erweiterte Maßnahmen für den RettAss? konträre Vorstellungen (Ursprung:Nitro-Spray bei Nierenkolik?)

  • Ich habe die von WolF angesprochenen Fragen bezüglich des Heilpraktikergesetzes bereits in einem früheren Thread mit imgb01 diskutiert. Wer sich die juristischen Hintergründe anschauen mag, wird dort fündig. Deshalb hier nur ein paar kurze Hinweise:


    Zitat

    Original von WolF
    Denn gegen das Heilpraktikergesetz, auf das sich die BÄK immer beruft verstossen wir nicht, da wir keine Maßnahmen mit dem Ziel von geschäftlichem Profit durchführen.


    Dieses Argument ist zum einen wacklig, weil der hauptberuflich tätige RettAss sehr wohl handelt, um Profit zu erzielen - sein Gehalt nämlich. Davon abgesehen beschäftigt sich das Argument nur mit einem Teil des Heilpraktikergesetzes und lässt den anderen geflissentlich außer Acht. Siehe dazu § 1 Abs. 2 HeilPrG.



    Zitat

    Original von WolFFür die Juristen sind nämlich alle Maßnahmen, die wir im Rahmen unserer Ausbildung lernen, Maßnahmen der Regelkompetenz. Notkompetenz steht den Juristen nach für die Dinge die man mal gelesen hat oder dabei zugeschaut hat und sie dann zur Rettung eines Patienten einsetzt.


    Insofern bedarf es keinem Maßnahmenkatalog der im Gesetz steht, was das ganze nur für die weitere Entwicklung zu unfelxibel macht. Es bedarf nur einer vernüftigen Ausbildungsrichtlinie, wie sie für jeden anderen Lehrberuf existiert.


    Das stimmt in dieser Form deshalb nicht, weil es die juristischen und rettungsdienstlichen Begriffe von Not- und Regelkompetenz durcheinanderbringt.



    Zitat

    Original von WolF
    Übrigens werden wenn wir Maßnahmen im Rahmen unserer "Notkompentenz" durchführen, wird die falsche Durchführung weniger oder seltener bestraft, als wenn wir es nicht tun. "Schädigung durch unterlassen".


    Auch das stimmt in dieser Allgemeinheit nicht.



    Beste Grüße

  • Zitat

    Original von Schmunzel
    Wobei sich das Problem bei Einführung eines FA Notfallmedizin insofern reduzierte, als der Facharztstandard bei der Behandlung von Notfallpatienten auf die Behandlung durch den FA für Notfallmedizin richtete (der natürlich zur Weiterbehandlung an den Kollegen der entsprechenden Fachrichtung überweisen müsste).


    Damit müßten neue Stellen geschaffen werden, die die Kosten noch weiter in die Höhe treiben würden. Die Patienten sind in der Regel durch den einweisenden Arzt, Rettungsdienst/Notarzt oder Krankenhauspforte vorselektiert, daß ein "Sichtungsarzt" oder eine "Anbehandlung" eigentlich nicht notwendig ist.



    Gruß von der Intensiv,


    Ani


  • Ist klar, ich wollte auch nicht für die Einführung des FA Notfallmedizin plädieren, sondern nur einen Teilaspekt ansprechen. Wenn das bestehende System auch ohne diesen FA gut zurechtkommt, braucht man es ja nicht abändern.


    Gruß vom Rand des Potts auf die Intensiv!

  • Unabhängig von der Frage, ob es einen FA f. Notfallmedizin gibt, hat der Patient Anspruch auf eine Behandlung nach dem notfallmedizinischen Standard, den jeder Notartz gewährleisten muss, so dass ich die Notwendigkeit der Einführung eines Facharztes nicht sehe. Denn der Facharztstandard beruht ja gerade auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen der entsprechenden Fachrichtung.

  • Zitat

    Original von imgb01
    Unabhängig von der Frage, ob es einen FA f. Notfallmedizin gibt, hat der Patient Anspruch auf eine Behandlung nach dem notfallmedizinischen Standard, den jeder Notartz gewährleisten muss, so dass ich die Notwendigkeit der Einführung eines Facharztes nicht sehe. Denn der Facharztstandard beruht ja gerade auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen der entsprechenden Fachrichtung.


