Der perfekte RA-Azubi

  • Also was mir an meinen Praxisanleitern sehr gefallen hat, war:


    - Man wurde nicht von oben herab behandelt.
    - HAt es die Situation zugelassen, waren konstruktive Gespräche möglich.
    - Vorschläge des Praktikanten wurden wenn gegeben auch gerne umgesetzt.


    AUf der Wache wurde man generell als ein Teil des ganzen gesehen und nicht als "lästiger" oder "unwissender" Praktikant.

  • guten tag.



    da ich sowieso schon darüber nachgedacht habe, kann ich auch noch mein idealbild eines praxisanleiters schildern, dem ich mich in meiner täglichen praxis anzunähern versuche. das funktioniert mal mehr und mal weniger gut, denn ein praxisanleiter ist ja auch nur ein mensch, und die beziehung, die mit dem praktikanten entsteht, hängt auch ganz wesentlich von den individuellen persönlichkeiten ab, die da aufeinandertreffen. grundsätzlich muss man die person des praktikanten (und seinen kenntnisstand) so akzeptieren, wie sie ist und ein bestimmtes minimum an umgangsformen wahren. ich muss auch praktikanten ausbilden, die ich nicht mag und sollte zusehen, dass ich sie dadurch nicht benachteilige und keine beurteilungsfehler mache. dazu ist eine persönlichkeit mit einem gewissen hang zum humanismus erforderlich. man sollte natürlich generell spaß am lehren haben. wenn man das lehren lediglich verordnet bekommt, stimmt am ende das ergebnis meistens nicht. grundsätzlich bilden bestimmte charaktereigenschaften die grundlage für ein erfolgreiches ausbildungsverhältnis. man muss weltoffen sein, kontaktfreudig und selbstbewusst in jeder hinsicht. man muss grundsätzlich sehr gut kommunizieren können - und zwar verbal und auch nonverbal. man sollte an den nicht-verbalen zeichen des praktikanten zum beispiel erkennen können, wenn er sich nicht wohlfühlt. man muss natürlich auch gut erklären können, wofür eine sehr gute fachkenntnis natürlich unabdingbar ist. man sollte allerdings auch seine wissenslücken zugeben können. nichts regt mich mehr auf als kollegInnen, die bei eigenen fachlichen unsicherheiten irgendwelche halbwahrheiten aus dem ärmel schütteln nur um nicht zugeben zu müssen, dass sies selber nicht wissen. der offene umgang mit eigenen wissenslücken bietet letztlich sogar ausschließlich vorteile: der praktikant merkt schonmal, dass man ehrlich ist und dass nicht jeder RA alles weiß. sodann kann man dem praktikanten zeigen, dass man ihn ernstnimmt, indem man abspricht, wer wie bis wann an das fehlende wissen gelangt. und letztlich lernt dann auch der anleiter dazu.


    für die feinheiten sollte man als routinierter praxisanleiter eine wie auch immer geartete qualifikation anstreben. das muss nicht gleich ein LRA-kurs sein. es reicht zB auch eine ausbilder-qualifikation der jeweiligen hilfsorganisation (wenn man in einer ist). inhalt sollte mindestens folgender sein:


    bewerten und beurteilen (und die typischen fehler dabei)
    kommunikationspsychologie
    didaktik
    methodik
    lernziele des jeweiligen praktikums
    führungsstile


    no-gos für praxisanleiter:


    man macht sich nicht über praktikanten lustig. wenn der praktikant eine lernblockade oder schlimmstenfalls eine totale handlungsblockade hat, ist man meistens selbst die ursache. sogar dann, wenn der praktikant objektiv ungeeignet für die angestrebte qualifikation ist, sollte man bedenken, dass man im rettungsdienst die qualifikation in den allermeisten fällen auch dann erlangt, wenn man völlig ungeeignet ist - und insofern sollte man am ball bleiben, d.h., die verbliebene praktikumszeit nutzen, um den lernerfolg dennoch zu maximieren (und wenns nur die basismaßnahmen sind). man darf keine praktikanten fallenlassen, also sie nurnoch mitschleppen und ansonsten ignorieren. das tun manche kollegen, und es ist falsch. praktikanten sind auch keine gelegenheitskräfte für unangenehme tätigkeiten. reinigungsarbeiten, botengänge und sonstige stupide tätigkeiten sollten im team gerecht verteilt werden. man muss natürlich sagen, dass es gerade diejenigen anleiter sind, die den praktikanten sowieso nichts beibringen können - dann können die praktikanten halt auch nur die stupiden dinge wie zählen, putzen und botengänge. der klassische fehler der praxisanleiterInnen ist voreingenommenheit. das beginnt bei der ethnischen herkunft, führt über die berufsfachschule und gipfelt darin, dass man meinungen anderer anleiterInnen einholt, bevor man selbst eine beurteilung schreibt. wer einen praktikanten beurteilen will, sollte dies aufgrund eigener erkenntnis tun und es tunlichst vermeiden, vorher frühere beurteilungen zur kenntnis zu nehmen.


    die typischen beurteilungsfehler


    1. der maßstab stimmt nicht.


