Beiträge von Michael Neupert

    Ich rate sehr davon ab, das in so allgemeine Formeln zu kleiden. Die mir bekannten Fälle sind doch sehr einzelfallspezifisch anzusehen, und die bislang ergangene Rechtsprechung ist nicht so furchtbar belastbar. Gerade dieser sehr wenig kenntnisreiche Beschluss aus dem Bayerischen ist ja mW später inhaltlich geradegerückt worden.


    Deshalb wird generell in Abrede gestellt, das es auch überhaupt um eine Delegation bei SAA / BPR handelt. Vielmehr handelt es sich um eine Substitution, bei der die vollständige Verantwortung beim NotSan liegt.

    Und die SAA / BPR haben den Charakter einer Leitlinie.

    Das ist mir zufällig ganz gut bekannt, weil ich das schon vor einigen Jahren so vertreten habe. Jedenfalls durch die Brille des NotSanG kann man das so sehen, muss es aber nicht, nachdem der Gesetzgeber - thh hat darauf hingewiesen - eher oberflächlich formuliert hat, was er eigentlich meint. Es springt aber zu kurz, das allein durch die berufsrechtliche Brille zu sehen, weil der Arbeitgeber selbstverständlich ein Weisungsrecht dazu hat, wie im Rahmen der generellen Befugnis zu agieren ist. Die Frage kann sein, wo die Grenzen des Weisungsrechts liegen. Das wird sich aber ganz gewiss noch klären, soweit das abstrakt möglich ist.


    So oder so trägt natürlich der NotSan die Verantwortung dafür, ob eine Situation vorliegt, die in SAA beschrieben ist. Ein Graubereich wird sich dort auftun, wo die SAA vage oder mehrdeutig formuliert sind. Auch das bleibt spannend, ich habe darauf in einer der Sitzungen des ersten Pyramidenprozesses hingewiesen. Seitdem ist man nicht überall weiter, scheint mir.

    Er trägt konkret die Verantwortung dafür, das die SAA / BPR sachlich richtig sind.

    Im konkreten Anwendungsfall ist er aber raus.

    Das schrieb ich ja.


    Zur sachlichen Richtigkeit dürfte auch gehören, dass die Eingangskriterien hinreichend klar formuliert sind. Da gibt es schon einen gewissen Graubereich, zumal sich nicht alle über das Problem im Klaren sind. Rechtlich ist das aber nichts anderes als die bekannte Unterscheidung zwischen Anordnungs- und Durchführungsverantwortung.

    Wo oder wie genau liegt er denn völlig daneben? Wenn man schon Populismus vorwirft, bin ich auf die nuancierte, sachliche Antwort gespannt.


    Ich frage mich, ob es weniger dünkelhaft ist, einem Berufsstand Dünkel vorzuwerfen, dem man selbst nicht angehört. Es muss aber jeder für sich wissen, wie er auf andere Menschen zugeht und was er sich davon verspricht.


    Über das inhaltliche Thema spreche ich einigermaßen regelmäßig mit verschiedenen ÄLRD und nehme auch an Diskussionen mit einer ganzen Reihe davon teil. Das erlebe ich ausnahmslos als differenziert und komplett fachlich geprägt. Sehr interessant übrigens, wenn man sich die Argumente einfach mal anhört.

    Rechtswissenschaft vs. Medizin 🤷🏼

    Nene. Gesetz, nicht Wissenschaft. Muss man wirklich noch überlegen, wie man damit umgehen soll, was sich der Gesetzgeber da mal wieder beim eiligen Reinschreiben gedacht hat. So aus wissenschaftlicher Sicht ist es lediglich etwas anstrengend, dass seit Jahren nie ein wirklich durchdachtes regulatorisches Konzept verfolgt wird.

    Ich würde gerne der Diskussion um das Ausgangsthema noch etwas nachgehen. Dazu ein Gedankenexperiment:


    • Wieviele Notfallsanitäter haben im Jahr 2030 idealerweise einen Bachelor? Alle? Die Hälfte? Zehn Prozent?
    • Was für ein Bachelor ist das?
    • Was ändert es in der rettungsdienstlichen Praxis, dass sie diesen Bachelor haben?
    • Welchen Mehrwert haben Patienten davon?


    • Wieviele Notfallsanitäter haben im Jahr 2030 einen Master nach dem Bachelor?
    • Was für ein Master ist das?
    • Was ändert sich gegenüber dem Rettungsdienst von heute dadurch?


    Was kann "Akademisierung" eines - heute - Praktikerberufs bedeuten?

