Beiträge von Mowl

    @ani: Ich weiß, dass du derlei auf Grund der heutzutage bestenfalls als heterogen zu bezeichnenden Qualifikationsstruktur des vorhandenen RFPs sehr kritisch siehst, aber ich hätte mir halt ein paar unhintergehbare Mindeststandards gewünscht, damit dieses typisch deutsche "Provinzfürstentum" endlich mal aufhört. Mir geht und ging es nie darum, regelhaft mehr Schläuche in mehr Körperöffnungen schieben zu dürfen, sondern darum, endlich mal ein Minimum zu etablieren, dass man eigentlich schon seit dem RettAssGEs erwarten hätte können, wäre es denn konsequent umgesetzt worden. Du möchtest doch auch mit Teams arbeiten, denen du nicht alles zwei bis dreimal erklären musst, oder?

    Vossi: bezüglich der Filterfunktion und der Professionalisierung des Berufsbildes hege ich ähnliche Hoffnungen wie du. Allerdings würde ich erstmal die Ausbildungsordnung und die danach noch ausstehenden Landesregelungen (LRDGs) abwarten. Und im Bezug auf das EA muss ich zur Abwechslung anis Bedenken folgen - da könnte eine ganze Welle von Neckermann-NFS auf uns zukommen.

    Ich würde es so formulieren: jeder Bürger, der in eine medizinische Notlage gerät, hat ein Anrecht darauf, so zeitnah wie möglich nach den kontemporären Standards der Medizin versorgt zu werden. Das man auf einer Hallig, tief im Bayrischen oder Thüringer Wald nicht so schnell in einer Einrichtung der Maximalversorgung sein KANN, als wenn man in München, Hamburg oder Berlin wohnt, versteht sich hierbei von selbst. Nichtsdestotrotz kann man aus Art. 2, Abs. 2 GG ableiten, dass sobald in Notfallversorgung geschultes medizinisches Fachpersonal am Ort des Ereignisses eintrifft, eine Situationsadäquate Versorgung unverzüglich zu beginnen hat. Wer die wie beginnt, wer sie wie weiterführt und an welchem Ort, darüber kann bzw. muss man diskutieren, wobei ich langsam den Eindruck gewinne, dass der ganze Hickhack ums Notfallsanitätergesetz tatsächlich zu nichts Substantiellem geführt hat, dass man vorher nicht auch schon so hätte handhaben können.


    Mein Fazit: Jene die können, tun es eh schon... und jene, die sich nicht trauen, oder keinen Bock haben, können wir ja vielleicht mittels des neuen Gesetzes endlich loswerden. Ist euch zu hart? Schade...


    Gute Nacht.


    PS: Moralphilosophie ist sicherlich ein interessantes Thema und für einige Aspekte der Humanmedizin sehr interessant - aber bitte nicht hier...

    Lobbyisten (insbesondere der Wirtschaft aber auch der Gewerkschaften) haben in vielen politischen Bereichen Einfluss - das nennt man (neo)Korporatismus. Vielleicht solltest du mal was zum Thema dezentrale Kontextsteuerung lesen und dich fragen, warum Einfluss durch NGOs in bestimmten Bereichen durchaus sinnvoll ist. Im übrigen gilt sowohl in der EU als auch in der BRD das Subsidiaritätsprinzip. Partizipation an politischen Prozessen ist somit ausdrücklich gewünscht.

    Nils: Das ani regelmäßig die Defizite unserer Kollegen ankreidet, weiß ich. Und wenn du dir die Mühe machst, des öfteren meine Ergüsse zu lesen, ist der Hinweis, wie schlecht ein nicht unerheblicher Teil des sogenannten RFP "arbeitet" unnötig - ich habe das selber schon oft genug angeprangert. Einen schlechten Ist-Zustand jedoch als Argument dagegen zu bemühen, zu einem besseren Soll-Zustand kommen zu wollen, wirkt auf mich paradox! Hier differieren vielmehr die Vorstellungen darüber, wie ein besserer Soll-Zustand aussehen könnte. Und auch wenn ani bei 99 von 100 Beiträgen irgendwie Recht haben mag, ändert es nix daran, dass er um seines Egos Willen destruktiv anstatt konstruktiv agiert. Und das finde ich für jemanden, der es eindeutig besser kann einfach nur armselig.


