Beiträge von pillenhaendler

    Meine erste Überlegung zu dem Artikel war: Warum muss Bayern jetzt den §2a in dieser Form ausdifferenzieren? Ich habe den Sinn und Zweck des Paragraphen immer anders Verstanden... hier wirkt es so, als ob man ihn als rechtliche Grundlage zur Vorabdelegation benutzt und sich um eine anständige (auch rechtliche) Ausgestaltung des §4 Abs. 2 Nr. 2c drücken möchte!

    Allerdings wäre ein solcher Maßnahmenkatalog ein riesiger Fortschritt in meinem Bereich. Vorliegend ist das Ganze ja sogar kreisübergreifend. Deswegen finde ich es garnicht so übel! Einzig die zwingende NA-Nachforderung, auch wenn die Klinik schneller erreichbar ist, widerspricht den Anforderungen des §2a.

    Mir bereiten viele Medikamente auf der "gelben" Liste Bauchschmerzen: Hier muss fortan gegenüber dem ÄLRD eine gesondert erworbene Kompetenz nachgewiesen werden.
    Die Gabe von Heparin/ASS beim ACS/STEMI, die Gabe von Dimetinden bei Anaphylaxie oder von Furosemid beim kardialen Lungenödem vor Eintreffen des Notarztes ist jedoch vielerorts gelebter Alltag. Die Indikation dürfte größtenteils unumstritten sein, Alternativen gibt es keine und eine frühestmögliche Gabe ist durch die entsprechenden Leitlinien gefordert. Auch erkenne ich beim Risiko-/UAW-Profil keine gravierenden Probleme als bei vielen Medikamenten auf der "grünen" Liste, ganz im Gegenteil.
    Wer dies nun macht ohne diese gesondert erworbene Kompetenz nachzuweisen darf sich fortan erfahrungsgemäß wieder auf viel Gesprächsbedarf seitens der ÄLRD gefasst machen.

    Es handelt sich dabei um eine Zusammenfassung des dort genannten Artikels, der von mehreren Autoren geschrieben wurde und mit entsprechender Literatur untermauert wurde.

    Ich habe den besagten Artikel nun im Notarzt gelesen, tatsächlich stammt er von mehreren Autoren.
    Damit muss ich meine erste Kritik an die Seite "news-paper.eu" richten, die ihn falsch referenzierte und das notwendige "et al." wegließ.

    Trotzdem überzeugt mich der Artikel nicht, auch nicht die Literatur. Die genannten biochemischen Zusammenhänge mögen alle valide sein, doch bevor ich eine derart deutliche Empfehlung ("Alle Patienten mit unklarer Bewusstseinsstörung sollten intravenös Thiamin erhalten" - der Stellenwert beim deliranten Alkoholiker ist unbestritten, doch ist mitnichten jeder bewusstlose Patient ein deliranter Alkoholiker) ausspreche, bedarf es Studien, die auch einen Benefit für den Patienten belegen.
    Eine mögliche Fragestellung für den Anfang wäre der Thiamin-Spiegel bei Aufnahme (wobei ich jetzt ohne Recherche nicht sagen kann, ob und wie einfach dieser sich bestimmen lässt) - ist dieser bei einer relevanten Anzahl von vigilanzgeminderten Patienten erniedrigt?

    Zitat

    Zitat Achtung! Bei Patienten mit potentiellem chronischem C2-Abusus / chronischer Mangelernährung sollte bei Hypoglykämie zusätzlich zu Glukose frühzeitig (spätestens in der Notaufnahme) Vitamin B1 (Thiamin) 100mg verabreicht werden.

    Das ist aber eine deutlich andere Aussage als das im Artikel genannte „Alle Patienten mit unklarer Bewusstseinsstörung sollten intravenös Thiamin erhalten.“

    Der Artikel klingt, bei allem Respekt, erst einmal sehr nach Einzelmeinung.

    Damit will ich keinesfalls ausschließen, dass Prof. Ittner nicht vollumfänglich richtig liegt, aber der Artikel nennt keinerlei Studien und ich kann mich auch nicht erinnern, abseits der genannten Wernicke-Enzephalopathie beim Alkoholkranken davon gelesen zu haben - was mich, wäre Thiaminmangel ein so wichtiger äthiologischer und prognostischer Faktor, etwas verwundert.

