Tod eines Patienten: Rettungsassistenten müssen sich erneut vor Gericht verantworten

  • In einem Berufungsverfahren müssen sich seit gestern zwei Rettungsassistenten vor der 6. Strafkammer am Mainzer Landgericht verantworten.
    Die beiden Rettungsassistenten wurden bereits im Mai 2007 vom Amtsgericht der gemeinschaftlichen fahrlässigen Körperverletzung schuldig gesprochen und vorbehaltlich zu einer Geldstrafe von jeweils 900 Euro verurteilt.


    Grund für die Anklage war ein Einsatz bei einem 44-Jährigen im September 2005, der über Übelkeit, Schweißausbrüche und Schmerzen in der Brust klagte. Ein von den Rettungsassistenten abgeleitetes EKG sowie die Erhebung von weiteren Parametern ergaben laut Aussage der Angeklagten keinen Hinweis auf eine lebensbedrohliche Situation, zudem sei der Mann beschwerdefrei gewesen, als sie die Einsatzstelle wieder verließen. Sie gingen von einer Panikattacke aus und verwiesen darauf, bei erneuten Beschwerden den Hausarzt oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst hinzuzuziehen.
    Der Mann wurde später von einem zweiten Rettungswagen in eine Klinik verbracht, wo er kurz darauf an einem Hinterwandinfarkt verstarb.
    Die Ehefrau des Patienten hatte einen der Rettungsassistenten zudem für einen Notarzt gehalten und auf dessen Aussage, es sei nichts am Herzen, vertraut.


    Ein erstes medizinisches Gutachten hatte die beiden Rettungsassistenten entlastet und ihnen ein fehlerfreies Verhalten bescheinigt, der Patient habe sich nicht als Notfall dargestellt, der Infarkt des Mannes habe einen untypischen, tragisch-schicksalshaften Verlauf genommen. "Ein Arzt hätte wie die Angeklagten entschieden" - so das Gutachten.
    Ein weiteres Gutachten der Universität Mainz stellt jedoch fest: "Die Angeklagten haben falsch gehandelt. Bei ungeklärter Ursache ist es Standard, unbedingt einen Arzt hinzuzuziehen!" Der Staatsanwalt kritisierte, dass die Assistenten mit der Aussage "Es ist nichts am Herzen" eine Diagnose gestellt hätten, die nur einem Arzt zustehe.


    Der Prozess wird fortgesetzt.


    Quelle: http://www.allgemeine-zeitung.…t.php3?artikel_id=3290807

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • wer ist in die berufung gegangen? die staatsanwaltschaft oder die angeklagten?

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  • Das ist leider weder dem Quellartikel, noch auf den Seiten des Landgerichts zu entnehmen. Dort ist lediglich ersichtlich, dass es sich um ein Berufungsverfahren handelt. Aufgrund des zweiten Gutachtens würde ich aber davon ausgehen, dass hier die Staatsanwaltschaft aktiv wurde.

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  • Das Verfahren wurde gemäß § 153a StPO vorläufig eingestellt. Den Angeklagten wurde auferlegt, jeweils 900,-- Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Erfolgt die Zahlung, wird das Verfahren endgültig eingestellt. Es wird daher in dieser Sache voraussichtlich kein Urteil ergehen.


    Quelle: Landgericht Mainz

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  • Artikel zum Entscheid in der "Allgemeine Zeitung": http://www.allgemeine-zeitung.…t.php3?artikel_id=3297478


    Wie in dem Artikel zu lesen ist, stand den Rettungsassistenten zum Zeitpunkt des Vorfalls kein 12-Kanal-EKG zur Verfügung.
    Inzwischen wurden alle RTW mit einem entsprechenden Gerät ausgerüstet.

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  • Es dauert halt manchmal etwas länger, bis sich bestimmte Dinge überall durchgesetzt haben. Ich habe es damals bei der Pulsoxymetrie und der Schaufeltrage erlebt. Dinge, die für Euch Jüngeren heute selbstverständlich sind.

  • Man könnte auch so argumentieren: gerade weil man kein komplettes EKG hatte, hätte man erst Recht ein Krankenhaus aufsuchen müssen.

