Beiträge von m.duschl

    Man muss im Rahmen der Frage halt, und das ist imho vorrangig, betrachten ob wir wirklich zu jedem Leiden eine 200.000€ ALS-Box besetzt mit ALS Provider hinschicken müssen. Und ob diese dann auch in jedem Fall transportieren muss.


    Denn genau das tun wir ja. Und das ist halt eine unfassbare Ressourcenverschwendung.


    Wenn wir das abschaffen und eine vernünftige BLS Kapazität 24/7 bereitstellen dann haben wir schon viel gewonnen.

    Dieses Vorgehen wurde in anderen Ländern (z.B. UK, Australien, US, Kanada) schon vor mehr als einem Jahrzehnt abgeschafft und diese stehen im Vergleich zur aktuellen Situation in DE noch schlechter da.


    Und das obwohl es einen ganzen Blumenstrauss an Ressourcenoptionen gibt und eine weit besseren Informationsverfügbarkeit aufgrund einem deutlich fortgeschrittenerem Stand der Digitalisierung als in good old Germany.


    Resultat: Es wird immer schlimmer.

    Und jetzt stelle man sich mal vor es würde "Die Blaulichtnomaden" nicht geben.

    Allein in BaWü werden jährlich mehr als 200'000 RTW-Stunden von diesen besetzt.


    Nicht wenige Betriebe nutzen gleich mehrere Personaldienstleister, um den Bedarf überhaupt noch ansatzweise decken zu können.

    Vorhalteerhöhungen werden so lange wie möglich hinausgezögert, da man diese gar nicht stemmen kann.

    Manche Organisationen treten sogar von den gewonnen Ausschreibungen zurück, weil sie kein Personal gewinnen können.


    Oder man zahlt den eigenen Mitarbeitenden für Zusatzschichten (12 Stunden) über 400.- Euro brutto.

    Aber dadurch brennt man diese eben zunehmend aus und riskiert einen höheren Krankenstand.


    All die Massnahmen, die aktuell diskutiert werden, führen zu keiner nachhaltigen Lösung.

    Man betreibt einfach "damage control", was selbstverständlich auch nötig ist.


    Es würde am Ende nur eines helfen, um die Herausforderungen im Gesundheitswesen zu lösen: Neu bauen.

    Aber dazu fehlt der Mut auf verschiedenen Ebenen.


    Und somit werden eben weiter nach und nach mehr Betten gesperrt und RTW, etc. abgemeldet.

    Darum ist es so wichtig diese Dinge anzugehen.


    Was du schilderst ist überall gleich. Auch auf den Rettungs, Feuerwachen. Im "zivilen" Leben ebenso.


    Wir schaffen das. Wie immer.

    Nein, es ist NICHT überall gleich.

    Das wird nur immer suggeriert, insbesondere von sogenannten "Führungskräften" (egal ob Blaulichtmilieu oder freie Wirtschaft).


    Die Dinge anzugehen ist wichtig. Die Art und Weise wird aber wieder zu einem Scheitern führen, wie bereits in den letzten 30 Jahren.

    Alle Player im Markt haben es ausnahmslos bewiesen, dass sie es nicht können.

    Alle geplanten Lösungsansätze sollen aber mit den selben Spielern auf dem vermeintlich selben Spielfeld stattfinden.


    Es geht aber um ein komplett neues Spiel, mit neuen Regeln, mit einem neuem Spielfeld.


    Daher braucht es auch komplett neue Spieler mit anderen Eigenschaften.


    Wie Christof Constantin Chwojka von Notruf Niederösterreich in einem seiner letzten Vorträge gesagt hat:

    "Wenn man etwas grundlegend verändern möchte, muss man es den aktuellen Akteuren wegnehmen."


    Diese Auffassung teile ich voll und ganz.

    Aber mir ist auch gleichzeitig vollkommen klar, dass das nicht passieren wird.



    "Altes" Spielfeld (Darstellung ca. 20 Jahre alt, aber trotzdem nahezu unverändert):


    Quelle:

    Matusiewicz D (2023): Newsletter No. 13 - Blockierer im Gesundheitswesen, in: DXM - Digital X Medizin weekly, Newsletter, Jg. 2, Ausgabe 13, 2023.


    Aktuell gibt es "nur" noch 99 GKV, es kommt noch die Gematik hinzu, etc.

