Beiträge von Michael Neupert

    Das widerspricht sich doch total. Entweder etwas ist eigenverantwortlich oder es gibt Vorgaben.

    Das sehe ich nicht so. In einer Reihe von Berufen scheint mir das im Gegenteil üblich zu sein. Das fängt in der Medizin an, wo der vorgesetzte Arzt den nachgeordneten Anweisungen zum Vorgehen gibt. Spontan durch den Kopf gehen mir aber auch Piloten, die eigenverantwortlich fliegen und trotzdem Anweisungen ihrer Airlines befolgen (und ohne das zu wissen vermute ich, dass an deren Erstellung "Chefpiloten" mitwirken). In Restaurants kochen vermutlich zumindest die hierarchisch höhergestellten Köche eigenverantwortlich und trotzdem nach Rezepten des Küchenchefs. Oder auch in meinem Fall: Mir nachgeordnete anwaltliche Kolleginnen und Kollegen arbeiten eigenverantwortlich, aber doch so, wie ich es möchte. Letztlich ist das die Frage danach, was mit "eigenverantwortlich" gemeint ist.


    Abgesehen davon ist es in der Regel natürlich ein Gebot der Lebensklugheit, zumindest einmal darüber nachzudenken, ob an der Einschätzung eines besser Qualifizierten mit längerer Erfahrung nicht etwas dran sein könnte. Das ist dann aber in der Tat nicht unbedingt das, was man mit "Vorgabe" meint, sondern eher eine "Empfehlung" - von der abzuweichen ich mir auch gründlich überlegen würde.

    Die habe ich zwischen den Zeilen gelesen. Oder ich habe sie mir eingebildet.

    Würde ich mir für derlei Diskussionen abgewöhnen. Gerade wenn man über Akademisierung spricht. Da geht's eben - auch - darum, dass Fragen formuliert werden. Ich hatte die Frage ja explizit nicht auf bestimmte Personengruppen bezogen gestellt.


    Wenn ich sagen möchte, dass Notfallsanitäter oder wer auch immer aus meiner Sicht bestimmte Dinge nicht können, sage ich das schon. Dann kann man darüber gerne mit Argumenten diskutieren.


    Das wären dann meine 5 cents zu dem Exkurs.

    Ich meine, ob es für die von Johannes beschriebenen Konsequenzen einen Unterschied macht, ob der RD einen Schenkelhalsbruch versorgt. Natürlich unterstellt, dass der RD dabei nichts falsch macht.


    Liegendtransport, okay. Ich erinnere mich in der Tat älterer Kollegen (die dürften dann mittlerweile selbst mindestens im Alter für den Schenkelhals sein...), die gewohnt waren, solche Patienten laufen zu lassen.


    Abgesehen vom Liegendtransport?

    Ich meine, eine gewisse Geringschätzung in Deiner Frage herausgehört zu haben (ist bei rein schriftlicher Kommunikation aber immer schwierig). Ich dachte mir: Es ist wohl eher keine akademische Kunst, einen fachgerechten Transport eines Menschen mit Schenkelhals-Fraktur durchzuführen. Aber kein Grund, diese Tätigkeit gering zu schätzen.


    Aber um deine Frage zu beantworten: Wenn man die Technik gelernt hat, und dazu dürfte ein RettSan-Lehrgang reichen, kann man eigentlich nicht viel falsch machen, und dann hat man wenig Einfluss auf das outcome des Patienten. Der ist am Ende des Einsatzes normalerweise im selben Zustand wie zu Beginn.

    Wie gesagt, meine Frage war nicht, ob man die Technik richtig oder falsch ausführen kann. Das ist selbstverständlich und trifft auf alles zu, und selbstverständlich wird es dem Patienten nicht gut tun, wenn er falsch versorgt wird.


    Woraus Du eine Geringschätzung entnimmst, verstehe ich nicht. Das ist ja aber hier auch nicht das Thema.

    Der Job besteht darin, den Patienten fachgerecht unter Vermeidung von Folgeschäden zu transportieren, zum Beispiel durch Immobilisation. Das beeinflusst die Folgen insofern, als dass man den Patienten nicht in einen PKW oder einen Möbellaster stecken muss, um ihn in eine Klinik zu befördern. Das war die ursprüngliche Idee des Liegend-Transportes. Den kann man richtig oder falsch durchführen.

    Danke, aber genau das war ja nicht meine Frage.