  • @all
    Nach wie vor beharre ich auf meine Meinung, Einstellung und Forderung, dass das Rettungsdienstpersonal stärker in der Diffenzialdiagnostik geschult werden soll und muss!
    Panikattacke??? Wie psyschologisch geschult waren denn die Kollegen um diese PA zu diagnostizieren UND zu verifizieren?? Also ich kann das heute noch nicht....psyschologie ist ein extrem weites Feld auf welchem der Laie sich verlaufen kann!
    Der maskierte Infarkt...wie ich ihn hier vermute ,war das Ergebnis!
    Nun war ich nicht dabei und kenne die akutszene nicht....meine Stategie wäre hier eine andere gewesen.
    ° den Patienten höflich zum Transport in die Klinik drängen
    ° Hinweis auf versteckte Erkrankung, welche nur in der Klinik abgeklärt werden kann
    ° den ärztlichen Notfalldienst nachfordern...allerdings beim Patienten verbleiben
    ° bei Unsicherheit darf man auch gerne mal in der Klinik anrufen und ärztlichen Rat einholen
    ( hier meinen Dank an die Ärzte/innen aller ludwigshafener Kliniken welche dieses Procedere gerne
    unterstützen um dem RD-Personal auch telefonisch zur Seite stehen! )


    Natürlich werfe ich den Kollegen keine Schuld vor.....es hätte zugunsten des Patienten, der Familie und den dortigen Kollegen viel Elend erspart. Das sich auf die tollen Geräte verlassen und erstellte Parameter als nicht weiter abzuklärende Werte einfach so hinzunehmen....es war fatal!
    Ich selbst kann aus diesem bedauerlichen Vorfall sogar noch was lernen....denn ich schlage gleich nach.....Panikattacke, Entstehung und Therapie!
    Freue mich dennoch für die Kollegen daß es nicht zum Verlust des Arbeitsplatzes kam und nun 12 Kanal - EKG angeschafft wurden....obwohl, diese Geräte können die Diagnostik nur Unterstützen , aber nicht ersetzen! Gruß vom Hans

  • Zitat

    Original von fakl
    Und wenn man den Kasten auch noch aufs Auto packt :
    http://www.roche.com/DE/home/p…_diag_products/cobas-h232
    ?
    ;-)


    Und wenn diese Testergebnisse (Troponin/CK) negativ wären - könntest Du dann einen akuten Myokardinfarkt ausschließen...? ;)





    Zitat


    Aber trotz eines 12 Kanal EKGs und entsprechender Veränderungen im selbigen, wäre ich mir trotzdem nicht sicher, ob die jeder erkennt... ;)


    Richtig...
    Die Qualität der EKG-Beurteilung ist häufig - freundlich beschrieben - verbesserungsbedürftig...

  • Zitat

    Original von alan


    Und wenn diese Testergebnisse (Troponin/CK) negativ wären - könntest Du dann einen akuten Myokardinfarkt ausschließen...? ;)


    Nö,bei Thoraxschmerzen mache ich ohne einen Menschen mit Approbation und abgeschloßenem Studium nichts.
    Das wäre ja noch schöner. Denn so "tolle" Erlebnisse vor Gericht können sich negativ auf die eigenen Ambitionen einer Approbation auswirken. ;)

  • Zitat

    Original von fakl


    Nö,bei Thoraxschmerzen mache ich ohne einen Menschen mit Approbation und abgeschloßenem Studium nichts.
    Das wäre ja noch schöner. Denn so "tolle" Erlebnisse vor Gericht können sich negativ auf die eigenen Ambitionen einer Approbation auswirken. ;)


    Auch ich könnte damit keinen akuten Myokardinfarkt sicher ausschließen... ;)


    Meinte das allg. auf Rettungsfachpersonal (RS/RA/NA) bezogen... :D


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    Edit: Zu schnell geklickt...[/SIZE]

    Gruss,
    Alan

    Einmal editiert, zuletzt von alan ()

  • @res cogitans


    Wie im letzten Online-Zeitungsartikel zu lesen ist, kam die Berufung auf Initiative der betroffenen Kollegen zustande, welche sich zunächst nicht mit der verhängten Geldstrafe arrangieren konnten.


    @Ani


    Es gab kein Urteil (und demnach keine Urteilsbegründung), das Verfahren wurde nach § 153a StPO eingestellt. Sofern die verhängte Geldstrafe gezahlt wird, wird es zu keiner weiteren Verhandlung kommen.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Das macht man typischerweise mehr oder weniger konsensual, ohne große Begründung. Wenn sich die beteiligten Juristen einig sind, dass kein großer Schuldvorwurf im Raum steht, ist das gang und gäbe. Es hat den großen Vorteil, dass niemand ein Urteil schreiben muss und keiner Rechtsmittel einlegen kann.

  • @Ani


    Leider nein.


    NACHTRAG: Danke für die Ergänzung, Schmunzel.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.