Beiträge von Jörg Holzmann

    Polemik hin oder her: Nach den Ereignissen im Ahrtal will sich ganz bestimmt niemand auf's Brot schmieren lassen, er hätte nicht rechtzeitig und ausführlich gewarnt.

    Ja klar, das ist die Motivation: Immer und jederzeit sagen zu können, dass ja gewarnt wurde. Es geht also nicht um echte Gefahrenwarnungen, sondern darum, sich gegen Vorwürfe abzusichern. Im Ergebnis wird dann bei jedem hohen Pegelstand der großen Flüsse gewarnt und keine Sau interessierts. Ich wohne keine 500m vom Neckar entfernt und habe diese Woche ungefähr täglich Hochwasserwarnungen von KatWarn und/oder Nina erhalten, dass die Hochwasserpegel steigen. Konsequenz für mich: keine. Ich wäre dankbar, wenn nur dann gewarnt würde, wenn das Dorf kurz vor dem Absaufen steht. Dann ziehe ich auch gerne die Gummistiefel an und verlege meinen Standort ins nahe Mittelgebirge (also zu dir in den Odenwald).

    Stimmt alles. Gleichzeitig: Menschen, die im hochwassergefährdeten Gebiet wohnen und durch ein extremes Hochwasser ihr Haus verloren haben, beschweren sich zunächst, dass sie nicht vom Landrat oder vom Innenminister persönlich vorgewarnt wurden, erwarten dann, dass ihr weggeschwemmtes, natürlich un(ter)versichertes Haus vom Steuerzahler ersetzt wird, beschweren sich dann wieder, dass die gesammelten Spendengelder viel zu spät bei ihnen ankommen und bauen dann schließlich mit dem geschenkten Geld ihr Häuschen an derselben (immer noch hochwassergefährdeten) Stelle wieder auf. Diese Leute muss man halt zukünftig sicherheitshalber warnen, wenns regnet. Ist doch klar!

    Ich erlaube mir mal anzumerken dass diese Ahnungslosigkeit in Kombination mit lautstarkem Auftreten eigentlich mal untypisch für dieses Forum war.

    Was allerdings leider typisch für dieses Forum ist, ist, dass mit Vorliebe konfrontativ statt kooperativ diskutiert wird. Wir lieben und suchen daher den Dissens. Und wo wir keinen finden können, konstruieren wir einen. Am liebsten am Wochenende, da haben wir endlich richtig Zeit zum Streiten!

    Die spannende Frage ist dabei jedoch, welches System sich anpassen sollte? Die SOP oder der NAIK? Die SOP sehen häufiger alleinige RTW-Indikationen für bestimmte Meldebilder vor. Wollen wir wieder einen Schritt zurück machen, was seit Jahren gut funktioniert? Also zu Oma Piepenbrink mit ihren starken Hüftschmerzen nach Sturz wieder ein NEF (oder RTH) entsenden, was der RTW mittlerweile alleine macht (die Analgesie). Hier entsteht ja der Konflikt.

    Ich glaube, dass man den NAIK so lesen kann, dass das kein Problem ist. Man muss die Erläuterungen halt mitlesen. Und dann ist zum Beispiel die „unmittelbar bevorstehende Geburt“ eben tatsächlich unmittelbar bevorstehend und nicht „Stuhldrang bei fortgeschrittener Schwangerschaft“ und eine „ausgeprägte Atemnot“ ist halt tatsächlich eine schwere Dyspnoe und nicht ein bisschen Rasseln. Bei beiden Beispielen sehe ich tatsächlich eine Notarztindikation. Wenn das Abfragesystem es nicht schafft, solche Differenzierungen sauber abzubilden, oder der Disponent es nicht schafft, das klar zu unterscheiden, ist das weder ein Problem des NAIK noch der SOP, sondern der systemischen Umsetzung. Der Konflikt entsteht also an einer anderen Stelle. Zum Beispiel da, wo der Disponent nicht begründet (!) vom AlarmierungsVORSCHLAG (!) einer Software abweichen darf.