    Wenn man sich die gegenwärtige Diskussion anschaut, wollen viele (egal ob Arzt oder Sani) einfach nur, dass nicht zuviel zu schnell anders wird. Die Ideen, was "besser" bedeuten könnte sind überdies nur in den seltensten Fällen sehr konkret oder gar kongruent. Und wenn ein nicht unerheblicher Teil des RFP - mutmaßlich der, den ich vorhin schon erwähnte und üblicherweise als Kollegoiden bezeichnen würde - weder bereit ist, irgendwas zu ändern, weil es ihre kleine, bequeme, von mannigfaltigen Anspruchslosigkeiten gekennzeichnete Nische zerstören würde, noch sich konstruktiv an irgendwelchen Diskussionen bezüglich der Zukunft dieser Nische zu beteiligen auch nur Interesse zeigt, dann bekommen sie das, was sie durch Verweigerung und Ignoranz bestellt haben auch geliefert - nämlich ein System, das Andere ausgestalten. Und in einem solchen Szenarium möchte ich mit zu den Gestaltern gehören, denn es ist mein Berufsbild!


    Am Ende des Tages ist es vollkommen gleichgültig, was in eine Ausbildungsordnung für NFS geschrieben wird, oder auch nicht. Ich sage es noch mal deutlich: wenn sich in unserem Gesundheitswesen nicht GRUNDLEGEND etwas ändert - und das schließt explizit auch die Mentalitäten der darin Tätigen ein - dann fährt es binnen 15 Jahren an die Wand; ich hab`aber noch 30 bis zur Rente. Sowas nenne ich eine Motivation.

    Ich weiß auch nicht, eigentlich wollte ich hier nix mehr sagen, aber es geht nicht anders:


    Es wurde schon viel darüber gesprochen, dass die meisten hier sich kein reines Paramedic-System wünschen und das sehe ich genauso. Wenn wir allerdings tatsächlich im Rahmen des Rettungsteams als NFS - oder auch schon heute als RettAss - von den Medizinern und natürlich auch den anderen an der Versorgung Beteiligten als vollwertige Teammates wahrgenommen werden wollen, dann ist es unumgänglich, dass wir alle die gleiche Sprache sprechen und nach den gleichen Regeln und Erkenntnissen arbeiten - und diese erarbeiten Ärzte. Die Promotion als Mediziner bescheinigt die Forschungsbefähigung und in diesem Sinne sehe ich es als notwendig an, endlich zu akzeptieren, dass der Stand der ärztlichen Erkenntnis (nicht unbedingt individuell, aber über die Gesamtheit der Fachdisziplin hinweg) die Rahmenbedingungen vorgibt. Natürlich sind ständische Ärztevertretungen vor allem dazu da ständische Interessen der Ärzteschaft zu vertreten - das entspräche der Definition - sie stellen aber auch einen unverzichtbaren Pool an Ansprechpartnern da, wenn es um die Entwicklung neuer Konzepte geht.


    Bislang hat man sich nur verbal auf die Hörner geschlagen, es wäre an der Zeit, mal wieder miteinander zu reden. Natürlich müssen ärztliche Fachgesellschaften an der Entwicklung von Ausbildungsordnungen beteiligt sein, alles andere wäre Quatsch. Und genau an diesem Punkt kann man miteinander diskutieren, was denn nun generell als vertretbar / wünschenswert angesehen wird.


    Womit ich den Ball ins andere Feld spiele und die Frage an alle ärztlichen Vertreter hier im Forum richte, welche Maßnahmen sie sich regelhaft in den Händen von RFP vorstellen könnte, welche wiederum nicht und warum? Bislang habe ich immer nur einzelne Highlights gesehen - meistens von ani, der anscheinend am liebsten nur Transportsanitäter haben möchte, die auch nur auf ärztlichen Zuruf tätig werden sollen - aber mich würde mal ein Querschnitt interessieren; vielleicht ließe sich daraus ja mal eine Diskussionsgrundlage destillieren. Ring frei...

