Infusionen

  • nach 2033 tagen taucht dieser thread unerwartet wieder auf. ich komme gerade von einem notfallseminar in einer zahnarztpraxis und habe empfohlen, das im notfallkoffer anwesende KALZIUM nicht einzusetzen. wer kann mir eine fundierte begründung dafür liefern, dass es out ist?

  • Ich meine Calcium in zweierlei Hinsicht aus dem Notfallbereich zu kennen. Einmal als Calciumgluconat zur Behandlung einer Flusssäurevergiftung/-Ätzung. Und dann...allerdings nur aus einem US-Weblog...zur cardioprotektiven Wirkung bei Hyperkaliämie...wenn noch keine Dialyse in Reichweite ist.


    Ich wäre aber für weitere Infos oder Berichtigungen dankbar...

  • Mir ist keine Indikation für eine systemische Kalzium-Gabe im Rettungsdienst bekannt. Die Applikation von Elektrolyten ohne Kenntnis der Plasmakonzentration kann schädlich bis sogar gefährlich sein.

  • @rc: ich kenne nur die Gabe von Calcium bei der Hyperventilation. Ist aber (aus den von Ani angeführten Gründen) seit sicherlich 2 Jahrzehnten out.

  • "Calcium ist ein funktioneller Antagonist von Kalium und verhindert die akuten elektrischen Folgen der Hyperkaliämie am Myokard, senkt aber nicht den Serum-Kaliumspiegel. Deshalb müssen parallel dazu Maßnahmen zur Kaliumsenkung ergriffen werden, zum Beispiel die Gabe von Glucose/Insulin (Cave: Hypoglykämie!) oder bei Vorliegen einer Azidose die Infusion von Natrium-Bikarbonat. Wegen der hohen Natriumzufuhr ist Letzteres bei bestehender Volumenüberladung problematisch."


    Von hier: http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=37332


    Jahr 2003

  • Moin,


    bezüglich der Calziumgabe im Rahmen der Anaphylaxie kann ich Res Cogitans recht geben. In seiner Präsentation war ja die Erstauflage des LPN (1997) erwähnt, ich habe diese mal aus dem Regal gefischt und nachgelesen: Bei Anaphylaxien im Stadium 1 & 2 wird hier noch eine Calcium Applikation (10 mL 10% Lsg.) durch den Notarzt als Standartmedikation aufgeführt. Eine nähere Begründung bietet das Buch leider nicht. Allerdings dürfte die Brücke zum Zahnarztnotfallkoffer hier geschlagen sein. Also, gemäss Res Quelle oben, mindestens seit 1999 nicht mehr Stand der Medizin.



    Viele Grüsse,
    Johannes

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Bastigkeit schreibt zum Thema Anaphylaxie folgendes:


    Antihistaminika oder Calcium?
    Die Effizienz von oralen Antihistaminika oder gar Calcium wird in einem derartigen Notfall als kontrovers diskutiert. Calciumionen sind in die Liberation von Histamin aus den Mastzellen eingebunden. Wird der Calciumkanal geöffnet, kann allergenes Histamin aus der degenerierten Mastzelle austreten. Will man antiallergisch vorgehen, müsste man Calcium entziehen. Mastzellstabilisatoren wie Natriumchromoglycat schützen die Mastzelle vor einer Calciumüberladung. KEIN calciumhaltiges Medikament führt in seiner Fachinformation allergische oder gar anaphylaktische Reaktionen auf. Auch Nahrungsergänzungsmittel erwähnen lediglich eine â??Verzehrempfehlung einer calciumreichen Diätâ?? drücken sich aber vor dem Wort Allergie. Es ist als Werbelyrik anzusehen, wenn auf derartigen Präparaten eine Sonne abgebildet ist. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist der Einsatz von Calcium zur Allergie(prophylaxe) in Deutschland weit verbreitet. Es existieren hierzu keine (evidenzbasierten) Studien.


