Beiträge von thh

    Bizarr, dass Dinge wie falsche Dr. Titel oder Facharzturkunden so sowas führen können, aber die Qualität der Versorgung viel schwieriger ist zu erfassen...

    Bei jemandem, der mehrfach (!) betrügt und Urkunden fälscht, muss man befürchten, dass er auch falsche Atteste ausstellt, die Dokumentation fälscht und bei der Abrechnung betrügt. Das begründet zu Recht den Entzug der Berufserlaubnis, wo es ein bloßer Behandlungsfehler nicht tut.

    Korrekt. Zudem. SOPs sind quasi lokale Leitlinien. Sie regeln Abläufe, Zuständigkeiten, Standards. Organisatorisch, wie auch medizinisch. Teilweise haben sie den Charakter von Dienstanweisungen. Trotzdem darf, muss und soll man im Einzelfall von ihnen abweichen. Man muss es nur ex post im Zweifel dem Zuständigen/Vorgesetzten nachvollziehbar erklären können.

    Das kommt, wie immer, darauf an. Wenn über SOPs Maßnahmen vorabdelegiert werden, dann sind sie bindend; bei Abweichung wird der Delegationsrahmen verlassen, mit der Folge der eigenen Verantwortung für Ob und Wie der Maßnahmen (also Anordnungs- und Durchführungsverantwortung).

    Welche Regressforderungen sollen denn entstehen bzw. werden als solche anerkannt, wenn zu keinem Notfall kein NA oder kein RTW geschickt wird?

    Solche Regressforderungen können dann entstehen, wenn der Nicht-Notfall doch ein Notfall war. Dafür haftet dann zunächst mal der Staat, also hier das Land Berlin; wenn die Bediensteten vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben, kann dann Rückgriff (Regress) genommen werden. Das ist freilich ausgeschlossen, so lange die Bediensteten sich an die Vorgaben halten, bspw. in bestimmter Weise abzufragen und das Ergebnis dann umzusetzen. Daher ist eine strikt an den Vorgaben eines IT-System durchgeführte Abfrage und Disposition aus Haftungsgesichtspunkte für die Bediensteten optimal. Ob sie das auch für das Ergebnis ist, ist dann eine andere Frage,

    Solche strengen Abfragesysteme sind darauf ausgelegt, dass medizinische Laien das abfragen. Und in Berlin fragen nicht immer NotSan ab, sondern auch RettSan oder andere Qualifikationen.

    Wenn Berlin Abfragesysteme zur Abfrage durch medizinische Laien einführt, warum verschwendet man dort dann das Geld der anderen Bundesländer damit, Notfallsanitäter oder Rettungssanitäter auf der Leitstelle einzusetzen?

    Es geht darum, dass ggf. wieder häufiger ein Notarzt entsendet werden müsste/sollte, was seit einigen Jahren die NotSan gemäß SOP alleine machen (also NA-Indikationen reduziert wurden). SOP (oder SER, je nach Nomenklatur) gibt es übrigens in vielen Berufen. Standardeinsatzregel Gefahrenmeldeanlage, Wohnungsbrand oder VU eingeklemmt. Es gibt auch "SOP" für Disponenten; sie nennen sich nur anders (hier und da).

    Es ist doch niemand gehindert, vom NAIK abzuweichen, weder ein Leitstellenbetreiber im Hinblick auf die Vorgaben, die er seinen Mitarbeitern macht, noch ein Mitarbeiter (solange er nicht von Vorgaben seines Arbeitgebers abweicht). Problematisch wird das doch nur, wenn sich diese Abweichung als fachlich falsch erweist und dadurch jemand geschädigt wird. Es genügt also, fachlich richtige Vorgaben zu machen.

    Ich habe jedoch meine Zweifel, dass der neue NAIK hier so viel besser sein wird. Wir werden es erleben.

    Oh, diese Zweifel habe ich auch, aber nicht wegen des NAIK.

    Die spannende Frage ist dabei jedoch, welches System sich anpassen sollte? Die SOP oder der NAIK? Die SOP sehen häufiger alleinige RTW-Indikationen für bestimmte Meldebilder vor.

