Rettungswagen nicht losgeschickt - Dreijähriger Junge gestorben

  • https://www.spiegel.de/panoram…e3-4bb0-af0f-361f22e7b3a3


    Zitat

    Ein Notruf geht ein, einem Jungen gehe es sehr schlecht. Die Leitstelle entscheidet, offenbar in Absprache mit den Anrufenden, keinen Wagen zu schicken. Stunden später ist das Kind tot.

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Blöd gelaufen. Rein aus der Schilderung heraus hat der Kollege ja alles erfragt, Möglichkeiten aufgezeigt und auch auf einen erneuten Notruf (welcher dann ja kam) bei Verschlechterung hingewiesen.
    so weit so normal.

    Wenn ich aktuell zu jeder Familie welche wegen Fieber bei ihrem Kind anruft einen RTW schicken würde könnten wir direkt zu machen. Ohne die anderen Einsätze dazuzunehmen.


    Es ist beschissen, für die Familie sowie auch den Kollegen.

  • Ist das die selbe Leitstelle wie bei dem "Nerf-Gun-Attentat"?


    Ansonsten, rein anekdotisch:

    Unser Kleiner litt als Kind unter stärksten Pseudokrupp-Attacken, deutlich früher als normal, deutlich ausgeprägter, vermutlich im nachhinein mit einem unerkannten Anstrengungsasthma kombiniert.

    Soweit kein Problem, Mama (damals noch, heute jeweils NotSan)RettAss+Anästhesie, Papa RettAss+Anästhesie+Baby-ITW. Man kennt sich aus.


    In einem Fall war es aber eben mit den zuhause zu Verfügung stehenden (umfangreichen) Mitteln nicht mehr getan, das Kind atmete sich kaputt, die Sättigung blieb dauerhaft im Bereich 87%, die Situation wurde kritisch.

    Also Notruf an die örtliche (ostdeutsche) integrierte Leitstelle.

    Nunja. Was soll ich sagen:

    Die Antwort war:

    "Na sie wohnen ja nur 10min vom Städtischen entfernt, dat is ja wohl nich zu viel verlangt, dass se das Balg einpacken und da selber hin fahren, wa? Da schick ich ihnen jetzt keinen Retter."
    Ich hab mich daraufhin als RettAss identifiziert, die Sättigung durchgegeben. Antwort: "Ist das wenig?"


    Es kam kein RTW. Wir sind dann tatsächlich mit wehenden Fahnen in die Kinderklinik gefahren.(Übrigens in die Uniklinik die viel näher ist als das genannte städtische). Kind war im Endeffekt nur einen Ticken von der Intensivaufnahme entfernt und hat gut Therapie und Medis gebraucht damit es wieder wurde.


    Ich hatte am Folgetag im Hauptjob zufälliger Weise einen Termin mit der Sachgebietsleitung. Gleich eine schriftliche Beschwerde mitgebracht.

    Resultat: Keines. Die Aufnahme des Gespräches sei "versehentlich gelöscht worden", aber der Schichtführer hätte es sich gemeinsam mit dem Calltaker direkt nach der Abfrage (wohl aufgrund meiner am Ende etwas unfreundlichen Drohung mit einer Anzeige) noch angehört und beide würden bezeugen, dass wir uns ja einvernehmlich auf den "Selbertransport" geeinigt hätten.


    Und leider absolut kein Einzelfall - ich hatte in anderer Funktion einen ganz guten Überblick über die Leitstellen div. ostdeutschter Bundesländer und leider kommt es da immer wieder zu solchen Ausreißern. Wenn man die Rechtsprechung und auch Nachrichten der vergangen 10 Jahre in Sachen Leitstellen betrachtet sind da bestimmte Teile Ostdeutschlands leider fast "ausschließlich" genannt. Manche ja bereits mehrfach mit Todesfolge.


    Das hat sogar in die Gesetzeslage Einzug gefunden: In Sachsen-Anhalt waren (zu mindestens zu meiner Zeit) Hilfeleistungen wie Aufstehhilfe nicht Aufgabe des RDs oder der FW. Hieß konkret: Wenn Oma Erna in der Wanne saß und nicht mehr raus kam, hat sie unter der 112 keine Hilfe gefunden solange sie nicht eine "Einsatzindikation" für einen Notfall hatte und wurde an die 110 verwiesen.

    War gut für die diversen Hausnotrufdienstleister,so auch uns, aber selbst da wurde es teilweise abstrus: Kam nun der HNR und hat trotz aller Möglichkeiten den Patienten nicht aus der Wanne gekriegt (und wir waren gut ausgerüstet, u.a. bundesweit die ersten mit dem Mangar ELK) dann hattest du das gleiche Problem. Warten bis der Pat. zum Notfall wird, hoffen das der Disponent sich erweichen lässt oder auf die Cops hoffen.


    Es gibt da einfach ein massives Kulturproblem innerhalb der Leitstellen - Rettungsdienstdisposition wird als notwendiges Übel wahrgenommen, nicht als "richtige" Tätigkeit.


  • Es gibt da einfach ein massives Kulturproblem innerhalb der Leitstellen - Rettungsdienstdisposition wird als notwendiges Übel wahrgenommen, nicht als "richtige" Tätigkeit.

    das beziehst du jetzt auch nur auf den Bereich der ILSen?

    Bei uns ist RD und KTP Hauptgeschäft. Selbst mit einer BF und 54 Gemeindefeuerwehren nicht annähernd vergleichbare Einsatzzahlen.