    Naja... als schnelle Beispiele:

    Warum jetzt Thiamin, dessen m.W.n. einzige Indikation bei der Wernicke-Enzephalopathie liegt (die im Rettungsdienst gleichwohl exotisch wie für den Unerfahrenen schwierig zu diagnostizieren ist) im grünen Feld ist, d.h. im schulischen Unterricht abschließend behandelt wird, dafür das deutlich wichtigere und regelmäßiger angewandte ASS oder Furosemid den Nachweis extraschulischer Kompetenzen erfordert, erschließt sich mir nicht so ganz.

    Und warum Levetiracetam und Ceftriaxon für den Notfallsanitäter unerreichbar sein sollen erschließt sich mir angesichts der überschaubaren Indikationen auch nicht so wirklich - wirkt alles etwas willkürlich.

    Es ist wirklich schwierig, nicht polemisch zu antworten...

    Ein vom Innenministerium in Auftrag gegebenes Gutachten hat kürzlich die Schließung von rund 60 Notarztstandorten in Bayern beschlossen.

    Seitdem ist die Presse wieder voll mit Artikeln, warum Patienten ohne die Anwesenheit eines seit zehn Jahren im Ruhestand befindlichen Allgemeinmediziners ohne nennenswerte Skills ohne Notärzte unterversorgt sind und Rettungssanitäter (sic!) ja nur lebenserhaltende Maßnahmen bis zum Eintreffen des Notarztes beherrschen.

    Meinem Eindruck nach wird durch Teile der Ärzteschaft inzwischen wieder deutlich offensiver kommuniziert, dass die Standardversorgung jedes Notfallpatienten (wobei "Notfall" besonders im internistischen Bereich hierbei sehr liberal definiert ist) durch den Notarzt zu erfolgen hat.

    Dazu passt auch das neue Hobby eines regionalen ÄLRD, nun bei jedem (!) Apoplex ohne Notarztnachforderung anhand der Status 4-Zeit nachzurechnen, ob eine Nachforderung ohne zeitlichen Verzug möglich gewesen wäre oder ob ein Rendezvous während der Fahrt, ggf. auch mit einem RTH, möglich gewesen wäre. Entsprechende Stellungnahmen werden dann natürlich eingefordert.

    Es gibt im Rettungsdienst Kollegen, die nehmen jeden Patienten in Krankenhaus mit, und wenn er auch überhaupt nichts hat. Weil sie die Verantwortung für einen am Ende falschen (EDIT: oder auch gerechtfertigten, aber irgend einen Angehörigen nicht in den Kram passenden) Transportverzicht nicht tragen wollen - in der Regel aufgrund schlechter Erfahrungen. (ich hatte letztes Jahr auch mal so eine Phase...)
    Und da Leitstellenmitarbeiter auch nur Menschen (oder deren evolutionären Vorfahren...) sind, kann ich mir vorstellen, dass es hier auch welche gibt, die sagen "Solange ich immer einen RTW schicke, wird mich niemand anzeigen, mein Name wird nicht in der Zeitung oder auf Facebook stehen, kein Staatsanwalt wird sich für Tonbandmitschnitte interessieren..."

    Auf die (böswillige) Verkürzung eines Abfragegespräches wollte ich damit nicht anspielen. Ich unterstelle erst einmal, dass jeder versucht seinen Job ordentlich zu machen. Aber trotzdem sucht sich ja niemand etwas, um unnötig etwas in die Länge zu ziehen. So war es gemeint.


    So habe ich es auch verstanden, keine Angst.


    Zitat

    Eine Verkürzung der Abfragezeit um mehrere Sprechwünsche (oder andere Anrufe) zu bedienen deutet auf ein Organisationsversagen hin. Die Bediensicherheit muss auch Spitzen abfangen (können).

    Inhaltlich natürlich richtig.

    Aber ich behaupte mal, du weisst hier im Forum mit am besten, dass dieses Organisationsversagen in so gut wie allen Leitstellen gelebter Alltag ist.
    Weil die Mitarbeiter fehlen und die Anrufe nicht weniger werden.
    Und ich glaube auch das es beim äußerlich abgewichstesten Disponenten etwas mit der Psyche anstellt, wenn du im Gespräch gebunden bist und merkst, dass der nächste Notruf seit 'ner Minute in der Warteschleife hängt und dahinter noch mal drei warten.

    Kein Disponent telefoniert freiwillig länger als er wirklich muss.

    Da sind wir im Umkehrschluss bei einem anderen Problem, der Überdisposition.

    Wir hatten ja, falls ich mich richtig erinnere, vor kurzem irgendwo eine Diskussion über Abfrageschemata hatten.