    Mit Sicherheit haben die Form der besuchten Schule und der individuelle IQ nicht unbedingt etwas miteinander zu tun; das ist aber zunächst nicht von belang. Wäre ich nicht davon überzeugt, dass zunächst einmal jeder bildbar ist, würde mein Fernstudium keinen Sinn machen (BA Bildungswissenschaft btw). DArüber hinaus ist unser dreigliedriges Schulsystem zu einem zu frühen Punkt im Leben der Schüler hoch selektiv. Das alles ändert aber nix daran, dass NICHT jeder für's Gymnasium als Wissenschaftspropädeutische Einrichtung (die derzeit allerdings kaum als solche betrieben wird) geeignet ist.


    Auslese nach Gutsherren-Art wird man im Schulwesen eher seltener finden, wohl aber unbewusste Bevorzugungen bzw. Benachteiligungen, die mit der sozialen Herkunft der Schüler korrelieren, derlei kann man nämlich statistisch nachweisen.


    Ich empfinde meinen derzeitigen Beruf übrigens im besten Sinne als Berufung, er macht mir immer noch Spaß und ich übe ihn nach bestem Wissen und Gewissen aus - also ICH habe "was gescheites" gelernt... ;-)

    Auch wenn mich mancher Bildungsexpansionist und Good-Will-Pädagoge jetzt vermutlich gerne steinigen würde: vermutlich war es genau richtig, dass manche "Gymnasialkarriere" etwas früher geendet hat... Sollte auch heute noch öfter passieren.

    Die folgenden Zeilen beruhen auf keiner Statistik, sind weder wissenschaftlich fundiert noch doppelblind erhoben (weil man nur sehenden Auges der Gefahr entgehen kann) sondern sind meine Beobachtungen, die ich aus den letzten 19 Jahren mitgenommen habe:


    - Die Zahl der Gewalttätigkeiten gegen POL/FW/RD hat in den letzten Jahren im Rahmen der allgemein steigenden Einsatzzahlen nicht überproportional zugenommen, dennoch leiden Kollegen/innen unter dem mentalen Druck, welcher der gewachsenen Angst, selbst im Einsatz Opfer von Gewalt zu werden entspringt => höhere feststellbare Zahl an psychisch bedingten Krankheitstagen (passt irgendwie in bundesweite Bild...)
    - Die Qualität der Gewalt hat sich verändert. Wo früher lediglich Verbalaggression zu Tage trat, sind insbesondere durch Rauschmittel enthemmte heute schneller mit physischer Gewalt bei der Hand.
    - Das geht einher mit einem weiter verbreiteten, exzessiveren Rauschmittelkonsum, wobei harte Drogen eindeutig in den Hintergrund getreten sind.
    - es besteht ein eindeutiger Schulungsbedarf insbesondere des "frischen" Rettungsfachpersonals aber auch der jüngeren Ärzte hinsichtlich grundlegender Kommunikationsstrategien und höherer Stressresilienz. Nicht selten geht die Verbalaggression in der Tat vom RFP/POL/FW aus. Eine Uniform macht nicht, das man Recht hat...
    - Die Zahl der akut behandlungsbedürftig psychisch Erkrankten steigt seit Jahren an, ohne dass sich die Versorgungsstrukturen diesbezüglich (zumindest hierorts) nennenswert verändert hätten. Dies führt dazu, dass eine Alltagssituation plötzlich eskalieren kann, ohne dass der Patient oder die Kollegen darauf vorbereitet wären. Die Annahme, dass jede Gefährdungssituation mit ein wenig gutem Willen und etwas Ausbildung von vorn herein erkennbar wäre, ist schlichter Unfug. In diesem Zusammenhang weise ich auf den vorangegangenen Punkt hin und muss leider so manchem im RD tätigen mangelnde Empathie unterstellen. @ani: Empathie hat nichts mit Gutmenschentum zu tun, sondern ist ein (leider zivilisatorisch verkümmerter) Überlebensinstinkt.
    - Unsere Gesellschaft verändert sich. Klingt wie ein guter Allgemeinblatz, ist aber aus meiner Sicht ein Faktum. Damit verschiebt sich auch das Habitus-, Normen- und Wertegerüst, welches jedem individuum als sozialer Kompass beim Umgang mit der Umwelt dient. Hierbei entstehen inter- und intragenerationelle Inkongruenzen, die man nicht mit einem Benimmkurs ausbügeln kann.