    als praxisanleiter hat man üblicherweise eine gehörige berufserfahrung. man hat eine trage ungefähr 93.000 mal aus dem fahrzeug genommen und sie wieder hineinbugsiert. wenn der praktikant das nicht auf anhieb lernt, dann liegt das möglicherweise daran, dass er das erst 1 oder 2 mal gemacht hat. auch theoretische kenntnisse werden oft falsch bewertet. wenn mir der praktikant die lungenembolie erklären soll und da nur murks herauskommt, dann sollte man nicht vergessen, dass derjenige wahrscheinlich erst vor wenigen wochen bekanntschaft mit einem oft mehrere hundert seiten dicken buch gemacht hat und er keine ahnung davon hat, was in diesem buch wichtig ist und was eben nicht. ebenso war seitdem kaum zeit, den stoff zu wiederholen, weil die leute ja oft direkt im anschluss vollzeitmäßig in die praktika einsteigen. insofern sollte man als praxisanleiter auch die durchschnittliche leistung eines lehrgangsabsolventen kennen. übrigens haben auch theoretische defizite ihre ursache meistens nicht in der person des praktikanten. vielleicht war auch der unterricht einfach schlecht. man sollte übrigens die ausbildung und die bewertung auch nicht auf seine persönlichen lieblingsthemen beschränken, sodass man am ende einen RS hat, der übertrieben viel weiß über akute koronare syndrome, antikoagulantien und lagetypen, der aber nicht weiß, was ein verbandpäckchen ist.


    2. die weiteren beurteilungen entsprechen der ersten


    man sollte immer die möglichkeit in betracht zieheh, dass der praktikant fortschritte macht. der typische fehler ist, dass man beim praktikanten das, was er nicht konnte, im nächsten beurteilungszeitraum ganz genau beobachtet. dabei fallen einem dann auch viel eher fehler und unsicherheiten auf, und überdies verunsichert man die praktikanten dadurch natürlich auch, sodass man selbst es ist, der dafür sorgt, dass der praktikant seine defizite beibehält. der mechanismus der selffulfilling prophecy muss jedem lehrenden bekannt sein. die tritt in unterschiedlichen gestalten an allen ecken und enden auf.


    3. die beurteilung des einen anleiters entspricht der des anderen


    habe ich oben schonmal erwähnt. wenn ich mir vor dem erstkontakt mit dem praktikanten brühwarm von kollegen berichten lässt, was der praktikant alles nicht kann, dann werde ich diese fehler mit einer hohen wahrscheinlichkeit selbst beobachten - in unabhängigkeit davon, ob der praktikant sie tatsächlich macht oder nicht.


    4. der praktikant kennt die aktuellen anforderungen nicht, die ich an ihn stelle


    oft ist die kommunikation mit dem praktikanten suboptimal. dann ist es kein wunder, wenn er wenig selbständigkeit an den tag legt. besser ist es, in groben zügen abzusprechen, was der praktikant zeigen soll und was (noch) nicht. klare ansagen sind hilfreich, zB: der nächste krankenstransport ist deiner. du nimmst kontakt auf, erhebst die anamnese, wählst die transporttechnik aus und machst die übergabe und die dokumentation. im anschluss ist ein adäquates feedback angezeigt. wenn ich den praktikanten hingegen immer nur mitlaufen lasse und ihm kein adäquates feedback gebe, dann entwickelt er auch keine selbständigkeit.


    5. feedback


    es kommt auf das wesentliche an - positiv und negativ. negativ nur, wenns sein muss. das feedback muss sich im übrigen auch an der momentanen lernphase des praktikanten orientieren. wenns der erste einsatz des praktikanten überhaupt ist, dann sollte ich ihm hinterher nicht seine 20 fehler aufs brot schmieren. negatives feedback sollte man übrigens nicht negativ formulieren, sondern positiv, zB: du kannst dein gerätemanagement noch verbessern. der killer ist, wie ich finde, auch am äußerst gelungenen einsatz noch irgendeine kleinigkeit zum meckern zu finden - typisch deutsch ürigens. wenn der einsatz wirklich gut gelungen ist: die paar negativen kleinigkeiten einfach unter den tisch fallen lassen und bei gelegenheit ausbügeln. positives feedback und wohldosiertes lob motivieren ganz erheblich, noch besser zu werden.


    6. organisatorisches


    man sollte ein vorgespräch mit dem praktikanten führen und organisatorische dinge klären (praktikumsheft, wie wirds geführt, wann wirds abgestempelt; einsatzkleidung, spind, schichtzeiten und kontaktmöglichkeiten etc.). man sollte auch zwischendurch mal mit dem praktikanten darüber sprechen, wies läuft. wenn man bestimmte verhaltensweisen von jedem praktikanten erwartet, dann kann man die auch mal schriftlich zur verfügung stellen - genauso wie infos, die eh jeder praktikant braucht wie zB die schichtzeiten.

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  • wenn man bestimmte verhaltensweisen von jedem praktikanten erwartet, dann kann man die auch mal schriftlich zur verfügung stellen - genauso wie infos, die eh jeder praktikant braucht wie zB die schichtzeiten.


    off-topic:
    hihi, da fällt mir gerade etwas ein, so am rande. das hab' ich damals in doppelter ausführung bekommen; allerdings fehlte in einer der beiden ziemlich am anfang irgendwo ein satz, sodass dann ein konstrukt wie "die persönliche hygiene ist zu wahren. falls diesbezüglich unklarheiten bestehen sollten, wenden sie sich bitte an .... ." zu lesen war. fand ich ziemlich.... amüsant. :D weiss ja nicht, ob's mittlerweile aufgefallen ist!

    'Angesichts der Vielzahl von Bedürftigen muss man sparsam sein mit seiner Verachtung.' (François-René de Chateaubriand)