Ich glaube, es ist hilfreich, sich mal mit den logistischen Voraussetzungen im Landkreis Spree-Neiße zu befassen. Spree-Neiße liegt ja im Land Brandenburg, in dem der Rettungsdienst ja nach Submissionsmodell vergeben wird. Ein Anbieter stellt also letztlich das Personal und Verwaltungsdienstleistung, die "Hardware" kommt vom Träger, hier also der Landkreis Spree-Neiße, der auch die Einsätze bei den Krankenkassen abrechnet und das Geld dafür kassiert.
Der Landkreis Spree-Neiße hat eine Fläche von 1648 km² mit 124662 Einwohnern und schliesst die kreisfreie Stadt Cottbus komplett ein. Im Jahre 2003 gab es in diesem Gebiet, einschliesslich Cottbus, 4 verschiedene DRK Kreisverbände. Das waren im folgenden: DRK Guben, DRK Spremberg, DRK Forst, DRK Cottbus-Spree Neiße West.
Der Rettungsdienst des DRK Forst wurde durch die Rettungsdienst Spree Neiße gGmbH durchgeführt, eine wohl 100%ige Tochtergesellschaft des DRK Forst.
Wer sich mal die Mühe macht, und schaut, wie groß andere DRK Verbände sind, der wird schnell feststellen, daß sich hier auf kleinsten Raum 4 verschiedene DRKs tummeln. Alle selbstständig und auf eigene Rechnung handelnd. Und auch ein Gebietsschutz gibt es nicht, das DRK Forst betreibt/betrieb beispielsweise ein Pflegeheim im Gebiet des DRK Cottbus.
Im Jahre 2005(?) fusionierten zwei DRK Kreisverbände in Spree-Neiße, das DRK Guben wurde gewissermaßen vom DRK Spremberg aufgesogen. Interessant hierbei: Das DRK Guben hat sich nicht mit dem benachbarten Kreisverband Forst zusammengeschlossen, sondern sich mit dem räumlich getrennten DRK Spremberg zum DRK Niederlausitz verbrüdert.
Übersichtskarte DRK Brandenburg Der unbenannte Bereich unter "KV Forst Spree-Neiße" ist der südliche Bereich des DRK Niederlausitz, also der Bereich Spremberg.
Warum man nicht konsequent den Weg der Vereinigung mit dem DRK Forst gegangen ist, keiner weiß es...
Mal zum Vergleich: der Regionalverband Südbrandenburg der Johanniter umfasst 4 Landkreise inkl. Spree-Neiße und die kreisfreie Stadt Cottbus. Leider nur eine kleine Übersichtskarte: JUH Südbrandenburg (Nur mal so: auf der Fläche der genannten Johanniter agieren 8 verschiedene DRKs...)
Wir haben also 4 verschiedene DRKs, die sich alle um den Rettungsdienst bemühen. Bis zum Jahr 2005 war es dann auch so, daß alle 4 DRKs Rettungswachen in Spree-Neiße betrieben (RW Guben - DRK Guben, RW Forst & RW Döbern - Rettungsdienst Spree Neiße gGmbH Forst, RW Spremberg - DRK Spremberg, RW Peitz & RW Drebkau - DRK Cottbus). Mit der ersten Ausschreibung in Spree-Neiße zum Jahr 2006 bekam das DRK Cottbus zusätzlich die Rettungswache in Burg zugesprochen, diese wurde vorher durch die Johanniter besetzt. Im Jahr 2010 erfolgte die nächste Ausschreibung in Spree-Neiße in 2 Losen - zum Einen der Nordbereich mit den Rettungswachen in Guben (DRK Niederlausitz), Forst (Rettungsdienst Spree Neiße gGmbH Forst) und Peitz (DRK Cottbus), sowie der Südbereich mit den Rettungswachen Döbern (Rettungsdienst Spree Neiße gGmbH Forst), Spremberg (DRK Niederlausitz) und Drebkau (DRK Cottbus). Hier kam es aber wohl zu Unstimmigkeiten, so daß diese erste Ausschreibung verworfen wurde.
Wenn ich mich recht entsinne, hat man dann aber direkt nochmal eine Ausschreibung durchgezogen, wieder in 2 Losen. Gewinner war dann das DRK Cottbus, welches den Auftrag für die Durchführung des Rettungsdienstes für beide Lose erhielt.
Die Belegschaft der Rettungsdienst Spree Neiße gGmbH (DRK Forst) wurde komplett vom DRK Cottbus übernommen, die Rettungswachen Guben und Spremberg wurden im Auftrag des DRK Cottbus durch die Rettungsdienst Spremberg gGmbH, eine Tochtergesellschaft des DRK Niederlausitz (= DRK Guben + DRK Spremberg), betrieben. Hier änderte sich für das Personal also nichts.