    Da muss ich dir widersprechen. Auch die "einfache" Schenkelhalsfraktur, so langweilig wir sie empfinden mögen, tritt ja bevorzugt bei gebrechlichen, nicht selten schwer vorerkrankten, älteren Menschen auf. Sie führt fast unweigerlich zu einer schweren, dringlichen Operation mit erheblichen Risiken. Im Anschluss führt sie zu langer, eingeschränkter Mobilität, die durchaus häufiger in langfristiger Bettlägerigkeit und den damit verbundenen Komplikationen führt. Das ist meiner Meinung nach ein schwerer gesundheitlicher Schaden, der den Gesetzestext ohne weiteres erfüllt.

    Wissensfrage, weil ich über das Gesamtthema kursorisch nachdenke: Können bzw werden diese Folgen durch den RD - einmal egal durch wen - beeinflusst? Für den Normalfall gesprochen und natürlich unterstellt, der RD macht es nicht durch falsche Lagerung etc. schlimmer.

    Die Großkanzleien mit Einstiegsgehältern zwischen 100-120.000 EUR brutto stellen ähnliche Notenanforderungen wie die Justiz; die Arbeitszeiten unterscheiden sich hingegen deutlich.

    Und um den Bogen zu schließen: Für vieles von dem, was die dann da machen, braucht man auch kein Studium ;).


    Im Übrigen ist ein offenes Geheimnis, dass alle aus demselben Bewerberpool schöpfen. Der ist hinsichtlich gut qualifizierter Nachwuchsjuristen überschaubar. Aber das nur am Rande.

    Zusätzlich wird es schwer sein Studien für eine präklinische Antibiosegabe (Beispiel) umzusetzen, da die Zeit für die Bearbeitung (gerade beim Bachelor) zu begrenzt ist und eher im Bereich einer Dissertation / Promotion angesiedelt werden sollte, was den Umfang eines solchen Vorhabens betrifft. Denn dafür braucht man längere Zeiträume und eine Menge Personen mit im Boot (ÄLRD, SOP-Änderungen, die lokalen Krankenhäuser, usw.), um das umzusetzen. Sicher keine gute Wahl für eine Bachelor-Abschlussarbeit.

    Ich hatte auch nicht an Bachelorarbeiten gedacht. Die sind für ernsthafte Forschung ohnehin mindestens (!) eine Stufe zu niedrig, und natürlich ist das vom Umfang zu viel.


    Aber es hindert doch niemand die bestehenden Institute oder auch die interessierten Retter daran, sich diesen Fragen zuzuwenden. Man muss ja nicht gerade eine Abschlussarbeit schreiben, um etwas zu forschen.

    Zu den Umfragen denke ich mir auch meinen Teil.


    Aber woran scheitert denn die Erforschung der genannten Themen? Wenn Bedarf besteht und Kapazitäten da sind, könnte man ja sofort anfangen. Abzuwarten, bis vielleicht irgendwann mal ein NotSan seinen NotSan-Master abgeschlossen hat und in NotSankunde promovieren will, scheint mir nicht der ideale Weg zu sein...

    Je nachdem wie man das sieht.
    Ich habe beim SK Verlag (Rettungsdienst), Elsevier (Emergency), Springer (Notfall- & Rettungsmedizin) Artikel eingereicht, und trage gelegentlich auf dasFOAM einen Artikel bei. Ich habe habe bei NowToGo vorgetragen, und durfte auf dem DGINA Kongress letztes Jahr einen Vortrag halten. Ich bin neuerdings Co-Autor eines Kapitels eines Fachbuchs beim Springerverlag, und sitze theoretisch grade an einem eigenen Kapitel eines zu erscheinenden Buches. Ich habe vor das grundsätzlich fortzuführen, und bemühe mich schon um Representation des Berufsbildes, sowie um Beiträge die präklinischen Tätige weiterbringen. Ich studiere übrigens auch Berufsbegleitend (falls das noch jemanden überrascht). Auf der anderen Seite ist mein Beitrag natürlich winzig im vergleich zu dem was möglich wäre oder aus meiner Sicht nötig ist. Und bisher ist nichts von dem was ich getan habe Forschung.

