Beiträge von Charlescrabs

    Als jemand, der gerade in besagter KV-Leitstelle sitzt und die Übergaben von der FW sieht, kann ich bestätigen, dass die Feuerwehr einiges abgibt und das auch sinnvoll ist.

    Als Jemand der schon mehr als einen Tag im Berliner Rettungsdienst gefahren ist, kann ich aber auch sagen, dass das Ergebnis der Abfrage / Disposition immer noch verbesserungswürdig ist und die FW noch seeehr viel mehr abgeben könnte.


    Steinigt mich, aber mein subjektiver Eindruck ist, dass hier insgesamt recht gute Arbeit geleistet wird, was das abarbeiten von Lappalien angeht. Das ist aber nur möglich, weil hier die Mitarbeitenden neben dem standardisierten Abfrageprotokoll weitergehende Fragen stellen und sich die nötige Zeit nehmen können um dem tatsächlichen Problem auf den Zahn zu fühlen. Höhertriagieren als das Protokoll vorgibt ist immer möglich, eine Herabstufung geht nur über eine telefonische Beratung eines Arztes. Angebliche Atemnöte oder Brustschmerzen, die sich als ein leichter Husten entpuppen werden hier aber idR. nicht blind beschickt. Ist hier alles goldig? Nein. Wird das System ad absurdum geführt, wenn nur der kleinen Prozentsatz eingeschätzt werden kann der es durch die Warteschleife geschafft hat? Ja. Aber meiner Meinung nach stimmen die Ansätze. 5 weitere Mitarbeitende pro Schicht in der KV Leistelle könnten wahrscheinlich schon eine spürbare Verringerung der Alarmierungszahlen bei der FW zu Folge haben. Just my 2 Cents. Erfahrungen können je nach Standort und Standpunkt variieren.


    Idealerweise bekommt jede anrufende Person die Hilfe die sie benötigt, und keine höherwertige Ressource.

    Wenn die Abfrage perfekt nach Plan funktioniert, das Ergebnis aber nicht perfekt ist, finde ich, dass man durchaus fordern darf das Abfragesystem anzupassen.


    Irgendwann müssen wir uns auf gesellschaftlicher Ebene eingestehen, dass wir nicht jeden Notfall zu 100% am Telefon erkennen können, das durchschnittliche Outcome aber profitieren würde wenn nicht alles sicherheitshalber mit einem RTW mit Blaulicht zu beschickt würde. Politisch extrem schwieriges Dillemma, welches in der BILD kaum differenziert erklärt würde. Der Status Quo mit täglichen „Ausnahmezustand“ wegen fehlenden (oder zu oft geschickten) RTW sorgt jedenfalls täglich für Verzögerungen bei tatsächlichen zeitkritischen Notfällen.

    Kennt jemand zu der Thematik irgendwelche Untersuchungen?

    Ich finde das veranschaulicht das Problem auch ganz gut. Das ist ja ein Anwenderfehler, darum kam 3-B-1 raus.

    Und wenn in diesem Fall das Programm einen RTW ausspuckt sehe ich den entsprechenden Disponenten in der Pflicht kurz innezuhalten und den Vorgang nochmal zu überdenken. Ich würde den Disponent*innen mal (naiver weise?) nicht unterstellen, dass sie die Disponierung eines RTW zu einem Zeckenbiss als sinnvoll ansehen.
    Aber das aktuelle System gibt es anscheinend nicht her, dass diese so entscheiden oder entscheiden dürfen und generiert auf diese Weise haufenweise unnötige Fehleinsätze. Das muss besser gehen.

    Dann werd mal konkreter bitte. Wie genau war das codiert? 3A1? 3A2? 3A3?
    Oder war es einfach abgebrochen und händisch festgelegt?

    So genau sollte man schon sein, wenn man damit "das Problem" veranschaulichen möchte.

    80 Jahr(e) alt, Weiblich, Bei Bewusstsein, Atmet. Code: 3-B-1: Notfallmeldung: w80#Zecke am Rücken. 1. Es handelt sich um einen Tierbiss. 2. Es ist nicht bekannt, wann es passierte. 3. Sie wurde von einem ungefährlichen (nicht EXOTISCHEN) Tier verletzt/gebissen: Zecke 4. Der Aufenthaltsort des Tieres ist nicht bekannt. 5. Es blutet nicht STARK. 6. Sie reagiert normal (Sie ist vollkommen wach). 7. Die Verletzung befindet sich in einer MÖGLICHERWEISE GEFÄHRLICHEN Körperregion (nicht Brustkorb/Hals/Kopf). 8. Es gibt Verletzungen - sie sind nicht oberflächlich oder schwer.