    Harris NRÜ , wenn der Disponent "häufigen Stuhldrang" als "unmittelbat bevorstehende Geburt" interpretiert und aus einer Hyperventilation bei einem Kind eine "ausgeprägte Atemnot" macht, kann die BÄK allerdings auch nichts dafür. Das ist dann viel eher die Defensivmedizin, über die wir uns (zu recht) immer aufregen.

    Genau wie der NotSan vor Ort eigenständige Entscheidungen treffen und diese verantworten muss, muss das halt auch der Disponent. Wer sich dann nur auf eine wachsweiche Formulierung aus der BÄK-Empfehlung zurückzieht, macht es sich halt auch sehr einfach. Was verdient man als Disponent? E9? Nur Mut!

    Die berühmte "Politik des Gehörtwerdens".

    Das macht für mich die „direkte Demokratie“ so unheimlich attraktiv. Man darf sich nicht nur zu allem eine Meinung bilden haben und sie formulieren rauskrakeelen, man soll auch jederzeit auf alle Entscheidungsprozesse Einfluss nehmen und sie möglichst lange hinauszögern können.

    Natürlich werden in der Arztschule und in der Klinikassistentenzeit die Grundlagen gelegt.

    Dennoch gibt es viele Dinge die dort nicht grundlegend vermittelt werden können und wo es vom Interesse des NA abhängt ob er sich bestimmtes Wissen aneignet. Das fängt bei der Intubation an, geht weiter zum i.o. Zugang und endet bei Entscheidungen zur techn. Rettung.

    Ich wage zu bezweifeln das die als Freelancer tätigen NA bspw. wirklich allesamt die Disziplin haben sich beim Dienstantritt auf der NA-Wache Hintertupf mit den regionalen Versorgungsstrukturen vertraut zu machen.

    Und was hat das jetzt mit diesem Thread zu tun?

    Ich habe die Bandbreite der NA-Indikationen mit Interesse gelesen.

    Vieles davon kann in den NA-Kursen vermittelt werden.

    Einiges wird bei den mitfahrenden Einsätzen erfahren werden können.

    Und ich Dummerle dachte, dass die das Medizinmachen auf der Arztschule lernen. Wenn die das alles in der einen Woche Notarztkurs auf Sylt lernen sollen, isses ja klar, dass die Sanitäter das viel besser können!

    Jein. Denn an was orientieren sich Gerichte, wenn es zu einem Schaden bzw. Klage gekommen ist?

    In der Regel an einem Fachgutachten. Und gelegentlich angeblich am gesunden Menschenverstand. Und Notrufabfragen sind ja in der Regel digital gespeichert und daher in einem Ermittlungs- oder gar Strafverfahren nachzuvollziehen. Da wird ja dann bestimmt erkennbar sein, ob zwischen ein bisschen Atembeschwerden oder schwerer Luftnot durch Nachfragen differenziert und eine entsprechende Einsatzentscheidung getroffen wurde. Wenn das nicht drin ist, kann tatsächlich meine Oma Notrufe annehmen und einfach immer alles schicken. Vielleicht noch den Löschzug, weil die Schleimhäute brennen.

    Gelegentlich (jetzt gerade) bin ich echt froh, wenn das Wochenende vorbei ist und am Montag Morgen manche wieder arbeiten gehen müssen und weniger Zeit fürs Forum haben. Ich weiß ja, dass ich selbst schuld bin, wenn ich das alles immer lese, aber heute isses hart nervig. Macht mal was Schönes am Sonntag Abend, irgendwas, was euch guttut!

    Trotzdem ist es so, dass nach elektiven Herzkathedern der Pat nach kurzer Zeit (wenigen Stunden) das Kathederlabor wieder verlässt und zurück ins Heimatkrankenhaus verlegt wird. Und das ohne jegliche Überwachung. Nur noch eine kleine Aufklärung über den Druckverband am Handgelenke und fertig.

    Ich arbeite morgen früh wieder im Katheder-Labor und ich überwache die dort Anwesenden sehr akribisch. Sechs Stunden lang.

    Wie das im Katheterlabor läuft, weiß ich nicht.


    Kommt jetzt eigentlich noch was Weiterführendes oder drehen wir uns weiter im Kreis bzw. um uns selbst?