Spiegel Artikel: "Die Tatütata-Privatisierung"

  • Mann darf gespannt sein.
    Fakt ist und bleibt es nunmal das im Rettungsdienst am Material nicht groß gespart werden kann. Gerettet wird im Süden wie im Norden mit Viggos und Tupfern.
    Sparen kann man wenn überhaupt am Personal und das ist in meinen Augen ein Schritt in die falsche Richtung.


    Knebelverträge und Hungerlöhne können doch kein erklärtes Ziel sein oder? :thumbdown:

  • Sparen kann man wenn überhaupt am Personal und das ist in meinen Augen ein Schritt in die falsche Richtung.


    Knebelverträge und Hungerlöhne können doch kein erklärtes Ziel sein oder? :thumbdown:



    Soll das bedeuten dass du davon ausgehst, dass man bei privaten nur solche Verträge bekommt?


    Glaube das dieses "Problem" alle Organisationen betrifft oder in Zukunft betreffen wird.




    Ich persönlich finde es gut, dass der RD Markt "aufgebrochen" wird.



    Bei einer Ausschreibung kann man genau festlegen was zu erfüllen ist, und das sollte eben nicht nur der Preis sein.
    Auch Punkte wie Aus- und Fortbildung, Fahrzeugtechnologie, evtl. Zertifizierte Kurse usw. wären möglich.


    Und das sage ich nicht nur weil ich bei einem privatem Anbieter arbeite, sondern weil ich der Meinung bin, dass es eine Verbesserung der "Lage" des RD in der Politik bringen kann und somit wieder für alle die im RD arbeiten.


    Lassen wir uns überraschen was die Zukunft bringt.


    Gruß


    Sven

  • Ich habe mir das Forum zu dem Artikel mal in Teilen gegönnt.
    Inhaltlich sind da alle vertreten: HIORG/Privaten-Gegner, Ausschreibung ja/nein, etc.. Unter anderem auch der Hinweis daß wir eine "Randgruppe" im Gesundheitwesen sind die jeder Benötigt, aber so wirklich keinen interessiert.


    Wie schon erwähnt wurde ist es wichtig in den Ausschreibungen,sofern sie denn kommen, genau festzulegen wer,wann was,wie,womit,... und nach meiner Meinung auch nach welchen Tarifwerken die Mitarbeiter entlohnt werden.Denn wenn ich einen guten RD über lange Zeit haben will, wer ihn auch immer macht, sollte eine zu hohe Fluktuation im Personal wegen Lohn o.ä. vermieden werden.Wenn ich allein hier in HH die Unterschiede sehe kann das lustig werden. Das erfordert eigentlich harte Lobbyarbeit auf Landes- und Bundesebene.Aber dazu müßten wir uns im RD als kleine aber geschlossene Gruppe präsentieren, welche, wie Ärzte und Pflegepersonal,auch für seine Forderungen einsteht.


    Gruß

  • Bei einer Ausschreibung kann man genau festlegen was zu erfüllen ist, und das sollte eben nicht nur der Preis sein.


    Korrekt!


    Setzen wir doch einmal strategische Ziele an, die wirklich auf das Outcome der Patienten ausgerichtet sind.


    Hier ein paar Beispiele dafür (Aufteilung nach kurz-, mittel- und langfristigen Zielen ist nicht berücksichtigt):


    - Komplette Umsetzung und Einführung der Guidelines 2010 innerhalb von 6 Monaten nach Erscheinen
    - Optimierung der Hilfsfristen bei Einsätzen mit Sondersignal auf 10 Minuten bei > 95 Prozent und 8 Minuten bei > 75 Prozent ab Notrufeingang
    - Dispositionszeit der Rettungsmittel bei Einsätzen mit Sondersignal < 45 Sekunden
    - Steigerung der Überlebensraten (Krankenhausentlassung) von Patienten mit initial VF auf > 30 Prozent
    - > 80 Prozent der Patienten mit Verdacht auf einen CVI mit erfüllten Voraussetzung für eine Lysetherapie erreichen innerhalb von max. 60 min. nach Alarmierung (Therapiefenster 4.5h) eine Stroke Unit
    - > 80 Prozent der Patienten mit einem akuten STEMI erreichen ein Herzkatheterlabor innerhalb von 60 Minuten nach Alarmierung des Rettungsdiensts


    Um diese oder ähnliche Ziele zu erreichen, sind Voraussetzungen notwendig, die nicht zulassen schlecht ausgestattete Rettungsmittel, unterqualifiziertes und -bezahltes Personal, veraltete Leitstellentechnik, etc. einzusetzen.


    Des Weiteren müssen Möglichkeiten geschaffen werden, die Ergebnisqualität zu messen.
    Hier sind wir in unserem Sprachraum noch lange nicht an dem Punkt, an dem wir eigentlich sein müssten und andere Nationen (z.B. UK zu mehr als 60 Prozent) schon längst sind.


