Beiträge von Michael Neupert

    Damit Ihr Euch nicht streiten müsst: In NRW heißen die Mittelbehörden, an die Ihr denkt, Bezirksregierungen, davon gibt es fünf: Arnsberg, Detmold, Düsseldorf und Köln. Und geleitet werden sie, damit alle ein wenig recht haben, von einer Regierungspräsidentin bzw. einem Regierungspräsident.


    Außerdem haben wir noch die Oberfinanzdirektionen als Mittelbehörden. Aber die meint Ihr vermutlich nicht.

    Auch drei Kanzleien stellen lediglch drei Meinungen dar, alleine hier im Forum sind, wenn ich das richtig verstanden habe, zwei, in der Sache ebenso renommierte Juristen, genau konträrer Auffassung.

    Aus naheliegenden Gründen möchte ich dazu nicht zuviel sagen. Eins ist mir aber schon wichtig, weil ich finde, dass es weit über dieses Thema hinausgreift: Wir sollten uns alle bemühen, fachliche Sichtweisen nicht als (bloße) Meinungen abzutun. Das ist ein Problem, das in den letzten Jahren um sich greift und erhebliches Potential hat, ganz erheblichen Schaden hervorzurufen.


    Umgekehrt heißt das auch, dass fachliche Ausarbeitungen an fachlichen Standards zu messen sind und eben nicht Meinungsfreiheit für die fachlichen Aussagen in Anspruch nehmen können (für alles anderen Aussagen selbstverständlich schon). Solche fachlichen Standards gelten auch für juristische Beurteilungen.

    Das ist doch albern.


    Erkläre Du mir doch bitte mal, weshalb es so sein muss, dass innerhalb eines Bundeslandes in einem Landkreis zwingend ein NA zu alarmieren ist für die Anlage eines PVZ, im Nachbarkreis die Gabe von mehreren Medikamenten durch den NFS (samt PVZ) vom ÄLRD als Mass der Dinge gesehen wird.


    Es bleibt am Ende immer die Abhängigkeit vom Schicksal, welchem Lokalfürsten man gerade untersteht.


    Wer am Ende recht hat, ist mir da inzwischen fast egal.

    Finde ich nicht. Ich kann sofort mitgehen, wenn es unerklärbare Einschränkungen gibt. Falls es das irgendwo gibt, löst man es aber nicht über bundesweite Leitlinien, wenn es über die bestehenden landesweiten nicht klappt. Und sofern es an Einzelpersonen hängen sollte, scheint mir der erfolgversprechende Weg, sich mit diesen auseinanderzusetzen.


    Dabei würden mich im Einzelfall natürlich vor allem die Begründungen der verschiedenen Beteiligten für ihre Sichtweisen interessieren. Es ist ja nicht sehr rational, sein ganzes Personal für untauglich zu erklären, auf der anderen Seite aber auch nicht besonders hilfreich, mit einem "die anderen dürfen das auch" zu kommen.

    Du fragtest ja auch explizit nach dem Gegenteil

    Ich hatte nach Beispielen für Deine These gefragt, Notfallsanitäter würden in der Ausbildung lernen, weitreichende Entscheidungen zu treffen. Wenn das für Dich die genannten Ausnahmesituationen sind, einverstanden, das sind sie natürlich. Dann sind wir aber wirklich auch in einer sehr seltsamen Diskussion, wenn wir eine Heilkundeerlaubnis für den Normaleinsatz vom Extremfall her argumentieren. Oder wir reden permanent aneinander vorbei.



    Erlaubt sind Sie eben nicht. Ein Verstoß gegen das Verbot wird nur regelhaft nicht bestraft weil es einen Rechtfertigungsgrund gibt und damit die Rechtswidrigkeit im Nachhinein (!) entfällt.

    Entschuldige, dass mich das ermüdet - das stimmt so einfach nicht. Erstens gibt es im Fall des Notfallsanitäters, anders als bei Rettungsassistenten, eine klarere Regelung, und zweitens entfällt beim Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes die Rechtswidrigkeit nicht im Nachhinein und auch nicht auf irgendwie minderwertige Art und Weise. Auch die Einwilligung des Patienten ist ein Erlaubnistatbestand, und niemand stört sich dran, dass es eine tatbestandsmäßige Körperverletzung ist, trotz Einwilligung invasive Maßnahmen vorzunehmen.


    Was - nur im Konfliktfall - im Nachhinein geprüft wird, ist, ob die Voraussetzungen für ein Handeln vorlagen. Und daran wird sich rein gar nichts ändern, egal, wie man Tatbestände formuliert.


    Wobei es hier und da durchaus zu arbeitsrechtlichen Sanktionen gekommen ist welche dann im Anschluss gerichtlich wieder kassiert werden mussten, was ich mir für den Betroffenen im Einzelfall sehr belastend vorstelle.

    Belastend ist es zweifelsohne. Soweit ich die Fälle verfolgt habe, konnte man da sehr geteilter Meinung sein. Aber das zu diskutieren macht keinen Sinn, solange man die Akten nicht kennt.


    Unabhängig davon kritisiere ich am Referentenentwurf durchaus auch die geplanten Regelungen im Hinblick auf 1c-Maßnahmen - in allen Fällen, in welchen keine SAA vorliegt, wären die Hürden im Hinblick auf invasive Maßnahmen noch höher als heute (weil eine zusätzliche Hürde - nämlich der Versuch einer Kontaktaufnahme mit einem Arzt - eingezogen wird).

    Ich finde ehrlich gesagt schon bemerkenswert, das als Hürde zu bezeichnen. Man könnte es ja auch - zum Beispiel - als gesetzlich angeordnete Maßnahme zur Qualitätssicherung sehen. Und übrigens sagt der Referentenentwurf nicht, dass eine Kontaktaufnahme mit einem Arzt versucht werden muss.


