1. Dass ich damit nicht mich nicht richtig auskenne, sollte heißen, dass ich dir keine detaillierte Kostenaufstellung für einen neu geschaffenen Bachelor Studiengang liefern kann.
Logisch erscheint mir trotzdem, dass auf Dauer ein Studium, das deutlich kürzer dauert und weniger Professorenstellen bedarf, auf lange Sicht günstiger wird, als ein vollständiges Studium der Humanmedizin.
Nun, dann haben wir ein grundsätzlich unterschiedliches Logikempfinden. Das ist ja am Ende ok. Für mich ist es mehr als logisch, dass das komplette Neuschaffen eines Studienganges um ein Vielfaches teurer wird als lediglich eine Kapazitätserweiterung, eben weil es wesentlich mehr Professorenstellen bedarf. Es müssen ja auch Lehrpläne geschrieben, Lehrmittel beschafft und ein Studiengang durchorganisiert werden. Das ist personal-, finanz- und zeitintensiv.
2. Die erweiterten Kapazitäten sind nicht annähernd geeignet, die kommenden Probleme zu lösen, also ändert sich an meiner Aussage nichts.
Aber es nutzt eben die gleichen Ressourcen für die klinische Ausbildung, an die du auch heran möchtest. Hart gesagt, würde jeder Notfallsanitäter-Bachelor die Ressourcen (in der Anfangsphase sicherlich weit mehr) binden, die es letztlich auch braucht einen Arzt auszubilden. Und dass die Ressourcen hier die Engstelle sind, ist offensichtlich. Letztendlich ist der Arzt aber wesentlich breiter einsetzbar und hat auch persönlich wesentlich mehr Perspektiven.
3. Ich und manche meiner Kollegen, durften im Rahmen unseres jährlichen Anästhesie Tages, unter Supervision unseres ÄVRD ubd mit Hilfe der Anästhesie Pfleger (innen) eine Narkose einleiten und endotrachial intubieren.
Du sagst nur, das würde keiner machen. Ich habe im Rahmen seines Fortbildungstages das Gegenteil erlebt. Mir fällt kein Grund ein, warum das im Rahmen eines Studiums nicht auch möglich sein sollte.
Überstunden Frustration und liegengebliebene Arbeit, gilt in meiner Klinik auch für die fahrenden Notärzte.
Das mit den Überstunden gilt für alle Ärzte immer. Den Wunsch "unliebsame Arztaufgaben" abzunehmen, so du den wirklich ernst gemeint hast, habe ich lediglich mit der Warnung versehen. Das war kein Gegenargument zum Bachelor-NotSan an sich. Was deine Anekdote nun soll, erschließt sich mir nicht. Notfallsanitäter sollen im Rahmen ihrer Ausbildung die endotracheale Intubation erlernen, sicherlich klappt das vielerorts bereits eher schlecht als recht. Weil die Anzahl an zur Verfügung stehenden einfachen Intubationen zwischen (jüngeren) Assistenzärzten, Medizinstudenten und Notfallsanitäterauszubildenden aufgeteilt werden - und zwar in aller Regel dieser hierarchischen Folge. Du willst nun nicht nur die (sichere) endotracheale Intubation dem Bachelor beibringen, sondern auch die Fähigkeit zur RSI (und Thoraxdrainage). Und daran glaube ich nicht. Sicherlich kann dich das mal jemand unter sehr viel Aufsicht (eine normale niedrig-Risikonarkose) machen lassen, aber niemand hat die Kapazität dir das bis zur Eigenständigkeit beizubringen.
4. Dann möchte ich dich auch eindringlich darum bitten, mir nichts in den Mund zu legen.
Ich habe von Anfang an gesagt, dass kritisch Kranken einen Notarzt benötigen und den auch erhalten sollten.
Du hättest einen Punkt, wenn das Deine einzigen Notarzteinsätze gewesen wären in letzter Zeit. Aber wenn du selber sagst, dass du viel Notarzt gefahren bist, spricht das eher für meine Argumentation.
