Beiträge von thh

    „Typisch deutsch“ ist vielleicht, dass auf jeden Fall ein Schuldiger gesucht werden muss.

    Und jemand zahlen soll.

    Mich würde allenfalls noch interessieren, wie es zum Zeitpunkt des tragischen Ereignisses um die Erste-Hilfe-Kenntnisse der beschwerdeführenden Mutter bestellt gewesen wäre, wenn neben ihr jemand plötzlich kollabiert wäre…

    Ich sehe, wir sind da weitgehend auf derselben Wellenlänge.

    Für eine strafrechtliche Verurteilung muss aber dennoch erst einmal der Nachweis geführt werden, dass der Schüler bei sofortiger Reanimation keine Fokgeschäden erlitten hätte, was mir ziemlich aussichtslos erscheint.

    Strafrechtlich kann man das in der Regel alles knicken. Zivilrechtlich sieht's ggf. anders aus.

    Das sollte auch auf andere Lehrkräfte übertragbar sein. Lehrer sind im Verhältnis zu ihren Schülern keine unbeteiligten Dritte.

    Freilich. Eltern ggü. ihren Kindern auch nicht. Trotzdem stehen beide nicht selten hilflos vor einem Notfall ihrer jeweiligen Schützlinge. Die Eltern werden halt in der Regel nicht verklagt ... (von wem auch?).

    Wenn man das BGH-Urteil von Sportlehrer auch auf andere Lehrer übertragen kann, dann müsste er die Situation besser einschätzen können, weil man in einem Erste-Hilfe-Kurs lernt, solche Situationen (keine Atmung, kein Puls) zu erkennen und entsprechend zu handeln.

    Deshalb verwies ich ja darauf, dass offensichtlich auch die Freundinnen der Patientin einen EH-Kurs absolviert hatten und nach eigenen Angaben die Situation - im Gegensatz zum sogar erkannt

    Im Bericht wird beschrieben wie eine 16 jährige in der Schule kollabierte und Reanimationspflichtig war. Es geht um den Vorwurf an den/die Lehrer nichts getan zu haben.

    Das Gutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass eine frühere Verständigung des Rettungsdienstes - dessen Eintreffzeit mit 20 Minuten auch erklärungsbedürfitg sein dürfte, so dass eine Alarmierungsverzögerung möglicherweise gar nicht ins Gewicht fält - oder eine Laien-Reanimation zerebrale Schäden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte, möchte ich sehen.


    Schön auch die Freundinnen, die natürlich (in Angaben ggü. dem von der Mutter beauftragten Gutachter ...) die Situation sofort erfasst haben wollen, aber dann auch erstmal vier Minuten nichts tun (obschon ein Notruf über das Handy hätte abgesetzt werden können) und auch danach keine suffiziente Erste Hilfe leisten, obschon eine entsprechende Ausbildung (Seitenlage!) ja offensichtlich (ggf. im Rahmen des Schulsanitätsdienstes) vorhanden war. Aber klar, mit 16 ist man natürlich noch völlig hilflos und muss auf den Lehrer warten ...

    Ich denke, hier hat die gesamte Rettungskette versagt.

    Naja, normal halt.

    Nein, dass wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, weil Krankenhäuser im Zuge der aktuellen Reform überhaupt keine Patienten, die nicht einer akuten Intervention bedürfen, mehr behandeln dürfen bzw. vergütet bekommen.

    Sie nicht zu behandeln wird unter dem Gesichtspunkt der unterlassenen Hilfeleistung oder anderer Unterlassungsdelikte schwierig. Eine Vergütung für die Behandlung ist aus Sicht des Patienten ja optional. :S

    Ob ein Patient bedarf an Hilfe hat bestimmt der Patient. Wie das System drauf reagiert, das bestimmt das System.

    Das sollte man annehmen, ja. Anderer Auffassung aber u.a. die DGINA:

    Bezüglich der Ersteinschätzung ist dies ein eindeutiger Paradigmenwechsel der Ersteinschätzung im Krankenhaus. Es geht nicht mehr allein um die Festlegung der Behandlungsdringlichkeit, sondern um die Beurteilung der Notwendigkeit einer Behandlung mit den Mitteln des Krankenhauses. Dies kann den berechtigten Interessen der Patientinnen und Patienten, die eine Klinik für Notfallmedizin aufsuchen, durchaus widersprechen. Damit schränkt die Richtlinie die freie Arztwahl, die laut §76 Absatz 1 SGB V im Notfall gilt, insofern ein, als dass nun nicht mehr Patientinnen und Patienten sich als Notfall definieren, sondern als Hilfesuchende bezeichnet werden und erst als Notfall gelten, wenn eine Ersteinschätzung dies festgestellt hat. Dies widerspricht der internationalen und nationalen Definition durch die notfallmedizinischen Fachgesellschaften. Laut dieser liegt ein medizinischer Notfall immer dann vor, wenn „der/die Patient*in körperliche oder psychische Veränderungen im Gesundheitszustand aufweist, für die der/die Patient*in selbst oder eine Drittperson unverzügliche medizinische und pflegerische Betreuung als notwendig erachtet“.