  • Ja. Es gibt in Ostdeutschland fast nur ILSen. Und ja: ALLE mir bekannten Leitstellen haben um ganze Dimensionen mehr RD-Geschäft als FW.

    Trotzdem wird das (und das ist ein Zitat eines ILS Leiters) als "Störung des Betriebes" wahrgenommen.

  • Feuerwehr möchte eben Feuer aus machen. Aber ja, Rettungsdienst macht überall deutlich mehr Arbeit wie die Feuerwehr. Die häufige Regelung mit 60% Rettung und 40% Feuerwehr (Stellenkosten zwischen Krankenkassen vs. Kreis) kommt eigentlich nicht hin. Ich würde eher auf 80-85% Rettungsdienst tippen.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ostdeutsche ILS, nur mal so aus den letzten beiden Diensten:

    • Pat. vor 14 Tagen Diagnose, dass er eine neue Herzklappe braucht, wurde inital abgelehnt - am 31.12. dann umentschieden (ohne Zustandsverschlechterung): 1x RTW, 1x NEF (bei 4 Fahrzeugen auf dem Hof stehend und 7 Minuten Fahrtzeit ins KH)
    • 05:30 Uhr: Pat. verspürt Würgereiz bei Med.-Einnahme: RTW
    • 06:07 Uhr: Pat. mit 14tägigen Schmerz NRS 3 nach GammaNagel, gestern Rö, heute Termin beim Arzt, keine Schmerzmittel genommen: RTW

    Auf der anderen Seite kommen Mütter aus dem gleichen Leitstellenbereich mit zyanotischen Kleinkindern in die Notaufnahme mit der Aussage, dass die Leitstelle keinen RTW schicken könne, man hätte keinen...


    Das ist mit logischen Nachdenken alles nicht mehr für mich erklärbar.

  • Ja. Es gibt in Ostdeutschland fast nur ILSen. Und ja: ALLE mir bekannten Leitstellen haben um ganze Dimensionen mehr RD-Geschäft als FW.

    Trotzdem wird das (und das ist ein Zitat eines ILS Leiters) als "Störung des Betriebes" wahrgenommen.

    ja sry, meinte tatsächlich ob du explizit den Osten meinst.
    bei uns kann ich das Denken nicht bestätigen.
    hier kommen auch die meisten Kollegen aus der Notfallrettung.

  • Leider wird in dem verlinkten Bericht nicht das/alles wiedergegeben, was in anderen Artikeln erwähnt wird.

    Das Kind war chronisch herzkrank, im Rahmen der Abfrage wurden mehrere Kriterien für die Entsendung eines Rettungsmittels erfüllt - dennoch keines alarmiert. Den Angehörigen wurde lediglich geraten, bei einer Verschlechterung erneut anzurufen.

  • ja sry, meinte tatsächlich ob du explizit den Osten meinst.
    bei uns kann ich das Denken nicht bestätigen.
    hier kommen auch die meisten Kollegen aus der Notfallrettung.

    Wie gesagt, waren explizit die Leitstellen in BB, LSA, TH und FS gemeint. Nur für die kann ich sprechen.

  • BB: Brandenburg

    LSA: Land Sachsen-Anhalt (aus offensichtlichen Gründen nicht als SA abgekürzt)

    TH: Thüringen

    FS: Freistaat Sachsen (die lokale beliebtere Alternative zu SN)


    Müsstest du als Beamter doch wissen ;)

  • Leider wird in dem verlinkten Bericht nicht das/alles wiedergegeben, was in anderen Artikeln erwähnt wird.

    Das Kind war chronisch herzkrank, im Rahmen der Abfrage wurden mehrere Kriterien für die Entsendung eines Rettungsmittels erfüllt - dennoch keines alarmiert. Den Angehörigen wurde lediglich geraten, bei einer Verschlechterung erneut anzurufen.

    hast du noch Links dazu?

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Jetzt hat sich die Bild-Zeitung diesem Fall angenommen:


    https://www.bild.de/regional/b…utbrain.desktop.AR_2.bild

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Und nach dem Polizeieinsatz geht es gleich weiter in Brandenburg:

    Ein Disponent hat sich beim Unfall eines SPD Landtagsabgeordneten wohl im Geschehen mehrfach abfällig über diesen geäußert und sich schwerere/tödliche Verletzungen des MdL gewünscht.


    https://www.moz.de/nachrichten…ungseinsatz-68877877.html

  • Jaja, wenn es die Politik mal selbst trifft ist plötzlich Schluss mit lustig. Man kann nur hoffen dass der Unfall zu positiver Veränderung beihilft.

  • Und nach dem Polizeieinsatz geht es gleich weiter in Brandenburg:

    Ein Disponent hat sich beim Unfall eines SPD Landtagsabgeordneten wohl im Geschehen mehrfach abfällig über diesen geäußert und sich schwerere/tödliche Verletzungen des MdL gewünscht.


    https://www.moz.de/nachrichten…ungseinsatz-68877877.html

    Der betroffene Disponent ist wegen einer anderen Angelegenheit bereits vom Dienst freigestellt und seine Entlassung wird vorbereitet. Er hat sich mehrfach homophob geäußert und menschenverachtenden Äußerungen getätigt.
    Im Zusammenhang mit dem Unfall des Politikers wurde ihm auch eine verzögerte bzw. nicht AAO-konforme Alarmierung vorgeworfen. Interne Nachforschungen haben ihn allerdings entlastet bzw. konnte ihm diesbezüglich kein Fehlverhalten vorgeworfen werden.