Auch ich wollte dir nichts in den Mund legen, habe mich hier wohl unzureichend ausgedrückt. Ich sehe die Notwendigkeit eines Notarztes aber durchaus auch bei einigen Patienten unter NACA 5, und da möchtest du ihn, nach dem was ich verstanden habe, gerne ersetzen und du möchtest Kompetenzen auf einen extrem teuren, neu geschaffenen Notfallsanitäter-Bachelor übertragen, die dieser meiner Meinung nach nicht erlernen kann (und sollte).
Mein Fazit: Hätte man vor 10 Jahren gleich einen Studiengang eingeführt, den Rettungsassistenten für den derzeitigen normalen Rettungsdienst Wahnsinn behalten und den studierten NFS zu allen
Einsätzen unterhalb NACA 5 geschickt, die vermutlich nicht lebensbedrohlich sind aber einer medikamentösen Therapie bedürfen und den gut ausgebildeten profi-notarzt wie dich, für offensichtlich kritische Patienten, [...]
Wenn du mir die kleine Spitze verzeihst, erstaunt mich dein Bild von mir. Ich bin Weiterbildungsassistent und Börsennotarzt (gut, ich fahre schon auch über die Klinik). Also bin ich doch schon fast das personifizierte Übel des Notarztwesens, oder doch nicht?
[...] würden meiner Meinung nach die Vorteile die Nachteile überwiegen.
Vielleicht lösen sich alle derzeit diskutierten Probleme rund um den Notfallsanitäter in den nächsten 10 Jahren.
Sei es die rechtliche Bewertung der fragwürdigen Vorabdelegation, überforderte Kollegen, die mit ihrem Job eigentlich ganz zufrieden waren und zur Weiterbildung gezwungen wurden und sich jetzt überfordert fühlen oder das Thema des Thread hier.
Ich hoffe auf eine gute Entwicklung des Notfallsanitäters, und ich hoffe auch darauf, dass sich die Pilotprojekte eines Bachelor-Notfallsanitäters wie er im jetzigen NotSanG (Studium als Alternative zur Ausbildung) vorgesehen ist, noch etwas etabliert und da vielleicht auch ein paar Früchte in Richtung einer wissenschaftlichen Tätigkeit aus dem Rettungsfachpersonal heraus ergibt. Da steckt tatsächlich noch viel Potenzial drin und daraus könnte sich auch insgesamt eine bessere Infrastruktur im Sinne von studierten Führungskräften und besseren Pädagogikstudiengängen für den Rettungsdienst und vieles mehr ergeben. Aber auch das ist derzeit leider Träumerei. Und wenn die jetzige Kompetenzentwicklung des Notfallsanitäters durch ist und sich fest etabliert hat und man wirklich nicht mehr um die "normalen" SOP diskutieren muss... könnte daraus ja vielleicht ein Masterstudiengang entstehen der auf mehr natürliche Weise eine Ebene zwischen NotSan und Notarzt schafft. Meiner Meinung nach aber weiterhin ohne RSI und Thoraxdrainage.
Mir ist schon klar, dass durch Reduzierung der Notarztstandorte nicht alle Ärtze anderweitig tätig werden, aber wenn sie in Notarztdienste oder Telenotarzt Zentralen arbeiten , sind sie 100% nicht für andere Tätigkeiten verfügbar. So wäre es vielleicht nur ein Teil.
Auf die Stellenanzahl wird sich das wirklich nur minimal auswirken. Sicherlich werden ein paar Planstellen an Kliniken, die fest Notärzte stellen frei, aber das sind in der Masse nicht spürbar viele. Das Gros der Notarztdienste wird über Opt-Out oder Honorarstellen als Nebentätigkeit geleistet, das haben wir bei dem Rentenversicherungsdesaster und der folgenden gesetzlichen Ausnahme für Notärzte doch mehr als deutlich gesehen. Und die Leute machen das nicht fürs Geld, sondern aus Spaß (es gibt lukrativere Honorarjobs). Die Stellen würden einfach nicht mehr wahrgenommen.
Aber jetzt ist wirklich genug, wir werden uns da nicht einig. Die Sache ist, wie sie ist. Ich lehne mich entspannt zurück und schaue mir die nächsten 20 Jahre an.
Wir müssen uns ja glücklicherweise auch nicht einig werden. Aber ein gewisses Verständnis der Gegenargumente erweitert den Horizont.