Beiträge von Jörg Holzmann

    Alles richtig. Und war auch nicht speziell auf BaWü bezogen. Mir ging es um die ungeschickte Art, wie dieses der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Daher der Sarkasmus. Ich konnte mir diesen nicht verkneifen. Und ja, Baustellen gibt es in jedem Bundesland. Einheitlichkeit können wir in Deutschland eben nicht.

    Den Gesetzentwurf zu verkaufen, als wäre er die Grundlage für einen modernen Rettungsdienst, ist gerade in Ba-Wü tatsächlich etwas albern. Da gäbe es noch ganz andere Schrauben zu drehen. Stichwort Selbstverwaltung.
    Allerdings glaube ich andererseits nicht, dass wir in Deutschland unbedingt Einheitlichkeit brauchen. Der Föderalismus hat sicherlich auch gute Seiten. Und Einheitlichkeit macht auch umgekehrt nicht alles besser.

    Grüße Aus Griechenland

    Jörg

    Kann mich ebenfalls düster an eine prolongierte, frustrane Reanimation erinnern. Patient nach Abbruch bei unklarer Todesursache der Polizei übergeben, die dann auf den Kriminaldauerdienst wartete. Während der Wartezeit hustete der Patient seinen Tubus aus.

    Jeder kennt ja diese Geschichten. Aber für mich ist es schon auch nochmal ein Unterschied, ob so ein Patient nochmal zuckt bzw. irgendwelche finalen Reflexe zeigt, bevor er endgültig abtritt, oder ob er (siehe oben) drei Tage später geheilt nach Hause geht und noch heute lebt, wenn er denn nicht gestorben ist…

    Danke für die Fallschilderung.


    Ich gehe jetzt einfach mal nicht davon aus, dass die Frau tatsächlich über eine Stunde lang asystol war, bevor sie folgenlos überlebte. Woher kommt dieses Paradoxon? Technischer Fehler bei der Ableitung? Fehler beim Anwender? Medizinische Sensation? Wunder im religiösen Sinne?


    Hat jemand einen schlüssigen Ansatz?

    Mir würde als logische Erklärung noch einfallen, dass es sich bei allen gemeldeten "Notfälle" an Schulen nur in extrem selten Fällen um kritische Situstionen handeln, die sofortiger Intervention bedarf.

    Ich kenne genug Rettungsdienstpersonal, das Probleme hat die faulen Eier in dem ganzen Wust an Rettungsdienst-Bullshit zu erkennen. Wie soll ich das dann von medizinischen Laien an Schulen erwarten, wo es so gut wie nie lebensbedrohliche Notfälle gibt.

    Ergänzung: Bei 99% der „Notfälle“ an Schulen kommt der Rettungsdienst überhaupt nicht ins Spiel. Zum Beispiel bei den allermeisten „Kreislaufstörungen“.

    Meine Aussage kommt aus drei Jahren Schulsanitätsdienst und ungezählten Erste Hilfe Kurs für Lehrer

    Und ich weiß auch nicht, was daran schlimm sein soll, ein völlig normales menschliches Verhalten ohne Wertung zu beschreiben.

    Ich weiß ja nicht, auf welchen Ohr das angekommen ist, aber da war sehr viel Interpretation.

    Ich habe übrigens dauerhaft ziemlich schlechte Erfahrungen mit Erste-Hilfe-Kursen *für* Lehrer gemacht. Insbesondere, was Aktualität von Lehraussagen, allgemeine Didaktik und Zielgruppenorientierung angeht. So what?


    Und was ganz generell Handlungskompetenz angeht: Sicherlich haben viele Lehrer*innen Defizite bei konkreten Maßnahmen in Notfallsituationen (so wie alle möglichen anderen Menschen auch). Was Lehrkräfte aber sicherlich überdurchschnittlich gut können, weil sie es jeden Tag in hoher Frequenz tun müssen, ist situationsbezogen und spontan Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen mögen nicht immer optimal ausfallen, aber es erscheint mir unwahrscheinlich, dass Lehrkräfte auch nur annähernd durchschnittlich häufig einfach hilf- und tatenlos in einer Situation „erstarren“. In der Regel werden sie Lösungen suchen und finden, denn das ist ein großer Teil ihres beruflichen Alltags.