    Das Problem des regionalen Erlasses möglicherweise völlig ungeeigneter SAA kommt noch hinzu. Ja, es gibt auch heute noch Rettungsdienstbereiche, in denen darf der Notfallsanitäter maximal rosa Venenverweilkanülen legen. Nur auf dem Handrücken und vielleicht noch im Bereich des Unterarms. Ohne eine Infusion anzuschließen. Das ist dann die "SAA" für manchen Patientenzustand - aber was mache ich, wenn sich der Patientenzustand trotz einer solchen SAA verschlechtert? Versuchen, einen Arzt zu erreichen, damit ich eine Infusion anhängen darf? Das kann im Jahr 2020 hoffentlich nicht ernst gemeint sein.

    Ja, das stimmt. In Bezug auf solche Fälle weißt Du aus Deiner so wie ich aus meiner beruflichen Tätigkeit aber doch, dass das mit hoher Wahrscheinlichkeit jeweils eine Mixtur unterschiedlicher Gründe im Einzelfall ist. Will sagen: So etwas löst man nicht mit einer bundesweiten Kampagne, sondern durch eine konstruktive und sachliche Analyse mit anschließendem Change Management, um ein hübsches neues Modewort für Dinge zu nehmen, die wir täglich tun. Weil es einerseits eine ganze Reihe Gründe dafür geben wird, warum das die "SAA" ist, und weil wir andererseits eine bundesweit geltende Gesetzgebung nicht an einem Problemfall im Auenland festmachen sollten.


    Ich kenne auch nicht wenige Ärzte, die genau das Gegenteil behaupten. Und nun?

    ...sehen wir, dass das eine komplexe Fragestellung zu sein scheint. Bewährte Lösung dafür ist: Es entscheidet derjenige, der die Verantwortung trägt, also strukturell in nicht wenigen Orten der / die ÄLRD und im Einzelfall der / die NotSan, ob die Regel im rechtfertigenden Notstand beiseite gelassen wird (was immer gilt und möglich ist).


    Die Realität zeigt, dass genau das in der Fläche nicht funktioniert. Man hätte seit 2014 fünf Jahre Zeit gehabt, Entsprechendes umzusetzen - passiert ist vielerorts annähernd nichts.

    Das scheint mir so nicht ganz zu stimmen. Ich finde allerdings fünf Jahre für einen recht grundlegenden Veränderungsprozess auch nicht sehr lang. Schon generell nicht, und im Fall des Rettungsdienstes kommt noch hinzu: An vielen Orten muss man mit einer Mischung unterschiedlichen Personals umgehen. Die vol ausgebildeten Notfallsanitäter kommen ja jetzt erst in größeren Mengen in den Beruf.



    In Bayern feiert man sich auch noch für die landesweite Delegation von Analgesie & Glucosegabe, während der NotSan inzwischen oftmals im Falle einer Sauerstoffgabe das NEF nachfordern muss - DAS gab es selbst in der 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht.

    Analgesie ist - da die Vorabdelegation nicht geregelt ist - ein gar nicht so schlechtes Ergebnis. Die Sauerstoffgabe wundert mich auch, ich kenne aber die Gründe dafür nicht und kann deshalb nicht beurteilen, wie das kommt.



    Ich empfehle einen Blick in die Fachinformation. Das, in Kombination mit einer dreijährigen medizinischen Berufsausbildung, sollte für eine Maßnahme ausreichen, die de facto jede pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin mehrfach täglich durchführt indem sie das gleiche Präparat ohne jede Untersuchung des Patienten über die Ladentheke schiebt. Wir sollten hier mal die Kirche im Dorf lassen...

    Ich habe gestern nur fix in die gelbe Liste geschaut, fand aber, dass ein paar Punkte mich vor einer iv-Gabe bei einem Notfallpatienten stutziger machen würden als bei der präventiven Einnahme vor einer Busreise. Natürlich darf man das nicht zu hoch hängen. Wir reden allerdings über ein verschreibungspflichtiges Präparat (so zumindest die von mir ergoogelte Fachinformation mit Stand 2016).


    Ja, ich gebe zu, ich beziehe hier (aus tiefster inhaltlicher Überzeugung!) gerne die "Extremposition", ähnlich wie Du es auch tust ("therapeutische Freiheit vs. rigide Vorgaben/enge Leitplanken").

    Weißt Du, das ist genau so ein Punkt, an dem ich oft die Lust verliere. Wir diskutieren ein paar Tage sachlich, und jetzt heißt es, ich würde eine Extremposition beziehen, nämlich "rigide Vorgaben / enge Leitplanken". Das habe ich seit 1994 - mein erstes Jahr im Rettungsdienst - glaube ich nicht ein einziges Mal gemacht.


    Mir ist natürlich klar, dass die sehr ausführliche Stellungnahme, in der ich mir im letzten Jahr eine Menge Gedanken gemacht habe, vor allem deshalb totgeschwiegen wird, weil der falsche Name draufsteht, und ich verschwende meine Energie auch nicht mit verletzter Eitelkeit. Wenn wir aber in Diskussionen nicht über Sachargumente reden, sondern damit anfangen, dass jemand halt einfach sowieso eine Extremposition vertritt, dann sind Diskussionen sinnlos. Jeder kann dann in seiner Blase vor sich hinleben, mit den sich überall abzeichnenden Folgen für die Gesellschaft.


    Meine tiefe Überzeugung ist, dass wir alle gemeinsam nur die sehr angenehme zivilisatorische Situation erhalten können, in der wir leben dürfen, wenn wir in der Sache aufrichtig argumentierend Überzeugungen hinterfragen. Erkenntnistheoretisch gesagt: Der Weg besteht in Falsifikation. Auf der Ebene bin ich jederzeit ansprechbar.


    Und genau deshalb gilt hierzu:


    Vielleicht sollten wir uns auf die Frage konzentrieren, wie eine gute Lösung aussehen könnte, welche den unterschiedlichen Sichtweisen von Juristen, Ärzten und Rettungsfachpersonal gerecht wird.

    Mache ich.


    Den letzten Teil verstehst Du bitte nicht als persönlichen Vorwurf. Mir wird nur einmal mehr bewusst, weshalb ich mich eigentlich entschieden hatte, an der Diskussion nicht mehr teilzunehmen.

    Dafür halte ich den gegenwärtigen Ausbildungsumfang allerdings ein wenig überzogen ;-) Das bekommt man anderenorts mit deutlich kürzeren Ausbildungsgängen hin.