    Wenn ich höre und sehe mit welcher Anspruchshaltung nach einer Fortbildung oder einem nebenberuflichen Studium zum Arbeitgeber zurückkommen, dann weiß ich regelmäßig nicht, ob ich lachen oder weinen soll.

    In Sachen Arroganz und Überheblichkeit scheint die "jüngere Generation" Dir bzw. Deiner Organisation in nichts nachzustehen.


    Hauke hat absolut Recht mit seiner Aussage:

    Zitat

    Vielleicht sind einige Kollegen auch selbst dafür verantwortlich, dass der Nachwuchs nicht mehr bleiben möchte.

    Für den "low code" Bereich sehe die Lösung ausserhalb des RD, allein schon aus dem Grund, dass man die eigenen zu knappen Ressourcen nicht kannibalisiert.


    Die Bereiche "telemedizinischer Support" und "acute community care" könnten von einem Drittanbieter bezogen werden oder man könnte diese in einem Joint-Venture aus verschiedenen Leistungserbringern selbst aufbauen.


    In anderen Ländern gibt es dafür sehr interessante Beispiele.

    Die Schweiz ist schon lange nicht mehr das Land, in dem rettungsdienstlich gesehen, nur Milch und Honig fliesst.


    Momentan fällt einigen Systemen ihre "Fehleinschätzungen" aus vergangenen Tagen auf die Füsse.


    Beispiel:

    Das Gesundheitsdepartement eines Kantons entscheidet aufgrund des im Vorfeld sehr deutlich wahrnehmbaren Lobbyismus der grossen Player im Rettungsdienst, dass RTW nur noch in Doppelbesetzung dipl. RS gesetzeskonform eingesetzt werden können. Gleichzeitig wurden die Anerkennungskriterien für dipl. RS "angepasst".


    Drei Kernziele wurden damit verfolgt:

    1. Kleinere Leistungserbringer zur Fusion zu bewegen

    2. Die Einstiegshürde im lokalen Markt für potentielle Marktbegleiter aus dem In-/Ausland zu erhöhen

    3. Die Einstiegshürde für mögliche RS Kandidaten:innen aus dem Ausland zu erhöhen


    Das Ganze wurde unter dem Deckmantel der Qualitätssteigerung durchgeführt, ohne dass es jemals eine Studie z.B. zur Fragestellung gab, ob eine Doppelbesatzung aus dipl. RS zu einer Qualitätssteigerung bei der Ergebnisqualität für den Patienten führt.


    Studien aus anderen Ländern mit ähnlichen Qualifikationen haben keinen Qualitätsanstieg aufzeigen können.


    Zusätzlich muss man noch wissen, dass die Rettungsdienstsysteme in der Schweiz, sich in Sachen Vorhaltung bis vor wenigen Jahren und teilweise auch heute noch, eher am Minimum ausgerichtet haben bzw. ausrichten und eine signifikante Bedarfserhöhung längstens notwendig gewesen wäre und gleichzeitig noch eine grosse Verrentungswelle ansteht.


    Zwei der Kernziele wurden klar verfehlt.

    1. Die kleineren Leistungserbringer haben so viel Selbstbewusstsein entwickelt, dass sie heute deutlich grösser geworden sind und relevante Marktanteile von den Lobbyrettungsdiensten abgegriffen und gleichzeitig die Vorhaltung erhöht haben und dafür auch weitere dipl. RS benötigten

    2. Die Marktbegleiter sind trotzdem in den Markt eingestiegen und haben zu einem Aktionismus im Bereich der Neueröffnung von Rettungswachen durch die etablierten Player geführt (um die gesetzlichen Anforderungen bei den Hilfsfristen einzuhalten und sich nicht angreifbar zumachen), was den Bedarf an dipl. RS adhoc signifikant gesteigert hat.


    Das dritte Kernziel hat man erreicht: Die Zahl der Anerkennungen hat abgenommen bzw. stagniert auf einem zu niedrigen Niveau.


    Bis heute werden nicht genug dipl. RS ausgebildet, um den deutlich gewachsenen Bedarf zu kompensieren.


    Meine persönliche Einschätzung ist aktuell, dass sich die Situation in der Schweiz schneller und gravierender verschlechtern könnte, als die Situation in Deutschland. Dies in erster Linie aufgrund massiver Fehlentscheidungen / -einschätzungen in den letzten 5 bis 8 Jahren.