    • Uniphase mit anschließender Praxisausbildung (Modell "klassische akademische Berufe")?
    • Berufsausbildung mit punktueller wissenschaftspropädeutischer Vertiefung im Bachelor und stärkerer wissenschaftlicher Grundausbildung im Master?

    Im übrigen wurden wir wegen dem Thema schon angemahnt. Vielleicht sollte man die letzten 18,5 Seiten von 19 trennen und in ein anderes Thema überführen?

    Ist ja nicht böse gemeint. Ich glaube, dass Ihr bei der Diskussion wenig Neues herausfinden werdet, aber dafür latent Eure Stimmung verschlechtert. Das müsst Ihr natürlich selbst entscheiden. Dass Ärzte mehr wissen als Notfallsanitäter, erfahrene Notfallsanitäter besser zurechtkommen als unerfahrene Nachwuchsärzte und evidenzbasierte Medizin richtig klingt, aber schwer umzusetzen ist, sind nicht soooo neue Punkte, meine ich. Und auch welche, die wir in einem Forum schwer in den Griff bekommen können.

    Jetzt die Frage: Juristisch und medizinisch korrekt?

    Da müsste man fairerweise auch die Sicht des ÄLRD zu hören, um ein vollständiges Bild zu bekommen, aber



    es ging nur sehr am Rande um die medizinischen Details

    das ist ziemlich sicher ein Hinweis darauf, dass das Gespräch den Anforderungen an eine aufsichtführende Stelle nicht gerecht wurde. Aus Deiner Schilderung kommt mir das Einsatzgeschehen auf den ersten Blick juristisch unkritisch vor, vorbehaltlich medizinischer Einschätzung über die Erforderlichkeit.

    Davon ab hinkt der Vergleich ja auch deshalb, weil ein Architekturbüro normalerweise eine Brücke plant, und nicht ein halbtags Architekt, der nebenbei im Krankenhaus arbeitet.

    Ich wäre ja sehr dafür, jeglichen hinkenden Vergleich bleiben zu lassen... das tut der Diskussion seit Jahren nicht besonders gut.

    In der Realität geht es (so höre und lese ich) weniger um Fachlichkeit, sonder um "dürfen", gemessen an den Checklisten. Die Stellungnahmen dienen nicht die Qualitätsverbesserung im Sinne von medizinischem Feedback, sondern der Kontrolle des dürfens. Je nach Angibt es entsprechende vier-Augen-Gespräche wenn der ÄLRD nicht zufrieden ist, oder der AG hält sich sogar raus, und lässt den ÄLRD mit strengen Worte regeln. Es soll auch schon Abmahnungen gegeben haben.

    Ich fange mit diesem Teil an, weil der am besten zeigt, was ich meinte: Wirklich sinnvoll diskutieren kann man das wohl nur am Einzelfall. Ich versuche es dennoch abstrakt.


    Abstrakt ist meine erste Beobachtung: Was in den Checklisten ausdrücklich behandelt wird, kommt mir recht unbestimmt behandelt vor, will sagen, die Formulierungen geben Denkanstöße, aber keine schienengleiche Vorgabe. Und das, was darin steht, klingt für mich im Grunde so selbstverständlich, dass ich mich wundere, weshalb es überhaupt aufgeschrieben worden ist. Aber das mag systemische Gründe haben, die ich nicht überblicke. Darauf beruht, was ich oben geschrieben habe - wenn jemand davon abweicht, würde ich mich als Verantwortlicher durchaus fragen, was da los war, und ich glaube auch, das müssen Führungskräfte schon aufgrund ihrer Organisationsverantwortung.


    M. E. liegt es auch in der Organisationsverantwortung von Führungskräften bzw. des RD-Trägers, ein System zu etablieren, durch das herausragende Einsatzsituationen erfasst und betrachtet werden. Man kann das QM nennen, aber auf die Benennung kommt es nicht an. Im Ergebnis muss jedenfalls organisatorisch sichergestellt werden, dass hinreichend nachvollzogen wird, ob Mitarbeiter kritischen Situationen gerecht werden. Das ist keine RD-Besonderheit, sondern gilt überall.


    Es bleiben also kritische Situationen über, zu denen die Checklisten schweigen. Auch für diese Situationen gilt natürlich die Organisationsverantwortung der Führungskräfte bzw. des RD-Trägers, so dass es richtig ist, sie nachzuvollziehen. Wenn ich Dich richtig verstehe, stellt sich in diesen Fällen gelegentlich die Frage, ob das Schweigen der Checklisten ein unausgesprochenes Verbot bedeutet. Das kann man hin und her diskutieren, aber am Ende bleibt natürlich über, dass ein kluger Vorgesetzter seinen Fachkräfte nicht verbieten wird, Leben zu retten. Und natürlich darf er das auch nicht; das war im RD schon immer so und ist keine Neuigkeit. Ich verstehe allerdings, wenn Diskussionen zu diesem Punkt zu Ermüdung führen.


