Ich möchte vorweg etwas anmerken, das mir gerade eben beim Lesen der Beiträge erneut aufgefallen ist:
Wie wir schon im alten Forum feststellen konnten, gibt es allem Anschein nach große Unterschiede in der Organisation, Struktur und Umsetzung der rettungsdienstlichen Leistungen bundesweit. Damit unmittelbar verknüpft sind die Berufsauffassungen der jeweiligen Mitarbeiter im Rettungsdienst.
So fällt mir auf, daß gerade in NRW sehr restriktive Meinungen bezüglich dem eigenen Berufsbild zu finden sind. NRW hat, wie man immer wieder liest, eine sehr hohe Dichte an Notarztstandorten und das Auftreten der Notärzte scheint mir dort relativ dominant zu sein. Dementsprechend zurückhaltend sind die Meinungen und Ansichten des Rettungsdienstpersonals bezüglich der Entwicklung des Berufsbildes im Rettungsdienst.
In Regionen allerdings, in denen das Rettungsfachpersonal durchaus auch längere Zeiten auf sich alleine gestellt sein kann und in denen die Zusammenarbeit mit den Notärzten von beiden Seiten mehr als Teamarbeit angesehen wird, findet man völlig andere Meinungen und Ansichten. Hier scheint mir das Selbstvertrauen und die Zuversicht - durch professionelles Arbeiten in jeglicher Hinsicht - etwas erreichen zu können, weitaus ausgeprägter zu sein.
Wohlgemerkt - das sind meine persönlichen Eindrücke, die ich aus inzwischen mehreren Jahren in Fachforen gelesenen Beiträgen gewonnen habe.
Und wie Beiträge, in denen wir uns selbst degradieren von Seiten mancher Ärzte aufgefasst werden, ist hier immer schön in den Reaktionen von Ani zu beobachten. Er ist geradezu entzückt davon. Aber ich kann es ihm nicht verübeln - er ist eben (Not-)Arzt
Zum eigentlichen Thema zurück:
@Ani
Diese Philosophie gibt es in Deutschland erst seit den fünfziger Jahren, zuvor gab es noch keinen einheitlich organisierten Rettungsdienst, auch gab es keine Ärzte, die eine Behandlung bereits vor Ort einleiteten. Zu dieser Zeit gab es vielmehr die immer wieder aus den USA angesprochene "load an go"-Variante. Wäre der Heidelberger Arzt Kirschner nicht auf die Idee gekommen, den Arzt zum Patienten zu bringen und hätte sich daraus nicht die Einführung des "Clinomobil" ergeben, wer weiß, wie unser Rettungsdienst heute aufgebaut wäre.
Auch gab es zu Zeiten der Einführung der ersten NAW noch kein einheitlich und lediglich minder ausgebildetes Personal im Rettungsdienst, ein Zustand, der mit dem gegenwärtigen nicht mehr gleichgestellt werden kann.
Man muss sich gerade heute, im Zeitalter der modernen Technik und Kommunikation sowie zunehmend umfangreich ausgebildetem Personal fragen, ob unser System "stay and play" noch zeitgerecht ist, oder ob das inzwischen in den USA praktizierte System "treat an go" nicht dem unseren überlegen ist. Es ist ja inzwischen kein Geheimnis mehr, daß im deutschen Rettungsdienst oftmals wertvolle Zeit bei der strikten Behandlung vor Ort verloren geht - man muss ja seinem Auftrag als Notarzt gerecht werden.
Bitte nicht falsch verstehen - dies ist KEIN Angriff auf das Notarzt-System als solches, sondern auf die teils verbohrten und überholten Ansichten mancher Ärzte. Das Rad dreht sich auch in der Notfallmedizin weiter.
Tribun
Ich möchte dich, bezugnehmend auf meine obige Einleitung, kurz zitieren:
Zitat
Ich bin zwar auch der Meinung, dass sich unser Berufsbild in der Öffentlichkeit mehr etablieren muss. Nur ist dies ein langsamer und kontinuierlicher Prozess, an dem wir alle gemeinsam arbeiten müssen, indem wir unsere Arbeit so leisten, wie es von uns verlangt wird.
"...indem wir unsere Arbeit so leisten, wie es von uns verlangt wird." - und genau hier ist der Haken bei der Sache. Das von dir angesprochene "Verlangte" ist das von Seiten der ärztlichen Verteter, im Sinne von Hilfstätigkeiten. Überlege dir doch einfach mal, was der PATIENT von dir verlangt, wenn er den Rettungsdienst ruft.
Auch in diesem Zusammenhang wird sich hier oft widersprochen, in dem einerseits wiederholt geschrieben wird, dem Patienten ist es egal, wer ihm hilft: Rettungshelfer, Rettungssanitäter, Rettungsassistent...hauptamtlich, nebenamtlich, ehrenamtlich...Hauptsache, ihm wird geholfen.
Geht es aber um Maßnahmen, die die erweiterte Erste Hilfe überschreiten, kann der Patient plötzlich nur durch einen Arzt adäquat versorgt werden. Paradox, findest du nicht ?
In den übrigen Punkten gebe ich dir durchaus recht. Es ist ein langsamer und kontinuierlicher Prozess, übereifriges, unüberlegtes Handeln zum Herausstellen der eigenen Person ist hier völlig unangebracht und verwerflich, ja sogar gefährlich.
Abschliessend sei noch gesagt, daß der Ursprung und der aktuelle Ist-Zustand im deutschen Rettungsdienst nicht bedeuten muss, daß dieser sich berufspolitisch nicht mehr weiterentwickeln kann.
Das Ansehen in der Öffentlichkeit bezieht sich übrigens nicht darauf, daß wir alle als Helden dastehen möchten. Ich glaube, das wird hier immer wieder missverstanden. Es bezieht sich darauf öffentlich zu machen, welche Möglichkeiten uns zur Verfügung stehen, welche Kompetenzen wir besitzen aber auch welche Kompetenzen wir vielleicht in Zukunft besitzen könnten.
Es bezieht sich auch darauf festzustellen, daß es eben nicht nur Ärzte sind, die im deutschen Rettungsdienst dazu in der Lage sind, Leiden zu lindern oder auch mal ein Leben zu retten.