Auf der Anfahrt hat die Leitstelle einen Wissensvorsprung.
Definiere "Wissen". Ich habe nichts gegen objektive Fakten wie "Die Pflege sagt, der Patient habe seit drei Wochen Durchfall". Was immer schwierig ist, sind geschlossene Fragen wie "Haben Sie Atemnot?" Da sagen einfach zu viele Menschen einfach ja. Wer Fragen stellt, bestimmt die Richtung des Gespräches - ob er will oder nicht. Oft hat die Leitstelle in medizinischen Fragen also nur einen Rate-Vorsprung, vor allem, wenn sie sich nicht auf objektive Fakten beschränkt. Oft ist es doch so: "Mein Mann ist erkältet. Er hat COPD und einen Herzschrittmacher." - "Hat er auch Atemnot?" - "Ja." Daraus wird dann der Notarzt-Einsatz: "AECOPD DD Schrittmacher-Notfall"
Warum sollte ich diesen für meine Einsatzplanung nicht nutzen (insofern die Qualität dieser stimmt)? Und das Schubladen bei den einen oder anderen geöffnet werden, ist ja eher ein Problem der Arbeitsweisen dieser Kollegen.
Nein. Dass Schubladen geöffnet werden, ist ein psychischer Mechanismus, der bei allen Menschen stattfindet, ob sie wollen oder nicht, ein Stichwort wäre hier zum Beispiel "Priming". Außerdem muss ich das Vorgehen bei einem medizinischen Notfall nicht dergestalt planen wie den Einsatz bei einem Brand.
Ich überlege gerade, wie der C-Dienst eines Löschzuges wohl reagieren würde, wenn dieser eine Nachfrage zum Einsatz "Rauchentwicklung" hat?
C-Dienst: "Ist was über das Objekt bekannt? Welche Etage? Personen im Gebäude?"
Aber das ist doch mit einer medizinischen Diagnostik nicht zu vergleichen. Ich wäre froh, wenn die ILS solcherlei Fakten auch mal ordentlich ermitteln würde statt ein medizinisches Ratespiel zu spielen. Dass die Hausnummer und die Etage stimmt, ist wichtiger als die Frage, ob der Patient jetzt Atemnot hat oder hatte oder nicht.
Leitstelle: "Sage ich Dir nicht, ich will keine Schubladen öffnen. Erkunde unvoreingenommen Deine Einsatzstelle, Ende."