Beiträge von thh

    Ist die Lösung im Notarztdienst nicht eine neu-geschaffene, gesetzliche Ausnahme geworden?

    Doch, schon.

    Ich halte es für nachvollziehbar, dass die kv dasselbe durchsetzen will, das Problem ist identisch.

    Eigentlich nicht. Die KV hat den Sicherstellungsauftrag und die Ärzte, ihn zu erfüllen. Wollen die Ärzte das nicht selbst tun, müssen sie eben jemand anderen dafür bezahlen. Einschließlich der Sozialabgaben.

    Es gab/gibt 2 Firmierungen: die Rettungsdienst Rheinhessen-Nahe gGmbH und den Kreisverband Mainz/Bingen. Der KV hat Krankenfahrten angeboten - verfügte aber nicht über den Fuhrpark. Ähnliches galt für den Hausnotruf. Normale Hilferufe wurden durch das "Blut- und Organ-Auto" bedient, es gab nur eines. In Duplizitätsfällen ist entweder ein KTW oder RTW der Rheinhessen-Nahe gGmbH geschickt worden. Selbst wenn fest stand, dass es lediglich eine Hilfeleistung - z.B. gefallen, keine Verletzung, kann nur aus eigener Kraft nicht aufstehen - erforderlich ist.

    Ja, das war lange (ist?) üblich (und benachteiligt natürlich die anderen Anbieter, Hilfsorganisationen und Private, die eigene Bereitschaftsdienste vorhalten müssen), das kenne ich auch noch. Die einen fahren die Hilfeleistungs- und "Nachschau"-Einsätze im Hausnotruf mit dem RTW, die anderen müssen dafür ein eigenes Fahrzeug und eigenes Personal vorhalten.

    Sicherlich anekdotisch, aber leider trotzdem wieder (bayerische) Realität: Während im Landkreis A die Aussage des Notarztes "ich fahre nicht mit, wenn Schmerzen > NRS 5, dann noch mal 0,1mg Fentanyl" kein Problem darstellt, gibt es im Landkreis B - falls am Ende so digital dokumentiert - richtig Ärger wegen BtMG-Verstoß.
    Wohlgemerkt: Landesweit einheitliche Delegation, nur von den einzelnen ÄLRD unterschiedlich ausgelegt.

    Das verstehe ich nicht. Der geschilderte Fall ist doch eine klare Einzelfall-Delegation durch den Notarzt; weiterer Regelungen bedarf es dafür nicht, und selbstverständlich können sie diese ärztlichen Befugnisse auch nicht einschränken.

    Naja, so ganz eindeutig war die Rechtsprechung bei nicht angestellten Ärzten, die als Freelancer unterwegs waren, anfangs ja nicht, was die Selbstständigkeit angeht. Das hat sich erst in den letzten Jahren zu deren Ungunsten verschoben. Beim Bereitschaftsdienst kommt hinzu, dass viele mit eigenem PKW und Koffer, sprich Material, unterwegs waren, und man höchstens das unternehmerische Risiko verneinen konnte.

    Es geht doch um Dienst in Notfallpraxen, bei dem die Hausbesuche - wenn es nicht ohnehin einen gesonderten Hausbesuchsdienst gibt - allenfalls einen kleinen Teil ausmachen; und in Baden-Württemberg gibt es dafür (fast) landesweit einen Vertrag mit den Maltesern, die ein Fahrzeug mit Fahrer stellen. Dass ggf. eine Hausbesuchstasche auf eigene Kosten zu unterhalten ist (wobei Verbrauchsmaterial regelmäßig in der Notfallpraxis aufgefüllt werden kann), scheint mir für eine selbständige Tätigkeit offenkundig nicht auszureichen.

    Das ist letztlich ein Problem der Gleichbehandlung und des berühmten "Wo fang ich an, wo hör ich auf?". Letztlich sind alle der genannten Disziplinen approbierte Ärzte und kein niedergelassener Arzt im Notdienst kann alle Fachbereiche abdecken, die anfallen können.

    Sie können dann ja vielleicht ein bißchen Notarzt fahren, um wieder reinzukommen. :S

    Es ist offenkundig, dass manche ärztliche Disziplinen, wie beispielsweise Allgemeinmedizin, Innere Medizin und Allgemein- & Viszeralchirurgie sicherlich leichter ein großes Spektrum abdecken, da sie ohnehin sehr breit sind und häufig Erkrankungen aus anderen Bereich mitbehandeln. Aber am Ende wird im Notdienst ja nur eine Grundversorgung angeboten, die einen bis zum nächsten Werktag überbrückt (entgegen der Erwartungshaltung). Und dafür soll die Zulassung als Arzt ausreichen.