    Sehe ich auch so. Der FA wäre quasi nur der formale Nachweis bestimmter Kompetenzen. Materiell muss ein Arzt die für eine Behandlung erforderlichen Kenntnisse immer haben, sonst darf er eben die Behandlung nicht übernehmen. Einzige Frage könnte m. E. sein, ob sich die Standards mittelbar erhöhen, wenn ein bestimmtes Gebiet von Fachärzten betreut wird, weil sich nach einigen Jahren Spezialisierung eine höhere Durchschnittsqualität ergibt.


    Beste Grüße



    PS. Was macht die Diss?

  • Zitat

    Original von Schmunzel



    Dieses Argument ist zum einen wacklig, weil der hauptberuflich tätige RettAss sehr wohl handelt, um Profit zu erzielen - sein Gehalt nämlich. Davon abgesehen beschäftigt sich das Argument nur mit einem Teil des Heilpraktikergesetzes und lässt den anderen geflissentlich außer Acht. Siehe dazu § 1 Abs. 2 HeilPrG.


    Hmm, Deine Argumentation würde ich verstehen, wenn der hauptberufliche RettAss nach der Quantität seiner Arbeit bezahlt würde. Dem ist aber, zumindest in Bayern nicht so. Anhand der Finanzierungsstruktur des öffentlich rechtlichen Rettungsdienst wird zumindest offiziell kein Gewinn der Rettungsdienstbetreiber erziehlt, sondern die "Erlöse" der Gesamteinsätze in Bayern werden auf die bestehenden Strukturen des öffentlich rechtlichen Rettungsdienstes verteilt, um eine Kostendeckung zu erreichen.


    Als "Nichtjurist" ist es natürlich schwer die richtigen Fachausdrücke zu finden aber ich versuche es mal:


    Juristisch gesehen wird ausschließlich die Handlung des nichtärztlichen Personals, bei einem möglichen Fehler mit anschließenden Schaden für den Patienten begutachtet. Nur bei korrekter Tätigkeit, aufgrund von Dienstanweisungen etc., die sich anschließend als Fehler herausstellen würde, würde hier doch die gesamte Organisation durchleuchtet.


    Eigentlich kann sich das nichtärztliche Personal auf den "rechtfertigenden Notstand" wie jeder Bürger berufen, sofern es sich um einen hoffnungslosen, aber doch gestarteten Versuch einer absolut lebensrettenden Maßnahme handelt. Beispiel: Koniotomie.


    Alles was das nichtärztliche Personal nachweislich erlernt hat, zum einen in der RA- Ausbildung und anschließend in seiner Rettungsorganisation (Nachweis durch den ÄLRD) hat er im Notfall korrekt durchzuführen. Das nichtärztliche Personal trägt, doch genau wie die Ärzte, grundsätzlich für ihre getätigten Handlungen auch die Durchführungsverantwortung. Fehlerhaft getätigte Maßnahmen können nicht auf eine höhere Instanz abgewälzt werden, nach meinem Wissensstand.


    Ich könnte mir vorstellen, das eben aufgrund der gesamten eben nicht genau definierten rechtlichen Situation im Rettungsdienst, auch für die Juristen es teilweise schwer ist, bei Problemfällen das Problem anhand der bestehenden Gesetze für die Gesamtsituation auch gerecht einzupacken. Z.B. wird dem nichtärztlichen Personal, oftmals hier im Forum zitiert, anhand der Gesetzeslage (BtmG) die Gabe von Btm - Analgetika angeblich untersagt. Ich glaube, das die Juristen hier weiter sind als wir denken. Ich könnte mir vorstellen, das juristisch gesehen, das BtmG entwickelt und durchgeführt wird um vielmehr den Missbrauch, der mitunter ja auch tödlich sein kann, zu unterbinden. Wenn allerdings nichtärztliches Personal eine berechtigte Btm-Analgesie durchführt, glaube ich kaum, das hier juristisch von einem Missbrauch vom BtmG gesprochen würde. Bei einer fehlerhaften Durchführung einer Btm - Analgesie würde m. E. juristisch der Fehler auch hier in der Durchführungsverantwortung und nicht im BtmG gesucht werden.


    Die derzeitige Situation kann man auch als recht "positiv" betrachten, da eben das nichtärztliche Personal, eben doch einen unglaublichen Spielraum hat. Und wie bereits oftmals erwähnt, wenn Fehler gemacht werden, unerheblich welche, ist es doch vollkommen korrekt, das diese Konsequenzen haben. Dies begründe ich damit, das ich noch nie gehört habe, das nichtärztliches Personal für korrekt durchgeführte Tätigkeiten belangt wäre, obwohl sie eigentlich laut Gesetzgebung nicht hätten durchgeführt werden dürfen.


