Pinneberg: Kommissar Zufall führt zu kleiner Cannabisplantage im Keller

  • Beim Recherchieren bin ich noch auf die Information gestossen, nach die Leitstellenmitarbeiter nicht unter den Schweigepflichtparagraphen 203 StGB fallen, weil sie keine Gehilfen des Notarztes sind. Unter anderem haben sie kein Zeugnisverweigerungsrecht.


    Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht muss man juristisch auseinanderhalten, weil beides (unglücklicherweise) leicht voneinander abweichend geregelt ist.


    Die Schweigepflicht beruht im Wesentlichen auf § 203 StGB. Rettungsassistenten unterfallen Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift, sie gelten in diesem Sinne als "anderer Heilberuf". Damit kann ein Rettungsassistent bei jeder beruflichen Tätigkeit eine Straftat nach § 203 StGB begehen, unabhängig davon, ob er in concreto mit einem Arzt zusammenarbeitet. Auch ein Rettungsassistent im Leitstellendienst wird also erfasst.


    Leitstellenmitarbeiter, die nicht Rettungsassistenten sind, sind m. E. nicht "raus", sondern über Abs. 3 Satz 2 der Vorschrift in den Kreis möglicher Täter - und damit Schweigeverpflichteter - einbezogen. Dazu gehören alle berufsmäßig tätigen Gehilfen, deren Arbeit in einem inneren Zusammenhang mit der Tätigkeit der nach Abs. 1 Nr. 1 Schweigepflichtigen steht. Dies wird im juristischen Schrifttum bezogen auf Krankenhäuser beispielsweise bejaht für "das Pflegepersonal (zB auch Zivildienstleistende) und das Personal der mit den Patienten befassten technischen Dienste, von Labors, Röntgenabteilungen und internen Dokumentationsstellen, in denen im Interesse des Patienten dessen Daten archiviert werden (...), nicht aber für das gesamte Verwaltungspersonal. Noch als Gehilfen iS des S. 2 sind allerdings die mit der Kostenabrechnung betrauten Angestellten anzusehen, da andernfalls Widersprüche zwischen externen â?? vgl. dazu Abs. 1 Nr. 6 â?? und internen Verrechnungsstellen bestünden." (Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Auflage 2010, § 203 Rn. 64). Wenn schon die Kostenabrechner erfasst sind, dürften Leitstellenmitarbeiter zumindest in einem gewissen Risiko stehen, von einem Gericht als Schweigeverpflichtete nach § 203 StGB betrachtet zu werden.


    Unabhängig davon gibt es noch andere Grundlagen der Schweigepflicht - öffentliches Dienstrecht, Tarifverträge -, auf die ich hier aber nicht näher eingehen will.


    Das Zeugnisverweigerungsrecht ist sozusagen die prozessuale Sicherung der Schweigepflicht. Es ergibt sich für den Strafprozess aus § 53 und § 53a StPO.

  • Zudem hat die Polizei zu jeder Zeit an jedem Ort im Rahmen der Sicherheit das Recht, eine Personenfeststellung durchzuführen.


    Das stimmt rechtlich so nicht; ich werde das aber hier nicht weiter ausführen, weil ich befürchte, dass die - notwendigen - Feinheiten bei manchen Lesern zu falschen Schlussfolgerungen im Umgang mit Vollzugsbeamten führen würden. Ggf. finden wir dazu sicher eine Gelegenheit.



    (eine juristische Bewertung dieses Falls würde mich ebenfalls interessieren)


    Da wir alle nicht wissen, was der Anrufer mitgeteilt hat und von welcher Situation der Leitstellenmitarbeiter ausgehen musste, ist das nicht zu leisten.



    Wenn sie nichts zu verbergen gehabt hätten, hätten sie nicht zu schweigen brauchen.


    Das finde ich als Argument schwierig. Meines Erachtens geht es bei der Wahrung der persönlichen Lebenssphäre erst einmal nicht darum, ob ich etwas zu verbergen habe. Vielmehr geht es darum, aus welchem Grund ich überhaupt gehalten sein sollte, einer staatlichen Stelle wie der Polizei irgend etwas mitzuteilen. So argumentiert man jedenfalls im Juristischen (seit einer berühmten Entscheidung des BVerfG): Da ich nicht wissen kann, was Behörden mit Informationen anfangen, erzeugt allein der Umstand, dass die Informationen offenbar werden, ggf. einen Anpassungs- und "Wohlverhaltens"druck.


    Ich verstehe aus Laiensicht auch nicht, warum der Ruf der Polizei durch die LST per se eine Schweigepflichtverletzungs ein soll. Schließlich gibt es zu dem Zeitpunkt noch gar keine definitiven Informationen.