    Ohne über Details von Curricula sprechen zu wollen - dreijährige Ausbildung ist der Normalzustand (!) im beruflichen Bildungswesen. Dass man auch mit einem Dreimonatskurs Menschen ins Krankenhaus fahren kann, war ja ausdrücklich als unzeitgemäß nicht mehr gewollt. Und das finde ich auch genau richtig.



    Beispiele für entsprechend invasive und zumindest nicht völlig risikofreie Interventionen wären die Kardioversion bei tachykarden Rhythmusstörungen mit Instabilität oder die Entlastungspunktion beim Spannungspneumothorax - ohne Frage seltene Maßnahmen

    Das sind, wie Du selbst sagst und wir alle wissen, nun definitiv keine Einsatzsituationen, die das Berufsbild prägen. Du schreibst aber selber:


    Insofern ist die Heilkundeausübung nichts, was in "Extremsituationen ausnahmsweise mal gemacht werden darf" - sondern das schlichte und völlig schnörkellose Tagesgeschäft.

    Lass uns doch bitte darüber sprechen und nicht über lebensrettende Maßnahmen. Die sind völlig zweifelsfrei erlaubt, und die Kritik am Referentenentwurf dreht sich nach meinem Verständnis auch nicht darum. Oder doch?


    Ich finde es wesentlich anspruchsvoller, in einer Notfall- und Akutsituation eine Anamnese zu erheben, Symptomatik, Patientengeschichte etc. zu würdigen & zu bewerten und dann postwendend u.U. "maximalinvasiv" tätig zu werden.

    Je nun. Jetzt sagen nicht wenige Ärzte, Lebensrettung sei aber der klarste Teil der Geschichte. Und die haben da - no pun intended - vermutlich den besseren Überblick.



    In aller Deutlichkeit: Ich glaube wer für eine Ampulle Dimenhydrinat eine SAA braucht, der hat deutlich den Beruf verfehlt.

    Ich glaube, bei den SAA geht es weniger darum, dem Notfallsanitäter Sicherheit zu vermitteln. Da bin ich ganz bei Dir. Abzugrenzen ist: Wieviel Dimenhydrinat kann ohne vertiefte medizinische Kenntnisse und ohne ärztliche Diagnosestellung bei einem bestimmten Zustandsbild mit so geringem Risiko verabreicht werden, dass es den Nutzen unterschreitet, und zwar so, dass dies immer zutrifft?


    Nochmal: Es geht hier ja nicht um eine generelle Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde, sondern nur um den Werkzeugkasten den man für's Tagesgeschäft braucht.

    Und ich habe immer noch nicht verstanden, was gegen SAA spricht, die das regeln. Wenn es keine gibt, ist das ja ein Argument für ihre Einführung und nicht für eine formale Handlungsfreiheit von Notfallsanitätern im Umgang mit Medikamenten.



    Mir fällt auch kein weiterer Beruf ein, in diesem diese Problematik so ausgeprägt ist - was aber daran liegt, dass ich kein Berufsbild kenne, in welchem der KERNBEREICH der eigenen Berufsausübung zu 100% von Entscheidungen einer anderen Berufsgruppe abhängt. Es geht ja hier eben nicht um "bestimmte Tätigkeiten", sondern um annähernd ALLE berufsfeldspezifischen Tätigkeiten.

    Die berufsfeldspezifischen Tätigkeiten sind Lebensrettung, Treffen zeitkritischer Maßnahmen zur Abwehr schwerer Gesundheitsschäden und - so ausdrücklich - Mitwirkung bei ärztlicher Versorgung. Deshalb kann ich Deine These nicht teilen. Im Gegenteil scheint mir das Berufsfeld ganz maßgeblich durch Entscheidungen einer anderen Berufsgruppe geprägt zu sein. Und das ist auch nicht schlimm, denn das ist in ganz vielen anderen Berufen so:


    - Der Beikoch kocht, was und wie der Küchenchef will.

    - Der Zimmermann baut das Dach, so wie es der Bauleiter vorgibt.

    - Der Assistenzarzt fährt die Narkose so, wie es der Chefarzt bestimmt.

    - Piloten folgen den Prozeduren, die in ihrer jeweiligen Gesellschaft von einem Leitungszirkel ausgegeben werden.


    Und ich bin sicher, mit etwas mehr Zeit ließe sich die Liste fortsetzen.


    Aber ich suche eben den Rat einer höher qualifizierten Berufsgruppe nur dann wenn ich ihn brauche.

    Und genau an der Stelle entsteht, entschuldige bitte, das Risiko, um das es geht: Die Selbstüberschätzung auf Grundlage einer soliden, aber deutlich weniger intensiven Ausbildung.


    Natürlich muss man dem Umstand Rechnung tragen, dass wir zum Glück endlich (!) eine Rettungsdienstausbildung haben, die diesen Namen verdient. Genau deshalb haben wir meines Erachtens jetzt (oder, biologischen Gründen geschuldet, hier und da auch erst in einigen Jahren) eine Situation, die es möglich macht, mit SAA vorzugehen. Weil wir endlich nicht mehr bessere Kutscher vor Ort haben, bei denen man nur auf den individuellen Willen zur Weiterbildung setzen konnte, sondern Fachpersonal mit recht gut definierten Kenntnissen und Fertigkeiten.

    Zunächst mal ein herzliches Dankeschön an thh & Michael Neupert für die sehr engagierte Diskussion & die vielen wertvollen Impulse. Ich hatte aus vielerlei (i.e.L. beruflichen) Gründen schon eine Weile keine Zeit mehr für diesen Austausch & gerade im Moment wird mir klar wie sehr ich das vermisst habe. Letztlich ringen wir alle um eine vernünftige Lösung & es ist gut, dass qualifizierte Juristen sich so intensiv an dieser Diskussion beteiligen!

    Gerne - auch wenn ich es deutlich pessimistischer sehe und mich nach wie vor in der Einschätzung bestätigt sehe, dass eine sachliche Diskussion dieser Probleme kaum gewünscht ist. Das hat allerdings ausdrücklich nichts mit Deinen Beiträgen zu tun!