    Daraus ergibt sich m.E. die Auffassung der notfallmedizinische Fachgesellschaften, dass der Patient - oder ein beliebiger Dritter entscheidet -, ob ein medizinischer Notfall vorliegt, der eine Versorgung mit den Ressourcen eines Krankenhauses (im Gegensatz zur ambulanten haus- und fachärztlichen Versorgung) erfordert.

    Ich komme immer zu der Auffassung, dass es zukünftig so sein wird, dass der bisherige gewohnte Standard nicht aufrecht zu erhalten sein wird, und es für nicht wirklich lebensbedrohliche Zustände einfach längere Wartezeiten in Kauf genommen werden müssen oder es einfach überhaupt keine Hilfe mehr in unmittelbarer Nähe geben wird.

    In der Notaufnahme kommt man immer schneller als "24 h später" oder gar erst nach Wochen dran. Zumal ja nach Einschätzung der entsprechenden Fachgesellschaft der Patient entscheidet, ob es sich bei ihm um einen Notfall handelt.

    Ich hoffe nur, dass der Arbeitgeber nicht auf die Idee kommt, Feierabend im Dienstplan dann festzuhalten, wenn die Besatzung am Krankenhaus ausgelöst wurde und mit dem Dienst-KFZ zur Wache fährt, während die neue Besatzung schon zum nächsten Einsatz düst. Trotz der aktuellen Situation sind immer noch einige dumme Vorgesetzte und Geschäftsführer unterwegs, die die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt haben. Arbeitszeit endet, wenn ich die Dienstkleidung abgelegt habe und meinen Arbeitsplatz verlassen kann.

    Dann muss das Schichtwechsel-Fahrzeug ja nur die Zivilkleidung in die Klinik mitbringen ... 8)

    Danke!
    Sorry dass ich nochmal frage, aber wer muss da jetzt was hinterlegen: der Beklagte, falls er doch verurteilt wird zu zahlen, die Klägerin wegen den Anwaltskosten des Beklagten, oder beide?

    Vollstrecken kann nur einer, nämlich der Beklagte die ihm entstandenen Kosten des Rechtsstreits bei der Klägerin.


    Will er das bereits jetzt tun, muss er die genannte Sicherheit hinterlegen.


    Wartet er, was am Ende herauskommt, kann er (falls er wieder gewinnt) den (dann mutmaßlich höheren) Betrag ohne Sicherheitsleistung vollstrecken.


    Eine Vollstreckung bereits jetzt macht eigentlich nur dann Sinn, wenn Grund zu der Befürchtung besteht, dass später nix mehr zu holen ist.

    Ah ok, jetzt versteh ich’s. Für den Fall, dass das Urteil revidiert wird und die Klägerin doch einen Anspruch hat, wird das Geld hinterlegt. Ist das üblich?

    Genau. Wer aus einem nur vorläufig vollstreckbaren - weil noch nicht rechtskräftigen - Urteil vollstrecken will, geht das Risiko ein, hinterher alles rückabwickeln zu müssen, einschließlich Ersatz für eventuelle Nachteile, die die Vollstreckung mit sich gebracht hat (fehlende finanzielle Mittel usw.). Daher muss er Geld hinterlegen, falls es dazu kommt.


    Das ist nicht nur üblich, sondern gesetzlich vorgeschrieben. §§ 708, 709 ZPO regeln, wann eine Sicherheitsleistung erforderlich ist bzw. wann nicht.

    Edit: wenn ich mir Punkt 3 durchlese hab ich trotzdem irgendwie nen Hänger. Da steht ja, das Urteil ist (…) vorläufig vollstreckbar. Das Urteil ist doch aber, dass die Klage abgewiesen wird, was soll denn dann vollstreckt werden?

    Ziffer 2 des Tenors, die Kostenentscheidung.


    Da stehen immerhin gut 600 EUR Gerichtskosten zzgl. eventueller Fahrtkosten, Zeugen- und Sachverständigenentschädigungen usw. und über 1.500 EUR Anwaltskosten für jede der beiden Seiten im Raum. Zumindest die eigenen Anwaltskosten kann der Beklagte vollstrecken, und da sie 1.500 EUR überschreiten (§ 708 Nr. 11 ZPO), geht das nur gegen Sicherheitsleistung.