    Eine Gesellschaft muss sich vor allem daran messen lassen, wie flexibel sie in der Lage ist, sich an ihren eigenen Wandel anzupassen. Das gilt für Großgruppen genauso wie für Individuen. Das Wandel immer Reibungsverluste erzeugt, zeigt uns die Geschichte Mal um Mal auf eindrucksvolle Weise. Man braucht aber für die meisten Veränderungen weder Schutzwesten, noch Pfefferspray. Mehr Menschenkenntnis (die man durchaus trainieren kann) und die kritische Frage, ob man den selbst für einen Sozialberuf geeignet ist wären in den allermeisten Fällen wesentlich hilfreicher...


    H.a.n.d.

    Nils: Die Mitgliedergesamtzahl der DGB-Gewerkschaften ist von 7,89 Mio im Jahr 2001 auf 6,15 Mio im Jahr 2012 zurückgegangen (ca. -22%), die von Verdi von 2,81 Mio 2001 auf 2,07 Mio 2012 (ca. -26,35%); selbst wenn der Trend im Moment nicht weiter steil nach unten weist, ist das nicht mehr als eine Verlangsamung. Daraus würde ich sehr wohl ein gesunkenes Interesse daran ableiten, sich in irgendeiner Form in einer berufsbezogenen Interessenvertretung organisieren zu wollen. Ob meine auf der Basis persönlicher Erfahrungen getroffene Aussage bezüglich der Wahrnehmung der Gewerkschaften durch potentielle Mitglieder sich durch diese Zahlen erhärten lässt, wage ich zu bezweifeln, allerdings ist dies auch nicht Schauplatz einer wissenschaftlichen Untersuchung. Es ist lediglich eine Beobachtung, die mich nachdenklich stimmt.


    Monschi: Ich weiß nicht, wer dein AG ist, aber wenn ihm morgen einfällt, dass er keine Lust mehr hat, die Nichtmitglieder seines Tarifpartners den Mitglieder gleichzustellen, was er bislang lediglich aus Gutem Willen getan hat, kann's gut sein, dass du plötzlich zu grundlegend anderen Konditionen durch die Gegend fährst. Tarifpartner ist nämlich nur, wer tatsächlich Mitglied der Gewerkschaft ist, welche den jeweiligen Tarifvertrag ausgehandelt hat. Im Moment ist das auf Grund des Wunsches nach Betriebsfrieden zwar unwahrscheinlich, aber der Wind weht auch im Gesundheitswesen zunehmend kälter, wie dir gewiss aufgefallen sein dürfte. Darüber hinaus sind Gewerkschaften als Sozialpartner in (neo)korporatistischen Arrangements z.B. an der Gestaltung von Berufspolitik, Berufsbildungspolitik und Sozialpolitik beteiligt. Bis heute. Klingt für mich nach ein wenig mehr denn nostalgischen Werten. Nimmst du diesen Einfluss, welchen sich die Arbeitnehmerschaft lange und hart hat erkämpfen müssen weg, haben wir in der Arbeitswelt schneller wieder frühkapitalistische Zustände, als du kucken kannst - Da ist mir der Beitrag ehrlich mehr als 1% Brutto wert. Bei mir sind es etwas mehr als 300 EUR per Anno... lieber Himmel die meisten geben für ein lausiges bisschen Telefonie & Internet schon das Doppelte bis Dreifache aus...