    Die von mir aufgestellte These, da die Juristerei für mich dahingehend eben ein unbekanntes Wesen in seiner Verfahrensweise ist, ist auch als Fragestellung an unsere Juristen gedacht, ob dem wirklich so ist?

  • @ Schmunzel: Leider bin ich auch kein Fachmann auf dem Gebiet und kann das auch nur auf dem Weg wiederholen, wie es bei uns gesagt wurde.


    Aber Allgemein ist doch richtig das eine Schädigung durch unterlassen ebenso bestraft wird.
    Dies gilt wohl auch für RettAss. Jetzt bleibt nur die Frage ob das auch für den Fall von unterlassenen Maßnahmen der Notkompetenz gilt.


    Gruss Alex

  • Zitat

    Original von Mütom
    Hmm, Deine Argumentation würde ich verstehen, wenn der hauptberufliche RettAss nach der Quantität seiner Arbeit bezahlt würde.


    Lies bitte den link zu § 1 Abs. 2 HeilPrG nach. Meine Bedenken an WolFs Ansicht sind: Erstens heißt "gewerbsmäßig" soviel wie "mit der Absicht, Gewinn zu erzielen", und der hauptberuflich tätige RettAss arbeitet mit dieser Absicht. Ich halte es für fraglich, ob es auf die SIcht des Unternehmens ankommt, und zwar deshalb, weil das HeilPrG unkundige Behandlungen verhindern will. Das hat nur Sinn, wenn die Betrachtung bei der handelnden Person ansetzt.


    Zweitens reicht auch "berufsmäßiges" Handeln, das nach meinem Verständnis (dazu die DIskussion im anderen Thread, auf die ich hingewiesen habe) unabhängig von - wie WolF sagt - "Profitstreben" ist.


    Der ganze Rest ist nicht falsch, aber nicht unmittelbar relevant.

  • Zitat

    Original von WolF
    Aber Allgemein ist doch richtig das eine Schädigung durch unterlassen ebenso bestraft wird.


    Das stimmt, ist aber etwas anderes als Du oben geschrieben hast.

  • Muss wohl bei genauer Betrachtung zugeben, dass uns da was falsches Erzählt wurde.

  • Der Juristen-Rookie will mal versuchen ein paar Antworten zu geben...


    Zitat

    Eigentlich kann sich das nichtärztliche Personal auf den "rechtfertigenden Notstand" wie jeder Bürger berufen, sofern es sich um einen hoffnungslosen, aber doch gestarteten Versuch einer absolut lebensrettenden Maßnahme handelt. Beispiel: Koniotomie.


    Im Prinzip richtig, wäre da nicht die Garantenstellung die uns grund unserer Ausbildung trifft. Wir haben eine bessere Ausbildung im notfallmedizinischen Bereich und somit auch einen wesentlich höheren Sachverstand als Otto-Normalbürger. Von daher ist es für uns schwierig sich auf den "letzten hoffnungslosen Versuch" zu berufen. Es mag Situationen geben die hierunter fallen. Aber diese situationen sind doch eher gering.


    Zitat

    Bei einer fehlerhaften Durchführung einer Btm - Analgesie würde m. E. juristisch der Fehler auch hier in der Durchführungsverantwortung und nicht im BtmG gesucht werden.


    Ja und Nein... Es würde sicherlich die fehlerhafte Anwendung untersucht und entsprechend als (gefärhliche) Körperverletzung etc. behandelt und verfolgt werden. Daneben stellt der Verstoß gegen das BtmG einen eigenen Verstoß dar, der quasi eigenständig geprüft wird und dann mit der Körperverletzung in Tateinheit steht.


    Zitat

    Ich könnte mir vorstellen, das juristisch gesehen, das BtmG entwickelt und durchgeführt wird um vielmehr den Missbrauch, der mitunter ja auch tödlich sein kann, zu unterbinden.


    Richtig, so sehe ich das auch. Allerdings ist hier derzeit keine Lockerung und Aufweitung auf nichtärztliches, medizinisches Personal in Sicht.