    Das kann ich mir kaum vorstellen. Die SOP machen Vorgabe für durchzuführende Maßnahmen, wenn Rettungsfachpersonal - vorwiegend Notfallsanitäter - ohne ärztliche Leitung Behandlungen vornehmen müssen. Mir wäre neu, dass sich SOPs an das Personal der Leitstellen richten.

    Wollen wir wieder einen Schritt zurück machen, was seit Jahren gut funktioniert?

    Der NAIK hat das Ziel, die Notarztalarmierung treffsicherer zu machen. Mir wäre neu, dass das seit Jahren gut funktioniert. Im Gegenteil: ich lese regelmäßig, dass schon die indikationsgerechte Alarmierung von RTW offensichtlich jenseits der Möglichkeiten vieler Leitstellen liegt.

    Aber es sollte möglich sein, dass der jeweilige Disponent sich denkt "Zecke und RTW, das passt nicht, aber selber verändern darf ich nicht, also leite ich das an den TNA weiter..."

    Dann hoffen wir mal sehr, dass in Berlin kein rettungsdienstlich qualifiziertes Personal auf der Leitstelle sitzt. Wer einen Tele-Notarzt braucht, weil er nicht alleine entscheiden kann oder darf, dass für eine Zecke kein RTW zu alarmieren ist, dem möchte ich keine Patienten anvertrauen; Notfallpatienten noch weniger.


    Aber das muss so etwas Magisches sein: Notfallsanitäter sind besser als fast jeder Notarzt - erst dann, wenn sie eine Leitstelle betreten (oder es darum geht, einen Patienten nicht mit dem RTW in die Klinik zu transportierten, obschon der das toll fände), verlieren sie alle Fähigkeiten wie Samson, als man ihm die Haare geschnitten hatte, und bedürfen ärztlicher Supervision, damit sie Zecken nicht mit RTW beschicken. Es ist ein Wunder!

    Der Fall sollte ja gar nicht vorkommen.

    Das ist eines der Probleme mit Algorithmen, ja.

    Die beste Lösung wäre, dass es einheitliche SOP (zu mindestens auf Landesebene) gebe, an denen auch die Einsatzentscheidungen Notarzt ja oder nein am Ende der Abfrage berücksichtigen (also eine Anpassung der NAIK an die SOP und an die Software für die standardisierte Abfrage). Irgendwie arbeiten in dieser Hinsicht alle aneinander vorbei.

    Das sehe ich nicht so. Der NAIK ist eine sachverständige Stellungnahme eines ärztlichen Gremiums, die keiner Anpassung an irgendeine Software bedarf. Im Gegenteil werden sich SOP und Software ggf. an den NAIK anpassen müssen - oder eben im Zweifel eine abweichende Handhabung begründen müssen.

    80 Jahr(e) alt, Weiblich, Bei Bewusstsein, Atmet. Code: 3-B-1: Notfallmeldung: w80#Zecke am Rücken. 1. Es handelt sich um einen Tierbiss. 2. Es ist nicht bekannt, wann es passierte. 3. Sie wurde von einem ungefährlichen (nicht EXOTISCHEN) Tier verletzt/gebissen: Zecke 4. Der Aufenthaltsort des Tieres ist nicht bekannt. 5. Es blutet nicht STARK. 6. Sie reagiert normal (Sie ist vollkommen wach). 7. Die Verletzung befindet sich in einer MÖGLICHERWEISE GEFÄHRLICHEN Körperregion (nicht Brustkorb/Hals/Kopf). 8. Es gibt Verletzungen - sie sind nicht oberflächlich oder schwer.

    Großartig, das gefällt mir.


    (Verklickt hat man sich vermutlich bei Frage 8, richtig? Interessant wäre ja, was passiert, wenn man dort "oberflächlich oder nicht schwer" auswählt, ob sich dann eine Ablehnung des Ersuchens mit Verweis an den Hausarzt ergibt ...)

    Lieblingssatz: „Ich bin seit 2003 RS meine Ausbildung damals war fast ne RA Ausbildung nur in kurz.

    Damals in den 90ern hatten wir RS quasi dieselbe Ausbildung wie Notfallsanitäter heute, nur kürzer und mit mehr Praxis, nicht so viel Theorie. Wir sind quasi alle Notfallrettungssanitäter ehrenhalber.