    Effizienz und Effektivität werden in Zukunft die Faktoren sein, an denen Rettungsdienstsysteme gemessen werden und nicht nur Hilfsfristen sowie Transportpauschalen. Kein Politiker wird es sich leisten können, auf einen Billiganbieter zu setzen und damit das Leben seiner Wähler zu riskieren.


    Vor allem nicht, wenn es Systeme im eigenen Land gibt, die beweisen, dass es auch anders geht.

  • Ich finde die Diskussion nett, aber ein Extrem wird vergessen:
    Gehen wir ein bischen in die Vergangenheit zurück. Es war mal ganz modern auf "jeden Fall" eine präklinische Lyse eines Herzinfarktes durchzuführen.
    Nur blöderweise sind die Medikamente sehr teuer.


    Jetzt habe ich die Firma X, die einen Notarzteinsatz für 400 Euro anbietet.
    Die Firma Y bietet in für 150 Euro an.


    Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht wäre es also wahrscheinlicher, dass die Firma X eher die "teueren" Medikamente verwendet.


    Wie wir sehen, kann man nicht nur am Personal sparen...
    Man kann auch beim Material sparen...

  • In Anbetracht der durchaus schlechten Haushaltssituation kann man davon ausgehen, dass die ein oder andere Stadt davon profitieren wird, denn es werden Kosten für Rettungsmittel, Rettungswache, Personal, Material etc. gespart.

  • Ja, lieber Eightball, es werden Kosten auch für das Personal eingespart.
    Wie sieht die Kehrseite der Medaille denn aus? Ich darf mal kurz die Situation von mir selbst und etlicher meiner Kollegen beschreiben:
    Ich bin seit 19 Jahren bei dem selben Arbeitgeber beschäftigt. Angestellt nach einem Tarifvertrag, der keinen Luxus ermöglicht, aber einen angenehmen Lebensstil. In etwa so, wie ich mir vorgestellt habe, mit fast 40 Lebensjahren leben zu können.
    Ich bekomme Urlaubs- und Weihnachtsgeld (13. Monatsgehalt); mein AG zahlt für mich in eine Zusatzversorgungskasse ein und ermöglicht mir einige Annehmlichkeiten.
    Meine Zufriedenheit gebe ich durch engagierte Arbeit zurück. Seit 19 Jahren gehe ich jeden Tag sehr gerne zur Arbeit.
    Die oft beschriebenen Missstände in den mittleren Führungsebenen von Hiorgs gibt es bei uns nicht. Mein "Chef" (Geschäftsführer) spart, wo er es vertreten kann. Der Ressourceneinsatz unterliegt bei uns einer ständigen Überprüfung Beim Personal hält er so gut es geht die Waage zwischen Notwendigem und Zumutbarem. Als Dienstwagen erlaubt er sich keinen Maseratti oder Audi, sondern einen Skoda Octavia.
    Die Fluktuation bei uns ist verhältnismäßig gering. Der Anteil an Kollegen >35 Jahre und >15 Jahre Betriebszugehörigkeit ist relativ hoch. Dazu kommen die Kollegen >50 Jahre. Alle langjährigen Kollegen haben Familie, einige sind Eigenheimbesitzer, weil sie all die Jahre in den Genuß eines der Arbeitsleistung angemessenen Tariflohns gekommen sind, der sich mit langer Betriebszugehörigkeit stetig steigerte.
    Wer von Euch glaubt denn allen Ernstes, daß mein Dienstgeber bei drohenden Ausschreibungen mit diesen "Altlasten" auch nur ansatzweise Chancen hätte, eine solche zu gewinnen? Und alle Anderen: Wer glaubt denn allen Ernstes, daß eine Firma Falck mich und meine gleichaltrigen oder älteren Kollegen zu den jetzigen Konditionen übernehmen würde?
    Die EU Gerichtshofentscheidung führt bei mir persönlich zu einer bisher nicht gekannten Existenzangst um meinen eigenen Arbeitsplatz und den meiner Kollegen.
    Die Kosten für Material und Fahrzeuge sind doch marginal im Verhältnis zu den Personalkosten. Hier große Einsparansätze zu erzielen, um die höheren Personalkosten auszugleichen ist unmöglich.
    Wenn es in den nächsten 2 Jahren zu einer Ausschreibung kommt, könnte ich mit 40 Jahren gerade nochmal Glück haben, einen Job zu bekommen. Aber dann? Mit 44? Mit 48? Mit 52, usw?
    Wir haben uns in der Vergangenheit schon erfolgreich an Ausschreibungen beteiligt. Hierbei handelte es sich jedoch um neue Standorte, bei denen keine langjährigen Mitarbeiter im Spiel waren. Dort, wo wir an Ausschreibungen teilgenommen hatten, bei denen Bestandspersonal einkalkuliert werden musste, waren wir nicht erfolgreich.

    Ich bin nur für das verantwortlich, was ich schreibe...
    ...nicht für das, was Du verstehst!!!

    Einmal editiert, zuletzt von Grillmaster T ()