Beiträge von Hilope

    Bei uns waren die letzten ärztlichen Direktoren allesamt aus nicht-klinischen Fächern, mit Ausnahme eines Chefarztes, der aber das Amt nach nur einem Jahr oder so wieder abgegeben hat. Erfahrung wie es auf den Stationen so zu geht? Wahrscheinlich null.


    Wie schon angeklungen, reißen kann man da ohnehin nichts, eher im Gegenteil, das Amt kostet in erster Linie Zeit und man bekommt bei Vorstandssitzungen von der Verwaltungsseite gesagt, dass erst mal Einstellungsstopp ist. Da man gleichzeitig aber auch eigener Abteilungsleiter ist und auch bleiben möchte, wird man sich hüten, den großen Käse zu spielen, weil auch Chefärzte heute nicht mehr unkündbar sind. Das haben bei uns in den letzten Jahren schon einige erfahren müssen.


    Deswegen: Geschäftsleitung = kaufmännischer Direktor.

    Zum Papierkrieg:
    Es erfolgt, so sehe ich das, überhaupt keine Überprüfung vorhandener Zettel und Papiere, im Gegenteil, es kommen weitere hinzu. Bei uns auf Intensivstation haben wir glücklicherweise eine EDV-gestützte Patientenakte. Dennoch dokumentiere ich z.B. Bronchoskopien in der PC-Akte, muss dennoch ein weiteres Formular mit ähnlichem Inhalt auf Papier dokumentieren (Bronchoskopienachweis). Von Zeit zu Zeit möchte man eine Statistik erheben, wann denn so bronchoskopiert wird, dann darf das auch noch in einem extra Formular eingetragen werden. Also habe ich 3 unterschiedliche Formulare für nur einen Vorgang auszufüllen. Als kleines Beispiel aus meinem Tätigkeitsbereich. Ein anderes: Wird ein Patient verlegt, obliegt es hier dem Arzt die Beatmungszeiten, gegebene Blutprodukte für die Abrechnung herauszufinden. Sicher keine ärztliche Tätigkeit. Et cetera.


    Das letzte Highlight tätigkeitsfremder Arbeiten diesen Jahres war, dass, sofern die Stationssekretärin in Urlaub, krank oder sonst wo ist, von oberärztlicher Seite gewünscht wurde, dass doch bitte das ärztliche Kollegium die Papierakten des Patienten ordentlich sortiert und abheft. Klar, wer auch sonst...



    Zur Geschäftsleitung:
    Ich arbeite in einem kommunalen Krankenhaus, welches sich noch nicht in einem Verbund befindet. D.h. die Geschäftsleitung besteht, wie von Ani geschrieben, aus einem ärztlichen Direktor, der halt nichts zu sagen hat, im Gegensatz zum fast allmächtigen kaufmännischen Direktor. Er ist mehr oder weniger nur dem Aufsichtsratsgremium verpflichtet, das sich mehrheitlich aus Stadtratsmitgliedern inklusive der Oberbürgermeisterin zusammensetzt, abgesehen von der in der deutlichen Minderheit befindlichen Arbeitnehmervertrtern (2 Ärzte und 3 (ehemalige)Pflegekräfte). Dieser Aufsichtsrat bestimmt aber sicher nicht das Tagesgeschäft oder bestimmt, wie viel Personal wo eingesetzt wird bzw. welche Aufgaben es dort zu übernehmen hat. Hier geht es darum, dass das Haus bestimmte Zahlen zu erreichen hat. Das Wie ist letztlich dem Geschäftsführer überlassen. Die Mitarbeitervertrter werden klein gehalten, z.B. indem man immer mal wieder unterschwellig mit Verkauf an eben einer dieser Klinikverbünde droht.