    "Meine" Leitstelle hat ein eigenentwickeltes Abfrageschema (naja, nicht wirklich eigenentwickelt, es basiert auf einem Vorschlag der ÄLRD Bayern und wurde von einer anderen bayerischen Leitstelle übernommen) als Dispositionsgrundlage. Ein vollständiges Abfragen dauert, inklusive Adressaufnahme und -abgleich bei einem adäquaten Anrufer, der alle Fragen sofort versteht und mit "Ja" oder "Nein" beantwortet ca. 40 Sekunden.
    Ergibt sich vorher die Indikation für einen RTW oder Notarzt wird natürlich sofort abgebrochen und disponiert.

    Jetzt muss man sich das ganze aber mal mit dem halbtauben fränkischen Opa vorstellen, der für die fränkische Oma mit Schnupfen, Husten und Heiserkeit seit Mittwoch letzter Woche. Da kommste in 40 Sekunden nicht durch. Entweder, wenn du als Disponent der Meinung bist, dass ist eher was für den KV-Dienst, kämpfst du dich mit Opa durch mehrere Minuten Fragen oder du suchst dir irgendwo einen Grund für einen RTW (Schnupfen -> Atembeschwerden -> RTW!) und beendest das Drama. Wenn gleichzeitig noch drei weitere Notrufe, ein Status 0 und vier Status 5 angezeigt werden, erleichtert das die Entscheidungsfindung unter Umständen noch weiter.

    Ich halte es zunächst für relativ evident, dass alle messbaren Zeiten einzeln betrachtet werden und optimiert werden sollten:

    Vergeht vom ersten Klingeln bis zur Anrufannahme zu viel Zeit, brauche ich mehr Kapazitäten in der Leitstelle.

    Dauert es von Anrufannahme bis zur Disposition zu lange, muss ich das Abfrageschema überprüfen.

    Vergeht von Alarmierung bis zum Ausrücken zu viel Zeit, sind die baulichen Gegebenheiten der Rettungswache bzw. die Kadermoral verbesserungswürdig.

    Ist die Zeit von Status 3 bis Status 4 zu lange, könnte es tatsächlich sein, dass die örtliche Vorhaltung zu gering ist - oder in Einzelfällen auch die Ausrückeordnung überprüft werden sollte, ob nicht ggf. ein RTW von einer anderen Wache schneller wäre (Beispiel: Ich brauche von Wache A nach Ort B 8 Minuten - nun ist zwischen A und B aber eine Baustelle mit Umleitung die meine Fahrt um 4 Minuten verlängert. RTW C, der sonst 10 Minuten von C nach A braucht, ist nun plötzlich schneller und wäre die geeignetere Disposition).


    Und nun zu den Hilfsfristen: In vielen Diskussionen der vergangenen Jahre hat sich ja hier soetwas wie ein Konsens herausgebildet, dass es eine Reihe von zeitkritischen Einsätzen gibt (z.B. Herz-Kreislauf-Stillstand, Polytrauma, starke Blutung, Ateminsuffizienz, Apoplexie usw.), bei denen ein früheres Eintreffen einen Überlebensvorteil bietet und viele, viele Einsätze, bei denen es überspitzt für die Prognose egal ist, ob ich heute oder morgen komme.
    Und für die ersten Einsätze muss natürlich jeder einzelne Faktor in die Hilfsfrist eingehen. Denn polemisch gesagt: Der Herz-Kreislauf-Stillstand ist nach zehn Minuten tot. Und da kann die Leitstelle sofort ans Telefon gehen, binnen 15 Sekunden alarmieren und der Einsatz im Nachbarhaus sein, wenn ich voher noch meine Pizza aufesse und anschließend auskacke - drei Glieder der Rettungskette haben funktioniert, das vierte hat versagt. Zwei zusätzliche RTW plus fünf Planstellen auf der Leitstelle mehr hätten nichts geholfen (liebe LST-Kollegen: Bitte nicht schlagen, natürlich würden die helfen :*)

    Harris NRÜ: Diese Fahrzeugmehrung ist schon pervers auffällig. Ich bin in etwa gleichlang dabei wie du, wir haben in der gleichen Zeit wenn ich richtig rechne 36 Stunden RTW-Vorhalteerhöhung (zwei 12h-RTW zusätzlich, einmal Aufwertung 12>24h) bekommen. Ein paar KTW mehr als ihr aber auch hier die Vorhalteänderung im Bereich von höchstens einem Dutzend Stunden. NEF unverändert.