    Zitat

    Die derzeitige Situation kann man auch als recht "positiv" betrachten, da eben das nichtärztliche Personal, eben doch einen unglaublichen Spielraum hat. Und wie bereits oftmals erwähnt, wenn Fehler gemacht werden, unerheblich welche, ist es doch vollkommen korrekt, das diese Konsequenzen haben. Dies begründe ich damit, das ich noch nie gehört habe, das nichtärztliches Personal für korrekt durchgeführte Tätigkeiten belangt wäre, obwohl sie eigentlich laut Gesetzgebung nicht hätten durchgeführt werden dürfen


    Hmmm, als positiv möchte ich das nicht bezeichnen. Aber es ist in der Tat so, dass auch hier der alte Spruch gilt: "Wo kein KLäger, da auch kein Richter." Jedoch gebe ich zu bedenken, dass die Bevölkerung auch für den Bereich des Rettungsdienstes sensibilisiert ist und dies immer weiter wird. Es häufen sich durchaus Nachfragen von Patienten bezüglich getroffenener Maßnahmen. Strafrechtlich und in Punkto SChadenersatz gibt es hier kaum URteile... Jedoch gibt es natürlich auch den Arbeitgeber, der sich so eines unliebsamen Mitarbeiters entledigen könnte. Verstoß gegen Dienstanweisungen etc. Ein sehr umstrittenes Thema, dessen Diskussion hier sicherlich OT gehen würde. WEnn Bedarf besteht können wir das gerne im Rechtsboard diskutieren. Ich möchte einfach nur zu bedenken geben, dass unser Handeln auch arbeitsrechtliche KOnsequenzen nach sich ziehen kann. KANN nicht MUSS...


    Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über das selbe Thema malen. (Pablo Picasso)

  • Wie Schmunzel schon gesagt hat, haben wir das Thema der Anwendbarkeit des HPG auf RA/RS schon disskutiert. Ich möchte an dieser Stelle aber trotzdem noch einmal hervorheben, dass aus meiner Sicht das HPG keine Anwendung auf bestimmte Berufsgruppen findet. Dies bedeutet allerdings nicht, dass jeder jetzt mal "drauflos koniotomieren" darf. Vielmehr gilt es bei jeder medizinischen Maßnahme den erforderlichen notfallmedizinischen Standard zu wahren. Bei bestimmten Maßnahmen muss ein RA, wenn er sie denn durchführt, ggf. auch damit rechnen, dass man von ihm den Standard eines Notartztes und nicht den eines RA erwartet.
    Bei meiner Lösung verlagert sich die Problematik allein in den Bereich des Haftungsrechts (der auch bei der Anwendbarkeit des HPG eine maßgebliche Rolle spielt). Um es auf den Punkt zu bringen: Ein RA muss die Maßnahmen die er durchführt auch tatsächlich beherrschen.

  • Vielen Dank für die prompte Antwort.


    @ Schmunzel


    Wenn ich Dich richtig verstanden habe, ist diese Problematik "Profit im Rettungsdienst" eigentlich jurisitisch, anhand eines fehlenden Präzendenzfalles noch gar nicht geklärt. Vielmehr wird anhand der Kommentare, zu dieser Problematik, von den Juristen bisher eine mögliche Antwort gesucht?


    @ Öpfä


    wenn ich Deine Ausführungen richtig verstanden habe, betrifft die Garantenstellung ausschließlich nur unseren "sollmäßigen" (RA - Ausbildung) und möglicherweise "istmäßigen"(am Standort erlernte und vertiefte Ausbildung) Ausbildungsstand. Das was man vielleicht mal gehört und gelesen hat und als letzten und wirklich nur als Ausweg zur Lebensrettung nutzt, würde demnach, wie von mir bereits festgestellt, unter den "rechtfertigenden Notstand" fallen. Ist es aber nicht so, das eben aufgrund der Garantenstellung, jegliche erdenkliche Maßnahme zur Lebensrettung durchgeführt werden sollte?


    Als Folge dieser Feststellung, würde dann eine entscheidende Frage bezüglich der möglichen Handlungsweise des Arbeitgebers (AG) für mich offen bleiben:


    Inwieweit ist es denn rechtlich zulässig, wenn gegen eine vom AG erlassene Dienstanweisung, aufgrund einer durchgeführten lebensrettenden Maßnahme, die Folge der Kündigung eintreten würde?
    Beispiel: Aufgrund einer erfolglosen erweiterten medizinischen Maßnahme, bei einem Lebensrettungsversuch kommt es zu einem Ermittlungsverfahren. Dieses wird von der Ermittlungsbehörde eingestellt. Da der AG aber anhand einer bestehenden Dienstanweisung derartige erweiterte lebensrettende Maßnahmen grundsätzlich verbietet, kündigt er den Durchführenden wegen des nachweislichen Verstoßes gegen die Dienstanweisung.


