Auch das hatte ich ganz am Anfang geschrieben, dass man in der PKV schneller an neuere Therapien oder wie von dir angesprochen auch Diagnostikmöglichkeiten heran kommt. Diese werden aber sehr schnell auch als Leistung in der GKV anerkannt, wenn sich durch sie ein deutlicher Benefit zu den bisher bekannten Therapien ergibt. Ob der PKV-Patient Zugriff auf Ressourcen hat, die der GKV-Patient nicht hat, ist völlig irrelevant, so lange dem GKV-Patient alle Möglichkeiten nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft zur Verfügung stehen. Alle anderen zusätzlichen Leistungen bedingen daher nicht eine bessere Versorgung und damit auch keine Klassen-Medizin.
Ein Übermaß an (neuer) Diagnostik bedingt nicht unbedingt eine bessere Versorgung, sondern kann schlicht auch eine Übertherapie zur Folge haben und neue Therapien noch bis dahin unbekannte UAW hervorbringen oder schlicht einfach mehr Kosten ohne besseren Nutzen.
Der fett markierte Satz ist eigentlich schon das Eingeständnis, dass es doch so ist. Höre ich in der Industrie auch ständig in abgewandelter Form, wenn der Vertriebler rechtfertigen muss, warum der Mitbewerber mit der Maschine das gleiche Standardprogramm kann, aber zusätzlich mit einer höheren Genauigkeit oder schneller oder oder oder (schneller und Genauigkeit ist jetzt nicht auf die Medizin bezogen).
Ich nehme jetzt einfach mal nur ein Beispiel aus vielen mir bekannten Beispielen.
Dermatologie: Hautkrebs-Screening
Stark vereinfachte Darstellung
"Normaler" Dermatologe: Mit Lupe und Schablone werden auffällige Leberflecken untersucht und handschriftlich in der Akte vermerkt.
Im nächsten Jahr das gleiche Vorgehen und dann muss in der Akte geschaut werden. Ob sich der Leberfleck verändert hat oder alle Leberflecken wirklich erfasst werden???
Privatpraxis: Automatischer Ganzkörperscan, auffällige Stellen werden durch das System fotografiert, mittels KI analysiert und das Bild vermessen.
im nächsten Jahr gleiches Prozedere, die KI vergleicht die aktuellen Daten mit den Daten aus dem Vorjahr und gibt Warnsignal, wenn sich der Leberfleck verändert hat. Im Bekanntenkreis 2 Fälle, wo erst so Hautkrebsverdachtsfälle festgestellt wurden.
Spontan fallen mir noch Beispiele im Bereich Inneres, Kardiologie, MKG, Zahnarzt ein.
Und ich glaube momentan nicht, dass z.B. das Thema KI zeitnah bei der GKV Einzug halten wird.
Zitat
Mir ist in meinem Gebiet keine Praxis bekannt, wo ein leitender Arzt nebenbei noch eine Praxis betreibt. Von daher würde ich das als Phänomen einzelner Standorte ansehen, von denen nur sehr wenige Patienten profitieren. Die Frage ist auch , wie viele Patienten man in so einem Modell überhaupt in einer Praxis betreuen kann, wenn man noch eine leitende Position in einer großen Klinik inne hat.
Ob man sich in einer Klinik besser aus- und fortbilden kann, möchte ich ebenso bezweifeln. Meine 5 Fortbildungstage im Jahr kann ich mal nehmen und auch mal nicht. Die meiste Fortbildung findet auch bei mir eher in der Freizeit statt.
Auch ist das Spektrum der Behandlungen in einer Klinik ein vollkommen anderes, als das in einer Praxis.
Also mir fallen gleich in mehreren Regionen solche Konstellationen ein. Nicht immer zwangsläufig als Privatpraxis.
auf dem Land gerne unter dem Begriff MVZ, auch unter Beteiligung des Krankenhauses. Mein persönliches Highlight ist ein Chefarzt, der im gleichen Krankenhaus noch zusätzlich Belegbetten hat und im Erdgeschoss seine eigene Arztpraxis mit angestellten Ärzten.
Im Bereich der Privatpraxis dann eher in der Konstellation 2 Tage Ober- / Chefarzt in der Klinik, 3 Tage Privatpraxis (auch mit anderer zeitlicher Aufteilung).
Aus- und Fortbildung :
Die mir bekannten Ärzte mit Privatpraxis haben oft noch einen Lehrauftrag. Damit auch feste Zeiten für Aus- und Fortbildung. Es macht auch einen erheblichen Unterschied, ob ich 1x pro Tag als Hausarzt mein Sono nutze (das 20 Jahre alt ist und ich vor 30 Jahre meine Ausbildung gemacht habe) oder ich als Oberärztin mehrfach mit dem Sono arbeite(n lasse), dabei nicht nur die 08/15- Standardfälle habe, sondern regelmäßig auch besondere Anwendungen und auch neue Technik nutzen darf.
Ich will hier in keinem Fall die Arbeit von Ärzten schlecht machen. Wir leben in einem Land mit einer sehr guten medizinischen Versorgung, aber ich bleibe dabei. Es gibt ganz objektiv eine Mehr-Klassen-Medizin.
Unter den aktuellen Bedingungen ist das auch völlig in Ordnung. Ich habe auch überhaupt keinen Neid, wenn Ärzte für gute Arbeit gutes Geld verdienen und das wirtschaftliche Risiko einer Selbstständigkeit tragen. Dass gute Geld dann in gewisser Weise nur über Privatpatienten geht ist halt ein Fehler im System.
Würde man den ganzen Verwaltungswasserkopf durch gefühlt 5000 GKV und PKV abbauen, könnte bei gleichen Finanzumfang auch das Geld an geeigneterer Stelle ausgegeben werden.