    Zur Checkliste:
    Das war lediglich eine bildliche Beschreibung, wie mit Fehlern, die aus Überlastung/ mangelnder Qualifikation usw. entstehen, umgegangen wird. Es wird nicht die Ursache, nämlich der Personalmangel bzw. die fehlende Qualifikation angegangen, sondern der Missstand wird durch Pseudoaktivität umgangen oder man führt etwas ein, was das mögliche Organisationverschulden bzw. die eigene Haftbarkeit wieder reduziert.

    Vier oder fünf Braunülen zu legen ist an und für sich kein Problem, wenn man nicht parallel dazu, wie in dem Artikel geschrieben, 5000 Formulare, Anträge, Papiere etc. auszufüllen hätte. Oder für eine adäquate Anzahl von Patienten zuständig wäre. Oder wirklich nur für sein Station da wäre. Oder, oder oder.


    Der Artikel beschreibt plastisch genau das, was auch in den anderen Threads zur Sprache gekommen ist: Arbeitsverdichtung ohne Ende, massivster Stress für alle Beteiligten, groteske Fehler, Zeitverschwendung für unsinnigste Dinge und am Ende eines zehrenden, engagierten Arbeitstages trotzdem große Frustation und Zeichen von Burn out.


    Am Ende vom Jahr bedankt sich die Geschäftsleitung aber freundlicherweise mit warmen Worten für die tolle Zusammenarbeit, für das, was man gemeinsam erreicht hat, wie weit man doch ist mit den zahlreichen Zentren, Zertifizierungen, Siegel, wie gut man da steht...


    Wenn dann aber plötzlich schmutziges OP-Besteck auftaucht, Frühgeborene an kontaminierter Nahrung sterben kann sich das irgendwie keiner erklären. Wahrscheinlich menschliches Versagen. Einzelfälle.


    Aber man reagiert prompt: neue Checkliste! Problem gelöst.

    Soweit mir bekannt, stellt das Personal des Labors die Blutabnahme-Teams. Diese nehmen auch bei gehfähigen Patienten im Labor das Blut ab.


    Ergänzung:
    Nochmals: Klar, es gibt 100% Auslastung auch in anderen Bereichen. Aber bei der Bettenbelegung ist es eben nur ein Durchschnittswert. Einige Tage mit 70 oder 80% gleichen die akute Überlastung der Infrastruktur, des Personals etc. mit 130% Auslastung nicht aus, vor allem weil in diesen Zeiten das Personal nicht hochgefahren wird. Im Gegenteil, aufgrund von fehlendem Personal ist eigentlich noch nicht einmal die Zeit der Minderauslastung adäquat abgedeckt.

    Wenn ich als Notarzt ein Bett für einen Patienten benötige, egal ob Normal-, Überwachungs- oder Intensivbett, dann telefoniere ich nach wie vor altmodisch die in Frage kommenden Krankenhäuser ab, angefangen beim sinnvollsten. Das kostet im ersten Moment vielleicht etwas mehr Zeit, aber im persönlichen Gespräch lässt sich meistens doch noch etwas managen. Schildert mir jedoch ein Kollege eindringlich, dass er bereits den Schockraum mit Intensivpatienten belegen musste, dann vertraue ich erst einmal darauf, dass ich nicht angelogen werde und fahre ein anderes Haus an. Aber wie schon gesagt, wenn alle voll sind und eine zu weite Strecke nicht zu vertreten ist, dann trifft es eben eins.


    Im Übrigen muss ich mit dem ein oder anderen Kollegen am nächsten Tag durchaus auch noch zusammen arbeiten (vor allem im eigenen Haus), so dass ich mir teilweise schon erlebte ins Persönliche gehende Streitereien verkneife.

    Es ist aktuell genug Geld da. So lange Yoga-Kurse und Prämien gezahlt werden können, kann díe finazielle Lage nicht so schlecht sein.


    Die Krankenhäuer tun tatsächlich schon viel, Blutabnahme-Teams, HauswirtschaftlerInnen etc., Hin-und-Her-Geschiebe von Personal durch verschiedene Abteilungen...