    Antihistaminika der 2. Generation (Loratadin, Cetirizin) agieren als kompetitive Antagonisten und können erst dann am Rezeptor andocken, wenn dieser wieder freigegeben ist. Histamin hat die höhere Affinität. Antihistaminika der 1. Generation wie Dimetinden blockieren nicht den Rezeptor, sondern schalten den gesamten Histamin-Rezeptorkomplex auf â??inaktivâ??. Das geschieht rasch und hocheffizient, leider erkauft man sich dies mit einer starken Sedierung. Diese ist beim Notfallpatienten jedoch nicht erwünscht.




    Quelle: http://news.doccheck.com/de/ar…e-fiese-boese-biene-maja/

  • hier ist ein netter text. leider geht daraus nicht hervor, warum calizum beim anaphylaktischen schock als indiziert gegolten hat.


    Dem Calcium wurde im Rahmen der Anaphylaxie ein membranstabilisierender Effekt nachgesagt, wenn ich mich recht erinnere...

  • Hier noch eine medizingeschichtliche Ergänzung:
    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pm…df/brjpharm00486-0156.pdf


    In vitro zeigte sich in verschiedenen Experimenten, dass bei erhöhten Calciumkonzentrationen die Histaminfreisetzung verringert sei.


    Daher würde ich nun mit meinen historischen Physiologiekenntnissen ;-) sagen: membranstabilisierender Effekt + gehemmte Histaminfreisetzung --> Mittel bei der Anaphylaxie. Heute allerdings aufgrund weitaus nebenwirkungsärmerer Alternativen obsolet.

  • Was ist eigentlich diese geheimnisvolle "membranstabilisierende Wirkung"? Seit ich diesen Begriff das erste Mal in meine Rettungssanitäter-Ausbildung und später im Studium gehört habe, frage ich mich das. Und niemand konnte mir es bisher erklären. Bisher habe ich das immer von Adrenalin und Korticosteroiden gehört. Jetzt kommt auch noch Kalzium dazu... ;)

  • Was ist eigentlich diese geheimnisvolle "membranstabilisierende Wirkung"? Seit ich diesen Begriff das erste Mal in meine Rettungssanitäter-Ausbildung und später im Studium gehört habe, frage ich mich das. Und niemand konnte mir es bisher erklären. Bisher habe ich das immer von Adrenalin und Korticosteroiden gehört. Jetzt kommt auch noch Kalzium dazu... ;)


    Ich habe es so in Erinnerung, dass die Membran durch freie Radikale, normalerweise H+Ionen, seine Form und Funktion einbüsst, welche durch die "free radical scavengers" oder "Lazaroide" verhindert wird.

  • Das reicht mir irgendwie nicht. Und sind Wasserstoffionen frei Radikale? Und welche Rolle spielen jetzt Steroide, Adrenalin oder Kalzium?

  • Das ist die einzige "membranstabilisierende Wirkung", die ich in der Tat kenne. Aber außerhalb der Elektrophysiologie und im Zusammenhang mit Ödemen, Allergien etc. ist mir das biochemisch, bzw. physikalisch völlig unbekannt.

  • Einige Oberflächenstrukturen, wie z.B. die Alveolen werden nicht nur durch den Antiatelektasenfaktor offen gehalten, sondern auch durch Schwefel-Schwefel-Brücken, die mechanisch anfällig gegenüber freien Radikalen sind. Im weiteren greifen freie Radikale das Kapillarendothel und Alveolarepithel an. Dies führt zu einer Verdickung und zu einer Hyperplasie mit Ödemen. Angeblich wirkt genau hier das Cortison.

  • Also das mit den freien Radikalen finde ich etwa ungewöhnlich...


    Die bekannteste Wirkung ist folgende:


    Zitat

    Annexin is also known as lipocortin.[1] Lipocortins suppress phospholipase A2.[2] This is the mechanism by which glucocorticoids (primarily cortisol) inhibits inflammation.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Annexine


    Lipocortin hemmt die Phospholipase A2 --> weniger Arachidonsäure; Arachidonsäure ist der Grundstoffe für die Synthese von Leukotrienen, Prostaglandinen und Thromboxanen.
    --> Cortison hemmt die Entzündung



    Entschuldigung, dass ich das nun so ausführlich schreibe, aber irgendwie fand ich die vorherige Erklärung einfach zu abenteuerlich.
    Ich lasse mich aber gerne an Hand von Quellen eines besseren belehren. :-)