    Das LG in München entschied wg. Kosten von 8.500 € für einen RTH-Einsatz im Karwendelgebirge.


    https://www.alpin.de/home/news…Io8s_6lac0v0wvenPmHPHNgE4

    Mittlerweile sind die Urteilgsgründe der nicht rechtskräftigen Entscheidung veröffentlicht worden: LG München I, Endurteil vom 31.07.2023 – 27 O 3674/23


    Das Verfahren ist jetzt beim OLG München unter 17 U 4445/23 anhängig.

    Vielleicht war er auch einfach entsprechend versichert. Oder hat seine Rechnung hingenommen.

    So ist es; er war offenbar Mitglied einer in der veröffentlichten Entscheidung nicht namentlich genannten Institution, die die Kosten seiner Rettung übernommen hat, aber nicht die seiner Begleiterin (einer Ärztin).

    in erster Linie: fehlende Dokumentation der diagnostischen Erhebungen. Wer nicht schreibt, der bleibt auch nicht. Und vor Gericht galt es dann anscheinend als nicht passiert.

    Naja, ob man jetzt im Freitext einen normofrequenten Puls dokumentiert oder woanders eine Zahl, ist m.E. Jacke wie Hose. Der Knackpunkt ist m.E. ja auch gar nicht der mögliche Behandlungsfehler, sondern die Frage der Kausalität.

    Sofern Patienten sich selbstständig zum Arzt der eigenen Wahl und/oder Behandlungsort der eigenen Wahl begeben, keine Frage, freie Arztwahl.... Sofern der Patienten sich aber an ”den Rettungsdienst” wendet, wird das aus meiner Sicht mindestens für die Leitstellen schon etwas komplizierter.... [...]


    Im Hinblick auf Notfallpatienten für mich absolut nachvollziehbar. Bei normalen Krankentransporten allerdings doch schon etwas schwieriger...

    Ja, eben. Dass Notfallpatienten keine Wahl haben, ist klar und richtig; da geht Ressourcensteuerung (durch die ILS) vor. Aber wenn kein Notfall vorliegt, darf jede Patientin sich das Krankenhaus ihrer Wahl aussuchen, wenn es sie denn nimmt; ob der Transport dann zu Lasten der Träger der GKV erfolgt oder kostenmäßig Privatvergnügen ist, ist dann noch einmal eine andere Frage.


    (Und danke für den Link; das erspart mir mutmaßlich eine Menge Recherchearbeit in einem konkreten Fall ...)

    Das macht es nicht besser. Wenn ich mir die Größe der hiesigen ILS (Großstadt) und die Größe des KV Callcenters anschaue, frage ich mich, wo das Personal herkommen soll um das Spektrum der 112 Anrufe zeitnah abzuarbeiten. Ich Stelle mir hier nur Mal vor Grippewelle und Sturm (Windbrüche, Dächer abgedeckt etc.) vor. Dazu dann noch das normale Tagesgeschäft (VU, Brände, unklarer Gasgeruch, Wohnungsöffnung, Sturz, Brustschmerzen, Heimtransport, Verlegung). Da kann der ILS Betreiber gleich Mal ne Messehalle anmieten.

    Jetzt legt man 116117 und ILS zusammen, dann ist es auch wieder nicht recht ...


    Und wenn man ohnehin eine Messehalle braucht, ist es dann nicht immer noch besser, wenn diese Messehalle in einer Hand liegt? :S

    • Freie Arztwahl: Sofern die Leitstelle den Anrufer lenken soll, ist mindestens die für die gesetzlich krankenversicherten Patienten die bestehende freie Arztwahl aufzuheben. Die freie Wahl des behandelnden Krankenhauses ist in diesem Rahmen bei Nichtnotfällen ebenfalls aufzuheben. Jedes Kraftfahrzeug (Patient) ist erst nach der Entriegelung der Lenkradsperre (Artzwahl) lenkbar.

    Einschränkungen der persönlichen Freiheit sind ja in, aber das erschließt sich mir wiederum nicht. Warum soll man eilige Arzttermine nur dann vergeben können, wenn der Patient dann auch zu diesem Arzt gehen muss, selbst wenn er ihn als homoöpathischen Quacksalber kennt? Und warum sollten Patienten nicht das Krankenhaus ihrer Wahl aussuchen dürfen? Wenn es dort Kapazitäten gibt, ist das doch kein Problem?