    100% Auslastung im Schnitt bedeutet eben weniger "Leerläufe", weniger kurze Auszeiten auch für das Personal. Folglich eine höhere Arbeitsdichte für alle, damit aber auch mehr vermeidbare Fehler und Zwischenfälle, ein höherer Krankenstand mit erneut höherer Belastung für die noch Verbliebenen usw. Ein Teufelskreis, der letztlich wahrscheinlich mehr kostet, als das, was man sich von der hohen Belegung erwünscht.

    Das erfordert allerdings, dass man die Probleme auch in die "gehobene Etage" bringt. Ich habe regelmäßig den Eindruck, dass sich das "Fußvolk und Bodenpersonal" über derartige Themen zwar heiss redet, auf die Frage, was "die gehobene Etage" dazu sagt, hört man dann: "Ach da passiert eh nichts", "Mit denen kannst du nicht reden", "Die haben keine Ahnung" und sonst noch was. Dann muss ich mich nicht wundern, wenn das Problem weder angegangen noch ansatzweise gelöst wird.


    Die Probleme sind bereits auf der oberen Etage angekommen. Wie ich aber bereits schrieb, es ist Wunsch in der Politik, die Krankenhausbetten maximal auszulasten.

    Es ist politisch gewünscht, dass die Bettenauslastung der Krankenhäuser im Durchschnitt weiter gegen 100% strebt. Es werden also weiter Betten reduziert oder kleinere Häuser geschlossen bzw. umgewidmet werden. 100% im Durchschnitt impliziert dann eben, dass es auch Auslastungen von deutlich mehr als 100% gibt. Möchte man das vermeiden, müssen die Patienten verlegt werden, die Wege werden weiter, weil es die anderen, kleineren Häuser in der Nähe nicht mehr gibt. Und wieder ein Punkt, warum die Auslastung des Rettungsdienstes weiter steigt bzw. mehr Fahrzeuge benötigt werden.


    Es wurde schon angesprochen: Die "Null-Meldung" signalisiert erst mal, dass alles belegt ist. Natürlich kann man irgendwie Kapazitäten schaffen, sei es in der Notaufnahme, auf Intensiv- oder Normalstation oder auch im OP. Aber die Versorgung des Patienten leidet stark darunter. In der Aufnahme müssen die Patienten deutlich länger auf Untersuchung und Behandlung warten, diese findet unter starkem Zeitdruck statt, grenzwertige Patienten werden von Intensiv- auf Normalstation gelegt, die Nachtschwester auf Station muss dann nachts statt der regulären 30 Patienten 40 oder 50 versorgen, weil die Zimmer überbelegt sind, Patienten landen auf fachfremden Stationen usw.


    Das sollte man als Rettungsdienst im Hinterkopf behalten, bevor man mit dem Gesetzbuch in der Aufnahme auftaucht. Selbstverständlich gibt es auch Fälle, wo in der näheren Umgebung alle Häuser "zu" sind, dann trifft es eben eins.


    Ansonsten sollte man sich überlegen, wie man reagieren würde, wenn der RTW in Status 7 noch 2 weitere Patienten versorgen und ggf. mitnehmen soll. Geht bestimmt auch irgendwie...

    Durch die Klimaanlage ist es tatsächlich meistens kühl, Erkältungen sind durch das "künstliche Klima" nicht selten, dauerhafte künstliche Beleuchtung auch in der Nacht ist ein erheblicher Faktor für einen schlechten Schlaf und einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus, ein durchgängiger Lärmpegel durch die Alarme, und durchgängig heißt tatsächlich fast 24 Stunden, sorgen für erheblichen Stress usw.


    Ich kenne wenige Arbeitsorte, die solch ein krankmachendes Arbeitsumfeld bieten.


    Im Übrigens, bei "uns" gibt es Licht und Heizungen auf den Rettungsdienstfahrzeugen. Und die summierten 30 Minuten im Kalten während einer Schicht...