    Da wäre für mich die Frage, wie Du Forschung und Wissenschaft definierst. Wenn man ausschließlich dieses typische Bild naturwissenschaftlicher Forschung vor Augen hat, wo jemand im Labor steht, hat man imho ein zu enges Wissenschaftsverständnis. Ich setze mal sehr allgemein an: Wissenschaft ist die methodisch geordnete Suche nach Erkenntnis auf Grundlage vorhandenen Wissens. Ich weiß natürlich nicht, was Du bislang so veröffentlicht bzw. vorgetragen hast. Aber falls Du Deine Themen für belanglos hieltest, gingen mir zwei Tipps spontan durch den Kopf (die ich Dir jetzt einfach mal aufdränge):


    Erstens, stattdessen interessante Themen zu bearbeiten. Klingt blöd, so ist es aber. Ich lehne mittlerweile dankend jedes Angebot ab, bei dem mich Veranstalter (in bester Absicht) für "deskriptive" Vorträge buchen möchten. Macht mir keinen Spaß und bringt meist das Universum nicht weiter. Ein Kniff, der mir oft hilft, die spannenden Punkte an einem Thema zu finden, ist, den Titel als Frage zu formulieren. Bzw. mir selbst Fragen vorzulegen, um sie zu beantworten. Manchmal kommt dabei etwas Interessantes heraus.


    Zweitens, sich selbst einmal auf das Hochstaplersyndrom zu befragen. Da kann natürlich Unterschiedliches herauskommen. Aber gemacht haben sollte man das.


    Und was den winzigen Beitrag angeht: Wir sind alle Zwerge auf den Schultern von Riesen.

    Genau, aber das meiste davon passiert mit einer Perspektive als Notarzt. Da aber Notärzte nur einen kleinen Teil de Rettungsdienstlichen Einsätze erleben, sind diese nicht ideal platziert um Bedarfe zu erkennen. Und auch wenn es diverse Sektionen gibt, der Output ist für die Arbeit auf der Straße überschaubar. Ich glaube, da ginge mehr.

    Aber jetzt mal noch ein anderer Punkt: Hast Du konkrete Ideen? Und schon was zur Veröffentlichung eingereicht? Es gibt ja mehr als eine Fachzeitschrift, die sehr dankbar für gute Beiträge ist!

    Wenn ich als NotSan mich intensiver mit der Materie Notfallmedizin auseinandersetzen möchte, dann gibt es kein Studiengang dazu. Es gäbe die Option Medizin zu studieren, nach den 6 Jahren habe ich aber nicht Notfallmedizin gelernt, sondern Medizin im Allgemeinen. Und habe einen anderen Beruf erlernt. Das ist ja für viele auch attraktiv, und eine gute Option, leider aktuell die einzige in Deutschland.

    Ich glaube, der Blickwinkel ist etwas zu eng. Notfallmedizin ist ja ein sehr kleiner Ausschnitt aus der Medizin, erst recht präklinische Notfallmedizin. Und dieser Ausschnitt lässt sich, wenn man sein Wissen vertiefen möchte, wohl nicht sinnvoll vom großen Ganzen der Medizin trennen - so meine ich zumindest die Mediziner zu verstehen. Das ist so, als würde ein Koch gerne sein Wissen vertiefen, aber nur über Bratkartoffeln, und da aber ohne über Landwirtschaft und Küchentechnik ausführlich zu sprechen. An irgendeinem Punkt kann man nicht mehr sinnvoll "schmal" vertiefen. Vielleicht fehlt mir da die Phantasie, aber ich wüsste auch nicht, wie ich mir das vorstellen sollte.


    Ich kann mir einen Bachelor of Rettungswesen vorstellen. Was dann aber m. E. deutlich breiter wäre als präklinische Notfallmedizin. Da gehören ja soziologische und psychologische Teile hinein, um nur zwei zu nennen. Ob das dann mehr wäre als die derzeitige Berufsausbildung, wäre eben die Frage. Das Kind nur anders zu nennen und dadurch zu "akademisieren", würde ja nichts bringen. Und, wie oben schon gesagt, "akademisiert" wird eine Ausbildung imho nicht dadurch, dass man ein paar Lerneinheiten "wissenschaftliches Arbeiten" dranflanscht und die Absolventen zwingt, eine Abschlussarbeit von zwei oder drei Dutzend Seiten zu schreiben. Davon kann man dann auch nicht plötzlich Leitlinien bewerten oder eigenständig evidenzbasiert arbeiten, wie das manchmal anklingt. Nicht besser als ohne einen solchen Bachelor und mit Eigeninteresse, behaupte ich mal. Es hindert einen ja niemand daran, sich für evidenzbasierte Medizin zu interessieren.


    Aber ich möchte nicht missverstanden werden. Mein Hauptpunkt ist: Wer als NotSan seinen fachlichen und persönlichen Hintergrund durch ein Studium erweitern und seine beruflichen Chancen dadurch verbessern möchte, dem fehlt m. E. kein Bachelor of Rettungswesen. Man kann Rettungsingenieurwesen studieren, Medizininformatik, Medizinsoziologie, Wirtschaftswissenschaften, pädagogische Studiengänge, Gesundheitswissenschaften, Psychologie oder oder oder. Das geht nach meiner Erinnerung mit abgeschlossener Berufsausbildung auch ohne Abitur; zum Glück ist unser Bildungssystem so durchlässig. Zum Teil geht das sogar im Fernstudium.


