Es ist ein Signal, dass der Justiz die Praxis die Realität des Einsatzdienstes fremd ist.
Möglich, aber irrelevant, weil zur Diskussion ernsthaft eigentlich nur der Sachverhalt stehen kann. Wenn es zutrifft, dass ein alleinfahrender Notarzt [1] auf der Anfahrt zu einem Kindernotfall [2] mit Sondersignal, Abblendlicht, Lichthupe und Nebelscheinwerfer [3] bei Überholmanövern den Gegenverkehr zu harten Bremsungen und Ausweichen ins Bankett gezwungen hat, ist das aller Voraussicht nach Nötigung und je nach konkreter Begehungsweise auch Straßenverkehrsgefährdung. In dem Fall wäre die Ahndung sehr maßvoll erfolgt; die Sperrfrist von sechs Monaten ist die Mindestfrist. War das nicht so, dann war's eben nicht so.
Dazu muss man "die Realität des Einsatzdienstes" nicht kennen. Und wenn man sie kennt, sollte man zu keinem anderen Ergebnis kommen.
[1] Grundsätzlich bereits nicht unproblematisch. Fahren, Einsatzstelle suchen, ggf. noch funken gleichzeitig ist keine gute Idee; umso weniger, wenn man zugleich der medizinische Einsatzleiter ist.
[2] Die Formulierung der Presseberichterstattung, auch und gerade im Hinblick auf die Zitate des Angeklagten, lässt der Vermutung Raum, dass es insoweit möglicherweise an der ausreichenden professionellen Distanz gefehlt haben könnte.
[3] Welche Rechtsnorm regelt eigentlich den Einsatz von Nebelscheinwerfern auf Einsatzfahrten?
Es ist darüberhinaus ein Signal, dass auch Bereiche der Notfallmedizin juristisch reglementiert werden.
Glücklicherweise, ja. Die Zeiten der sakrosankten Halbgötter in Weiß, Rot, Blau oder anderen Farben sind lange vorbei. Auch wenn das bei dem "stellvertretenden Kreisvorsitzenden des BRK-Kreisverbandes Neuburg-Schrobenhausen" (was für ein Name!) vielleicht noch nicht angekommen ist.
Wenn ich mir so die öffentlichen Stellungnahmen des Notarztes ansehe, würde ich eher darüber nachdenken, ob er seine Fahrerlaubnis zeitnah zurückerhalten möchte. Es wird ja mitnichten "der Führerschein für sechs Monate entzogen", sondern die Fahrerlaubnis (dauerhaft!) entzogen und der Führerschein, für den es dann keine Grundlage mehr gibt, eingezogen. Nach sechs Monaten darf dann die Fahrerlaubnis neu erteilt werden. Bei Äußerungen wie „Wie soll ich schnellstmöglich einem Menschen in Lebensgefahr helfen, wenn ich nicht schnell zum Einsatzort gelangen kann, weil schon die Notwendigkeit des Abbremsens und Ausweichens der anderen Verkehrsteilnehmer als Nötigung gewertet wird?“ würde mich als Fahrerlaubnisbehörde allerdings der Gedanke umtreiben, ob die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht sinnvollerweise von Auflagen abhängig gemacht werden sollte. Das darin zutage tretende Verständnis von den Grundsätzen der §§ 1, 35 Abs. 8 StVO erscheint mir jedenfalls außerordentlich bedenklich.
Vielmehr und das erlebe ich, traurigerweise, in der Intensivmedizin, ist es so, dass man oftmals sein ärztliches Handeln von der Angst vor rechtlichen Konsequenzen leiten und beeinflussen lässt und das dies oftmals nicht das Wohl des Patienten mehrt.
Das ist der eigentlich skandalöse Vorgang.
Allerdings! Wenn Ärzte aus Unkenntnis der sie betreffenden Rechtslage oder zur stromlinienförmigen Vermeidung potentieller Konflikte das Wohl des Patienten aus den Augen verlieren, sollte das Anlass sein, das eigene Berufsethos kritisch zu hinterfragen.
-thh