    Hier ein Tier-System zwischen NA und RS zu schaffen mit evtl. Bachelor, Masterstudium zu einem „Experten Notfallmedizin“ wäre eine riesen Chance um Personal zu halten, aber leider hört man da sehr sehr wenig in diese Richtung.

    In der Schweiz kommt aus meiner Sicht noch etwas hinzu, was oftmals in Vergessenheit gerät.

    Nahezu ALLE Dipl. RS haben vor ihrer Ausbildung bereits eine abgeschlossene, oftmals nicht medizinische Berufsausbildung.


    Dann absolvieren sie eine weitere Berufsausbildung, welche sie insbesondere in Bereichen weiterqualifiziert, welche man sonst auch in der Führungskräftequalifizierung wiederfindet, wie schnelle und umfassende Situationsanalyse, Entscheidungsfindung, entscheiden unter Druck, Führung in komplexen Situationen, etc.


    So wird ihr Marktwert gesteigert und sie werden für ihre "Ursprungsbranche" noch interessanter.

    Daher ist es dann auch nicht verwunderlich, dass diese Fachkräfte auf einmal gar nicht mehr im Gesundheitswesen zu finden sind.


    Dazu kommt noch, dass es im Gegensatz zu DE in der Schweiz eher unüblich ist, noch ein wenig nebenher Rettung zu fahren.

    Manche Betriebe versuchen dies zwar gerade mit 20%igen Anstellungsverhältnissen zu fördern, aber so wie man mitbekommt, sind diese Bestrebungen nicht sonderlich mit Erfolg gekrönt.


    Die von securo angesprochene Ausbildungsinitiative müsste a.s.a.p. zu einer mehr als Verdoppelung der aktuellen Ausbildungskapazitäten in den Betrieben und Schulen führen. Damit könnte man zumindest die bisherige Fluktuation kompensieren. Hält man aber am aktuellen System fest und möchte dem wachsenden Bedarf gerecht werden, müssten die Kapazitäten vervier- bis verfünffacht werden. Und das ist aus meiner Sicht utopisch.

    was würdest Du denn vorschlagen, um das System zu „retten“? Ausser „Geld in die Hand zu nehmen“ (Löhne, Ausbildung und eben die ambulanten Strukturen deutlich auszubauen und zu vernetzen) würde mir akut tatsächlich nichts einfallen…

    Keine dieser Massnahmen wird den kontinuierlich (teilweise exponentiell) wachsenden Zustrom von Patienten:innen in das akut- und notfallmedizinische Versorgungssystem im notwendigen Rahmen reduzieren.


    Da wäre aber der eigentliche Hebel, jedoch ist dieser nicht kurzfristig umsetzbar und liegt ausserhalb des aktuell gegebenen Verantwortungsbereiches der Gesundheitspolitik.

    Ich habe in meinem Leben selten so eine "blasse" Stellungnahme gelesen.

    Persönlich kann ich mich dem Eindruck nicht erwehren, dass sich die Verfasser:innen aufgrund ihrer Interessenskonflikte (Verantwortliche auf Entscheiderebene in grossen Rettungsdiensten) nicht zu sehr exponieren und die Lage klar und deutlich benennen möchten, so wie es z.B. der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner nahezu wöchentlich tut.


    Das akut- und notfallmedizinische Versorgungssystem (inkl. der hausärztlichen Versorgung) praktisch in jedem Land der westlichen Welt entspricht einem polytraumatisierten Patienten.

    Alle Massnahmen die jeweils in leicht abgewandelter Form aktuell auf dem Tisch liegen (auch die Systemstruktur und -prozesse in Niederösterreich) entsprechen aber am Ende nur dem Spektrum von Pflaster aufkleben, Druckverband machen, Woundpacking durchführen, Tourniquet und/oder Beckenschlinge anlegen, Gabe von TXA und Blut, etc.


    Eine definitive chirurgische Versorgung erfolgt nicht und der "Patient" blutet munter weiter.


    Mir ist bewusst, dass wir aktuell versuchen müssen den Schaden zu begrenzen.

    Aber wenn wir nicht parallel dazu klar und deutlich anerkennen , dass die grundlegende und nachhaltige Lösung für die Herausforderungen im Gesundheitssystem gar nicht in innerhalb des eigenen Systems, sondern z.B. im Bildungsbereich liegen, und entsprechend handeln, werden wir es auch in 30 Jahren nicht schaffen, den "Patienten" zu retten.