    Wenn man das BGH-Urteil von Sportlehrer auch auf andere Lehrer übertragen kann, dann müsste er die Situation besser einschätzen können, weil man in einem Erste-Hilfe-Kurs lernt, solche Situationen (keine Atmung, kein Puls) zu erkennen und entsprechend zu handeln.

    Nein. Da steht, dass er Erste-Hilfe leisten (und ggf. einen EH-Kurs besuchen) muss. Da steht nicht, dass er das auch besonders gut machen muss. Im Prinzip wird da nur die Garantenstellung paraphrasiert.

    Richtig. Wahrscheinlich würde man einer "normalen" Krankenpflegekraft eine Basis-CPR aber als ausreichende Qualität zubilligen, wenn ein Krankenhaus eine erweiterte Therapie zum Beispiel durch ein Rea-Team in sehr kurzer Zeit garantiert.


    Lediglich den Notruf abzusetzen wurde aber vom BGH als nicht ausreichende Hilfe durch einen Lehrer seinem Schüler gegenüber festgestellt. On daher würde ich meinen, dass die Garantenstellung im Lehrer-Schüler-Verhältnis "geklärt" ist.

    Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Garantenstellung des Lehrers ist klar. Er muss helfen. Das heißt aber nicht, dass er die Situation besser einschätzen kann als jeder andere.

    Das ist zumindest für mich keine eine rhetorische Frage. Wenn eine Pflegekraft hilflos neben einem reanimationspflichtigen Patienten steht, wird sie sicher anders beurteilt werden, wie der Passant, neben dem im Edeka jemand umfällt.

    Das hoffe ich. Du hattest aber geschrieben, dass das Pflegepersonal da an Grenzen gerate.

    Die Garantenstellung regelt zunächst einen rechtlichen Status, aber nicht konsekutiv die Qualität der zu erbringenden Hilfe.

    Krankenhäuser halten dafür ganze Rea-Teams vor, welche sogar einen "richtigen" Defibrillator mitführen. Ich halte ein solches Vorgehen auch für sinnvoll, sofern die Teams jeden Einsatzort in einem definierten Zeitraum erreichen, da das Pflegepersonal auf Normalstation sehr oft mit den Basismaßnahmen ausreichend "beschäftigt" ist, so dass auch vermeintlich einfache Dinge wie das Rea-Brett vergessen werden.

    Nein, sie müssten sich aber kompetenter machen, wenn ich das Urteil richtig verstehe.

    Rhetorische Frage: So kompetent wie das Krankenpflegepersonal (übrigens sicherlich auch Garant für die Patienen auf seiner Station), das von AED und Rea-Brett überfordert ist?

    Der BGH stellt fest, „dass Sportlehrer die Amtspflicht trifft, erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise zu leisten … Denn nach der bereits lange vor dem in Rede stehenden Ereignis entwickelten, ständigen Senatsrechtsprechung obliegt Lehrkräften auch ohne ausdrückliche Regelung die Amtspflicht, für die geistige, körperliche und charakterliche Erziehung der Schüler zu sorgen und sie im rechtlich und tatsächlich möglichen und zumutbaren Umfang im Schulbetrieb und während der Schulveranstaltung vor Schäden an Gesundheit und Vermögen zu bewahren… Dies umfasst sowohl die Pflicht, Schüler nicht in einer die Gesundheit gefährdenden Weise zu belasten, als auch, etwa erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise zu leisten…“

    Das heißt übersetzt ja lediglich, dass Lehrkräfte über die allgemeine Hilfeleistungspflicht hinaus auch Garanten für ihre Schüler*innen sind (was nicht besonders überraschend sein sollte) und ggf. Amtshaftung bei Schadenersatzforderungen greift.