    Wenn Du Die Frage schon nicht beantworten kannst - wie soll ich das hinten im RTW tun?

    Aus meiner Sicht: Gar nicht, Du sollst die SAA ausführen und / oder in lebensbedrohenden Situationen erweiterte Erste Hilfe leisten ;).


    Die Besonderheit ist, dass der Notfallsanitäter unter Zeitdruck weit reichende medizinische Entscheidungen treffen und anschließend u.U. "maximalinvasiv" tätig werden muss.

    Das ganz bestimmt, aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist: Wo ist der Unterschied hinsichtlich der eigenständigen Ausübung der Heilkunde über den erlernten Beruf hinaus? Hast Du mal ein Beispiel für das Konfliktfeld, über das wir reden? Also eines, wo Notfallsanitäter in der Ausbildung lernen, eine weitreichende medizinische Entscheidung zu treffen? Vielleicht müssten wir auch klären, was Du unter "weitreichend" verstehst - nach meinem Verständnis taucht in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung dazu nichts auf.


    ch habe sehr bewusst "im engeren Sinne" geschrieben. Natürlich üben alle diese Berufe in letzter Konsequenz Heilkunde aus.

    Genau das ist ja der springende Punkt. Eine Heilkunde "im engeren Sinne" gibt es nicht. Die entscheidende Frage ist, was in der Heilkunde des jeweiligen Berufes drin ist. So führt es der Sache nach ja auch das VG München in der von Dir zitierten Entscheidung aus.


    Der Sinn einer Differenzierung zwischen 1c/2c erschließt sich mir bis heute nicht. Salopp ausgedrückt: Wer kardiovertieren kann (und darf), der kann (und sollte) bei massiver Übelkeit im Akutfall (und nur dann) auch zur Anwendung eines Antiemetikums berechtigt sein.

    Das finde ich erstaunlich, denn der Sinn liegt m. E. auf der Hand und deckt sich mit dem, was ich aus dem einen oder anderen Gespräch mit Ärzten mitgenommen habe: Je weiter ich auf der Zeitachse in den Bereich vor einer Lebensgefahr gehe, desto komplexer wird die Medizin, desto mehr ist zu bedenken und desto eher ist eine höhere Qualifikation angezeigt. Daraus resultiert die Idee, diese höherrangige Qualifikation in einer gewissen Anzahl von Fällen in SAA / SOP zu fassen, um Ressourcen optimiert einzusetzen.


    Was das Antiemetikum angeht, bin ich völlig bei Dir. Deshalb gehört aus meiner Sicht eine SAA "Übelkeit" (Arbeitstitel) in den Katalog, alternativ die Gabe in die relevanten SAA. Wie bei anderen SAA auch bin ich sehr sicher, dass man erst beim Schreiben solcher Anweisungen merkt, was genau sich verallgemeinern lässt und was eben doch komplexer sein kann.


    In Anbetracht der gegenwärtigen Rechtslage ist das aber leider keine ernsthafte Option...

    Wie gesagt, ich kann diesen Punkt nicht greifen. Mir fällt auch bei ernsthaftem Nachdenken wirklich kein einziges anderes Feld ein, in dem das Fachpersonal meint, seinen Beruf nicht ausüben zu können, weil bestimmte Tätigkeiten der Entscheidung einer höher qualifizierten Berufsgruppe obliegen. Ich kann verstehen, wenn das jemandem zu wenig ist und er deshalb den Beruf wechselt, aber nicht, dass man an der Berufsausübing gehindert sei.


    Seltsam. Bei Notfallsanitätern macht man das vielerorts jedes Jahr. Aber ich weiß worauf Du hinaus willst. Albern finden darf ich das hoffentlich trotzdem noch

    Bei Piloten macht man das sogar noch öfter - und die finden es nicht albern ;).

    Eine Befugnis zur eigenständigen (!) Ausübung der Heilkunde "im Umfang ihrer Ausbildungen", also ohne vorherige ärztliche Delegation, Anordnung oder Verordnung, sehe ich bei Gesundheitsfachberufen nicht (und kann ich auch Deinem Beitrag in der Notfall+Rettungsmedizin 2015 nicht entnehmen).

    Ist allerdings so - anders ließe sich das Spannungsfeld zum Heilpraktikergesetz ja nie auflösen, nachdem die Zeiten vorbei sind, wo nur der Herr Doktor irgendetwas Relevantes tun durfte. Siehe den zitierten Beitrag aus 2019 - da habe ich das ganze Thema sehr ausführlich aufgemetert. Steht für jedermann kostenlos zum Download bereit, der sich gerne informieren möchte ;).



    Übrigens kann eine sektorale Heilpraktikerlaubnis auch nicht ohne weiteres für jeden Bereich erteilt werden. Wenn ich mich recht erinnere, ist das gerade im Hinblick auf Osteopathen - was auch immer man von der Osteopathie an sich hält - umstritten; die Rechtsprechung lehnt m.E. eine sektorale Heilpraktikererlaubnis für Osteopathie ab, ohne eine solche ist aber die eigenständige Erbringung (auch für "ausgebildete" Osteopathen) verbotene Ausübung der Heilkunde.

    HIer überscheiden sich zwei Probleme: Die sektorale Heilpraktikererlaubnis beantwortet die Frage, ob die Erlaubnis teilbar ist; im Fall des Physiotherapeuten kam die Frage hinzu, ob er sich einer Kenntnisüberprüfung unterziehen muss. Letzteres war für die - für "Physiotherapie" beantragte - Erlaubnis ersichtlich entbehrlich, nachdem der Kläger Physiotherapeut war. Es macht einfach keinen Sinn, jemanden für etwas zu prüfen und ihm eine gesonderte Erlaubnis abzuverlangen, worin er geprüft ist und für das er eine explizite Erlaubnis hält.


