Hat etwas gedauert, bis ich Zeit zum Lesen fand.
Schön zu sehen, daß Bewegung in der Frage der Novellierung kommt. Der Entwurf beinhaltet eine Menge Vorteile für die zukünftige Rettergeneration. Vor Allem das Thema Finanzierung der Ausbildung. Toller Ansatz!
Dennoch Blicke ich mit ein Wenig Skepsis und punktueller Sorge auf den Entwurf:
1. Die Ausweitung der praktischen Ausbildung im Krankenhaus ist gut gedacht. Die Struktur der ausbildenden Krankenhäuser jedoch so sehr unterschiedlich, daß ich Zweifel habe, daß der NS trotz längerer Dauer invasive Maßnahmen gelehrt bekommt. Noch heute ist einem Großteil der Krankenhäuser nicht bewußt, welche praktischen Fähigkeiten dem Rettungsassistenten vermittelt werden sollen/können/dürfen. Es müßen klare Vorgaben her, welche ein Krankenhaus zur Ausbildung berechtigen.
2. Die Verantwortung des Ärztlichen Leiters ist nachvollziehbar und wahrscheinlich auch alternativlos. Dennoch: um verantwortlich sein zu können, muß dieser erst in jedem Rettungsdienstgesetz Niederschlag finden. Dazu MUSS es zwingende Vorgaben eines Mindestbeschäftigungsumfanges des ÄLtrRD geben und ein klar definierten Aufgabenkatalog.
3. Die Befähigung zum Führen eines Kraftfahrzeuges halte ich gemessen am Aufgabengebiet für durchaus erforderlich.
4. Die Forderung, daß der Auszubildende ausschließlich als 3. Besatzungsmitglied einzusetzen ist, halte ich für Nachteilig. Es ist m.E. wesentlicher Ausbildungsbestandteil, daß der Schüler "den Druck" eigenverantwortlicher Entscheidungen des Zweierteams erlernt und auch mit der Ressource "Zweierteam" umgehen lernen soll.
Die fehlende Möglichkeit für den Arbeitgeber bereits in der Ausbildung - wenn auch nur geringen - Nutzen aus der Ausbildung zu ziehen, macht es für Arbeitgeber nicht attraktiv, ausbilden zu wollen, da er zunächst drei Jahre nur Kosten hat. Hier wünschte ich mir ein stufenartiges Modell, welches nach Zeit oder Erreichen von definierten Ausbildungszielen auch einen Einsatz als 2. Teammitglied ermöglicht.
5. Hinderlich für jeden Ausbildungsbetrieb ist die Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung rettungsdienstlicher Leistungen i.d.R. alle 4 Jahre. Diese Pflicht besteht in den Ländern England und Schweiz nicht, die gerne zum Vergleich herangezogen werden. Der Wert der Nachhaltigkeit für den Ausbildungsbetrieb ist dadurch gefährdet.
6. Es ist nicht erforderlich, im Gesetz zu beschreiben, daß der Notarzt nicht rechtzeitig vor Ort sein kann, um Invasive Maßnahmen einzuleiten. Diese haben sich unabhängig des zeitlichen Faktors am Zustand des Patienten zu orientieren. Entweder der NS wird und ist befähigt, entsprechend zu handeln, dann soll er es tun, wenn erforderlich, oder nicht. Dieser Passus ändert nichts an der bestehenden Unsicherheit. Am Ende streiten sich alle wieder um die Auslegung des Begriffes "rechtzeitig".
Daher besteht aus meiner Sicht Nachbesserungsbedarf sowohl im Entwurf, aber vor Allem auch bei tangierenden Gesetzen und Rechtsvorschriften. Aber halt nur Nachbesserung, keine Abkehr vom eingeschlagenem Weg!
Der Anspruch, daß der Notfallsanitäter die kostbare Ressource Notarzt schont und dadurch hilft, Kosten einzusparen, ist verkehrt. Der scheinbar lebensbedrohliche Einsatz ist und bleibt (hoffentlich) Notarztindikation. Daher ändert sich an der Vorhaltung notarztbesetzter Rettungsmittel nichts.
Und als übergeleiteter Rettungsassistent habe ich sehr wohl Existenzängste und Zweifel, daß meine theoretischen Kenntnisse reichen, eine Prüfung zu bestehen. Aber mein Schicksal möchte ich nicht "über die Sache" stellen.
Wem das hier bekannt vorkommt, dem unterstelle ich, auf Facebook aktiv zu sein....