    Für eine strafrechtliche Verurteilung muss aber dennoch erst einmal der Nachweis geführt werden, dass der Schüler bei sofortiger Reanimation keine Fokgeschäden erlitten hätte, was mir ziemlich aussichtslos erscheint.

    Zitat

    Um 8.01 Uhr wählt eine der Freundinnen den Notruf, der Lehrer, inzwischen ebenfalls im Flur, will das aber im Sekretariat erledigen lassen. Die Schülerin wehrt das entschieden ab, um 8.02 Uhr wird sie mit der Notrufzentrale verbunden.

    Ein Kreislaufstilltand bei einem Schüler oder einer Schülerin ist halt auch an jeder Schule eine absolut seltene Ausnahmesituation.

    Was allerdings absoluter Alltag an (den meisten) Schulen ist, sind Schüler*innen, die über „Kreislaufprobleme“ (Sammelbezeichnung) klagen, oder Schüler*innen, die im Sekretariat von anderen Schüler*innen berichten, die irgendwo im Schulgebäude über „Kreislaufprobleme“ klagen. Ich kann schon nachvollziehen, dass da jetzt nicht sofort Weltalarm ausgerufen wurde. Andernfalls würde relativ häufig der Rettungsdienst notfallmäßig an Schulen alarmiert werden, um dann auf halber Strecke umzukehren oder vor Ort einen Fehleinsatz zu protokollieren.

    An einer Schule, die mir persönlich sehr gut bekannt ist, ist es auch Standard, dass der Rettungsdienst grundsätzlich über das Sekretariat angefordert werden soll. Wenn davon begründet abgwichen wird, ist das Sekretariat zumindest unverzüglich zu informieren. Dafür gibt es auch gute Argumente.

    Selbstverständlich ist ein Kreislaufstillstand ein Paradebeispiel dafür, dass sofort und von wem auch immer direkt vom Notfallort aus der Notruf gewählt und mit der Reanimation begonnen werden sollte. Dafür muss die Situation aber zunächst erfasst und richtig bewertet werden. Warum ausgerechnet Lehrer*innen darin besser sein sollten als der Rest der Gesellschaft, erschließt sich mir spontan nicht. Ich gehe davon aus, dass die durchschnittliche Lehrkraft an der durchschnittlichen Schule in Deutschland genauso gut oder schlecht darauf reagieren wird wie der durchschnittliche Kollege im Büro oder der durchschnittliche Kunde bei Edeka, wenn dort jemand tot umfällt. Insofern erscheint mir der geschilderte Fall tragisch, aber weder besonders überraschend, noch besonders skandalös. „Typisch deutsch“ ist vielleicht, dass auf jeden Fall ein Schuldiger gesucht werden muss. Mich würde allenfalls noch interessieren, wie es zum Zeitpunkt des tragischen Ereignisses um die Erste-Hilfe-Kenntnisse der beschwerdeführenden Mutter bestellt gewesen wäre, wenn neben ihr jemand plötzlich kollabiert wäre…

    Selber erlebt:

    Disponent meinte es gut und wollte uns nach 11 Std. 59 Minuten nicht mehr raus jagen. Also musste von der Hauptwache ein RTW in den Bereich der Außenwache fahren. Gab einen riesigen Aufstand da Patient engen Kontakt zur Aufsichtsbehörde hatte und er keine 5 Minuten von der Außenwache entfernt wohnte. Der Disponent bekam so einen Einlauf so das er zukünftig auch kurz vor Feierabend die RTW alarmierte. Einige Zeit später ging der Disponent aber wieder in den regulären Fahrdienst weil er auf Leitstelle keinen Bock mehr hatte.

    Um zu beurteilen, ob das jetzt besonders richtig oder besonders falsch war, müsste man wissen, was der Patient hatte. Genau genommen müsste es der Disponent gewusst haben, als er so entschied.