    Und die Kommentare haben mindestens Facebookniveau.

    Die berühmte "Politik des Gehörtwerdens".

    Schwierig finde ich aus der Sicht den Handlungsspielraum der Leitstelle, gerade was aus Sicht des Berliner Urteils (Atemnot, Asthmaanfall) zu beachten ist. Das Gericht ist damals zum Schluss gekommen, dass die Symptomkonstellation eine Notarzt-Indikation hätte erkennbar machen müssen.

    Damals war ja das Symptom auch noch "keine normale Atmung, ausgeprägte oder zunehmende Atemnot, Atemstillstand" und ein Beispiel "Asthmaanfall".

    Was mir fehlt ist hinter jeder Indikation, bzw Symptomkomplex eine Evidenzangabe.

    Oh ja, das wäre nett. Und das darf man dann natürlich auch von jeder Dispositionsentscheidung und jeder ärztlichen Therapieentscheidung erwarten. Kein Evidenznachweis -> Behandlungsfehler. Was mir das an Geld sparen würde! :S

    Außer, dass es nun im ABCDE-Schema sortiert ist, hat sich nicht viel getan, oder? Sogar der Schlaganfall ist noch drin (und wird Apoplex genannt). Ich bin fast ein bisschen sprachlos.

    Ich sehe in der Differenzierung der Symptomatik durchaus einen großen Schritt nach vorne; mit diesem Katalog kann man versuchen, zu arbeiten, was ja auch zur oft geforderten Rechtssicherheit führen kann.


    Ich empfehle für die Bewertung den Vergleich mit dem bisherigen Indikationskatalog. Ich meine, was fängt man denn mit "keine normale Atmung" oder "reagiert nicht adäquat auf Ansprechen und Rütteln" an?

    Schwierig am Telfon den Grad der Vitalbedrohung einzuschätzen und infolge dessen, könnten alle cerebralen Ereignisse mit Notarzt beschicket werden.

    Weil man möglicherweise die Kompetenz der Disponenten realistisch einschätzt :S, stehen ja links die Symptome, bei deren Auftreten ein Notarzt alarmiert werden soll, und rechts nur erläuternde Beispiele.


    Wenn das "cerebrale Ereignis" also weder zu Bewusstlosigkeit, fehlender Ansprech-/Erweckbarkeit noch zu akuten stärksten Kopfschmerzen mit neurologischen Ausfällen oder Nackensteifigkeit führt und es sich auch um keine langanhaltenden, generalisierten Krampfanfälle/auch Fieberkrämpfe, handelt, besteht keine Notarztindikation.

    Warum? Willst Du darauf hinaus, dass laut Rechtsdepesche.de nicht geklärt werden konnte, ob der Patient bei einem Transport in den Schockraum überlebt hätte?

    Ja.

    Dazu sagt das verlinkte Urteil: "Diese Behandlung hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dafür gesorgt, dass der Geschädigte mindestens zwei Stunden länger gelebt hätte. Ob er überlebt hätte, kann im Hinblick auf mögliche Folgeerkrankungen nicht sicher gesagt werden."

    Ich dachte mir, dass das Landgericht in der Lage ist, sich mit der Rechtsfrage auseinanderzusetzen. Die wüssten vermutlich auch, wie man Psychiatrie schreibt. :S


    (Danke fürs Nachschlagen!)

    In der Quelle ist da ja mehrfach falsch geschrieben. Bissl peinlich.

    Eigentlich nicht. Lesen, Schreiben und Rechnen ist schon lange optional.

    Korrekt. Ich musste leider in jedem meiner vergangenen Dienste (meist Nachts) Kollegen ins Fahrwasser zurück holen, weil sie anstelle mit dem Einsatz eher mit ihren Emotionen beschäftigt waren. Und daher zB nicht mitbekommen haben, dass der Patient obwohl schon im Treppenhaus auf uns wartend, offensichtlich schon rein visuell schockig war und besser nicht "jetzt auch noch bis nach unten laufen kann" oder trotz der Vordiagnose Psych und Junkie totkrank im skeptischen Schock..

    Gab es früher auch, nimmt meinem Empfinden nach aber enorm zu.

    Vielleicht das Ergebnis der nunmehr dreijährigen Ausbildung?