    Osteopathie ist nach meiner Erinnerung keine gesetzlich geregelte Ausbildung, erst recht kein Ausbildungsberuf. Die Inhalte sind auch nicht deckungsgleich mit einem Ausbildungsberuf. Also greift insoweit nicht das Argument, eine Kenntnisüberprüfung sei überflüssig.


    meine mich aber zu erinnern, dass die sektorale Heilkundeerlaubnis für Phyisotherapeuten dann erforderlich ist, wenn Physiotherapie auch ohne ärztliche Verschreibung (also ohne ärztliche Diagnosestellung!) erbracht werden soll, weil eben das auch für Phyisotherapeuten nicht zulässig ist. Insofern ging es nicht um eine bloße Erleichterung der Abrechnung.

    Doch, am Ende schon. Denn wenn es eine ärztliche Diagnose gibt, gibt es regelmäßig auch eine Verschreibung. Wenn die also Privatleistungen erbringen wollen, kommen sie in die Thematik. Aber am Ende ist das natürlich nur das andere Ende der gleichen Wurst.

    Nach einhelliger Meinung mehr oder minder aller mir bekannten Juristen darf eine SOP letztlich keinerlei eigene Ermessens- oder Entscheidungsspielräume eröffnen, so dass letztlich in der Tat eine absolute Verbindlichkeit gegeben ist. Allerdings: Viele der mir bekannten SOP lassen solche Spielräume (zu erkennen an Worten wie "oder" bzw. "erwäge"), so dass es sich letztlich eher um Algorithmen handelt.

    Ich schaffe es jetzt nicht mehr, das noch zu vertiefen, weil ich mich mal der eigentlichen Arbeit widmen muss. In der Kürze nur so viel: Das ist schon noch um einiges komplexer.

    Im Vergleich zu vielen anderen Berufen halte ich eine entsprechende Sonderstellung vor dem Hintergrund von Ausbildung und Aufgabenspektrum durchaus für gerechtfertigt.

    Sorry, ich nicht. Ich meine das nicht böse, sehe aber nicht, welche Besonderheit gegenüber anderen Fachberufen bei Notfallsanitätern besteht. Ich bin da gerne für eine Diskussion offen. Aber dass Absolventen einer dreijährigen Berufsausbildung im Rettungsdienst nun eine fachliche Sonderstellung gegenüber zum Beispiel Gesundheitspflegern, Augenoptikern, Physiotherapeuten oder Logopäden hätten (um im Gesundheitswesen zu bleiben), leuchtet mir nicht ein.



    Es gibt im Übrigen wenige Berufe, bei denen wirklich eine "Heilkundeausübung" i.e.S. erfolgt bzw. zwangsläufig ist, in diesem Fall werden ggf. sektorale Genehmigungen zur Ausübung der Heilkunde erteilt.

    Nochmal sorry, das ist doppelt falsch: Erstens üben alle von mir oben genannten Berufe mehr oder weniger die Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes aus. Und zweitens sind die alle - genau wie Notfallsanitäter - im Umfang ihrer Ausbildungen dazu ohne ausdrückliche Regelung befugt. Das kannst Du in der von mir oben zitierten Veröffentlichung mit Quellenangaben nachlesen (S. 7 f.). Im Übrigen weist auch die vom DBRD veröffentlichte Stellungnahme von Frank darauf hin, dass dieser Gesichtspunkt in der Diskussion leider schlicht ausgeblendet wird.


    Explizit erteilt wird eine sektorale Heilkundeerlaubnis in diesen Fällen nicht. Eingeklagt hatte sie ein Physiotherapeut (ich meine, es war ein Mann), um seine Abrechnungstätigkeit mit den Krankenkassen zu erleichtern, wenn ich mich richtig erinnere.


    Ärzte sind im Hinblick auf die Berufsausübung mehr oder minder völlig frei (Sorgfaltspflichten und haftungsrechtliche Belange mal außen vor gelassen). "Vorgaben" machen die einschlägigen Fachgesellschaften in Form von Leitlinien - und ich habe überhaupt kein Problem damit (ganz im Gegenteil), wenn ein guter & engagierter ÄLRD auf entsprechender Basis SOP entwickelt. Aber solche SOP können dann eben nur die Richtschnur sein, nicht das Maß aller Dinge.

    Bis Ärzte "frei" arbeiten dürfen, durchlaufen sie im Regelfall sechs Jahre Studium und - ich glaube - fünf oder sechs Jahre Facharztausbildung, beides auf einem anderen Niveau als die Ausbildung zu einem Fachberuf. Ich sehe da einen erheblichen Unterschied.



    niemand zwingt den ÄLRD, sinnvolle SOP zu veröffentlichen.

    Finde ich unsachlich. Wenn wir mit Einzelfällen anfangen, in denen etwas schlecht läuft, verliert das Rettungsfachpersonal deutlich, würde ich meinen. Abgesehen davon ist die Kernfrage, wer beurteilt, was sinnvoll ist. Einer hält dafür den Kopf hin, und der entscheidet das dann auch.


    Wenn Du wüsstest, wie oft ich um ärztlichen Rat bitte - oder aus dem Einsatz heraus einen Arzt anrufe. Der Unterschied ist: Ich bin mir meiner Grenzen bewusst und suche Hilfe & Rat, wenn ich sie brauche. Genau wie der Assistenzarzt oder der Zimmermann. Aber eben nicht, weil ein Gesetzgeber mir von vorneherein völlige Inkompetenz unterstellt.

    Ja, und wenn niemand sich je überschätzen würde, bräuchten wir eigentlich so gut wie gar keine Gesetze. Nun ist die Welt aber - unglücklicherweise - nicht nur von klugen Leuten bevölkert.


    Und, wieder einmal sorry: Niemand unterstellt Notfallsanitätern von vorneherein völlige Inkompetenz.



    Und da ein NotSan in seiner Ausbildung primär in der Ausübung von Heilkunde im medizinischen Not- und Akutfall ausgebildet wird, benötigt er diesbezüglich eine klare und unmissverständliche Erlaubnis - da wären wir beim Vorschlag des Bundesrates, der aber nur ein erster Schritt sein kann.

    Der Vorschlag des Bundesrates ist nun wirklich komplett ungeeignet, weil er das Problem nicht einmal anfasst, was hinsichtlich der Vorabdelegation besteht (S. 20 der zitierten Veröffentlichung).