    Und natürlich auch die üblichen Veränderungen der Rahmenbedingungen - Klinikschließungen und -verkleinerungen, längere Transportwege, weniger Hausärzte, zunehmend dysfunktionaler Bereitschaftsdienst etc.

    Das ist etwas, was mir seit meinem letzten Urlaub an der Nordsee ein Rätsel ist. Gefühlt in jedem Dorf eine Rettungswache - sind die Menschen bei euch kränker oder müssen da die RTW wirklich so viel mehr Bagatellen fahren?


    Wenn ich in meine Heimat schaue: Rothenburg ob der Tauber ist sicherlich den meisten ein Begriff. 11000 Einwohner plus Umland, jede Menge Tagestouristen, Autobahn A7 direkt vor der Haustür. Was gibt's dort rettungsdienstlich? RTW+NEF 24h, KTW Mo-Fr. 7h. Der nächste Rettungswagen ist 14 Fahrminuten entfernt (und geht von 24 Uhr bis 6 Uhr in Status 6).


    Jetzt wird die Rettungsdienstvorhaltung in Bayern ja regelmäßig im Fünfjahresturnus im TRUST-Gutachten landesweit begutachtet und wenn Hilfsfristüberschreitungen auffallen wird durchaus auch mal eine neue Wache gefordert (und ab und zu sogar die Vorhaltung gekürzt!) - im besagten Bereich Rothenburg hat sich in den letzten 20 Jahren nur geändert, dass eine benachbarte Wache räumlich weiter weg gezogen wurde, dafür direkt an die Autobahnauffahrt.


    Da sehe ich schon 'ne gewisse Diskrepanz...

    Auch eine Krankenkasse kann kein Interesse an einer regulären Heimfahrt mit einem RTW haben.

    Ich habe den Eindruck (gilt zumindest für Bayern), dass dies sehr wohl das genaue Interesse der Krankenkasse darstellt: Der RTW muss finanziert werden, egal ob er rollt oder steht. Warum soll ich als Kasse also nachts einen Fahrdienst finanzieren, wenn sich gleichzeitig ein Dutzend RTW die Reifen eckig stehen und das Personal schnarcht?

    Ich behaupte mal: Wäre das ganze irgendwie wirtschaftlich darstellbar, hätten sich längst Anbieter dafür gefunden.

    Für einen privatwirtschaftlich agierenden Taxiunternehmer wird es außerhalb der Großstadt schlichtweg nicht kostendeckend sein, Dienstag nachts um drei ein Rollstuhl-Taxi mit Fahrer und Beifahrer ("Der Opa muss aber in den zweiten Stock!" - "Und wie ist er runtergekommen?" - "Na da war der Rettungsdienst mit drei Leuten, Tragetuch und Raupenstuhl da") vorzuhalten.

    Wenn, dann müsste man dem Unternehmer eine Bereitstellungspauschale bezahlen. Da werden die Krankenkassen dann aber sagen "Hey, wir zahlen nachts schon 14 Rettungswagen mit einer durchschnittlichen Auslastung von nur 34,8%!"

    Warum soll das beim Krankentransport nicht möglich sein, wenn Ärzte in diesem Bereich ihren Job seit Jahrzehnten nicht richtig wahrnehmen (...wahrnehmen können - wegen der Infrastrukturversäumnisse des Gesundheitswesens - soweit komme ich da entgegen).

    Vorneweg: Ich weiß auch keine Lösung.
    Aber ich möchte noch mal deine Einschränkung betonen. Hier bei mir bekommst du zu den meisten Uhrzeiten für eine Heimfahrt nichts anderes als einen RTW. Der nichtqualifizierte Fahrdienst wurde schon vor Jahren platt gemacht, da er nicht kostendeckend zu betreiben war. Und die Taxiunternehmen sagen dem Krankenhaus am Telefon, dass sie kein Interesse an dieser Fahrt haben und nicht kommen werden.

    Sucht jemand einen neuen Mitarbeiter? Ich glaube, hier ist gerade jemand auf dem Arbeitsmarkt gelandet:


    Ein Rettungsassistent hat nach dem Oktoberfestbesuch einen an einer Einsatzstelle abgestellten RTW gestohlen, fuhr damit mit Sonderrechten durch Schwabing und kollidierte mit einem anderen Auto. Vier Verletzte, RTW wohl Totalschaden - und der Kollege hatte 2,2 Promille intus


    https://www.br.de/nachrichten/…hlt-rettungswagen,TJEQJ8D