Interessant ist die Kooperation des DRK Cottbus mit der Rettungsdienst Spremberg gGmbH. Hier finden sich schon mal 2 Gesellschaften, die Rettungsdienst betreiben und ihren Verwaltungsstab, Personalbüro etc. finanzieren wollen, mit Konkurrenten im Nacken, die so etwas mit nur einer Verwaltung schaffen. Kostendruck, der schon auf dem Papier im Vorfeld vorhanden ist.
Dazu kommt eine Gewerkschaft, die im Jahre 2003 massiv Mitglieder verloren hat, da viele DRK Mitarbeiter sich einfach verraten gefühlt hatten. Grund hierfür war der Tarifabschluss des DRK Landesverband mit der DHV DHV & DRK BRB Tarfabschluss. Dieser war bei vielen Kollegen wohl nicht als optimal anerkannt worden. Verdi hat seinerzeit die Zeichen der Zeit verkannt und konnte oder wollte den Mitarbeitern keine Hilfe anbieten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß DRK Kollegen damals ziemlich hilflos vor dieser Geschichte standen und reihenweise die Mitgliedschaft bei Verdi kündigten.
Und dann kam auch der Landkreis Spree-Neiße, der den Rettungsdienst ausschreiben musste. Sowohl DRK, wie auch Verdi haben um ihre Einflüsse gebangt. Die DRKs sicherlich, weil auf diesem begrenzten Gebiet kein Wachstum möglich ist, ohne sich gegenseitig ins Gehege zu kommen. Da ist der Rettungsdienst als Image- und Werbeträger, und nicht zuletzt auch als Kostenbringer für die Verwaltung, ein gutes Geschäft, welches man nicht missen möchte.
Ebenso Verdi. Der Trend des Mitgliederschwunds machte sich eben auch dort nachhaltig bemerkbar, so daß man sich auch um Sparten kümmerte, die man vorher aufgegeben hatte (siehe DHV). Hätten die christlichen Wohlfahrtsorganisationen den Rettungsdienst in Spree-Neiße komplett übernommen, so wären über 100 potentielle Mitglieder nicht mehr verfügbar gewesen. MHD und JUH profitieren vom sog. "dritten Weg der Kirchen", in dem sie ihr eigenes Arbeitsrecht umsetzen können. Verdi wäre also kein Ansprechpartner mehr gewesen. In den heutigen Zeiten sollte jeder eine Rechtsschutzversicherung haben, die meist auch Arbeitsrecht abdeckt, wozu also noch Mitgliedsbeitrag bei Verdi zahlen?
Und so haben sich, meiner persönlichen Meinung nach, Not und Elend in Spree-Neiße getroffen und Tarifarbeit gemacht, die Lohneinbußen für die Mitarbeiter, im Vergleich zum DRK Reformtarif, mit sich brachte. Leider hab ich keine Liste, die z.B. den DHV Tarif für das DRK in Brandenburg zeigt, ich könnte mir aber vorstellen, daß man i.Vgl. zum DHV Tarif eine Lohnsteigerung in den Verdi Haustarifen hinterlegt hat, um als Wohltäter zu erscheinen, aber man bleibt trotzdem noch deutlich unter dem DRK Reformtarif, um als Gewinner der Ausschreibung da zu stehen.
Interessant auch, daß in Spree-Neiße 107 Mitarbeiter im Rettungsdienst tätig sind. Rechnen wir doch mal:
10 Rettungswagen im 24h/7d Dienst á 80 Mitarbeiter
3 NEF im 24h/7d Dienst á 12 Mitarbeiter
3 KTW im 35h/5d Dienst á 9 Mitarbeiter
Sind unterm Strich 101 Mitarbeiter, die den Rettungsdienst komplett betreiben könnten. Rechnet man noch Synergieeffekte zwischen den einzelnen Rettungswachen (Springer bei Krankheit etc.) dazu, dann könnte man wohl sogar mit weniger auskommen. Es mag Teilzeit Kräfte geben, diese sind aber im unteren einstelligen Bereich vorhanden, so daß maximal 1-2 Planstellen zusätzlich geschafft werden müssten, um diese Arbeitszeit auszugleichen. Dazu kommt noch ein Leiter Rettungsdienst, dann sind es insgesamt 104 Mitarbeiter, die den Rettungsdienst betreiben. Was machen als die 3 zusätzlichen da? Bei einem Bruttogehalt von 1600,- Euro/Monat ergibt das Zusatzkosten von knapp 58 000,- Euro/Jahr, die auch bezahlt werden müssen. Für wen? Für was?
Daß man schlussendlich dann doch einen Tarifabschluss gewagt hat, der deutlich über dem vorherigen gelegen hat, ist wohl eher dem Gewinnen von Falck geschuldet, als der Tatsache, daß man den Mitarbeitern anständige Gehälter zahlen wollte. Ich glaube, daß der Tarifabschluss lange nicht so hoch ausgefallen wäre, wenn das DRK gewonnen hätte. Das hätte man schon viele Jahre vorher machen können, und hat es nicht getan. Warum also jetzt?