    Was wir ganz sicher nicht brauchen ist ein "wenn das Kochbuch versagt, das Telefon ausgefallen ist & nach einer umfassenden juristischen Einschätzung Handlungsbedarf besteht - versuch Dein Glück, wenn Du die entsprechende Maßnahme mal gelernt hast".

    Erneut sorry: Ich begreife wirklich nicht - also: ganz ohne Zorn, rein intellektuell - wieso diese Aussage ständig wiederholt wird. Weil ich überhaupt nicht verstehe, wie sich daraus ein Argument gegen SOP ergeben soll, zum Beispiel.


    In letzter Konsequenz: Eher ja als nein. Das gilt aber nur für mich persönlich,

    Dann ist der Weg klar: Raus aus dem Fachberuf in den akademischen. Gilt in allen Bereichen des Berufslebens.

    ...rechtssicher?

    Jetzt werfen wir aber den Ist-Zustand und die vorgeschlagene Änderung durcheinander. Der Ist-Zustand wirft genau die Fragen auf, die - nicht nur - ich übrigens schon im Gesetzgebungsverfahren kritisiert habe. Kernproblem sind aber nicht die 1c-Maßnahmen, sondern die 2c-Maßnahmen. Weil, wie Du richtig zitierst, eben nicht klar ist, was diese Maßnahmen rechtlich sein sollen.


    Bislang ist die einzige juristische Erklärung dafür die Delegation. Die passt aber nicht, weil Delegation nach ganz gefestigter Auffassung eine individuelle Untersuchung und Diagnosestellung des jeweiligen Patienten durch einen Arzt voraussetzt. Also habe - nicht nur - ich die Frage aufgeworfen, wie sich der Gesetzgeber das Ganze eigentlich vorstellt, nachdem er es nicht klar gesagt hat.


    Genau diese Lücke will der Referentenentwurf doch nun schließen. Wie das juristisch gehen könnte, habe - nicht nur - ich im letzten Jahr so formuliert:


    "Da das klassische Delegationsmodell nicht in Betracht kommt, stellt sich die Frage, wie ein im ersten Zugriff „arztloses“ System fachlich so gestaltet werden kann, dass der Nutzen (Lebensrettung, Verhinderung schwerer gesundheitlicher Schäden, ethisch und medizinisch begründete Maßnahmen im Vorfeld unmittelbarer Lebensgefahr) die Risiken (Schaden durch Behandlungsfehler wegen fehlender Diagnosekompetenz) übersteigt und damit auch fachlich rechtfertigbar macht. (…) Bei der fachlichen Gestaltung bleibt – soweit man von einer positiven Nutzen-Risiko-Bewertung ausgeht – nur ein neues Modell übrig, in dem die notfallmedizinischen Sachverhalte und Umstände klar beschrieben sind. (…)


    (…) können medizinisch-fachliche Leitsymptome und Vorgaben zur Akutbehandlung so bestimmt formuliert werden, dass sie qualifiziertem medizinischem Fachpersonal hinreichend sichere Verhaltensmaßstäbe an die Hand geben. Durch solche typisierten Verhaltensmaßstäbe kann die ärztliche Befähigung für die Notfallbehandlung ein Stück weit entbehrlich werden. Eine Substitution ärztlicher Heilkunde findet damit jedoch nicht statt.


    Dieses Modell wird seit Jahren unspezifisch als „Vorabdelegation“ bezeichnet und enthält im Rettungsdienst die bereits oben (3.2) angesprochenen algorithmengestützten Vorgaben der Ärztlichen Leitungen Rettungsdienst (…)" (Lechleuthner / Neupert, Rechtssicherheit (nicht nur) für Notfallsanitäter/-innen. Aktuelle Diskussion – Lösungsansatz, 2019, S. 26 f.).


    Deshalb verstehe ich Deinen Hinweis nicht, für die Vorabdelegation fehle eine Rechtsgrundlage. Ja, genau das ist das Problem, und genau das will der Referentenentwurf lösen. Ob er das wirklich sinnvoll tut - gute Frage.

    Es gibt viele Stellungnahmen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Einschätzungen. Genau das ist ja einer Gründe, warum vielerorts Rechtsunsicherheit beklagt wird.

    Tut mir leid, aber ich kenne diese sehr unterschiedlichen Einschätzungen nicht. Also, im Ernst: Im Grunde kenne ich nur die Beschwerde aus Retterkreisen, dass alles unklar geregelt sei. Und das seit mindestens 1994 (damals habe ich meinen Rettungssanikurs gemacht, vermutlich gab es aber auch schon in den Sanhelferkursen davor dieses Thema).


    Die ganze juristisch-fachliche Diskussion dreht(e) sich der Sache nach darum, ob eine ärztliche Delegation erforderlich ist, wenn es um invasive Maßnahmen außerhalb von Notstandslagen geht. Und diesbezüglich gab es die wesentliche Argumentation zum Rettungsassistenten.


    Beim Notfallsanitäter ist das Kernproblem, dass man unter dem seltsamen Begriff der "eigenständigen Mitwirkung" das Vorfeld der Lebensgefahr explizit zum Ausbildungsgegenstand gemacht hat. Und zwar - aus meiner Sicht sachlich richtig, siehe oben - auf der Basis von SOP. Genau an dieser Stelle lässt sich nun noch diskutieren, ob eine "Eigenständigkeit" in diesem Sinne mit dem Heilprakikergesetz kollidiert. Wenn man sich also Gedanken um das Thema macht, muss man genau an dieser Stelle ansetzen, und das unternimmt der Referentenentwurf zumindest stillschweigend, indem er sich noch mehr darauf festlegt, dass der Gesetzgeber von einer Delegation der 2c-Maßnahmen ausgeht.


    Wenn ich als Notfallsanitäter im Einsatz bin, treffe ich diagnostische und therapeutische Entscheidungen - anders ausgedrückt: Ich übe Heilkunde aus.

    Und das schon heute legal. In einem Graubereich bist Du erst, wenn Du den Bereich der Lebensrettung und Deiner sonstigen Ausbildung verlässt. Denn für diese Gesamtheit ergibt sich - siehe die Stellungnahme aus dem letzten Jahr - ohne weiteres eine Heilkundebefugnis.



