Beiträge von pillenhaendler

    Okay, vielleicht haben wir etwas aneinander vorbeigeredet.
    Dieser Kollege (bzw. diese Kollegengeneration, es waren mehrere) hat das ziemlich sicher auch tatsächlich so gemacht. Die Einsicht, dass "was früher Recht war, kann heute nicht Unrecht sein" hatten sie nicht.
    Insofern begrüße ich durchaus, wenn auch psychiologische Inhalte in allen Facetten von Anfang an zur Ausbildung dazugehören. Selbst wenn man diese Kollegen durch Aus- und Fortbildung nicht mehr erreicht, so geraten sie doch irgendwann von der Mehrheit zur Minderheit und stellen dieses Verhalten vielleicht nicht aus Einsicht ab, aber zumindest auf mehrheitlichen Druck.
    Ob dieses Verhalten, kombiniert mit der Ablehnung professioneller Unterstützungsstrukturen (in diesem Falle der kirchlichen Notfallseelsorger) letztendlich aus Selbstschutz, Gleichgültigkeit oder einem selbstauferlegten Erziehungsauftrag ("du hast auf deine Kinder nicht aufgepasst, jetzt sind sie tot") heraus entstand, vermag ich nicht mehr zu beurteilen.
    Es zeugt aber meines Erachtens nach aber auf jeden Fall von einer gefährlichen Unkenntniss in den Bereichen Stressbewältigung und Empathie.

    Nichts anderes als eine falsch kanalisierte Selbstschutz-Reaktion, wenn es Ihm geholfen hat über solche Situationen gesund hinwegzukommen sollte man es nicht einfach verteufeln, nur weil es einem nicht in den eigenen -evt. auch durch aktuelle Moden- Kram passt.


    Sehe ich anders. Gerade diese "Moden" zeigen, dass es auch andere, funktionierende Wege gibt, derartige Situationen kurz- wie auch langfristig zu bewältigen, ohne sich dabei wie - pardon - das letzte A****loch verhalten zu müssen. Denn mit dieser Art des Selbstschutzes hilft er vielleicht sich selbst, dies aber auf Kosten anderer - in diesem Falle der Angehörigen.
    Hierfür benötigt man aber ein gewisses Maß an Selbstreflektion und Offenheit für Neues - womit wir bei dem Modell der "Big Five" und damit beim Ausgang dieser Diskussion angelangt wären :yes:

    Diese Generation - und das war zumindest bei dem damaligen Arbeitgeber wirklich weitverbreitete Ansicht unter "den Alten" - ist zum Glück im Aussterben begriffen.
    Und da inzwischen eine kritische Masse bezüglich derartiger Dinge, auch dank umfassenderer Ausbildung diesbezüglich, sensibilisiert ist, ist auch der Widerstand gesunken. Es werden von diesen Leuten Dinge immer noch als überflüssig erachtet, aber inzwischen wenigstens stillschweigend hingenommen.

    Vor gut zehn Jahren gab es hier in der Gegend einen tragischen Verkehrsunfall mit fünf toten Jugendlichen. Ein älterer Kollege, inzwischen selbst verstorben, meinte über die Anwesenheit der Notfallseelsorge (die damals bei uns noch absolut in den Kinderschuhen steckte und konfessionell organisiert war): "So einen Sch*** braucht keine S*u. Ich hätte die Klamotten von den Bälgern in einen Müllsack gesteckt und den Eltern vor die Haustüre geworfen, dann hätten die schon gewusst, was Sache ist."
    Das für mich absolut entsetzliche: Das meinte der vollkommen ernst und ich bin auch überzeugt davon, dass er das oft genug so praktizierte. Die Kopfbewegungen mancher Kollegen - und zwar in die zustimmende Richtung - bestätigten dies.
    Mit einem solchen Rettungsdienst möchte ich nichts zu tun haben - weder als Patient noch als Kollege.

    Interessant finde ich die niedrige Anzahl an eingesetzten Notärzten: 2x NEF, 5x RTH plus LNA. Wenn ich davon ausgehe, dass jeder der sechs "roten" Patienten dauerhaft einen NA benötigt, bleibt für die übrigen 23 Patienten - davon auch zwei "gelb" - nur noch einer übrig.
    Hier ist das entsprechende Alarmstichwort höher beplant, m.W.n. beim MANV 26-50 mit 10x NA.

