Zitat
„Um 8.01 Uhr wählt eine der Freundinnen den Notruf, der Lehrer, inzwischen ebenfalls im Flur, will das aber im Sekretariat erledigen lassen. Die Schülerin wehrt das entschieden ab, um 8.02 Uhr wird sie mit der Notrufzentrale verbunden.“
Ein Kreislaufstilltand bei einem Schüler oder einer Schülerin ist halt auch an jeder Schule eine absolut seltene Ausnahmesituation.
Was allerdings absoluter Alltag an (den meisten) Schulen ist, sind Schüler*innen, die über „Kreislaufprobleme“ (Sammelbezeichnung) klagen, oder Schüler*innen, die im Sekretariat von anderen Schüler*innen berichten, die irgendwo im Schulgebäude über „Kreislaufprobleme“ klagen. Ich kann schon nachvollziehen, dass da jetzt nicht sofort Weltalarm ausgerufen wurde. Andernfalls würde relativ häufig der Rettungsdienst notfallmäßig an Schulen alarmiert werden, um dann auf halber Strecke umzukehren oder vor Ort einen Fehleinsatz zu protokollieren.
An einer Schule, die mir persönlich sehr gut bekannt ist, ist es auch Standard, dass der Rettungsdienst grundsätzlich über das Sekretariat angefordert werden soll. Wenn davon begründet abgwichen wird, ist das Sekretariat zumindest unverzüglich zu informieren. Dafür gibt es auch gute Argumente.
Selbstverständlich ist ein Kreislaufstillstand ein Paradebeispiel dafür, dass sofort und von wem auch immer direkt vom Notfallort aus der Notruf gewählt und mit der Reanimation begonnen werden sollte. Dafür muss die Situation aber zunächst erfasst und richtig bewertet werden. Warum ausgerechnet Lehrer*innen darin besser sein sollten als der Rest der Gesellschaft, erschließt sich mir spontan nicht. Ich gehe davon aus, dass die durchschnittliche Lehrkraft an der durchschnittlichen Schule in Deutschland genauso gut oder schlecht darauf reagieren wird wie der durchschnittliche Kollege im Büro oder der durchschnittliche Kunde bei Edeka, wenn dort jemand tot umfällt. Insofern erscheint mir der geschilderte Fall tragisch, aber weder besonders überraschend, noch besonders skandalös. „Typisch deutsch“ ist vielleicht, dass auf jeden Fall ein Schuldiger gesucht werden muss. Mich würde allenfalls noch interessieren, wie es zum Zeitpunkt des tragischen Ereignisses um die Erste-Hilfe-Kenntnisse der beschwerdeführenden Mutter bestellt gewesen wäre, wenn neben ihr jemand plötzlich kollabiert wäre…