    Hierzu einfach § 26 DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" vorlegen. Unter dem Absatz 2 ist hier folgendes zu lesen:

    Zitat

    "Der Unternehmer darf als Ersthelfer nur Personen einsetzen, die bei einer von dem Unfallversicherungsträger für die Ausbildung zur Ersten Hilfe ermächtigten Stelle ausgebildet worden sind oder über eine sanitätsdienstliche/rettungsdienstliche Ausbildung oder eine abgeschlossene Ausbildung in einem Beruf des Gesundheitswesens verfügen.Die Voraussetzungen für die Ermächtigung sind in der Anlage 2 zu dieser Unfallverhütungsvorschrift geregelt."

    Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass smed in der jetzigen Form bei vielen Patienten eine sinnvolle Empfehlung gibt. Gefährlich wird es dann, wenn man smed blind vertraut wird. Gefühlt kann smed bei ca 20% der Patienten nicht richtig angewendet werden oder gibt Empfehlungen die unter/übertriagiert sind. Für diese Fälle braucht es Fachpersonal welches mitdenkt und auch mal smed „überstimmt“.

    Gerade bei Bagatellen hilft es aber richtige Fragen zu stellen, dieses zu dokumentieren und auf Basis dessen jemanden begründet an die richtige Stelle verweisen zu können. Notfälle erkennen, die ich ohne smed nicht gesehen hätte passiert seltener.

    Hiernach meinen Informationen soll wahrscheinlich das Ersteinschätzungsverfahren SMED eingesetzt werden. Wer sich das mal anschauen möchte kann das hier tun: Klick

    Interessant finde ich die Möglichkeiten die sich dadurch ergeben, dass die Rettungsstellen explizit Patienten ablehnen sollen und an die ambulanten Versorgungswege verweisen, inkl Terminvermittlung.


    edit: link korrigiert

    Also alles so wie jetzt, wo sich der Dienstarzt der KVB weigert hinzufahren wird an den RD abgegeben.

    Rückenschmerzen seit 6 monaten? -> RTW

    Chronische Bronchitis? -> RTW
    Infektiöse Durchfälle? -> RTW


    Nur drei (von mehreren) Beispielen aus dem gestrigen Spätdienst....

    Der Arzt, der nach der Disposition durch die Leitstelle selbst entscheidet ob er ihn besuchen möchte ist ein wahrlich interessantes Konstrukt und sicherlich von Befindlichkeiten des Arztes abhängig (z.B. Uhrzeit, Müdigkeit des Arztes, Entfernung zum Einsatzort, Freundlichkeit des Pat, rassistische Ressentiments….).

    Besser wäre es, wenn die Leitstelle (inkl. TeleArzt) entscheidet ob ein Hausbesuch stattfindet. Das anzugehen dürfte aber natürlich bei der Ärzteschaft für Missgunst sorgen.

    Da ich Smed des Öfteren benutze kann ich sagen, dass es in der aktuellen Ausführung gänzlich ungeeignet für die Notfallabfrage bei der 112 ist. Wenn ich z.B. die Symptome Kopfschmerzen + Rückenschmerzen eingebe, dauert es bei älteren / „langsamen“ Patienten gerne mal >7 Minuten um alle Fragen zu stellen.

    Was ich mir vorstellen könnte: vor dem eigentlichen Protokoll gibt es eine kurze Vorabfrage für lebensbedrohliche Notfälle („akut Lebensbedrohliche Situation ja / nein / unklar). Dort könnte stattdessen ein Abfrageprotokoll der 112 eingefügt werden.

    Gibt es überhaupt eine zentrale Vermittlung von Krankentransporten in Berlin? Oder muss der Kunde solange telefonieren, bis einer ja sagt?

    Der Kunde muss solange telefonieren bis er jemanden gefunden hat. Die KV-Leitstelle aber ebenso. Das hat dazu geführt, dass mit steigenden Einsatzzahlen und sinkender Verfügbarkeit von KTW 1-2 Disponenten damit beschäftigt waren Krankentransporte abzutelefonieren. Covid-Patienten waren teilweise gar nicht wegzubekommen.

    Und ist die Feuerwehr zur Übernahme verpflichtet?

    ja, dazu ist sie laut Rettungsdienstgesetz verpflichtet.

    Sie jetzige Änderung der Codes hat aber einen spürbaren Effekt: die Anzahl der an die KV abgegebenen Einsätze hat sich mehr als verdoppelt. Das gab es in den letzten zwei Jahren so nicht.


    Zu dem Veröffentlichen der Stichworte müsste man noch hinzufügen, dass die Zeitung hier aus einem internen Dokument zitiert, welches augenscheinlich die Runde macht.