    Nein, aber es wird letztendlich den Zwängen des Markes folgen. Wenn ich als Angehöriger der Berufsgruppe X durchschnittlich den Betrag Y verdiene, werde ich keinen Unterricht für einen Betrag kleiner Y halten, außer:
    a. ich bin dumm,
    b. ich weiß, dass meine Arbeitszeit nicht mehr wert ist oder
    c. ich habe eine besondere Motivation.


    c dürfte z.B. beim zitierten Vortrag innerhalb der eigenen ehrenamtlichen Gliederung gegeben sein oder wenn ich nicht im klassischen Sinne unterrichte, d.h. etabliertes Wissen vermittle, sondern meine Zuhörer von meinem Standpunkt oder meiner Forschung überzeugen möchte (beispielsweise auf einem Kongress). Wenn ein Veranstalter aber durch meine Arbeitsleistung finanziell profitiert (und bei Schulen wird das regelmäßig der Fall sein), dann möchte ich auch entsprechend marktüblich bezahlt werden. Und das kann bei einem Arzt pro Stunde auch mal das zehnfache von meinem Stundensatz sein obwohl der Vortrag sowohl inhaltlich als auch didaktisch gleichwertig sein mag.

    Wenn man bedenkt, dass man für eine Stunde Unterricht themenabhängig die doppelte bis dreifache Vorbereitungszeit kalkulieren darf, sind diese Honorare - mit Verlaub - ein Witz.
    In der Pharmabranche (die sicherlich nicht für alles ein Maßstab sein sollte), sind Stundenhonorare von 60 bis 200 Euro gang und gäbe.
    Dafür kann man hier aber sicher sein, dass die Referenten sich auf ihr Thema ausgiebig vorbereitet haben und sowohl fachlich als auch didaktisch kompetent sind.

    Und so wie du das unkritische Lob auf den schleswig-holsteinischen Rettungsdienst für überzogen hältst, finde ich die geäußerte Kritik an TRUST für zu kurz gegriffen.


    Die TRUST-Gutachten haben erstmals (zumindest soweit ich weiß) die rettungsdienstliche Versorgung in einem Flächenland auf eine wissenschaftlich valide Grundlage gestellt. Anders als in manch anderen Bundesländern wird in Bayern nun kein RTW mehr aus Bauchgefühl, Kirchturmdenken, politischem Profit oder Lobbyismus installiert.
    Was man TRUST vorhalten kann ist, dass es der rettungsdienstlichen Realität immer um ca. fünf Jahre nachhinkt und vor allem im Bereich Krankentransport kaum Flexibilität zulässt. Außerdem dürfen sich die Kostenträger dank TRUST nun jeder Logik verschließen ("Die grundlegende Restrukturierung des kreiseigenen Klinikverbundes 2015 und die damit verbundene Steigerung von RTW-Verlegungen um 100% mit gleichzeitigem Einbruch der Hilfsfristen an den betroffenen Standorten interessiert uns nicht, maßgeblich für uns ist das Gutachten von 2014").
    Die Aussage, dass vor TRUST alles besser war, kann ich aber nicht unterschreiben.


    Und nun zurück nach Kiel :bye:

    Weil hier die Verordnung, auch aufgrund der fehlenden Dringlichkeit, vor der Behandlung ausgestellt wird. Die Ausgangssituation ist doch eine völlig andere.
    Würde man das konsequent zu Ende denken, müsste entweder zu JEDEM Einsatz ein Arzt mit, um die Notwendigkeit eines Transportes zu beurteilen. Oder es müsste JEDER Patient immer einem Arzt zugeführt werden (ergo: immer transportieren). Der kann dann aber sagen: Nö, der Transport war gar nicht erforderlich. Der RD bekommt nix und der Patient kann zusehen, wie er nach Hause kommt.


    Das haut doch nicht hin.


    Willkommen in meinem Alltag.


    Wir haben hier einige Häuser, in denen es den angestellten Ärzten per Dienstanweisung der Klinikleitung verboten ist, Transportscheine abzuzeichnen - auch für Patienten, die sie dann selbst weiterbehandeln und deren Transport mit dem Rettungsdienst eindeutig indiziert war.
    Mögliche Konsequenzen:
    - Man holt sich für jeden Müll einen Notarzt zum Unterschreiben
    - Man meidet die entsprechenden Häuser
    - Man macht sich auf die naheliegende Art strafbar
    - Man bittet den Hausarzt, eine Transportanweisung nachzureichen
    - Man weist den Patienten darauf hin, dass er eine Privatrechnung kommt und diese zusammen mit dem hoffentlich vollständigen Protokoll bei der Krankenkasse zur Kostenerstattung einreichen kann
    - Man interessiert sich nicht dafür und lässt sich die Verwaltungsangestellte im Kreisverband drum kümmern
    - Man heult jeden Tag still in sich hinein und zählt die Tage bis zur Rente...