    • Neuregelung der Haftung für die Träger des Rettungsdienstes für die Handlungen der Leitstellendisponenten. Erfolgt eine Disposition im Rahmen der Amtshaftungsgrundsätze oder können sich Patienten auf das Patientenrechtegesetz berufen?

    Hä? [tm] Ich kenne keine Bundesland, in dem die Leitstellentätigkeit nicht durch Beamte im haftungsrechtlichen Sinne erfolgt. Und natürlich gilt dennoch das BGB in der Fassung durch das Patientenrechtegesetz.

    • Elektronische Patientenakte - Datenschutz: Die Leitstellen müssen Zugriff auf Patienteninformationen erhalten, um insbesondere Mehrfachanrufer gezielt lenken zu können.

    Das ist mit dem besonderen Schutz von Gesundheitsdaten kaum vereinbar. Und es obliegt - natürlich - der Entscheidung des Patienten, ob er überhaupt eine elektronische Patientenakte will, und wenn ja, wer darauf zugreifen darf.


    Die offensichtlich auch in Rettungsdienstkreisen um sich greifenden totalitären Vorstellungen finde ich einigermaßen bedenklich.

    Für mich stellt sich eher die Frage, wie das hier funktionieren soll:

    "ILS sollen 24/7 einschließlich verbindlicher Terminvermittlung bei Haus- und Fachärzten so attraktiv sein, dass sie primäre Anlaufstelle in medizinischen Notfällen werden."

    Die ILS sollen die Aufgabe der Terminservicestellen übernehmen, die bis jetzt auch die 116117 hat; sonst kann man die ja nicht abschaffen.


    https://www.116117-termine.de/

    https://www.kbv.de/html/terminvermittlung.php

    Als wäre das VS und man bräuchte eine Sicherheitsfreigabe...

    Naja, vielleicht hat der DBRD ja den Anwalt, der angeblich wenig Erfahrung mit Strafverteidigung hat und kein Medizinrechtler ist, vermittelt. Das würde ich dann auch geheimhalten wollen. :saint:

    Google brachte bei dem Alter des Kindes bis 2010 nur einen Treffer.. da ging es aber darum, dass die Eltern nicht mit dem Kind zum Arzt/ins KH sind..

    Ja, wie ich schon schrieb: Verfahren gegen Eltern und Ärzte (teils mit Freispruch, teils mit Verurteilung) findet man, aber nichts mit Sanitätern.

    EDIT: lese grade, die Autorin der Info auf LinkedIn hat folgendes geschrieben: „Die amtsgerichtliche Entscheidund ist, wie die meisten, nicht veröffentlicht.

    Ja, schon, aber man kann ja dennoch eine anoymisierte Fassung anfordern, gerade mit dem Ziel der Veröffentlichung. (Wobei man sich bei einem amtsgerichtlichen Urteil, das vermutlich rechtskräftig geworden ist und daher ohne Beweiswürdigung verkürzt abgesetzt werden konnte, auch keine besonderen Erkenntnisse erwarten darf ...)

    Dass der Junge bei sofortigem Transport mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überlebt hätte, halte ich zumindest für eine sehr gewagte Ansicht.

    Ich halte das - in Kenntnis meiner fehlenden medizinischen Qualifikation - bei der Schilderung sogar keinesfalls nachvollziehbar, aber das mag im Gutachten stehen; das muss man dann eben ggf. hinterfragen. Wenn der Verteidiger dann allerdings nicht nur kein Medizin(straf)rechtler ist - Rettungsdienstbezug halte ich für wünschenswert, aber hier völlig optional -, sondern noch nicht einmal (primär) Strafrechtler, ist das natürlich schwierig. Der Einzelrichter wird regelmäßig auch keine weitergehenden medizinrechtlichen Kenntnisse haben, bei der Staatsanwaltschaft kommt's arg drauf an; dann kann am Ende praktisch alles passieren. :S

    Ich darf von einem strafrechtlichen Verfahren gegen einen NFS berichten, welches ein Kollege geführt hat, jedoch der verurteilte Notfallsanitäter nun an mich heran getreten ist, mit der Bitte um Aufklärung und Warnung! Er möchte euch davor bewahren, dass es euch ggfs. so ergeht wie ihm. Jedoch zunächst zur Sache:

    https://de.linkedin.com/posts/…-7146769074088280064-YEig


    In der Presseberichterstattung finde ich dazu nichts (außer verschiedenen Verfahren, teilweise Verurteilungen, gegen Ärzte und Eltern wegen vergleichbarer Fälle). Hat von dem Fall schon jemand etwas mitbekommen?