    Es wundert mich, dass das einem Rettungsassistenten nicht klar ist. Im Rechtskundeunterricht ist hoffentlich darauf hingewiesen worden, dass bereits die Tatsache eines Rettungseinsatzes als solchem ein geschütztes Geheimnis ist.


    auch zur Identitätsfeststellung kommen uns die Blauen gern mal helfen.


    Nur interessehalber: Wozu muss denn der Rettungsdienst die Identität von Personen feststellen?

  • Vielen Dank für deine Ausführungen, Schmunzel. Darf ich also festhalten, dass auch der Mitarbeiter der RLS grundsätzlich der Schweigepflicht unterliegt und nicht einzig aufgrund des Stichwortes "Drogen" oder "Alkohol" die Polizei zu einem Einsatz alarmieren darf?


    Wäre es - theoretisch - rechtlich unbedenklich, wenn man gerade in Problembezirken die Polizei zur Absicherung in die XY-Straße schickt, ohne zum Patienten selbst etwas mitzuteilen? Wir hatten in der Vergangenheit ja schon darüber diskutiert (im Hinblick auf entsprechende Meldungen aus dem Ausland) ob es sinnvoll ist, bei bekannten Problembezirken, in welchen für die Rettungskräfte eine potentielle Gefahr für Übergriffe besteht, grundsätzlich die Polizei hinzuzuziehen.
    Ich bin mir natürlich der Tatsache bewusst, dass eine reine Bereitstellung der Polizei vielerorts nicht zu leisten ist.


    Wir hatten ein ähnliches Thema übrigens schon einmal: Schweigepflicht in der präklinischen Notfallmedizin - ein Problem?

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Nur interessehalber: Wozu muss denn der Rettungsdienst die Identität von Personen feststellen?


    Das kann unterschiedliche Gründe haben. Es sind beispielsweise psychiatrische Aufnahmen bei uns in Zuständigkeitsbezirke unterteilt, eine Aufnahme darf nur in einer bestimmten erfolgen. Daher ist es in diesem Fall zwingend notwendig eine Adresse zu ermitteln, da andernfalls die Aufnahme in der Regel verweigert wird. Auch im Rahmen der Sorgfaltspflicht ist es häufiger nötig, die Adresse festzustellen. Wir haben sehr stark mit Drogenklientel zu tun und im Rahmen dessen lassen wir halbwegs regelmäßig die Wohnungen süchtiger Mütter öffnen, um die Versorgung der Kinder abzusichern. Die Polizei wird bei einer Wohnungsöffnung ohnehin grundsätzlich hinzugezogen. Das ist das gängige Szenario, es gibt auch andere Fälle.


    Viele Grüße,
    Johannes

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Bei einem Routineeinsatz wegen einer schwer verletzten Person sind Beamte des Philippsburger Polizeireviers am Samstagmittag in der Brettener Straße in Graben-Neudorf auf eine Zuchtanlage für Marihuana gestoßen.


    Der Bewohner des Anwesens, ein 35-jähriger Mann, hatte sich bei häuslichen Arbeiten an einer Glasplatte erheblich verletzt und musste zur Behandlung in ein Krankenhaus gebracht werden. In der Wohnung des Mannes entdeckten die Beamten 48 offen abgestellte Töpfe mit Marihuanasetzlingen sowie eine teils aufgebaute Gewächsanlage mit Luftfilter und entsprechendem Beleuchtungsmaterial. Bei der folgenden richterlich angeordneten Durchsuchung der Wohnung fanden sich insgesamt 216 Gramm Marihuanablüten, 126 Gramm Marihuanablätter sowie 26 Gramm rauschmittelhaltige Pilze. In den beschlagnahmten Töpfen zählten die Beamten insgesamt 89 Marihuanasetzlinge. Die gesamten Betäubungsmittel sowie die Zuchtanlage wurden beschlagnahmt. Die weiteren Ermittlungen hat die Kripo Bruchsal übernommen.


    Quelle: Pressemitteilung der Polizei




    Ich hatte nichts gerochen...

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Was macht die Polizei denn routinemäßig bei einem häuslichen Unfall?


    PS: der Link führt zur Startseite des PP Karlsruhe, nicht zu den Pressemitteilungen

    What I cannot create, I do not understand. (Richard Feynman)


    Mein Name ist Hans, das L steht für Gefahr.

  • Der Notruf kam wohl über die Polizei und da irrtümlich zunächst von einem Suizid die Rede war...

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Ah, verstanden. Blöd gelaufen für den Patient würde ich mal sagen. :whistling:

    What I cannot create, I do not understand. (Richard Feynman)


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