Es gibt bestimmt viele Gründe, die für eine Akademisierung sprechen, das meiste davon wurde schon genannt - dennoch gibt es noch so viele andere Baustellen, die gerne durch diese Diskussion überlagert werden. Wenn ich mir den normalen Alltag angucke, ist die Höherqualifizierung des NotSan nicht das, was jetzt und hier eine Systemverbesserung bzw. -änderung herbeiführt, denn dann fahre ich als B. Sc. zu den unnötigen Einsätzen.
Wie schon an anderer Stelle erwähnt, muss dieses Stückwerk aufhören. Durch ewiges Drehen an viel zu kleinen Rädchen wird es überhaupt nicht besser, was immer wieder gehofft wird. In den letzten zwanzig Jahren ist einiges passiert, was die Ausbildung und Ausrüstung angeht, so dass man stellenweise vom berühmten mit Kanonen auf Spatzen schießen sprechen kann. Die Demotivation der jungen und hochausgebildeten Kolleg:innen ist spürbar und oft genug muss ich mir in den Fortbildungen anhören, dass das zwar schön ist, wenn wir den Umgang invasiver Maßnahmen üben, die freigegeben Medikamente durchgehen, aber im originären Dienst findet davon nichts Anwendung. Der Großteil der Einsätze sind die, wo der Koffer einmal im Dienst geöffnet wird und ein Drittel der Anrufenden selbstständig in den RTW laufen.
Der Teufelskreis Bedarfsplanung ist in der aktuellen Form nicht aufzuhalten, denn mehr unnötige Einsätze bedürfen einer stetigen Erweiterung der Vorhaltung. Wenn vor 20 Jahren ein NEF, zwei RTW und zwei KTW für 50.000 Bürger:innen ausreichend waren, stehen dort heute vier RTW, ein NEF und sind den ganzen Tag mit Blaulicht unterwegs. Nötig ist es meistens nicht. Dieses System mit studierten NotSan aufzubauschen führt bestimmt nicht zu mehr Zufriedenheit und Verweildauer, und es können auch nicht alle in die Lehre und Forschung wechseln, weil sie feststellen, dass der Alltag einfach gleichbleibend unterfordernd ist.
Deshalb wäre in meinen Augen die Höherqualifizierung einer der Bausteine, die angegangen werden müssen, aber nicht der dringlichste. Vernünftige Vorhaltung durch vernünftige Disposition, Abkehr vom besser-mal-durchchecken-lassen, lieber doch den Arzt schicken, ordentlicher rechtlicher Rückhalt, der Fehler zulässt und die Anpassung der Hilfsfristen sind eher die Punkte, die etwas ändern würden. Aber was weiß ich schon…