    Diesbezüglich habe ich dann doch erhebliche Zweifel. Ärzte der betreffenden Fachrichtungen im Übrigen auch. Der einzige Rat, den ich dazu aus rechtlicher Sicht geben konnte, war eben auch: im Zweifel jeden einzelnen Patienten einweisen ... Sinnvoll ist das natürlich nicht. Und es ist natürlich auch keine Art, den Sicherstellungsaufrag zu erfüllen. Treibt man das lange genug, wird das Ende vermutlich nicht schön sein.

    Letztendlich kann ich schon ein wenig nachvollziehen, warum man den Steuer-/ Sozialversicherungsunterschied zwischen ärztlichem Notdienst und Notarztdienst nicht so recht sehen will und die gleich Ausnahme erzwingen möchte. Ob dies sinnvoll ist, bin ich sicherlich befangen, aber man muss schon bedenken, dass man in der Regel soviel zahlt, dass man sie gerade so vernünftig besetzt bekommt, und auch ein gewisses Interesse besteht, die Kosten des Systems so niedrig wie möglich zu halten, auch gesamtgesellschaftlich.

    Das würde dann ja dafür sprechen, auch in Kliniken, bei MFAs, im Rettungsdienst, ... auf die Zahlung von Sozialabgaben verzichten.


    Aber möglicherweise möchte man nicht, dass das - ohnehin derzeit aus allgemeinen Steuermitteln subventionierte - System noch weniger Geld hat, so dass auch im medizinischen Bereich weniger Geld übrigbleibt. Vielleicht nicht gesamtgesellschaftlich, aber wenn man in diesem Bereich tätig ist. :S

    Die KV muss halt nun die niedergelassenen, die sich bisher von ihren Diensten "freigekauft" haben, dazu zwingen, die Dienste selbst zu machen...

    Naja, das ist auch nur begrenzt sinnvoll.


    Die Notdienstordnung der KV BW verpflichtet alle (!) Vertragsärzte zur Teilnahme am Notdienst, unabhängig von der Fachrichtung, und sieht auch keine Befreiungsmöglichkeit vor ("Das Erreichen eines bestimmten Lebensalters, belegärztliche oder berufspolitische Tätigkeiten oder fehlende aktuelle Kenntnisse und Fähigkeiten für die Durchführung des Notfalldienstes sind keine schwerwiegenden Gründe im Sinne des Satzes 1", § 6 Abs. 2 S. 4 Notdienstordnung).


    Ob ein Pathologe, Radiologe oder Labormediziner im ärztlichen Bereitschaftsdienst sinnvoll ist, erscheint mir sehr fraglich - und selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, diese Fachrichtungen müssten dann eben selbst durch Fortbildungen und Hospitationen dafür sorgen, den Notdienst wahrnehmen zu können (was mir einigermaßen lebensfremd erscheint), geht das auch nicht von heute auf morgen.

    Idee... GmbH gründen, Ärzte einstellen. Ärzte teuer als Arbeitnehmerünerlassung an die KV vermieten..

    Wer steigt ein?

    Dafür braucht es doch keine GmbH und Arbeitnehmerüberlassung - warum sollte die KV die Ärzte nicht direkt einstellen können? Der Punkt dürfte doch eher sein, dass man die Sozialabgaben nicht zahlen "kann" bzw. will. Auch das lässt sich doch aber recht einfach dadurch lösen, dass jeder Vertragsarzt eben so oft "dran" ist, wie eben nach Zahl der Ärzte und Besetzung der Notfallpraxen nötig, und wer das nicht will, zahlt eine Umlage, aus der man dann die angestellten Ärzte bezahlt.


    (Das System ist ja sowieso in jeder Hinsicht skurril. Die KV verpflichtet hier - nach ihrer Notdienstordnung völlig korrekt - alle Vertragsärzte weitgehend unabhängig von der Fachrichtung zum Notfalldienst. Es ist aber ersichtlich wenig sinnvoll, bspw. niedergelassene Pathologen einzuteilen.)

    https://www.kvbawue.de/presse/…ichen-bereitschaftsdienst


    Es werden acht Notfallpraxen ganz geschlossen, sechs weitere öffnen nur noch an Wochenenden und Feiertagen. In den meisten weiteren werden die Öffnungszeiten verkürzt.


    Für die Patienten ändert das wahrscheinlich nicht viel, die können ja stattdessen in die Notaufnahmen gehen. Same, same. :S

    Meinem Arbeitgeber reicht das nicht, daher werde ich hier im Betrieb nicht als Ersthelfer geführt. ;-)

    Ich habe auch fast 10 Jahre lang erst alle zwei Jahre und dann jährlich an EH-Kursen teilnehmen müssen, um als betrieblicher Ersthelfer geführt zu werden (bis ich keine Lust hatte und das seitdem nicht mehr bin). Auf Nachfrage wurde mir aber auch angeboten, stattdessen eine regelmäßige Fortbildung als RettSan nachzuweisen (m.E. durchaus ein vernünftiger Einwand, zumal man das, wenn man noch aktiv ist, ja sowieso muss).

