Hallo Forengemeinde,
mit Interesse habe ich Ihre Beiträge zur Thematik gelesen und auch einige interessante Informationen über Verfahrensweisen außerhalb unseres geliebten Landes erhalten.
Ich möchte in einem kurzen Beitrag den Fokuss jedoch wieder auf "hier und jetzt" richten, auf den Rettungseinsatz im Bundesgebiet, mit den bestehenden psychosozialen Rahmenbedingungen.
Nach meinem Erkenntnisstand gibt es keine verlässliche Statistik darüber, dass man in sozialen Brennpunkten als RDler deutlich gefährdeter unterwegs ist, als in der "besseren" Wohngegend. Konfliktlagen, häufig auch spontaner Natur, treten leider für uns, wie auch für Sie, überall auf. Unser, wie auch Ihr Problem ist es, dass bei bekannt werdenden Einsatzlagen in sogenannten "Brennpunkten" schon für den Disponenten, aber auch bei den Einsatzkräften frühzeitig " die Lampen" angehen, hoffentlich ein Gefahrenradar aufgebaut wird und man deutlich achtsamer in die Situation geht, bzw. frühzeitig den polizeilichen Einsatz organisiert. Anders sieht dies bei anderen, "besseren" Rahmenbedingungen aus. Hier denkt man häufig gar nicht an einen bösen und auch überraschend auftretenden Hintergrund. Aber denken Sie stets daran, wie schon bei der 1.Allgemeinen Verunsicherung: ..." das Böse ist immer und überall..."!!
Zurück zum Ernst der Lage.
Verfolgt man die von Herrn Grein und von anderen hier eingestellten Tatsachenberichte aus der Republik, so darf man doch schon als unbedarfter Leser feststellen, dass es solche Angriffe und Übergriffe gegen das Rettungsdienstpersonal gibt. Meine Recherchen zum Thema und die über einige Jahre im gesamten Bundesgebiet anlässlich von Vorträgen und Workshops hinweg gewonnen Informationen zum Thema zeigen, dass die Berichterstattungen hier im Forum nur die Spitze des Eisberges ist.
Genau hier liegt das Problem, zum einen sind keine verlässliche Zahlen über Übergriffe, Angriffe, Bedrohungen und Verletzungen vorhanden zum anderen werden bekanntgewordene Ereignisse von Verantwortlichen (Träger RD und Notarztdienst) nicht in der geeigneten Weise gewürdigt. Je nach Organisation und personeller Verantwortlichkeit existiert dieses Problem kaum bis überhaupt nicht.
Zur Ehrenrettung sei gesagt, es gibt auch sehr vorbildliche Bemühungen in Sachen Sicherheit, Ausrüstung, Taktik und Absprachen.
Anders bei uns, hier werden herausragende Ereignisse ( Angriffe und Übergriffe gegen Polizeibeamte bei denen Beamte verletzt oder getötet wurden) inhaltlich wie auch zahlenmässig zentral erfasst (auf Länder- wie auch Bundesebene) und ausgewertet. Es liegen für diesen Bereich also Fakten auf dem Tisch und zwar von Bad Reichenhall bis Flensburg und Aachen bis Frankfurt a.O.
Dieses Instrumentarium fehlt Ihnen leider. Jedoch könnten Sie ein zweites nutzen. Sicherheit ist für unseres Berufsvertretungen (ich gehöre keiner an!!) ein zentrales Thema. Hier wird offensichtlich gut strukturiert, teilweise von mehreren Vertretungen gleichzeitig, gesammelt, bewertet und gefordert und zwar mit Macht. Vielleicht sollten Ihre Berufsvertetungen hier einmal ins Thema einsteigen.
Ein letztes Instrumenatrium ist der eigene Einsatzbericht. Legen Sie doch in einem relevanten Einsatzfall, schriftlich ( mit nachvollziehbarem Verteiler, weil "wer schreibt der bleibt") der RD-Leitung, der Geschäftsführung vor. Selbst wenn Sie davon ausgehen, dass (weil vielleicht personenbezogen) dies nichts bringt, macht eine solche Maßnahme schon deshalb Sinn, weil der Verantwortliche mit im "Informationsspiel" ist, vielleicht sogar über die örtliche Personalvertretung in Zugzwang gerät.
Jetzt zu den angeführten Forderungen wie auch Lösungsansätzen.