    Kein Studiengang ist übrigens dazu gedacht, einen Beruf zu erlernen. Das kommt danach.

    Also darf ganz ketzerisch gefragt werden, ob dort weniger Qualität und dafür mehr Selbstwertgefühl vermittelt wird?

    Ach, ich weiß nicht. Also, fragen darf man natürlich eine ganze Menge, wir leben ja zum Glück in einem freiheitlichen Staat. Aber mir persönlich wäre das unterschwellig zu polemisch.


    Ich möchte niemandem unterstellen, dass er an den bewussten Einrichtungen nichts lehren oder lernen will. Und ich mag den Optimismus, der ja auch darin steckt. Solche Haltungen sind gut, das fehlt an vielen Stellen, gerade im Rettungswesen gefällt mir das. Und ich finde auch gut und unterstützenswert, wenn jemand sein Wissen vergrößert und seinen Horizont verbreitert. Da möchte ich nicht falsch verstanden werden.


    Ich meine nur, dass das mit Akademisierung wenig zu tun hat. Natürlich kann eine Art wissenschaftspropädeutische Fachschule der Grundstein für eine wissenschaftliche Ausbildung sein. Das wäre gut. Aber eine Notwendigkeit sehe ich nicht, jedenfalls nicht mit dem Argument, es mangele an Möglichkeiten, sich akademisch zu qualifizieren. Ich glaube eher, dass wir viel zu viele Schmalspurtitulationen haben. Auch im berufsbildenden Bereich übrigens.


    Für die Forschung im Bereich des Rettungswesens braucht man m.E. auch keine spezialisierten Studiengänge. Das Feld ist interdisziplinär, und wer forschen gelernt hat, kann sich ihm widmen. Das passiert ja auch schon.

    weil ich, wenn ich Medizin lerne, mich nicht beruflich weiterbilde, sondern einen neuen, anderen Beruf erlerne.


    Es geht doch um Entwicklungsmöglichkeiten für meine berufliche Tätigkeit.

    Ja, das stimmt. Und genau das meinte ich: Ich halte ein Studium für etwas grundlegend anderes als eine Berufsausbildung. Erst recht nicht für eine Weiterbildung in dem Sinne, wie man den Begriff normalerweise versteht. Sondern eine grundlegend andere Qualifikation.


    Entwicklungsmöglichkeiten im Rettungswesen sind begrenzt. Für Leitungspositionen muss man kein "besserer" NotSan sein (was auch immer "besser" dann heißen würde). Management muss ungefähr verstehen, was die Fachkräfte tun, aber nicht alle das können - dafür gibt es ja die Fachkräfte. Bei Lehrkräften an Berufsfachschulen gilt das mit gewissen Einschränkungen, aber auch da wäre nicht derjenige richtig, der am besten Patienten versorgen kann, sondern der, der Patientenversorgung am besten erklären kann.


    Wer studieren möchte, soll das unbedingt machen. Das ist eine tolle Sache. Aber eine zwingende Verbindung mit dem NotSan gibt es nicht.

    Das sind ja keine drei Beispiele für medizinische Studiengänge die NotSan nutzen können um sich weiterzuentwickeln.

    Wieso denn das nicht? Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist doch kein Hindernis bei der Zulassung zum Studium. Und allemal vermitteln die klassischen Studiengänge erheblich breiteres Wissen als eine akademisierte Berufsausbildung, schon, weil sie mit ganz anderem Anspruch antreten. Das ist unter dem Strich für die Interessenten auch deshalb besser, weil sie dann nicht auf das Rettungswesen festgelegt sind.


    Edit: Medizinisch ist natürlich nur einer davon, die beiden anderen haben die Tätigkeit in der Ausbildung oder in der Unternehmensleitung vor Augen. Aber einmal Medizin reicht ja auch, denke ich.

    Mir leuchtet nicht ein, wo die Bedarfslücke für einen BSc. NotSan ist. Wer als NotSan studieren möchte, um sich weiterzuqualifizieren, findet doch mehr als genug Angebote in Medizin, Pädagogik oder Ökonomie, je nach Interesse. Dagegen kann doch eine Übertragung der bisherigen Berufsausbildung, garniert mit einer "Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten" schlimmstenfalls nur eine Schmalspur-Akademisierung sein, mit der niemand ernster genommen wird als heute.