    Würde hier die Dienstanweisung nicht über die geltende Rechtsordnung gesetzt? Sofern dies so ist, hätte der "rechtfertigende Notstand" bei einem bestehen eines genauen Maßnahmekataloges für das nichtärztliche Personal, anhand einer Dienstanweisung doch keinerlei Bestand, da aufgrund unserer Garantenstellung doch eigentlich jegliche erdenkliche Maßnahme zur Lebensrettung durchgeführt werden sollte, dies aber Konsequenzen nach sich zieht, was bei einer Kündigung in diesem Falle ja so wäre.


    Wenn eine Dienstanweisung des AG somit die lebensrettende Tätigkeit verhindert, müßte die gesetzlich doch als "nichtig" betrachtet werden, da hier eklatant gegen grundsätzliche Maxime des GG verstoßen werden.


    Grundsätzlich stellt sich dann folgend die Frage, wer entscheidet, ob eine Tätigkeit überhaupt lebensrettend ist. Allein im Forum klaffen die Aussagen hier hier ja kräftig auseinander. Dahingehend darf ich nochmal das Beispiel des Herzinfarktes anführen. Ist die schnellstmögliche Analgesie beim Herzinfarkt lebensrettend oder nicht?

  • Zitat

    Original von Mütom
    Wenn eine Dienstanweisung des AG somit die lebensrettende Tätigkeit verhindert, müßte die gesetzlich doch als "nichtig" betrachtet werden, da hier eklatant gegen grundsätzliche Maxime des GG verstoßen werden.


    Ich möchte das mal konkretisieren:


    ein DRK-KV in Nds. untersagt per Dienstanweisung seinen RDlern, "Notkompetenzmaßnahmen" (darunter wird u.a. ausdrücklich auch die Intubation und der periphervenöse Zugang verstanden) durchzuführen wenn nicht die alljährliche "Freigabe" vom ÄLRD vorliegt. Das führte zum Zeitpunkt des Erscheinens der Dienstanweisung dazu, daß von über 40 Mitarbeitern etwa 4 (!) noch intubieren etc. dürften... Auf ausdrückliche Nachfrage bei der RDLeitung bezüglich dieser Situation war zu vernehmen, daß man sich der Sache bewußt sei und dennoch streng dahinterstehe. Die weitere Nachfrage, ob man denn mit einem ebenfalls nicht-notkompetenzfähigen Kollegen überhaupt noch einen RTW besetzen könne (schließlich unterliege man ja trotz Dienstanweisung noch der Garantenstellung) ward dem staunenden Mitarbeiter die Antwort gegeben, daß es doch nicht das Problem des Mitarbeiters, sondern ein Organisationsproblem sei. Die Rettungsdienstleitung würde ja per Dienstanweisung ihren Mitarbeitern Vorgaben machen, damit würde sich sowohl der Mitarbeiter als auch die Organisation haftungsrechtlich absichern. Im Fall der Fälle solle der Mitarbeiter gefälligst die Hände stillhalten, juristisch habe er nichts zu befürchten da er ja lediglich einer Arbeitsanweisung folge leisten würde. Hier sei ggf. ein klarer Fall von Organisationsverschulden gegeben, da die Organisation ja zwei nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiter auf einem Auto eingesetzt hätte.


    Was soll man dazu noch sagen? Ich war auf alle möglichen Argumentationen gefaßt - nur auf eine solch alle Argumente beiseiteschiebende "alles-nicht-Problem-des-Mitarbeiters"-Rhetorik nicht. Trotz allem hätte ich (allein schon aus Angst vor dem Staatsanwalt) dieser Dienstanweisung im Fall der Fälle eben nicht gehorcht. M.E. kann eine Dienstanweisung nämlich geltendes Recht nicht ändern, erst recht kein Strafrecht.


    Was sagen die Juristen hier zu solchen Betrachtungsweisen??


    Gruß, Oli

  • Zitat

    Original von Mütom
    Ist die schnellstmögliche Analgesie beim Herzinfarkt lebensrettend oder nicht?



