioniert das in den Bundesländern, die RS als Fahrzeugführer NEF gesetzlich geregelt haben???