    Wenn ein ÄLRD mir dabei eine nutzbare SOP als Guideline (und mehr kann eine SOP niemals sein wenn man seinen Beruf und seine Aufgabe ernst nimmt!)

    Sorry, das halte ich für unzutreffend. Eine SOP ist - je nach ihrer Gestaltung - eine verbindliche Weisung Deines Vorgesetzten und keine Guideline.


    Die kann und darf aber niemals das eigene Denken oder gar das Treffen von Entscheidungen ersetzen

    Das sagt ja nun auch niemand.

    Meine Erwartungshaltung ist recht simpel: Der Notfallsanitäter wird hinsichtlich der in Aus-, Fort- und Weiterbildung vermittelten Inhalte zur Ausübung der Heilkunde berechtigt (aktuelle Gesetzesentwürfe nehmen meist nur Bezug auf die "Ausbildung" - was bei wörtlicher Auslegung jede Weiterentwicklung verhindern würde). Der Gesetzentwurf des Bundesrates war da ein erster (!) Schritt in die richtige Richtung.


    Das wäre allerdings eine Sonderstellung unter allen Heilberufen, einschließlich des ärztlichen. Weshalb ausgerechnet Notfallsanitäter der einzige Beruf sein sollte, der über seine Ausbildung hinaus zur Heilkundeausübung berechtigt sein sollte, erschließt sich mir wirklich nicht.

    Das würde auch zu einer kompletten Zersplitterung führen, die in der Praxis niemand nachhalten und irgendwie tauglich prüfen könnte. Und ich verstehe auch nicht, was die praktische Konsequenz dieser Lösung sein sollte. An welche Weiterbildungen denkst Du denn, die über die Berufsausbildung hinaus einen Bedarf an Heilkundebefugnis erzeugen, welcher nicht durch den jetzt vorgelegten Entwurf abgedeckt wird?


    Oder geht es bei dem Wunsch eher um weisungsfreies Arbeiten, verstehst Du "Heilkunde" also als anderen Ausdruck für "frei von ärztlichen Vorgaben"?



    Dein Informationsstand ist insoweit korrekt, als das in jedem Bundesland irgendwer irgendwelche SOP "veröffentlicht" hat. Teilweise ist die Zahl der SOP extrem überschaubar und deckt nur ein unwesentlich über die damalige "Notkompetenz" hinausgehendes Spektrum ab (z.B. Rheinland-Pfalz), anderenorts gibt es zwar auf dem Papier "landesweite" SOP, deren Anwendung in vielen Rettungsdienstbereichen aber nicht gestattet ist (NRW ist da das Paradebeispiel).

    Wenn das so wäre, müsste man sich sicherlich in den einzelnen Rettungsdienstbereichen anschauen, aus welchem Grund die Anwendung landesweiter SOP nicht gestattet ist. Zumindest die mir bekannten ÄLRD sind durchaus reflektierte Leute, die sich überlegen, was in ihrem jeweiligen Rettungsdienstbereich sinnvoll ist.



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    Danke! Das ist nun aber nicht eben ein Beispiel für ein auf Gesetzesebene spielendes Problem... Nach meiner Erinnerung gab es dort eine relativ heftige Auseinandersetzung.


    Ein entsprechendes Vorgehen lässt sich für mich nicht mit einer qualifizierten Ausbildung in Einklang bringen.

    Das respektiere ich, halte es aber für grundfalsch. Es ist die berufliche Realität, Weisungen zu unterliegen, auch und gerade mit einer qualifizierten Berufsausbildung auf Gesellenebene (und übrigens auch mit deutlich weitergehenden Ausbildungen). In aller Regel ist das auch die Art und Weise, wie Systeme gute Ergebnisse erzielen. Und mir leuchtet überhaupt nicht ein, was das sachliche Argument sein soll, das dagegen spricht, in schwierigen Situationen Rat bei fachlich besser Qualifizierten einzuholen (Zeitnot ist im Gesetzentwurf ja ausdrücklich ausgenommen).


    Sicher kann man bestimmte Maßnahmen unter einen gesonderten "Erlaubnis- bzw. Freigabevorbehalt" stellen,

    So schlägt es der Entwurf ja aber nicht vor. Die Regelung betrifft Fälle, in denen es keinen gesonderten Vorbehalt gibt. Aber selbst wenn: Was spricht sachlich dagegen? Jeder Assistenz- und Stationsarzt fragt in schwierigen Lagen seinen Oberarzt, der Zimmermann den Bauleiter und der zweite Küchenchef den ersten. Bei mir stehen regelmäßig jüngere Kolleginnen und Kollegen im Büro, die nach vier Jahren Studium, zwei Jahren Referendariat, einer Promotion und ein bis drei Jahren Berufserfahrung lieber nachfragen.


    Wir verlassen hier den originär juristischen Teil, aber ganz ehrlich - ich kann die Motivation schlicht nicht greifen, die dahinter steht. Und ich bin ein eher offener Mensch, der von Berufs wegen ganz gut mit unterschiedlichen Standpunkten umgehen kann.



    m Übrigen bin und bleibe ich der Überzeugung, dass sich ein wesentlicher Teil des rettungsdienstlichen Alltags nicht mit SOP abbilden lässt.

    Respektiere ich auch, weise aber darauf hin, dass das eine ganze Menge Leute anders sehen. Und mir sind die damit verbundenen Schwierigkeiten durchaus bewusst.


    Es geht bei dieser Haarspalterei letzten Endes darum, dass der NotSan nur einzelne / isolierte Maßnahmen durchführen soll, welche aufgrund Ihrer Komplexität und evtl. Invasivität mitunter dem Erlaubnisvorbehalt des HPG unterliegen.

    Erst einmal gilt, was ich oben geschrieben habe - den Wunsch nach "freiem Dürfen" kann ich tatsächlich mit einer dreijährigen Berufsausbildung nicht gut in Einklang bringen. Und dann habe ich bislang auch noch kein Sachargument dafür gehört. Bislang dreht sich die gesamte Diskussion doch um eine rechtssichere Anwendung des in der Ausbildung erlernten Könnens und nicht um eine darüber hinausgehende Befugnis?