    Der Organisationsgrad des Rettungsfachpersonals ist in der Tat erschreckend gering, dies ist allerdings kein Problem, dass man als Alleinstellungsmerkmal gepachtet hätte. Insgesamt ist schon die Bereitschaft, sich in Interessenvereinigungen oder Gewerkschaften als Mitglied registrieren zu lassen seit Jahren rückläufig, weil viele nicht einsehen, 1% ihres Bruttogrundgehaltes für eine Rechtsschutzversicherung abzutreten - zumindest ist das die Art und Weise, wie Gewerkschaften gesehen werden. Der Umstand, dass das Maß an gesellschaftlicher und individueller Autonomie, welches wir heutzutage für uns reklamieren dürfen im wahren Wortsinne von (Sozial)Demokraten und Gewerkschaftlern auf der Straße hart erkämpft werden musste, wird dabei gerne vergessen oder verdrängt.


    Diese mangelhafte Wahrnehmung zeitigt auch die viel zu geringe Inanspruchnahme der Bürgerrechte (siehe Wahlbeteiligungen, Interesse an Plebisziten etc.); in meinen Augen ist es eine Schande, wenn man nicht bereit ist, wenigstens einen Pekuniären und vielleicht ideellen Beitrag zur Verteidigung dieser Bürgerrechte zu leisten. Denn wer meint, diese seien nun auf alle Zeit garantiert, dem empfehle ich, sich nochmal genau anzuschauen, was in diesem Bereich seit 2001 alles (negativ) passiert ist. Es wäre blauäugig, politisches Handeln den gewählten Volksvertreten und den Lobbyvertretern der NGOs zu überlassen, wenn unsere lokalen Politikarenen doch so viel mehr Spielräume lassen - wenn man sie nur zu nutzen weiß...


    H.a.n.d.

    Es ist nicht sehr schwierig, die Intentionen ärztlicher Standesvertreter zwischen den Zeilen herauszulesen. Angesichts der Tatsache, dass in der BRD in einigen geographischen Bereichen wie auch Fachdisziplinen bereits jetzt ein Mangel an ärztlichem Personal herrscht, will mir nicht so recht einleuchten, was genau diese Kontraposition denn bewirken soll, außer sich medial auf die nächsten Schlachten um die Gehälter angestellter wie niedergelassener Ärzte einzustimmen. Das bedeutet aber, dass die Standesvertreter begriffen haben, dass sich die Welt um Geld dreht und um nix anderes. Diesbezüglich wirkt es um so paradoxer, dass man sich an einem Budgetanteilig untergeordneten wie wenig lukrativen Sektor dermaßen aufhängt. Ärzteverbände hätten wirklich wichtigere Baustellen zu beackern...


    Solange die ärztlichen Standesvertreter lediglich am Status Quo rumdoktern wollen, anstatt sich gemäß ihrer Position im Gesundheitswesen für dringend notwendige echte Reformen stark zu machen, muss ich den viel gerühmten akademischen Weitblick diesbezüglich ernsthaft anzweifeln; daraus ergibt sich, dass ich deren Verlautbarungen genauso ignorieren kann, als wenn meine Tochter sich im Sandkasten um Förmchen streitet, das Niveau ist in etwa gleich.


    Auch wenn man dies in den entsprechenden Gremien nicht wahrnehmen / wahrhaben möchte, so ergibt eine (selbstverständlich nicht im wissenschaftlichen Sinne repräsentative) Umfrage unter ärztlichen Kollegen, dass diese sich eine verbesserte Ausbildung wünschen und sich für eine - entsprechender Supervision unterworfene - Erweiterung der für das RFP verfügbaren Standardmaßnahmen aussprechen. Natürlich wird dabei im Bezug auf invasive Maßnahmen ein gewisses Maß an Reflexionsfähigkeit auch der eigenen Skills von RFP vorausgesetzt. Hier haben wir mit Sicherheit Defizite. Aber da wir in vielen politischen Gebieten eine dezentrale Kontextsteuerung haben, sehe ich auch kein echtes Problem in Insellösungen, sofern sie sich an verbindlichen Mindeststandards orientieren, die sich aus dem Recht des Patienten auf körperliche Unversehrtheit ableiten lassen.