    Die richtig schweren Notfälle wie ACS mit kariogenem Schock, schweres Trauma, massive respiratorische Insuffizienz, maligne Rhythmusstörungen usw., wo es also wirklich mal drauf ankommt, sind einfach Raritäten im Rettungsdienst. Auch als Notarzt habe ich vielleicht einen schweren Fall von zehn, wenn überhaupt, an manchen Tagen sogar gar keinen, und wir können hoffentlich davon ausgehen, dass der Notarzt nur zu vermutet schweren Fällen alarmiert wird.


    Manche vergessen vielleicht, dass auch weniger dramatische Einsätze, bei denen man sich als RTW unterfordert fühlt, die notwendige Routine für die wirklich schweren Fälle generiert.


    Diese Einsätze stellen für mich weniger eine Herausforderung dar, als der vermeintlich einfache Notfall. Bei den von dir genannten Beispielen weiß ich, dass ich es mit einem kritischen Patienten zu tun habe und was von mir und dem Team verlangt wird.
    Bei den "hausärztlichen Notfällen" sind meines Erachtens nach viel mehr Fertigkeiten gefordert: Hier muss ich durch meine Diagnosefähigkeiten den Patienten einstufen - ist er so kritisch, dass er einer sofortigen (notärztlichen) Intervention bedarf? Profitiert er von einer Krankenhauseinweisung oder ist ihn mit hausärztlicher Versorgung besser geholfen?
    Es gibt Kollegen, die fahren alles ins Krankenhaus - damit liegt man im Zweifel nie falsch. Es gibt Kollegen, die fordern sich grundsätzlich für alles den Notarzt nach - soll der doch entscheiden. Und es gibt Kollegen, die im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten Diffenzialdiagnostik betreiben und versuchen, auch dem Patienten mit bösartigem Männerschnupfen zu helfen. Für mich macht den Unterschied die Versorgung von solchen Patienten aus und nicht der NACA V der Woche.

    Nur weil zu jedem Mist ein Notarzt mitgeschickt ist (und glaub mir, das ist bei mir hier nicht anders) heißt das nicht, dass alle Parteien nicht trotzdem von persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen profitieren können.
    Denn wenn man ein gutes Verhältnis zu den Notärzten pflegt und einen gewissen Kompetenzgrad besitzt, darf man hier zumindest sehr viel selbst unter Supervision des Notarztes machen. Klappt natürlich nicht mit jedem, aber mit vielen.
    Außerdem habe ich im Vergleich zum selbstständigen Arbeiten auch den Vorteil, dass mich der Notarzt (hoffentlich) auf Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten hinweist.
    Umgekehrt sind auch nicht wenige Notärzte dankbar, wenn das nichtärztliche Personal über einen hohen Standard verfügt und dessen eigene Tätigkeit kritisch begleitet.

    Ist es nicht so, dass in den Bereichen in denen nun Notfallsanitäter weitreichende Kompetenzen zugestanden bekommen, bislang auch Rettungsassistenten gewisse Freiheiten hatten? Und umgekehrt Bereiche, in denen die Hypoglykämie eine RTH-Indikation darstellt und das Legen eines i.v.-Zugangs ohne Notarzt im Arbeitszeugnis vermerkt wurde auch in Zukunft den NFS nur das absolut Unvermeidliche gestatten?
    Einen echten Paradigmenwechsel kann ich (noch) nicht erkennen - nur das begrüßenswerte Bemühen, für die Maßnahmen, die die zuständigen Entscheidungsträger für vertretbar erachten, eine rechtliche Grundlage zu schaffen.


    Politisch sind die Weichen mittelfristig Richtung Paramedic-System in Verbindung mit notärztlicher Luftrettung gestellt und es wird unter dem Argument der Kosteneinsparung auch darauf hinauslaufen.


    Diese Aussage möchte ich so pauschal nicht unterschreiben bzw. ist sicherlich regional stark unterschiedlich.
    Unsere Notfallsanitäter-Azubis sind nach drei Jahren zwar ausgezeichnete Soziologen, aber definitiv keine Paramedics. Viele notwendige Kompetenzen, u.a. die komplette Pharmakologie, werden allenfalls auf altem RettAss-Niveau gelehrt mit der Begründung "dürft ihr später eh nicht, bleibt dem Arzt vorbehalten".


    Welche Kündigungsfrist hat denn der hauptamtliche Hilfsarbeiter? Und was machst du mit dem, wenn er morgen keine Lust mehr hat und nicht mehr kommt?


    I.d.R. unkündbar, da länger als 20 Jahre beschäftigt. Und wenn er morgen nicht mehr kommt? Dann mach ich seine Arbeit. Bzw. meine Kollegen. In Form von Überstunden.


    Diese Argumentation ist doch an den Haaren herbeigezogen.


    Mag sein. Aber mich nervt das ständige Rumgehacke auf FSJlern. Mein Arbeitgeber hat momenten sieben offene RS-Planstellen. Da kann sich jeder drauf bewerben. Auch FSJler.