Wobei ich schon finde, dass es einen Unterschied ausmacht, ob man in einem Forum eine Idee kontrovers diskutiert (dafür ist ein Forum ja da), und von verschiedenen Seiten beleuchtet, oder ob gleich eine Petition daraus wird.
Völlig richtig.
Ich habe allerdings zu Unterschriftensammlungen eine bestimmte Meinung und sehe bei öffentlichen Petitionen keinen Unterschied dazu.
Hier mag der Fall etwas anders liegen; ich kenne die Petition nicht. Ich habe aber den Eindruck, dass - möglicherweise aus der Sozialisierung mit Online-Medien heraus - mittlerweile zunehmend eine Neigung besteht, das, was man früher in der Kaffeepause oder am Stammtisch diskutiert (oder "diskutiert") hat, nicht nur bei Facebook, Twitter und Co. sowie auf Online-Petitionsplattformen mit der Allgemeinheit zu teilen, sondern auch in beliebiger (jnd zumeist nicht sinnvoller) Weise an "die da oben" heranzutragen: sei es als Petition, sei es als Strafanzeige, sei es in anderer Weise.
Die LHS Stuttgart bietet beispielsweise seit einiger Zeit einen "Bürgerhaushalt" an, ein Online-System, in dem jeder Bürger Vorschläge machen kann, wo sich etwas einsparen ließe und wo man Mittel investieren solle. Diese Vorschläge können begründet werden, und man kann dafür abstimmen. Grundsätzlich mag das eine gute Idee sein (ich traue mir eine unbefangene Beurteilung nicht zu), aber in der Praxis sieht man da auf der einen Seite einen Haufen Partikularinteressen (Förderung der lokalen Schule, des lokalen Sportplatzes, des lokalen Schwimmbades, Radwege, Verkehrsberuhigung vor der eigenen Haustür, aber nicht dort, wo man selbst hinfahren möchte), teilweise verbunden mit "Stimmen Sie für uns!"-Kampagnen, und zum anderen eine Menge Unsinn: es erscheint mir eher unwahrscheinlich, dass es Aufgabe der Haushaltsberatungen ist, die Legalisierung von Cannabis im kommunalen Bereich zu ermöglichen. Aber auch auf diese Weise bietet sich eben ein weiteres Medium, seine Ansichten zu äußern und zur Abstimmung zu stellen, ohne jeden Belang für das eigentliche Thema "Aufstellung des städtischen Haushalts". Nach meinem Eindruck gehen durchdachte Vorschläge, die das Pro und Contra abwägen und weder allgemeinpolitische Statements sind noch ausschließlich Partikularinteressenten ohne Rücksicht auf anderer Interessen vertreten, in diesem Wust schlicht unter.
Losgelöst von dieser konkreten Petition, die ja immerhin noch ein nachvollziehbares Anliegen verfolgt, führt die Gelegenheit zur Verbreitung aller möglichen kruden Ideen im Netz - gerne als "Tatsachen" dargestellt - auch zu deren Amplifikation: die Leute, die solchen Ideen anhängen, stellen fast, dass sie ja nicht alleine sind, sondern die Wahrheit nur unterdrückt wird - aber es gibt ja Gleichgesinnte! -, und andere glauben den Unsinn entweder oder halten ihn zumindest für möglich, oder nutzen ihn auch nur, wenn er ihnen gerade passt. Ein Beispiel dafür sind die (oft zusammenfassend) als "Reichsdeutsche" bezeichneten Bewegungen unterschiedlichster Art, denen aber gemein ist, dass sie entweder die Existenz der Bundesrepulbik Deutschland bestreiten oder zumindest der Auffassung sind, dass verschiedene Gesetze aus verschiedenen Gründen nicht mehr anwendbar sind und/oder Beamte oder Richter in Wahrheit gar keine solchen seien (und das auch wüssten); besondere Exemplare gründen auch direkt eigene Königreiche oder Regierungen, stellen Ausweise und Führerscheine aus oder ordnen die Festnahme (oder Erschießung ...) mißliebiger Personen an. Allen gemeinsam ist aber, dass bestimmte Rechtsakte - typischerweise Vollstreckungen durch Gerichtsvollzieher, Zwangsversteigerungen von Grundstücken, Bußgeldbescheide (v.a. im Straßenverkehr) und der Einzug der Rundfunkgebühren - als ebenso nichtig angesehen werden wie die aus der Weigerung, daran mitzuwirken, resultierenden Folgen oft eher unangenehmer Art. Wer in diesem Bereich arbeitet - gerade auch bei Gerichten und Strafverfolgungsbehörden - kann in der Regel gar nicht mehr zählen, wie oft er seitenweise Elaborate über die angebliche Rechtslage in Deutschland vorgelegt bekommt - und die Leute glauben oft ernsthaft, sie seien im Recht, mit allen Folgen, die aus dieser Unerinsichtigkeit resultieren. Das hat es in dieser Breite vor 10 oder 15 Jahren (und damit zugleich auch vor der starken Verbreitung des Internets in der Bevölkerung) ebenfalls noch nicht gegeben.
Aber ich schweife ab ...