    "Heilkunde" ist wie bereits in zahlreichen juristischen Fachbeiträgen auch aus Deiner Feder dargelegt ein deutlich "generalistischer" Begriff, welcher ein eigenständiges Würdigen von Sachverhalten & das Treffen eigener Entscheidungen umfasst.

    Ja, das stimmt. Deshalb findet sich in dem letzten von mir mitverfassten Beitrag ja auch die Idee, sich von dem monolithischen Heilkundeverständnis offiziell zu verabschieden - der Sache nach ist das ja schon längst passiert und sind eine Reihe von Berufen schon längst zur Heilkundeausübung befugt. Auch Notfallsanitäter übrigens. Und das ist keine juristische Diskussionssache, sondern schlicht Fakt. Das Problem ist "nur", wie weit die jeweilige Befugnis nun reicht.



    Die "Durchführung heilkundlicher Maßnahmen" ist für mich eine mehr oder minder beschönigende Umschreibung für jede Form der Delegation - denn wer in diesem Rahmen arbeitet, führt mitunter heilkundliche Maßnahmen durch, aber eben ohne selbst die Heilkunde auszuüben. Im stationären Bereich gibt es den Begriff der "Behandlungspflege" - hier werden im Rahmen konkreter Handlungsanweisungen heilkundliche Maßnahmen durchgeführt, aber es erfolgt keine eigenständige Ausübung der Heilkunde.

    Zum Thema Delegation siehe erstens oben: Es ist nicht ehrenrührig, auf Weisung zu arbeiten. Zumal im Rahmen der Weisungen, über die wir hier sprechen, eine Menge Platz dafür bleibt, als Notfallsanitäter eigenständig zu arbeiten. Es wäre ja etwas übertrieben, den Beruf als eine Art Hilfsknecht zu beschreiben. Das würde ich auch hinsichtlich der Behandlungspflege als wenig zutreffend sehen.


    Wir kommen aber wieder an den gleichen Punkt, glaube ich. Ich spitze es einmal etwas zu, nicht in böser Absicht, sondern um den Punkt herauszuarbeiten: "Eigenständig" ist für Dich, dass Dir niemand sagt, wie Du einen Patienten behandeln sollst?

    Was mich persönlich in entsprechenden Diskussionen immer wieder irritiert: Warum haben manche (auch durchaus sehr qualifizierte und engagierte) Juristen so ein großes Problem damit, sich für eine zielführende, den tatsächlichen Realitäten entsprechende und vor allem zukunftsfähige Lösung einzusetzen?

    Ich weiß nicht genau, wen Du meinst, aber falls Du mich ansprechen möchtest: Das tue ich seit Jahren. Im letzten Jahr mit einem ganz erheblichen Zeitaufwand nebenher, ehrenamtlich. Auswirkung auf die Diskussion: Null. Stattdessen ist - no pun intended - aus dem einen Lager stets zu hören, man könne nicht "richtig" arbeiten, und "ärztliche Skeptiker" wären das Problem. Das ist nun zum einen beides nicht wahr (und insbesondere hinsichtlich der Ärzte habe ich da einen ganz guten Einblick) und zum andere nicht sachlich. Also provokante Gegenfragen: Was ist denn Deine Erwartungshaltung, und an welcher Stelle genau siehst Du die durch die (teils seit Jahren bekannten) Vorschläge nicht erfüllt?



    ch halte es nicht nur für unwahrscheinlich sondern für völlig ausgeschlossen dass alle diese Fälle von SOP erfasst werden können

    Konkrete Rückfrage: An welchen SOP hast Du das gespiegelt? Mein Informationsstand ist, dass es in allen Bundesländern SOP gebe.



    Was aber, wenn eine SOP vorliegt, die inhaltlich nicht weiterhilft? Ich kenne da zwei große Rettungsdienstbereiche in unserer Region, in welchen genau das häufiger der Fall ist (nur ein Beispiel von vielen: In einer Analgesie-SOP wird über viele Jahre ein de facto unwirksames Präparat gelistet, anschließend wird über einen langen Zeitraum zusätzlich ein Präparat genannt, welches auf dem deutschen Markt weder zugelassen noch erhältlich - und wahrscheinlich in vielen Fällen auch nicht sonderlich geeignet - ist).

    Würdest Du mir das per PN schicken, bitte? Dann müssen wir die hier nicht nennen.


    Auch der hier und da zu hörende, durchaus etwas spöttische Kommentar "Wir sind auf dem Rückweg in die 80er" scheint nicht ganz unberechtigt - in meinen rettungsdienstlichen Anfangsjahren (Mitte der 90er) war es in der Tat nicht unüblich, sich invasive Maßnahmen telefonisch durch den Aufnahmearzt "absegnen" zu lassen. Weniger aufgrund eines Bedarfes an ärztlicher Expertise, sondern einfach um sinnbefreiten Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Freunden der Telemedizin sei übrigens der Eintrag "Biophone" in der englischsprachigen Wikipedia ans Herz gelegt. Nach Lektüre dieses Beitrages ist klar, dass Herr Spahn uns vermutlich weniger in die 80er des vergangenen Jahrhunderts befördern würde...sondern eher in dessen 70er.

    Wie verhält sich Deine Kritik dazu, dass ein "Absegnen" nur dann erforderlich ist, wenn Notfallsanitäter ohne vorliegende SOP handeln wollen, also im - aus Sicht des Gesetzgebers - Normalfall auf Grundlage einer SOP handeln dürfen?


    Ausübung der Heilkunde (und nicht nur "heilkundlicher Maßnahmen")

    Worin liegt aus Deiner Sicht der Unterschied?



    Früher oder später wird (nicht nur) der Notfallsanitäter ganz offiziell die Heilkunde ausüben

    Das macht er ja schon, und das ganz legal. Kann man in einer seit letztem Jahr öffentlich verfügbaren Stellungnahme mit ausführlicher Begründung lesen. Und damit schließt sich der Kreis dann wieder zum Einstieg: Wieviel juristisches Engagement soll es denn (noch) sein?