    Andererseits kann man dem Schweigen der Checklisten möglicherweise die Aussage entnehmen, dass nicht genannte Maßnahmen oder Szenarien nach der Auffassung der Checklisten-Verfasser von Notfallsanitätern auf der Grundlage ihrer Ausbildung regelmäßig nicht hinreichend beherrscht werden und / oder, dass sie regelmäßig nicht erforderlich sind, um Lebensgefahr bzw. wesentliche Folgeschäden vom Patienten abzuwenden. Das mag der Notfallsanitäter in der konkreten Lage anders beurteilen, und das ist ja sei gutes Recht. Er trägt dann eben das Risiko, dass jemand anders den Sachverhalt anders beurteilt.


    Lebensrettende Maßnahmen die nicht in den CL beschrieben sind, werden (manchmal? oft?) als Kompetenzüberschreitung gewertet (Schrittmachertherapie bspw.).

    Müsste man sich den Einzelfall ansehen, einschließlich der Frage, was mit "Kompetenzüberschreitung" konkret gemeint ist. Hinter der Beschreibung kann sich ja von "der Patient hat akut einen so massiven hämodynamischen Nachteil, dass er jede Minute weiteren Schaden erleidet" bis zu "da muss mal was gemacht werden" sehr viel verbergen, und an beiden Enden der Skala wäre für mich auch die Frage, ob wir über "bis der Notarzt da ist, fangen wir mit dem Schrittmacher schonmal an" oder über "das machen wir alleine" alles Mögliche verbergen.


    Da aber die ÄLRD explizit die 1c Maßnahmen nicht schulen, prüfen, überwachen, können sie auch nicht beurteilen, ob es i Rahmen der Kompetenz der jeweiligen NotSan war oder nicht.

    Das kommt mir so allgemein formuliert nicht richtig vor. Irgendeinen Kontrollmechanismus werden sie doch etabliert haben und haben müssen, wenn sie QM betreiben?



    In einer perfekten Welt würde ich mir nun also wünschen, dass ein NotSan nach durchführen von 1c Maßnahmen medizinisch fachliches Feedback bekommt, um ggf. in Zukunft besser zu handeln, oder eben um das Handeln zu bestärken. Bei medizinischem Schwachsinn (ggf. patientenschädigendes Verhalten) sollte natürlich auch die Kontrolle solche Fehler erkennen und korrigieren (Fachgespräch, Nachschulung, etc.) können (oder bei Vorsatz punitiv vorgegangen werden).

    Das sehe ich genauso.


    Das pauschal immer ein NA alarmiert werden soll bei kritischer Lage entspricht nicht ganz dem NotSanG

    Randnotiz: Pauschal ist sicher nichts in der Juristerei, aber ich glaube, zu der Frage verhält sich das NotSanG nicht. Ich habe mir das noch nicht ganz durchdacht, aber ich glaube, den Tatbestand versteht der eine oder andere miss. Das ist aber hier OT, schon klar.

    Schau dir mal die “Checkliste” zu 1c an.

    Es ist in Bayern klar geregelt, dass 1c eben keine Delegation ist (eigenverantwortung des NotSan). Es gibt keine SOP zu 1c Maßnahmen aus diesem Grund. Es gibt eine grobe Checkliste der ÄLRD. Und dann gibts leider eben punitive Reaktionen. Das ist das Problem. Der Ansatz des DBRD ist es, das eben das Medizinische Team auch zu 1c konstruktives Feedback gibt, und damit medizinisches QM herstellt.

    Wir müssten jetzt klären, was genau Du mit Bestrafungsreaktionen meinst. Grundsätzlich kommt mir nicht so unverständlich vor, einen Mitarbeiter zu ermahnen, der sich entgegen dieser Checklisten verhält - habe mal kurz hineingeschaut, und die scheinen mir ziemliche Selbstverständlichkeiten zu beinhalten. Wenn also jemand mit der Argumentation käme, er habe eigenverantwortlich etwas anderes gemacht als in den Checklisten steht, dann hätte ich zumindest spontan Verständnis für einen Vorgesetzten, der das nicht freudig als Gelegenheit zur Fachdiskussion aufgreift.


    Das lässt sich aber natürlich an konkreten Fällen besser diskutieren, das ist auch klar.