    Nein. Nachweislich lebensrettend ist nur die Rekanalisierung des verschlossenen Gefäßes...



    Gruß,


    Ani

  • Laut DHZ (Deutsches Herzzentrum) wird die schnellstmögliche Entlastung des Herzens, dazu gehört auch zweifelsohne die Analgesie, bei einem Herzinfarkt, neben den klassischen klinischen Maßnahmen, als lebensrettend angesehen. Das Problem besteht ja diesbezüglich, das trotz jeglicher medizinischer Errungenschaften bei der Bekämpfung des Herzinfarktes, nachweislich der Zeitfaktor und die damit verbunde Belastung des geschädigten Herzens nach wie vor die Hauptursache für die hohe Sterblichkeit bei dieser Erkrankung sind.


    Mir geht es gar nicht darum Deine Argumentation anzuzweifeln oder gar einen erneuten Streit hervorzubrechen, sondern ich will ausschließlich aufzeigen, das auch bei dieser Problematik ausreichend Interpretationsspielraum ist und dem Punkt, das es m. E. unmöglich ist, hier eine pauschale Lebensrettungsaussage im Bezug auf die individuelle Erkrankung oder Verletzung von Patienten zu treffen.

  • Bei uns gibt es derartige Dienstanweisungen auch, allerdings hat sich im Gegenzug der Arbeitgeber verpflichtet, dafür zu sorgen, das die Ausbildung (zumindest der HA - Einsatzkräfte im Regelrettungsdienst) in ausreichenden Maße während der Dienstzeit stattfindet. Bei nichtbestehen der vom ÄLRD geforderten notfallmedizinischen Maßnahmen wird der Kollege bis zur anschließenden Nachbesserung seiner Defizite, auch hier wird von Seiten des AG versucht, dies schnellstmöglich zu realisieren, ausschließlich nur im Krankentransport eingesetzt.


    Eine derartige Verfahrensweise, wie Du sie schilderst. Olliver macht schon sprachlos.

  • @Mütom


    Darüber gibt es auch nichts zu streiten. Wenn eine Maßnahme "lebensrettend" ist, dann bedeutet das per definitionem, daß ein Unterlassen dieser Maßnahme den Tod des Patienten nach sich ziehen würde. In unserem Falle hieße das, daß eine nicht durchgeführte Analgesie für den Patienten unbedingt tödlich wäre. Und dem ist natürlich nicht der Fall.


    Und um Dich nochmal zu korrigieren, was den Zeitfaktor angeht: es ist einzig und alleine entscheidend, wann der Patient seine Lyse oder seine Angioplastie bekommt und nicht, wann er sein Morphium oder Nitrat erhält. Die Eröffnung des Gefäßes ist das, was den Patienten rettet. Sonst nichts. Das wird man Dir auch im Deutschen Herzzentrum bestätigen. Alle anderen Maßnahmen (Sauerstoff, Analgesie, Betablocker etc.) sind unterstützend zu werten, aber nicht alleine therapieentscheidend und somit lebensrettend.



    Gruß,


    Ani

  • Ist hier nicht die Therapie im Ganzen zu betrachten? Was bringen sämtliche klinischen Maßnahmen um die Coronargefäße wieder zu eröffnen, wenn mittlerweile ein Groß der Herzzellen untergegangen sind. Gerade hier sind die präklinischen Maßnahmen mitentscheidend, um schnellsten dem rapiden Zellsterben engegenzuwirken.


    Bei Deiner Argumentation müßte sich dann doch jeder Notarzt fragen, warum er eigentlich diesen Job macht, da "Load and Go" doch nur die lebensrettende Entscheidung bringt. Warum sollten die RA im Falle eines HI das Eintreffen des NA abwarten? Zeitgewinn heißt das Überleben der wichtigen Herzzellen und somit eine Prognoseverbesserung bei immerhin 50% Sterblichkeitsrate der Patienten einem Jahr nach Ereignis.


    Eben da das Rettungsdienstteam in der Lage ist durch die präklinische Therapie das Zellsterben massiv zu reduzieren, sodass nachweislich dieses System zum Wohle des Patientenherzens vorzuziehen ist.

  • @Mütom


    Ich geb's auf und laß Dich in Deinem Glauben. Es ist sinnlos, jemandem etwas rational zu erklären, wenn er es nicht hören möchte... 8)



    Gruß,


    Ani