Ich behaupte, ein guter Rettungsassistent zu sein. Ich behaupte auch, dass meine Patienten in mir einen guten Rageber, in einigen Fällen vielleicht auch einen sorgsamen Lebensretter haben. Ich mag meinen Job, aber ich mag die Umstände nicht, unter denen er an vielen Orten dieses Landes durchgeführt werden muss. Deshalb würde ich niemals pauschal von einem Berufseinstieg abraten, auch wenn ich persönlich mittlerweile glaube, dass RD nur als Übergangslösung ausgeübt werden kann: die ersten 2-4 Jahre lernt man, dann ist man einige Jahre gut, und danach fängt man an abzubauen. Routine schlägt Wissen, aber diese Einstellung geht nur eine begrenzte Zahl von Jahren gut, danach wird man tatsächlich schlechter.
Noch einmal: ich mag meinen Job. Und am schönsten ist es, heranwachsenden Rettungsassistenten eine Zeit lang als Begleiter zur Seite zu stehen, sie aufzubauen, ihnen Selbstvertrauen zu geben, ihren kritischen Blick auf die eigene Tätigkeit zu schärfen (einer der wichtigsten Faktoren auf dem Weg zum guten RettAss: ohne selbstkritische Auseinandersetzung mit abgelaufenen Einsätzen wird niemand besser) und eines Tages zu sehen, wie sie ihren eigenen Weg gehen: einige begnügen sich mit sich selber, andere erlebst du als ebenbürtige Partner auf dem Auto, wenige überflügeln dich und du verstehst nicht die Bohne, weshalb sie dich trotzdem bewundern. Das ist eine wunderschöne Erfahrung.
Trotzdem würde ich meinen Kindern (allen Dreien!) davon abraten, sich einzig und allein in den RD zu stürzen. Es ist eine tolle Sache, dort einige Jahre zu arbeiten. Es ist eine tolle Sache, sein Studium so finanzieren zu können. Es ist keine tolle Sache, nach 10 Jahren Tätigkeit darüber nachzudenken, ob man jetzt tatsächlich bis zum 65sten (67, 69??) Lebensjahr Tag aus Tag ein fette Omas zurück in ihre dritte Etage schleppen möchte. Es ist keine tolle Sache, sich den Rücken kaputt zu machen, weil Oma ihr Lebtag zu viel gefressen hat und jetzt ja "einen Anspruch" darauf hat, dass sie zum Preis von 47 Euro nicht nur vom Krankenhaus nach Hause transportiert, sondern auch die Treppe hoch gewuchtet wird. Du fragst dich nach einigen Jahren auch, weshalb es nachts um 4 wirklich unbedingt sein muss, dass Oma anruft weil sie irgendwie seit 5 Tagen so einen Schmerz in der Hüfte hat und das ja unbedingt nachts noch abgeklärt werden muss. Ganz zu schweigen davon, dass ja auch der Alki, den du längst mit Vornamen kennst, unzweifelhaft unbedingt nachts um 2 auf den Gedanken kommt, dass er ja kein Geld mehr hat und deshalb unbedingt und sofort eine Entgiftung "will" - und es steht außer Frage, dass du ihn vier Tage später wieder irgendwo saufen siehst. Die ersten Jahre ist das noch spannend, du ergründest die Fälle, fragst dich nach manchen Zusammenhängen und kommst auf alles mögliche, aber nciht darauf, dass Oma einfach nur Rheuma, der Alki keine Zukunft und Fetti Adipositas hat - sonst nichts. Aber das Licht geht dir irgendwann auf, und dann stehst du nciht mehr gerne auf, wenn der Melder piept. Es ist doch eh wieder nur irgendein hausärztliches Problem, das mangels Hausarzt oder mangels Patientencompliance, auf jeden Fall aber aufgrund eines Anspruchsdenkens des Patienten nicht bis zum nächsten Morgen warten darf. DAS aber ist das, was wir RETTUNGSDIENST nennen. Der größte Teil der Transporte fällt nach meiner persönlichen Definition unter MISSBRAUCH des Rettungsdienstes, ich bin Sozialarbeiter, Apotheker, Hausarzt, Physiotherapeut, netter Nachbar, beste Freundin, Psychologe, Polizist, zur Not auch mal Feuerwehrmann und wenn es ganz gut kommt werde ich auch mal in meinen notfallmedizinischen Kenntnissen gefordert. Meist reicht jedoch der gesunde Menschenverstand, der offensichtlich immer mehr Beitragszahlern und sonstigen Nutzungsberechtigten des SGB V abhanden gekommen ist.
:beer: So, und nicht anders, ist es....
:applaus: