Beiträge von Andreas Pitz

    Beim Thema Ersthelfer-Apps geht es mir nicht um eine Garantie, sondern darum, dass die Implementierung und Aufrechterhaltung eine staatliche Aufgabe darstellen könnte. Dann müsste die hierfür erforderliche Finanzierung und Organisation durch den Staat gewährleistet werden und nicht einen "Goodwill" privater Einrichtungen darstellen. Im Übrigen finde ich den Vergleich mit den Freiwilligen Feuerwehren gar nicht so schlecht. Warum haben wir denn so viele gut ausgestattete freiwillige Feuerwehren, während der Bereich der medizinischen Notfallversorgung deutlich dahinter zurückbleibt. Liegt es möglicherweise daran, dass die FF unmittelbar als staatliche Aufgabe angesehen wird und auch als solche organisiert sind?

    Das wäre tatsächlich sehr spannend, denn a) ist diese Diskussion schon sehr alt und es hat sich noch niemand getraut. Diese Ungleichbehandlung wurde wohl sofort gekippt werden, und b) ist es die Frage ob es Hilfsfristen in NRW derzeit überhaupt gibt. Meine Wissens nach sind die nämlich in einer Verordnung geregelt gewesen, die mit der Novellierung des RettDG NRW in 2015 mit außer Kraft gesetzt wurde. Aber da bin ich wörtlich nicht aktuell, das mag anders sein.

    Ich sehe das nach dieser Entscheidung auch als sehr problematisch an, wenn in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Hilfsfristen gelten (innerhalb eines Bundeslands noch problematischer). Das ist sicherlich ein Punkt, an dem eine bundesgesetzliche Regelung Sinn machen könnte. Und wie gesagt: Es muss ja nicht immer der RTW sein, der als ersteintreffende Hilfe definiert wird.

    Allerdings ist die "notfallmedizinisch begründete Hilfsfrist" ja nun nicht drei, sondern zehn Minuten. Daher würde mich interessieren, welcher "Standard"-Notfall einer Hilfe in 10 Minuten (aber nicht in 12 oder 15 Minuten) bedarf.


    Die Hilfsfrist für die Feuerwehr begründet sich aus der Menschenrettung beim Wohnungsbrand und beruht auf Studien. Welcher medizinische Notfall bildet dann den Hintergrund für eine Hilfsfrist von 10 Minuten, und auf welchen Studien beruhen diese Annahmen?


    Das Bolusgschehen ist es wohl nicht. Eine Reanimation scheint mir auch nicht erst nach 10 Minuten professioneller Hilfe zu bedürfen; und wenn man darauf abstellen würde, dann würde es genügen, wenn geschultes Personal und ein AED vor Ort sind, so dass man die Hilfsfrist insoweit auch mit HvO abdecken könnte.

    Es gibt sehr wohl notfallmedizinsiche Untersuchungen zu den Eintreffzeiten professioneller Hilfe. Ob die vom Gesetzgeber angenommenen 10 Minuten noch den aktuellen Erkenntnissen der Notfallmedizin entsprechen, darf man sicherlich hinterfragen. Der Gesetzgeber wird vielleicht aufgrund dieser Erkenntnisse gehalten sein z.B. app-basierte Ersthelfer-Systeme, professionelle First Responder-Systeme, ein Defi-Netzwerk etc. vorzuhalten. Sinngemäß: verschiedene Notfälle erfordern unterschiedliche Antworten in unterschiedlichen Zeitspannen.

    Die beklagten Umstände im Rettungsdienstplan wurden doch nicht von der Selbstverwaltung, sondern von der Politik vorgegeben. Wenn der Gesetzgeber klar sagt, dass die 10 Minuten einzuhalten sind, dann kann die Selbstverwaltung daran nicht vorbei. Man muss halt seine Aufsichtspflicht im Innenministerium und den Landratsämtern ernsthaft wahrnehmen und nicht nur immer auf andere verweisen.


    So wie ich das interpretiere gibt es jetzt zwei Optionen, wie die Politik reagieren kann. Entweder man verpflichtet die Selbstverwaltung das 10-Minuten-Ziel konsequent umzusetzen, oder man ändert das Rettungsdienstgesetz so, dass die 12-Minuten-Frist für RTW und keine Frist für Notarzt dort festgeschrieben sind.


    Ich bin gespannt, für welche Option man sich im Angesicht des Personalmangels entscheiden wird.

    Wenn das Mindestmaß aus notfallmedizinischen Gründen vom Gesetzgeber auf 10 Minuten festgelegt wurde, müsste es neue medizinische Erkenntnisse geben, dass zwischenzeitlich 12 Minuten und kein Notarzt mehr ausreichend sind. Gibt es die?

    Besteht eine realistische Möglichkeit, dass nun die rettungsdienstliche Selbstverwaltung ein Ende findet?

    Der VGH sagt hierzu: "Der Senat erlaubt sich indiesem Zusammenhang allerdings die Bemerkung, dass die Frage der Rechtsträgerschaft [des Bereichsausschusses] im Rettungsdienstgesetz unzureichend geregelt sein dürfte und auch die mündli- che Verhandlung keinen eindeutigen Aufschluss über die Verwaltungspraxis ergeben hat."


    Man wird sich jedenfalls Gedanken über die Selbstverwaltungsstruktur machen müssen.

    Aus meiner Sicht sind das ganz unterschiedliche Ansätze. Beispielsweise beim Infektionsschutzgesetz geht es um die Abwehr von Gefahren, die durch einen Infizierten für die Allgemeinheit drohen. Beim rettungsdienstlichen Schutzauftrag geht es um die Behandlung dieses Patienten. Wenn man den Begriff der Gesundheitsgefahrenabwehr so verstehen will, dass es um die Abwehr von gesundheitlichen Gefahren für den Patienten geht, dann ist der Begriff aus meiner Sicht nicht richtig gewählt. Denn Gefahren muss der Staat grds. abwehren. Der Patient möchte aber wegen seines Selbstbestimmungsrechts (soweit er in der Lage ist einen freien Willen zu bilden) möglicherweise gar nicht, dass die Gefahr, die ihm droht, abgewehrt wird. Der einzige Fall, der aus meiner Sicht unter den Begriff Gesundheitsgefahrenabwehr zu fassen ist, ist daher der Patient, der in einem den freien Willen ausschließenden Zustand eigengefährdend ist. Bei der Fremdgefährdung hätten wir wieder klassische Gefahrenabwehr. Mit 98% der rettungsdienstlichen Einsätze hat diese Begrifflichkeit aber nichts zu tun. Da geht es um "ganz normale" Gesundheitsversorgung.

    Da poppt bei mir eine Frage auf: Was ist der Unterschied zwischen Schutzpflicht des Staates und der Gefahrenabwehr?

    Bei der Gefahrenabwehr geht es - wie der Begriff nahelegt - darum Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu beseitigen. Der Schutzauftrag geht weiter, da er die notfallmedizinischen "Bedürfnisse" des Notfallpatienten in den Vordergrund rückt.

    Die Kostenträger haben nach § 133 Abs. 2 SGB V natürlich schon Möglichkeiten die Ausgaben für Rettungsdienst- und Krankentransportdienstleistungen zu beeinflussen. Die ultima ratio wären dann eben Festbeträge. Unabhängig davon ist es natürlich nicht Aufgabe der Solidargemeinschaft der GKV die öffentliche Aufgabe der Vorhaltung des Rettungsdienstes komplett zu finanzieren.


    (2) Werden die Entgelte für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rettungsdienstes durch landesrechtliche oder kommunalrechtliche Bestimmungen festgelegt, können die Krankenkassen ihre Leistungspflicht zur Übernahme der Kosten auf Festbeträge an die Versicherten in Höhe vergleichbarer wirtschaftlich erbrachter Leistungen beschränken, wenn 1.vor der Entgeltfestsetzung den Krankenkassen oder ihren Verbänden keine Gelegenheit zur Erörterung gegeben wurde,2.bei der Entgeltbemessung Investitionskosten und Kosten der Reservevorhaltung berücksichtigt worden sind, die durch eine über die Sicherstellung der Leistungen des Rettungsdienstes hinausgehende öffentliche Aufgabe der Einrichtungen bedingt sind, oder3.die Leistungserbringung gemessen an den rechtlich vorgegebenen Sicherstellungsverpflichtungen unwirtschaftlich ist.

    Zwei Fragen:


    1. Wird auf Leitstellen tatsächlich das d'Hondt-Verfahren zur Einsatzdisposition genutzt? Ich kenne das nur aus dem Wahlrecht.


    2. Im Wahlrecht lautet der Vorwurf an das d'Hondt-Verfahren, dass es zur systematischen Benachteiligung kleiner Parteien führt. Ist das Argument des Ulmer Feuerwehrkommandanten ("Bevorzugung kleiner Anbieter") deshalb schlüssig?

    § 8 RDG Baden-Württemberg
    "Sie [die Rettungsfahrzeuge] müssen in ihrer Ausstattung, Ausrüstung und Wartung den allgemein anerkannten Regeln der Technik und dem Stand der Notfallmedizin entsprechen."



    Ziff. VI, 1.2 Rettungsdienstplan Baden-Württemberg
    "Die Rettungsfahrzeuge und deren Ausstattung müssen bei der Anschaffung den jeweils geltenden rechtlichen und technischen Normen sowie dem Stand der Notfallmedizin entsprechen."



    Ich muss dem TÜV bei der nächsten HU klar machen, dass mein Auto beim Kauf auf dem Stand der Technik war. Mal schauen, ob die sich davon überzeugen lassen...


    Also irgendwie kann ich das nicht ganz verstehen. Ich frage mich, wie man das dann in anderen Grenzregionen in BaWü, dort gibt es auch eine Zusammenarbeit.
    Das was du schilderst hat für mich dann eher den Anschein, als sei es nicht gewollt, denn für solche Verhandlungen bedarf es nicht zwingend eine Behörde.
    Und gerade in NRW sieht man, dass nur weil der Träger die Kreise bzw. Städte sind, nicht zwingend eine Zusammenarbeit erfolgt.

    Es mag auch Rettungsdienstbereiche in Ba-Wü geben, die an der Landesgrenze gelegen sind und eine gute Zusammenarbeit mit "dem Nachbarn" pflegen. Vermutlich ist dort aber eine Hilfsorganisation Monopolist oder aber zumindest "marktbeherrschend". Dann habe ich auch wieder einen direkten Ansprechpartner, der quasi für den gesamten Rettungsdienstbereich sprechen bzw. entscheiden kann. Die Situation in Mannheim ist aber schon dadurch eine Besondere, dass wir an zwei Landesgrenzen stoßen und keine Hilfsorganisation in Mannheim eine monopolähnliche Stellung hat. Zudem befindet sich die Stadt Mannheim in einem gemeinsamen Rettungsdienstbereich mit Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis, die über teils andere Strukturen verfügen.

    Eigentlich ist es ganz einfach: Während RLP und Hessen in den Kommunen Verantwortliche für den Rettungsdienst haben, die auch einen unmittelbaren Zugriff auf den Rettungsdienst haben, gibt es diese in Ba-Wü nicht. Damit wird eine strukturierte Zusammenarbeit extrem erschwert. Denn in MA müssten die Verantwortlichen aus LU und der Bergstraße mit ASB, DRK, JUH und MHD kommunizieren, die jedoch jeweils nur für ihre Organisation zuständig sind. Das Selbstverwaltungsgremium Bereichsausschuss tagt nur zweimal im Jahr und taugt auch als Kommunikationspartner nicht. Schön wäre es z.B. den G-RTW aus LU in eine AAO für MA einzubinden oder gemeinsame Ü-MANV-Konzepte zu entwickeln. Vielleicht könnte man sogar die Einsatzmittelbeschaffung abstimmen (wie z.B. beim Feuerlöschboot). Das ist aber aufgrund der nicht kompatiblen Strukturen de facto nicht möglich.

    Nach meiner vorläufigen Einschätzung hätte die Einführung des AOK-Modells folgende Konsequenzen:


    Der KTW-light unterfällt nicht mehr dem Rettungsdienstgesetz, sondern dem Personenbeförderungsgesetz. Hieraus folgt:

    - Es existieren keine gesetzlichen Vorgaben zur Qualifikation und Fortbildung des Personals,
    - es besteht keine gesetzliche Verpflichtung mehr, dass eine Person den Patienten während der Fahrt betreut,
    - es besteht kein Schiedsverfahren bzgl. der Tarife mehr,- es besteht für diese Fahrzeuge keine Betriebspflicht mehr,
    - das Vermittlungsmonopol der Leitstelle entfällt, sodass der Patient/das Krankenhaus direkt beim Anbieter "bestellen" muss,
    - es fällt keine Vermittlungsgebühr der Leitstelle an, die derzeit bei ca. 20-30 EUR liegt.


    Es besteht die Gefahr, dass der qualifizierte Krankentransport durch nicht auskömmliche Tarife faktisch abgeschafft wird, da es keine Anbieter mehr gibt die diesen durchführen. Somit bliebe nur noch der billigere KTW-light.


    Insbesondere mit dem Begriff KTW-light erweckt man den Eindruck, dass es sich um einen qualifizierten Krankentransport handelt.

    Möglicherweise drohen den Ärzten Regresse, wenn sie anstatt einen "normalen" KTW bestellen, anstatt einen KTW light, sodass die Ärzte - um das Riskio eines Regresses zu vermeiden - auf den „KTW-light“ zurückgreifen, obgleich der Patient eigentlich mit einem echten qualifizierten Krankentransport transportiert werden müsste.

    Die Krankenhäuser sind im Rahmen des Entlassmanagements auf schnell verfügbare Transportmittel angewiesen, sodass die Gefahr besteht, dass Patienten nicht das für sie nach den Krankentransport-RiLi angedachte Transportmittel erhalten. Insbesondere im Hinblick auf Infektionstransporte sehr problematisch.

    Die Anbieter müssen im Rahmen der Personalplanung keine Rettungssanitäter mehr vorhalten, sondern es genügt ein Sanitätshelfer. Und zur Not könnte man auch medizinisch völlig unausgebildete Kräfte einsetzen. Dann würde man vielleicht gegen den Vertrag mit den Kassen verstoßen, jedenfalls aber nicht gegen geltendes Recht. D.h. selbst wenn unqualifiziertes Personal eingesetzt würde, könnte die Aufsichtsbehörde nichts dagegen tun.

    Eine aktuelle Pressemitteilung der AOK Baden-Württemberg:


    "Notfallversorgung: Neue Fahrzeugklasse soll helfen, Leben zu retten


    Stuttgart, 6. Februar 2017 Trotz
    umfangreicher Investitionen der Krankenkassen: Immer noch kommen zu viele Rettungswagen
    in Baden-Württemberg bei Notfalleinsätzen zu spät – zumindest gemessen an der
    sogenannten Hilfsfrist, die als wichtiger Teil der Rettungskette definiert, wie
    viel Zeit zwischen dem Notruf und ihrem Eintreffen der Rettungskräfte am
    Unglücksort verstreichen darf. Neben der wachsenden Zahl von Einsätzen liegt einer
    der Gründe im System: „Zu oft werden Rettungswagen für andere Zwecke wie beispielsweise
    Krankentransporte eingesetzt und stehen so nicht für wichtige Notfalleinsätze
    zur Verfügung“, vermutet Enrique-Dietrich Vetter, Rettungsdienst-Experte bei
    der AOK Baden-Württemberg. Ein neues Modell der AOK Baden-Württemberg
    verspricht Abhilfe.



    In Baden-Württemberg werden jedes Jahr
    rund 800.000 Mal Patientinnen und Patienten, die nicht mehr selbstständig mobil
    sind, per Krankentransport von Klinik zu Klinik oder auch von zuhause zu einem
    Arzttermin gefahren. Zu oft, so Vetter, würden für diese sogenannten
    Krankentransporte Rettungswagen eingesetzt. „Dabei sind 50 Prozent der Krankentransporte
    unkritische Entlassfahrten von der Klinik nach Hause, für die selbst ein
    Krankenwagen eigentlich viel zu umfangreich ausgestattet ist.“ Das nehme der
    Notfallrettung die nötige Flexibilität, denn die verbleibenden Rettungswagen
    müssten dadurch häufig längere Wege zu den Notfallpatienten zurücklegen als
    nötig.


    Gemeinsam mit dem Arbeiter-Samariter-Bund
    (ASB) Baden-Württemberg e. V. hat die Südwest-AOK daher eine neue
    Fahrzeugklasse entwickelt, die beispielsweise bei Klinikentlassungen oder
    Arztbesuchen zukünftig Transporte mit übernehmen soll. Der sogenannte KTW-light
    gewährleistet den Patienten die notwendige medizinische Sicherheit und die
    Trageunterstützung, benötigt allerdings weniger medizinische Ausstattung als
    Kranken- und Rettungswagen. „Wir gehen davon aus, dass der KTW-light schon in
    diesem Jahr zehn Prozent der Krankentransporte übernehmen wird und so die
    Krankenwagen und damit die Rettungswagen spürbar entlastet“, prognostiziert
    Vetter. Er wird bereits 2017 nahezu flächendeckend eingesetzt.


    Der KTW-light ist mit zwei medizinisch geschulten
    Personen besetzt, von denen eine mindestens ein ausgebildeter Sanitäter oder
    eine ausgebildete Sanitäterin ist. An Bord finden sie alles, was sie für den
    Transport benötigen. Dazu gehören eine Krankenfahrtrage und ein Tragestuhl
    ebenso wie ein automatisierter externer Defibrillator (AED) für den Notfall. „Die
    Patientensicherheit besitzt für uns dabei oberste Priorität. Jeder KTW-light
    muss, bevor er zum Einsatz kommt, vom TÜV überprüft und abgenommen werden“, so
    Vetter. Im Unterschied zu Kranken- und Rettungswagen fällt der KTW-light allerdings
    nicht unter das Rettungsdienstgesetz. Er besitzt daher kein Blaulicht und ist
    nicht über Funk mit der Leitstelle verbunden."

    Nein, denn die Rechtsaufsicht bezieht sich nur auf den Bereichsausschuss. Die konkrete Durchführung des Rettungsdienstes durch die Hilfsorganisationen unterliegt keiner staatlichen Aufsicht (abgesehen davon, dass das Regierungspräsidium die Einhaltung der Verträge der Hilfsorganisationen mit dem IM überwachen soll, allerdings der Inhalt dieser Verträge öffentlich nicht zugänglich ist...).