    Nochmal in aller Deutlichkeit - ich will kein Notarztfreies Rettungssystem in der BRD! Was ich mir wünsche ist vertrauensvolle Zusammenarbeit in einem System, welches die Ressource NA dort zum Einsatz bringt, wo sie auch wirklich gebraucht wird. Das der Weg dahin gerade auch mit dem aktuell tätigen RFP noch weit ist, bleibt mir dabei bewusst. Ein wenig zufriedenstellender, weil ineffektiver Status Quo ist jedoch ein hinreichender Grund, zumindest mit einer Renovierung zu beginnen. Potentielle Baustellen gibt's im Gesundheitswesen ja nun wirklich genug, aber irgendwo muss man anfangen.


    H.a.n.d.


    Kleiner Nachtrag: ich möchte hier noch einmal darauf hinweisen, dass ich sehr wohl zwischen den Standesvertretern und der Ärzteschaft an sich (die es als homogene Einheit auch nicht gibt!) unterscheide. Es stellt sich für mich ein wenig so dar, als wenn sich hier einzelne Organe von Institutionen verselbständigt hätten...

    Also ich weiß wirklich nicht, wieso sich hier alle am Intubieren aufhängen - ist das so toll und dauernd nötig? Ich fahre seit ca. 3,5 Wochen dauernd NEF, und bei 86 Einsätzen kam es 4 mal zu einer Intubation (3,44% der dedizierten NA-Einsätze), und zwar jedesmal im Rahmen einer Reanimation. Einmal war bereits der Atemweg primär mittels LT durch RFP gesichert, 2 mal konnte problemlos durch den NA Endotracheal intubiert werden, einmal musste der Versuch abgebrochen und auf einen LT zurückgegriffen werden (ebenfalls durch NA).


    Ich finde dieses herumreiten auf der Beherrschbarkeit einzelner Komponenten von Notfallmedizin unsinnig, da nicht zielführend. Jede denkbare Statistik kann entweder Ergebnisoffen oder mit normativem Denkungsansatz konzipiert / gelesen werden, daher finde ich Vergleichsstudien in den allermeisten Fällen haarsträubend. Die einen versuchen zu beweisen, dass ihr System toll ist, die anderen wollen zeigen, dass es Sch***** ist - Recht hat, wer die Datenbasis am besten "frisiert" und dafür gibt's weiß Gott genug Tools. Ob unser medizinisches Versorgungssystem in seiner jetzigen Form präserviert werden kann und soll, kann und will niemand vorhersagen, denn solche Vorhersagen erweisen sich (siehe Wirtschaftswissenschaften) in den allermeisten Fällen als zu kurz greifend, die falschen Parameter beachtend oder die falschen Stellschrauben empfehlend. Was soll also eine Diskussion um einen sterbenden Dinosaurier?


    Wenn wir tatsächlich auf eine nachhaltige Zukunft unseres Beschäftigungsfeldes hinarbeiten wollen würden, müsste man ALLES auf den Prüfstand bringen, sich einmal anschauen, was woanders vielleicht mit Erfolg praktiziert wird (und den eigenen Stolz einfach mal runterschlucken) und sich dann überlegen, was alles geändert werden muss, damit der sterbende Dinosaurier vielleicht doch eine Chance auf ein positives Outcome erlangen kann. Jemand, der die ganze Zeit nur der Systempräservierung das Wort redet verkennt - zumindest meiner Meinung nach - den Umstand, dass er damit an dem Ast sägt, auf dem er sitzt. Denn letzten Endes bricht unser Zeitalter alle Erwägungen auf die Finale herunter: wie viel kostet es, kann es überhaupt jemand bezahlen und findet derjenige sich überhaupt bereit dazu?


    Gesellschaften sind letzten Endes viel zu komplexe Systeme, um alles "Top Down" regeln zu können, aber das bietet auch Chancen, ganz nach Mahatma Ghandi sich selbst zu dem Wandel zu machen, den man in der Welt sehen möchte (gell, User mit dem passenden Namen...).


    Was mich betrifft, lässt unser Gesundheitswesen an vielen Stellen ein m.E. wichtiges Merkmal vermissen: Patientenorientiertes und somit auch Patientenzentriertes, Situationsabhängiges Handeln. Dafür ließen sich gewiss auch Algorithmen finden, so man sie denn unbedingt braucht.