Meine bescheidene persönliche Meinung zum Thema Schutzweste im Rettungsdienst ist die, dass eine Schutzweste immer nur Teilbereiche und je nach ballisitischem Schutzwert (Schutzklasse) auch nur gegen bestimmte Einwirkungen schützt. Die teilweise eingeforderderten "leichten Schutzwesten" (ich erspare mir nähere Produktbeschreibungen und rege an im Netz zu recherchieren) haben nur einen ballisitisch begrenzten Schutzbereich und decken auch nur einen Teil des Körpers ab. Sollten sie diese Weste als Ausstattung auf dem NEF oder RTW einfordern, gehen Sie bitte davon aus, dass ein geeigneter Schutz nicht mit Einheitsgrößen verträglich ist, zu unterschiedlich sind Körpergröße und Körperfülle. Diese geforderte "Bordausrüstung" wird, wenn sie den auch getragen wird, intensiv durch Schweiß eingenässt werden. Bei meiner Weste weiß ich was ich habe. Fordern Sie eine Schutzweste als "Mann- oder Frauausstattung" haben Sie dieses letztgenannte Problem weniger. Sie werden die Weste nun auch tragen, sich vielleicht von einer Vielzahl von Kollegen als "Spinner" titulieren lassen und sich sicher fühlen. Es ist unbestritten, dass eine getragene Schutzweste, wenn auch nur begrenzt, Schutz gegen Angriffe bieten kann. Problematisch wird es, wenn, gleich ob bewusst (offensichtlich durch eigene Fehleinschätzung über Wirkung und Grenzen) oder unbewusst (Erfahrungen im großen feld der Arbeitssicherheit zeigen dies) eine potentiell erhöhte Sicherheit durch das Tragen der Weste, durch riskanteres Verhalten kompensiert oder gar überkompensiert wird. Hierzu hat aus unserem Haus Herr Dr. Clemens Lorei, verantwortlicher Redakteur "Polizei und Wissenschaft", in einem Beitrag "Psychologische Faktoren der Arbeitssicherheit bei der Polizei am beispiel Schutzwesten" ausführlich Stellung bezogen.
Ich halte für den RD wie auch Notarzteinsatz eine Mann, wie auch eine Fahrzeugausstattung, für eher wenig hilfreich und schon gar nicht praktikabel. Auf den Tragekomfort und die Außenwirkung gehe ich bewusst nicht ein, machen Sie sich dazu mal eigene Beispiele aus dem täglichen Einsatzdienst.
Sollten Sie wirklich im gemeinsamen polizeilichen Einsatz (sofortige Intervention oder Notzugriff durch Einsatzkräfte der Polizei in den ersten, sich noch überschlagenden Minuten eines Einsatzes) eingesetzt sein, empfehle ich Ihnen in der Anfahrt oder dem Anflug klare Absprachen im eigenen Team über die eigenen Risikogrenzen zu treffen, klare Absprachen mit der Polizei vor Ort über den Ort der abgesetzten Bereitstellung, die Sicherungslage für den RD- einsatz im speziellen Fall ( also auch das Heranführen der Kräfte in einen teilgesicherten Bereich oder das Evakuieren von Verletzten in einen Sicherheitsbereich ) zu treffen. Soweit nur kurz hierzu, es wäre ein abendfüllendes Programm mit vielen Bildern und tatsächlichen Beispielen.
Dies alles hilft Ihnen natürlich nur wenig im täglichen, scheinbar unvorhersehbaren Einsatz. Also Medic5754 und wer auf dessen Homepage recherchiert wird wissen, dass hier Hintergrund vorhanden ist, zeigt es doch auf, wie man sich verhalten kann und auf was es ankommen kann.
An anderer Stelle habe ich in langen Ausführungen und Beispielen hierzu Stellung bezogen. Leider ( aus inhaltlichen und nicht fiskalischen Gründen gemeint) interessiert sich kaum einer dafür.
Die Sache mit den Selbstverteidigungskursen, dem Erlernen von SV-techniken und der damit gewonnenen Sicherheit halte ich für mehr als kontraproduktiv. Ich bestreite nicht, dass ein erfahrener und verantwortungsvoll agierender SV-ler ( die gibt es sicherlich hier im Forum) weiß, was er macht, im Notfall seine Techniken einsetzen kann Die anderen mit Sicherheit nicht.
Es sollte nur kurz werden. Ich habes es noch nie geschafft. Dennoch hoffe ich auf die Schnelle einige Aspekte aufgezeigt zu haben, über die man nachdenken kann.
Mit freundlichen Weihnachtsgrüßen an alle, denken Sie stets daran als Retter zu kommen und nicht als Opfer zu gehen und was noch viel wichtiger ist, irgend jemand wartet zu Hause auf Sie