    Als ich den Bericht einstellte war er noch vollständig.

    Yep.

    Die Schule bzw. der Schulleiter hat es nicht hinbekommen das genügend Dozenten mit dem geforderten Profil beschäftigt waren.

    Vorsicht, das steht so nicht in dem Artikel. Es wird nur mitgeteilt, dass man sich "im Einvernehmen" getrennt habe wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die Ausrichtung der Schulen, und dann wird das Thema der Ausnahmegenehmigung diskutiert. Ob das (1) in einem kausalen Zusammenhang steht oder (2) nur zufällig parallel berichtet wird, damit man den Artikel verlängern kann, oder ob (3) ein kausaler Zusammenhang insinuiert werden soll, der möglicherweise nicht besteht, weiß man nicht. (Der Autor als selbsternannter "investigativer Journalist" lässt letzteres als wahrscheinlich erscheinen, aber man weiß es eben nicht.)

    Und irgendwann, wenn das ganze flächendeckend etabliert ist, wird jemand die Frage stellen: Wozu brauchen wir am Tiragetresen, in der ILS, im Rettungsdienst noch teures Fachpersonal, wir haben doch unsere Algorithmen, die statistischen Auswertungen zufolge zu 99,8% eingehalten werden...

    Natürlich. Für die Bedienung eines Systems, dessen Fragen man vorlesen und dann die Antworten anklicken muss, benötigt man kein Fachpersonal.

    Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages ordnet diesen jungen Mann eindeutig als Patienten wie folgt ein:


    […]

    Ein medizinischer Notfall liegt vor, wenn der Patient körperliche oder psychische Veränderungen im Gesundheitszustand aufweist, für die der Patient selbst oder eine Drittperson unverzügliche medizinische und pflegerische Betreuung als notwendig erachtet.1

    Was für ein Unsinn. Ob ein medizinischer Notfall vorliegt, ist eine objektive, keine subjektive Frage. Aber es passt natürlich in die heutige Zeit: ich fühle mich, ganz selbstbestimmt, als Notfall, also bin ich natürlich auch ein Notfall. Wer sollte denn besser wissen als ich selbst, was mit mir ist? Konsequent.

    Oder auch: Körperverletzung durch Unterlassen, BGH 1 StR 130/01 vom 25.04.2001

    Hm.

    Zitat von BGH, Beschluss vom 25.04.2001 - 1 StR 130/01

    Dem Angeklagten lag zur Last, er sei während eines gemeinsam mit dem Mitangeklagten S. durchgeführten Einsatzes als Rettungssanitäter nicht eingeschritten, als der Mitangeklagte den Geschädigten B. durch einen Fußtritt sowie mehrere Faustschläge in den Bauch so verletzte, daß dieser später im Krankenhaus an Einrissen im Dünndarm verstarb. Damit habe er sich der Körperverletzung durch Unterlassen schuldig gemacht; die Todesfolge wurde ihm nicht zugerechnet.

    Das scheint mir jetzt schon ein etwas anderer Sachverhalt zu sein als das, worüber wir hier sprachen. :S

    Sind diese Urteile so häufig?

    Nein, weil unterlassene Hilfeleistung nur vorsätzlich begangen werden kann; das würde also voraussetzen, dass die Besatzung die Notwendigkeit von Versorgung und Transport erkannt hat, aber trotzdem untätig blieb. Das ist ausgesprochen selten.


    Wenn sie hingegen die Notwendigkeit von Versorgung und Transport hätte erkennen müssen, weil sich das schon einem Laien aufdrängen würde, ist das ein Fahrlässigkeitsvorwurf. Dass eine solche Fehlbehandlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (!) den Tod oder eine Gesundheitsschädigung des Patienten herbeigeführt hat, der Schaden also bei einem Transport usw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeblieben wäre, lässt sich aufgrund des Patientenguts selten nachweisen.

    Die interne Dokumentation solcher Einsätze, aus der die mangelnde Indikation hervorgeht, ist natürlich schlau.

    Und im Zweifel rechtlich geboten ...

    Urteile gegen Retter wegen unterlassener Hilfeleistungen sind jedenfalls deutlich häufiger vorhanden als Entscheidungen gegen Retter wegen invasiver Maßnahmen...Da kenne ich keine einzige Entscheidung deutscher Strafgerichte.....

    Welche Entscheidungen gibt es denn wegen unterlassener Hilfeleistung?

    Anderes Thema:

    Die AOK Bayern verweigert übrigens in den Kostenträgerverhandlungen nun die Finanzierung der Bildung von Rückstellungen für Überstunden im RD. Die ÜS sollen umgehend ausgezahlt oder abgebaut werden.

    Woher das Personal kommen soll ist unklar.

    ... aber auch nicht das Problem der Kostenträger. Warum sollten es die Beitragszahler ausbaden, wenn die Leistungserbringer ihre Leistung nicht erbringen können? :S