    H.a.n.d.

    Man sollte, bevor man sich selbst Steine in den Weg legt, indem man immer erst bei den Anderen nach den Gründen für das eigene Scheitern/Nichtvorankommen sucht zunächst sehr genau analysieren, was einen selbst hemmt. Was für das Individuum gilt, lässt sich - nicht 1 zu 1, aber doch in relativ großem Umfang - auch auf ganze Personen- bzw. Berufsgruppen übertragen. Und da es uns nicht gegeben ist, unsere AGs so schnell zu ändern, hilft es einem selbst vermutlich am Besten, wenn man anfängt bei sich selbst und sofern sich dies als möglich erweist auch in seinem Umfeld für Verbesserungen zu sorgen. Das Streben, sich selbst zu verbessern - und damit meine ich beileibe nicht nur den pekuniären Aspekt - sollte eigentlich Handlungsleitend für jeden Menschen sein...



    Sicher bin ich mit dieser Äußerung da zu sehr Idealist, aber ICH werde mich nicht daran hindern lassen, mich zu verbessern, nur weil ANDERE - egal wer - meinen, dass sei unnötig, brächte keine Vorteile oder wäre Zeitverschwendung. Veränderung beginnt immer bei einem selbst und nirgendwo sonst. Dazu fällt mir der einzig gute Spruch aus der Zigarettenwerbung des letzten Jahrzehnts ein: "A maybe never made history!"

    Victor: du solltest vielleicht mal dem Link in jörgs letztem Beitrag folgen und den Text aufmerksam lesen. Dass unser Bildungssystem hoch selektiv ist, kann man getrost als Binsenweisheit stehen lassen, dass jedoch Kompetenzvermittlung und Bildungsvermittlung zwei vollkommen unterschiedliche Dinge sind, wird dabei gerne außer acht gelassen. Ich las gerade neulich einen abstract zu einem Forschungsprojekt in Kompetenzmessung und ich frage mich immer noch nach der Relevanz des kompletten Settings...

    Da fehlen mir nicht die Worte - über viele Jahre haben HiOrgs das noch viel schneller hingekriegt, um ihre Zivi-Stellen im KT und RD besetzen zu können. Und da hat das Bundesamt die Gehälter bezahlt, nicht der eigentliche AG. So what?

    Tatsächlich erwarten Notrufverarbeitungssysteme wie z. B. SecurControl (zumindest zu meiner Zeit) bestimmte Eingaben obligat, um einen Einsatz zur Disposition bereitstellen zu können. Diese Software wird allerdings i.a.R. vor Ort an die Bedürfnisse des Betreibers angepasst. Man kann da so gut wie alles nach seinem Gusto einstellen lassen - vielleicht war eine solche Funktion hier deaktiviert, oder die Daten waren "nur" unvollständig. Man müsste also in Diepholz anrufen und fragen - ich glaube kaum, dass die antworten.

    In der Präklinik wie auch in der Klinik brauche ich für das Gros der Tätigkeiten keine wissenschaftliche Ausbildung im Sinne eines Studiums, sondern eine ausreichend lange, fachlich hinreichend fundierte praxisorientierte Ausbildung, die natürlich dazu befähigen soll, verschiedene - auch kritische - Situationen ohne Verzögerung sauber abarbeiten zu können. Das eine solche Ausbildung Wissenschaftpropädeutik enthalten darf, will hier keiner bestreiten, aber ein Paramedic (Practitioner) oder eine registered Nurse arbeitet ebenso wenig wissenschaftlich wie ein RettAss oder ein Gesundheits- und Krankenpfleger mit I-Kurs. Das entwertet weder die Qualität der Arbeit noch den Status des Ausübenden, aber das sogenannte Duale System der Berufsausbildung mit dem dazugehörenden Berechtigungswesen als zweite Form der Berufsqualifikation neben dem Hochschulstudium gibt's halt nur in den deutschsprachigen Staaten. Und es produziert nachweislich ein Niveau der Berufsqualifikation, welches in vielen anderen Nationen nur mittels eines Bachelorabschlusses erreicht wird. Warum also sollte man das Rad neu erfinden?